eine existenz
Eine Existenz
„Eigentlich kann man es kaum begreifen, dass man existiert.“
...
Das denkt auch er, während er seine Existenz in seinen Händen hält. Zahlen, Daten, Namen, Buchstaben, Tinte auf weissem Papier, fein gedruckt mit Stempel. Das bin also ich.
Das sind mehrere Milliarden Menschen. Namen, Zahlen, Daten. Vielleicht noch ein Foto, natürlich nur zum vergleich.
Der Mensch, denkt er, ist ein Papier. Vielleicht noch ein Foto, das ihm gar nicht ähnlich sieht. Aber er ist es trotzdem.
Eigentlich kann man es kaum glauben, dass ich gar nicht existiere. Ich bin abhängig von Papieren, Zahlen, Daten, Namen.
- Das bin Ich?
- Ja, das bist du.
...
Vielleicht hätte er das nicht tun sollen, vielleicht wäre es besser gewesen, er hätte eine andere Hose angezogen. Eine Hose ohne Taschen. Oder besser: Eine Hose ohne Streichhölzer in den Taschen. Vielleicht hätte er auch einfach aufhören sollen zu rauchen. Dann wäre ihm gar nicht erst die Idee gekommen.
Aber nun ist es zu spät, nun flackert sie vor seinen Augen und verschwindet. Namen, Zahlen und Daten, Fotos und Nationalitäten, sie verschwinden unter dem glühenden Schwarz, zerbröseln zu heissem Staub, werden in Funken vom Wind davongetragen. Er steht daneben und schweigt äußerlich. Der Wind zerzaust sein Haar.
...
„Warum hast du das getan?“
...
Er muss lächeln, äußerlich. Eigentlich weiß er es nicht.
...
„Mir war einfach danach.“
Wollte er sich selbst vernichten?
„Vielleicht.“
Er muss sich nicht rechtfertigen.
Konnte er seine Existenz nicht mehr ertragen?
„Nein, das nicht.“
Also, warum?
...
Er erträgt diese Fragerei nicht mehr. Es geht niemanden etwas an. Es ist seine Existenz, er kann darüber bestimmen. Wenn er sie verbrennt, dann ist das seine Entscheidung.
„Ist das hier ein Verhör?“
Nein.
...
Vielleicht ist es das, was er wollte; über seine eigene Existenz bestimmen. Vielleicht wollte er sich selbst beweisen, dass er mehr ist als Zahlen, Daten, Namen, dass ein Foto nicht sein wahres Gesicht zeigen kann, dass ein Papier nicht darüber bestimmt, ob er existiert oder nicht. Vielleicht wollte er zeigen, dass er nicht abhängig ist, dass er frei ist.
...
Auf dem Papier ist er tot.
...
„Aber ich bin immer noch hier, oder?“