liebe wieselmaus,
ich habe mir gleich deinen literarischen Befehl zu Herzen genommen und den ersten Satz meines neuesten Werks, an dem ich gerade endfeile, darauf hin geprüft, ob er wohl deinen Ansprüchen genüge, obgleich mich von deinen Geschichten Welten trennen, so dass ich es dir nicht verübeln könnte, wenn du sie gar nicht beachten würdest, sind sie doch dergestalt, dass sie nur mit Mühe den Trend zu show, not tell zu erfüllen vermögen und auch, was die Sujets betrifft, dir wegen ihrer Harmlosigkeit wahrscheinlich nur ein müdes Lächeln abringen können.
Nun gut, ich kann damit leben.
gut, denn das wäre ja wirklich kein guter Grund zum Sterben. als ich eben sah, dass der nächste Kommentar auf der Liste deiner ist, war ich froh, weil mir deine Enttäuschung darüber, dass ich dir bis dato noch nicht antwortete, noch in Erinnerung war.
als ich den Kommentar dann las, konnte ich mich allerdings nur wundern. da geht es ja überhaupt gar nicht um meinen Text - so misslungen er in vielen Augen auch ist -, sondern ausschließlich um dich und dein Schreiben. ich nehme so was niemandem übel, verstehe aber auch nicht, was ich damit anfangen soll. wenn du dir wünschst, dass ich einen Text von dir kommentiere, schreibe das doch bitte gerade heraus, denn so ein vermitteltes Spiel über die Bande ist - in diesem Kontext - meine Sache nicht. ich mag das nicht, es wirkt unaufrichtig, damit beleidigst du nicht nur meine Intelligenz, sondern deine gleich mit. und wofür?
dass du dann später noch mal einen zweiten Kommentar schreibst und mit dem Verweis auf deinen ersten praktisch darauf insistierst, ich möge mich mit dir und deiner Schreibe beschäftigen, finde ich ziemlich abgefahren und wenn es eine Geschichte wäre, wäre das ein herrlich absurdes Detail. allerdings sind wir nicht in einer Geschichte, sondern in der Wirklichkeit, zwar eine virtuelle, aber nichtsdestoweniger eine Wirklichkeit mit echten Menschen.
deswegen gehe ich auch absichtlich nicht auf deine angeschnittenen Punkte bzgl Sujet, Hammersatz und dem good ol' sho-don't-tell ein.
lange Rede kurzer Sinn: bei mir erreicht mensch eher was, wenn einer direkt und offen ist. wenn du was von mir zu einer deiner Geschichten hören willst, frage doch einfach!
geschätzte Kollegin Isegrims
also der erste lange Satz, den dein Text ausspuckt, also genauer gesagt: der erste Ansatz (von zweien), der ist einer dieser Hammersätze, jawohl, ja unbedingt.
Den zweiten Absatz solltest du komplett streichen, der ist Mist, zerstückelt, zerhackt, was du zuvor mühsam aufgebaut hast.
okay, danke für diese zwei wichtigen Hinweise - ich habe es mittlerweile gelernt, deine Meinung zu schätzen und werde die Punkte bei der Überarbeitung berücksichtigen (auch wenn ich aktuell nicht mehr weiß, was wo wie in diesem meinen Text steht. spielt aber auch keine Rolle, dort werde ich schon wieder hineinfinden.)
So, wie es da steht, so einsam und verzweifelt, taugt es was für nen Blogeintrag oder gehört in den Jammer-Thread oder (weil es sprachlich enorme Kraft, einen exquisiten Stil verrät) zu den Wortkaskaden in die Kreativwerkstatt.
du hast ja so Recht. wie ich zuvor an Freudenreich Friedelsberg schrieb, will und werde ich es mir nicht abgewöhnen, Skizzen zu posten oder Texte, die kaum oder nicht überarbeitet wurden. die Mehrheitsmeinung hier wertet so ein Verhalten meines Erachtens als Respektlosigkeit gegenüber den Lesern und Kritikern, aber ich bin absolut nicht dieser Meinung. schließlich ist jeder frei, einen Text abzubrechen, niemand muss so etwas zu Ende lesen, und es wäre zu einfach gedacht, wenn man behauptet, dass ein Text mit jeder Überarbeitungsstufe nur hinzugewinnt - auch eine Rohfassung hat positive Qualitäten, die mit späteren Überarbeitungsstufen verloren gehen, bspw irritierende aber vielleicht spannende Ideen, die mglw in späteren Versionen wegfallen, weil der Autor daran zweifelt, dass er mit diesem schrägen, wagemutigen Gedanken, den er am Rande seines Gedankenfeldes fand und der sogar ihm selbst neu war, auf Verständnis trifft (ob er überhaupt einen findet, der das nachvollziehen kann, von der lesenden Mehrheit zu schweigen), weswegen er in den abgeschliffenen Versionen solche wagemutigen Versuche und Ideen beiseiten lassen wird, denn sie repräsentieren Wagnisse, mit denen er und der Text einiges verlieren kann, ohne die Chancen, etwas gleichwertiges dazu zu gewinnen. einer der Antriebe, solche Rohfassungen zu posten liegt in dem Glauben begründet, dass der Mut, mich und meinen Text in seiner Unperfektion zu zeigen, Früchte trägt - sei es, dass es eben doch jemanden gibt, der oder die einen seltsam anmutenden Gedanken nachvollziehen kann. sei es, dass eine Marotte oder ein Gedankenfehler, den ich nach der zigsten Überarbeitung sicher ausgemerzt hätte, hier in all seiner Hässlichkeit oder Fehlplatzierung prangt - und ich von den Kritikern sehr deutlich gesagt bekomme, was es mit diesem Punkt auf sich hat, wodurch mir als Autor diese Schwachstelle bzw andere Art zu schreiben oder zu denken wieder bewusst wird und ich die Möglichkeit bekomme, darüber wieder zu reflektiere und also etwas zu lernen. nicht zuletzt hoffe ich auch, andere dazu zu motivieren, Texte zu veröffentlichen, die nicht bis zum letzten abgeschliffen sind, das Wagnis einzugehen, sich in seiner Verletzlichkeit zu zeigen - das kann weh tun, ja, aber man kann selten mehr über sich lernen, als wenn mensch möglichst unverstellt sich und das, was mensch produziert, offen zeigt.
gleichwohl hätte dieser Text in die Kreativwerkstatt gehört,ohne in die Diskussion einsteigen zu wollen, wo die Grenzen der Kurzgeschichten sind, würde ich diesem Text hier seine Geschichtenhaftigkeit absprechen. ich danke dir, Isegrims, für deinen ehrlichen und konstruktiven Kommentar - von dir zu lesen, empfinde ich immer als Gewinn.
Bea Milana
du antwortest gar nicht, alles in Ordnung?
Dein Text nimmt den Hammersatz unter die Lupe und du arbeitest deine eigenen und die gesellschaftlichen (?) Ansprüche an ihm ab; auch höre ich einen Frust heraus. Eine witzige oder bösartige Parodie kann ich aber nicht erkennen. Ich will mich kurz fassen, denn es ist ja schon viel gesagt worden.
Deine Metaphern und Vergleiche sind stilistisch und inhaltlich merkwürdig. Eine Auswahl:
tut mir leid, dass sich jemand Sorgen machen könnte, es wäre mir etwas geschehen, hatte ich nicht vermutet. sonst hätte ich mich wenigstens kurz gemeldet.
Frust? wüsste nicht, wo das drin stecken soll. intendiert war das nicht. aber da täuschen sich die Schreiber ja gern, und manchmal verraten Texte mehr über den Autor, als ihm lieb ist. so einen allgemeinen Frust habe ich schon, das stimmt - aber nicht auf bestimmte Texte bezogen, sondern eher allgemein, wenn ich sehe, wie Kollegen und Freunde von mir mit ihrem Geschreibe viel erfolgreicher sind als ich, gutes Geld verdienen, Wettbewerbe gewinnen und gefühlt überall veröffentlicht werden, während ich all das nicht habe. zwar schicke ich fast nie was zu Wettbewerben oder zu Ausschreibungen und kümmere mich auch bewusst nicht darum, mein Schreiben an Trends und Moden auszurichten, aber das Bewusstsein, sich dem absichtlich zu verschließen, um eben die eigene Stimme möglichst unbeeinflusst zu entwickeln, schützt nicht vollständig vor dem Frust, weniger Beachtung zu finden als Kollegen, die eigentlich nicht besser sind als ich, sondern sich nur besser vermarkten können bzw eine Stimme entwickeln, die ein Bastard ist zwischen dem eigenen Wollen und Können und dem, was die Leserschaft und der Markt verlangen. ich denke langfristiger und habe die Überzeugung, dass es nur Kunst um der Kunst willen ist, die sich am Ende als originelle Stimme durchsetzen wird. doch ist dieser Gedanke manchmal nur ein kleiner Trost und je mehr meiner alten Kollegen, mit denen ich vor einem Jahrzehnt anfing ernsthaft zu schreiben, erfolgreich sind, desto fieser kratzt der Stachel des Nichtbeachtetwerdens.
dass du hier keine witzige oder bösartige Parodie erkennen kannst, kann ich nachvollziehen. für das eine ist es zu umständlich, für das andere nicht konsequent genug, würde ich sagen. es ist ein Anfang, der noch viel Arbeit verlangte, bevor er (vielleicht) als Parodie funktionieren würde.
Mein Problem mit deinem Text liegt sowohl auf inhaltlicher als auch auf formaler Ebene. Ich weiß nämlich nicht, was du mir sagen möchtest. Deine Gedanken laufen relativ unkoordiniert durch das "Gewebe", Sätze voll sprachlicher oder intellektueller Prägnanz finde ich nicht. Formal bemühst du dich um einen einzigen Satz, aber deine Semikolons sind gemogelte Punkte
das nehme ich so an. dem kann ich nicht viel entgegen setzen. außer dass nicht alle Semikolons gemogelte Punkte sind, aber das ist ein kleiner Punkt, wie unter ferner liefen ...
Was soll´s? Experimente sind auch dazu da, sie zu vergeigen und manchmal führen sie erst auf Umwegen zu dem erwünschten Ergebnis. Ich glaube, die Bedeutung von Anfangssätzen wird überschätzt. Nahezu zeitgleich habe ich ja auch versucht, eine Geschichte in einem Satz zu erzählen, weil mich solche Experimente reizen, aber nicht, um den EINZIG WAHREN HAMMERSATZ (aus sieben Wörtern) zu finden, denn den gibt es genausowenig wie den einzig wahren Gott oder ähnliches.
absolute Zustimmung.
Werbetexter haben es da schwerer als die Literaten oder Geschichtenerzähler. Es lebe die Vielfalt!
Ich habe dein Experiment mit Interesse gelesen.
die haben andere Schwierigkeiten, denke ich. aber ja, es lebe die Vielfalt - für einen guten journalistischen Text oder einen prägnanten Slogan aus der Werbewelt habe ich nicht weniger Respekt als für Literatur. wenn ich was auf den Tod nicht leiden kann, ist es die Arroganz einer Gruppe von Menschen, die sich für was besseres halten, seien es Literaten gegenüber Lohnschreibern, Maler gegenüber Kopisten, Komponisten gegenüber Deejays etc ...
Danke für die konstruktive Kritik und deine Gedanken zu dem Gegenstand.
kubische Grüße,
Cube