Eine Minute sehen
Eine Minute sehen
Ein alter Mann saß auf der vom Wetter verwitterten Parkbank und hatte sichtlich Spaß daran, wie der milde Aprilwind mit seinen wenigen,
weißgrauen Haaren spielte.Seine Augen waren weit geöffnet,doch schauten sie nur in eine Richtung, denn er war blind.
Ein zweiter, jüngerer Mann kam den Sandweg zwischen den Bäumen entlang und setzte sich, nach kurzem Zögern dazu.
Er musterte den alten Herren von Kopf bis Fuß, doch dieser schaute ohne eine Regung weiter in die selbe Richtung.
Der junge Mann lehnte sich zurück, zog die Mundwinkel nach unten, so das es den Anschein hatte,
seine Gesichtszüge wären aus Granit und blickte
stur geradeaus.Er erfreute sich nicht an der blühenden Umgebung, denn er litt unter Depressionen.
Eine ganze Weile saßen die Beiden so da, bis der alte Mann plötzlich fragte: "Was sehen Sie?"
Der jüngere erschrak erst ein wenig, dann schaute er sich um und antwortete: "Nichts als Grau, alles ist in diesem stumpfen Grau gestrichen"
Der alte Mann zog erstaunt die Augenbrauen hoch, dass sich seine
Stirn in Falten bettete. "So? Tun sie mir bitte mal einen Gefallen und schließen sie ihre Augen,
nur für eine Minute!"
Etwas irritiert schloß der jüngere seine Augen und wartete ab.
Nach etwa einer Minute öffnete er sie wieder und fragte ungeduldig: "
Und jetzt? Was passiert jetzt?"
Der alte Mann grinste, das sein grauer Stoppelbart dabei kratzende
Geräusche von sich gab: "Das weiß ich auch nicht, aber ich weiß, dass eben gerade eine einsachtzig
große Blondine mit einem knappen, hellroten
Minirock und verdammt tiefem Ausschnitt vorbeigelaufen ist."
Der jüngere Mann drehte seinen Kopf hektisch hin und her und schaute um sich
"Die habe ich gar nicht gesehen!"
bemerkte er enttäuscht.
"Schade" sagte der Alte "Vielleicht sollten sie öfter mal die Augen aufmachen!"