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Eine Geschichte über Verlust

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21.08.2014
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Eine Geschichte über Verlust

Es gab einen Jungen, vor etwas längerer Zeit. Dieser Junge war erfüllt von Angst.
Er hing an seinem Vater wie kaum ein Anderer. Er fragte ihn um Rat zu jeder Gelegenheit, wusste sich wohl umsorgt und konnte sich stets sicher sein, sein Vater würde sich Gedanken um ihn machen.
Dieser Gedanke war der einzige Trost in einer Welt, die auf ihn kalt, hart und beängstigend wirkte. Wenn es Jemand gab, der ihn bedingungslos liebte und sich Sorgen machte und in dessen Gedanken er immer einen Platz hatte, dann war es sein Vater.

Die Jahre zogen ins Land. Der Junge lebte sein Leben bescheiden und wünschte sich lediglich die wohlige Geborgenheit, die ihm von Beginn seines Lebens zu Teil wurde.
Umso mehr wuchs die Angst in ihm heran, dieses Gut zu verlieren. Mit jedem Jahr das verging dachte er mehr und mehr an Verlust und Leid. Er war sich bewusst, dieser Tag würde kommen. Nur konnte und wollte er sich den Tag, der auf diesen Tag Folgen würde nicht vorstellen.

Der Junge lebte jahrelang mit einer tief verwurzelten Angst, aus der sich seine Unsicherheit in allen Belangen seines Lebens immer mehr heraus entwickelte.

Schließlich war der Tag gekommen an dem es Niemanden mehr gab, der sich Sorgte. Niemand, dessen Gedanken um den Jungen kreisten. Niemand, der ihm einen Rat geben konnte.
Oft genug hatte sich der Junge in diese Situation hinein gefühlt. Zu stark war der Schmerz über den Verlust. Ihm war, als täte sich der Boden unter seinen Füßen auf und zerfalle zu einem tiefen Schlund der Unendlichkeit. Es machte wirklich alles keinen Sinn.
Die Jahre der Angst über genau diesen Augenblick waren eine Verschwendung an kostbarer Lebenszeit, dachte der Junge. Und nun, wo der Tag gekommen ist, geht es nicht weiter. Die Welt hörte auf sich für den Jungen zu drehen und er war augenblicklich der einsamste Mensch auf der Erde. Und er würde es vermutlich bleiben.

Einige Zeit verging. Die Schockstarre hielt lange an. Sie besserte sich zwischendurch. Aber sobald ein positiver Gedanke sich den Weg durch den Kopf des Jungen suchte, verdrängte dieser ihn sogleich. Fröhlich sein, das geht nicht mehr, dazu habe er kein recht mehr, dachte der Junge.

Eines Tages stand der Junge vor seinem Fenster. Es war im Frühling. Er öffnete das Fenster und spürte die frische Frühlingsluft auf seiner Haut. Er sah hinaus und erblickte den Himmel, der ohne eine einzige Wolke in einem solch kräftigen Blau erschien, wie es der Junge noch nie zuvor bemerkt hatte. Er atmete tief ein und vernahm den blumigen, frischen Duft einer Frühlingsbrise. Für einen Moment schloss er die Augen und hielt inne.

Als er seine Augen wieder öffnete wusste er, dass sich sein Leben zum positiven wenden würde. Er wusste, dass er stark war, sein Leben in die eigene Hand zu nehmen und sich um sich selbst zu kümmern.
Und er wusste, dass er das Vergangene in seinem Herzen behalten würde und es somit niemals ganz sterben würde.

Ende

 

Hallo Phil, herzlich willkommen bei uns.
Mir passiert zu wenig in Deiner Geschichte. Dein Protagonist ist reiner Gedankenträger. Das ist mir ein bisschen zu langweilig. Lass ihn eintauchen in eine Handlung, die zeigt, was bei ihm los ist. Lass ihn in einem Dialog reden und den Leser begreifen, wie er tickt. Oder erkläre es in einer Metapher. Sie ist das zu vorgefertigt und dadurch langweilig.
Lass dem Leser Spielraum für eigene Interpretationen. Zeichne den Charakter durch die Handlung.

Er ist verhaftet in der Angst, den Verlust zu erleben, dann schaut er in den Himmel und ändert sich plötzlich.
Warum?

Es ist insgesamt zu eindimensional.
Viel Spaß beim Schreiben wünscht
Gretha

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo und herzlich willkommen hierorts,

lieber Phil412 –

was mir bei Deinem kleinen Text zuerst auffiel ist die verborgene Poesie, wie sie Schüler zu schreiben pflegen – und im Kitsch abstürzt

Er atmete tief ein und vernahm den blumigen, frischen Duft einer Frühlingsbrise
Da wird allein das Atmungsorgan heillos überfordert sein durch mechanische (vernehmen = hören) und chemische Sinne (Duft = riechen, schmecken). Keine bange, das ist nix Schlimmes und nicht jeder ist sofort ein Rimbaud.

Wär auch arg langweilig, wenn’s denn so wäre. Fangen wir mal an mit dem ersten Satz – womit denn sonst!

Es gab einen Jungen, vor etwas längerer Zeit
Das ist sicherlich wahr und zugleich nicht: Es gab immer schon Jungen, ungezählte, und es wird immer Jungen geben, solange nix dazwischen kommt. Du meinst aber einen ganz bestimmten, den Du gleich näher beschreiben wirst. Aber das wirkliche Geheimnis des ersten Satzes bleibt das Komma, das an sich entbehrlich ist. Möglich ist, dass der Sprecher dadurch eine Regieanweisung erhält, eine Pause einzulegen und so den Appendix
vor etwas längerer Zeit
hervorzuheben.

Nun kommts heraus

Dieser Junge war erfüllt von Angst.
Mrd. Menschen ängstigen sich. Wahrscheinlich sogar alle, denn Angst hat auch eine Schutzfunktion. Wer ohne Angst über die Straße läuft, wird nicht glücklich werden - zumindest nicht allzu lange ... Angst macht halt vorsichtig. Wer nur von Angst gefoltert wird, wird übervorsichtig. Angst unterscheidet sich von Furcht, da sie keinen Gegenstand benennen kann (denn dann wär’s Furcht vor eben diesem Objekt). Angst ist grundlos und die erste überhaupt, die wohl auch jeden - selbst den, der's Gegenteil behauptet - überfällt, ist die Trennungsangst. Den Wenigsten aber widerfährt’s, dass sie etwa von der Mutter – aus welchem Grund auch immer – getrennt werden, so bedauerlich das für die Betroffenen ist.

Doch jetzt stellt sich heraus

Er hing an seinem Vater wie kaum ein Anderer.
Also kein Muttersöhnchen. Er hängt also an seinem Vater – aber wer („ein Anderer“?) außer vielleicht seine Mutter und andere Familienmitglieder soll denn noch am Vater hängen? Freunde, Bekannte?
Er fragte ihn um Rat zu jeder Gelegenheit, wusste sich wohl umsorgt und konnte sich stets sicher sein, sein Vater würde sich Gedanken um ihn machen.
Fraglos ein Satz ohne Geheimnis. Aber warum ist der abschließende Teil
…, sein Vater würde sich Gedanken um ihn machen.
im Konjunktiv irrealis („würde“)? Klar, hier vor Ort wird nahezu alles eher fiktiv denn real sein, was durch wirrtuelle Medium eher noch verstärkt wird.

Der Junge zweifelt also an seinem Vater. Zweifel haben aber wenig mit Ängsten zu tun, es sei denn, einer ver-zweifelte. Darum kann der nächste Satz

Dieser Gedanke war der einzige Trost in einer Welt, die auf ihn kalt, hart und beängstigend wirkte.
so, wie er da steht, nicht richtig sein: Welchen Trost bietet jemand, an dem man zweifelt? Zweifel sind wenig tröstlich – wie dann auch der folgende Satz die pure Übertreibung ist
Wenn es Jemand gab, der ihn bedingungslos liebte und sich Sorgen machte und in dessen Gedanken er immer einen Platz hatte, dann war es sein Vater.
Warum die Substantivierung des „Jemand“ wie schon zuvor der „Andere“ (s. o. die Passage „kaum ein Anderer“) – jemand ist das allgemeinste, was man über einen Menschen sagen kann (manche fügen sogar das noch abwertendere „irgend“ davor). Es hat sich aus dem ahd. io-/eoman über mhd. ieman entwickelt und bedeutet aus seinen Teilen io/eo „immer“ (was noch im heutigen „eh“ durchschimmert) und man(o), Mensch, Mann und somit nahe beim niemand (nioman, dann nieman) – wo jemand die Negationspartikel „ni(e)“ einfach vorgesetzt wird.

So wird aus dem jemand ein niemand.

Die Jahre zogen ins Land.
Die Zeit steht still. Bewegung und Veränderung biologischer, physikalischer Art (usw.) erwecken in uns den Eindruck von Zeit. Tatsächlich gibt’s immer nur Gegenwart, Vergangenheit sammelt sich im Kopf (Gedächtnis, Erinnerung) und während die Vergangenheit anwächst, frisst sie die Zukunft, die durch die wachsende Vergangenheit schrumpft. Das merkt jeder, der älter wird, nicht nur an den Zipperlein.
Uhrzeit ist eine bürgerliche Erfindung und setzte sich mit dem wachsenden Einfluss der Städte durch – womit wir wieder bei Rimbaud landen und für heute genug sein lassen (mein Kommentar ist ja schon länger als der Muttertext – und es ist nicht mal die Hälfte besprochen).

Rimbaud nahm nämlich bevor er die Poesie aufgab und Waffen(!)händler wurde, an der Kommune (genauer La Commune de Paris) teil. Der erste revolutionäre Akt der Aufständischen zu Paris war, öffentliche Uhren als Symbol des verhassten Kapitalismus zu zerstören, wie nahezu 100 Jahre später von raffinierten und klugen Demonstranten den Polizisten die Mütze vom Kopf gestoßen wurde. Die waren nämlich nur mit Dienstmütze im Dienst und mussten die erst einmal wieder vom Boden aufheben. Damals war Gewalt gegen Polizei quasi gewaltfrei.

Aber bleiben wir noch einen Augenblick bei den trivialen Dingen:
Hier ist ein Relativsatz vom Hauptsatz zu trennen

Mit jedem Jahr[,] das verging[,] dachte er mehr und mehr an Verlust und Leid.
Wie im richtigen Leben haben Sätze, ob Haupt- oder Nebensatz, Anfang und Ende. Hier solltestuu dem Relativsatz nicht nur den Anfang gönnen:
Nur konnte und wollte er sich den Tag, der auf diesen Tag Folgen würde[,] nicht vorstellen.
Hier sind zum einen die denkwürdigen, zumindest unüblichen Substantivierungen und – wenig überraschend – wieder ein Komma nachzufragen
Schließlich war der Tag gekommen[,] an dem es [n]iemanden mehr gab, der sich orgte.
Hier verfällst Du – wahrscheinlich ungewollt – in Anglizismus (to make sense). Es ergab keinen Sinn oder war wenig sinnvoll, also sinnlos.
Es machte wirklich alles keinen Sinn.
Ab jetzt ohne Kommentar:
Die Welt hörte auf[,] sich für den Jungen zu drehen[,] und er war augenblicklich der einsamste Mensch auf der Erde.
Als er seine Augen wieder öffnete[,] wusste er, dass sich sein Leben zum [P]ositiven wenden würde.
Eher entbehrlich das
das der Leser auch ohne Hinweis erkennen wird.

Also nicht einfach drauflos schreiben, erst überlegen, was die Wörter bedeuten.

Alles kein Beinbruch, wird schon werden, meint der

Friedel,
der noch'n schönes Wochenende wünscht!

 

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