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Fallen lassen

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15.05.2004
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Fallen lassen

Fallen lassen

Sie sitzt in ihrem Schlafzimmer, den Blick starr an die Wand und doch auf etwas viel ferneres gerichtet. Ein Entschluss reift in ihr, ein Entschluss der an etwas rührt, dass sie schon zulange unterdrückt hat.

Sie war grade neunzehn geworden, als ihre Sehnsüchte sich formten, ein krankes Gebilde, das sie keinem Menschen offenbaren konnte. Ihre Liebe war unnatürlich, es brauchte keinen anderen um dies zu erkennen. Also tarnte sie sich, spielte einen Menschen, den ihre Eltern ertragen konnten, wurde eine Marionette des normalen Lebens. Genau wie die anderen hatte sie Verabredungen mit Männern, stellte diese ihren Eltern vor, schlief mit ihnen. Es ekelte sie, all dieses Fleisch, das sich in sie gebohrt hatte an das gerührt hatte, was sie nur mit einer Person teilen wollte. Mit der Person, an die sie dachte, wenn die Leiber schwitzend neben ihr im Bett lagen oder am Kaffeetisch ihrer Eltern saßen. Ihre Liebe war von einer Intensität die sie verbrannte. Allein der Gedanke ernährte sie und ließ sie hungern nach etwas das sie sich selbst verboten hatte. Sie nutzte jede Gelegenheit um ihre Liebe zu füttern wie ein krankes Tier, das verkümmert, wenn es nicht gepflegt wird. Zerstörende Eifersucht befiel sie wenn sie bemerkte, dass er seine Liebe anderen zuwandte, Ekstasen der Befreiung wenn es diese wieder verließ.
Es vergingen Jahre auf diese Weise, das Geschwür in ihr blieb. Sie hatte inzwischen geheiratet, wie es dem normalen Lebenslauf einer Frau entsprach. Marius war ein Leib den sie ertragen konnte, sie hatte es sogar geschafft eine fast freundschaftliche Beziehung zu ihm aufzubauen.

Ein schmerzliches Lächeln weht über ihre Züge. Ihr ist klar, dass er nie an ihrer Treue gezweifelt hat. Sie hatte ihre Rolle perfekt gespielt. All die Jahre über. Jahre, in denen sie ihren Traum nur in Gedanken erleben konnte, quälend und schmerzhaft. Jahre in denen sie zu oft von der Vereinigung geträumt hatte und sich vor Lust zitternd deren Erfüllung gewünscht hatte.

Wo hatte es begonnen?

Sie wusste es selbst nicht mehr. Da war Einsamkeit gewesen... das sichere Wissen darum, dass sie nicht verstanden wurde, dass ihre Wünsche nicht von Interesse waren. Ihre Eltern, oberflächlich, nur an dem Glanz des Äußeren interessiert, die Freundinnen, mit denen man Spaß haben konnte, die aber das Dahinterliegende kalt ließ. Sie fühlte ein leises Schaben in ihrem Geist, Verlust, dem sie keinen Besitz zuordnen konnte. Und gleichzeitig formte sich ein Wunsch. Verstehen... sie wollte jemanden, der Zeit hatte, unendlich viel Zeit, um ihr Wesen zu begreifen, zu verstehen, und sie von ihrer Einsamkeit zu erlösen. In diesem Moment formte sich ihre Liebe. Sie wollte etwas, das über die menschliche Spanne hinausging, während der sie doch immer wieder einsam wäre.

Der Reifeprozess des Entschlusses ist abgeschlossen, sie will nicht mehr träumen, will erleben, was nicht mehr länger ihr selbstgeschmiedetes Verbot ist.
Zum ersten Mal zweifelt sie an etwas anderem. Nun hat sie Angst. Angst, er könne sie zurückweisen, sie könne ihm nicht genügen. Aber der Rückweg ist versperrt. Zuviele Gedanken sind freigelassen, zuviele Barrieren gebrochen.

Sie nimmt das Messer vom Nachttisch. Zum ersten und zu letzten Mal ein Tanz mit dem Geliebten, ohne Rücksicht auf das Denken anderer.
Die Klinge gleitet sanft in ihre Pulsadern, ein Schauer durchfährt ihren Körper. Das Messer zieht sich seine Bahn bis zur Beuge der Elle. Er umfängt sie, nimmt sie auf, küsst alle Zweifel davon. Das Blut läuft aus ihren Adern, sie öffnet sich für ihn und den Schmerz, der sie von weitem an ihre unnatürliche Liebe erinnert. Zum letzten Mal... einsam.

 

So, meine erste Kurzgeschichte. Das Thema ist vielleicht ein bischen merkwürdig, aber die Idee hat mich nicht mehr losgelassen.

 

Hi Sue,

zuerst einmal danke, dass Du Dir die Zeit genommen hast meine Geschichte zu lesen und auch was dazu zu schreiben. Es war Absicht, dass der Leser über das Objekt der Liebe der Frau im unklaren gelassen wird. Ansonsten würde der Geschichte meiner Meinung nach einiges vorweggenommen. Meine Idee war es, die Anziehung des Todes darzustellen. Die Protagonistin liebt den Tod, sieht in ihm nicht nur das Ende des Lebens, sondern vielmehr eine Person, zu der sie sich hingezogen fühlt. Gleichzeitig weiss sie dass es eine merkwürdige Art der Liebe ist, die in der Gesellschaft nicht viel Billigung erfahren würde. Der Tod wird in der Gesellchaft toleriert, solange man nicht der erste ist, der den Schritt in diese "Beziehung" tut, sprich solange man sich nicht selbst umbringt. Ich hoffe, dass wenigstens ein Teil davon in der Geschichte rübergekommen ist.

Grüße, Herzblut

 

Hi Sue,

danke für die Anregungen. Ich denke ich müsste um einiges besser schreiben können als ich kann, um diese auch durchzusetzen. Es ist schwierig schon vorher mehr anzudeuten und dabei gleichzeitig nicht in die "wunderbar spannende" Frau nimmt sich das Leben Nummer abzugleiten. Aber anscheinend kommt durch die Geschichte nicht ganz der Gedanke rüber, den ich dadurch verwirklichen wollte. Nicht der Selbstmord der Frau sondern ihre Liebe für den Tod als Person (wenn man das so sagen kann???) sollte das Motiv sein. Sie liebt ihn als Person, weil er liebevoll ist, Gnade spendet usw. Nicht aus den Motiven der Todessehnsucht wie sie bei Grufties vorkommen (dachte ich greif die von Dir erwähnte Randgruppe mal auf). Ich wollte gerade darstellen, das es nicht um persönliche Gründe für den Selbstmord geht, sondern nur um ihre Liebe. Ziemlich konfus, hoffe Du verstehst was ich meine. Vielleicht finde ich ja noch irgendeine Möglichkeit, dass deutlicher herauszuarbeiten.

Liebe Grüße, Herzblut

 

Hi Sue,

nochmal danke für die Anregungen, ich hab lange drüber nachgedacht, welche Beweggründe in diese Geschichte passen, da es keine obligatorische Suizidsache werden sollte. Hoffe ich bin der Sache ein wenig näher gekommen.

Viele Grüße, Herzblut

 

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