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Fast alles nach Plan
Die Männer beachtete er nicht.
Lopez richtete seine volle Aufmerksamkeit auf das Tierchen, das vor ihm über den Tisch kroch. Grünschwarz schillernd, dick. Ein Prachtexemplar. Es kroch auf die Lache zu, ein Verdurstender in der Wüste, der mit letzter Kraft versuchte, die Wasserstelle zu erreichen.
Lopez grunzte und hob das Whiskyglas.
Er schob es vorsichtig millimeterweise nach vorn. Es musste einfach klappen. Die Fliege hörte auf zu krabbeln und das Glas verharrte auf der Stelle. Eifrig rieb die Fliege ihre Vorderbeine aneinander und setzte dann, vom Geruch der Pfütze magisch angezogen, ihren Weg fort.
Lopez erkannte seine Chance. Blitzschnell ließ er das Whiskyglas auf den Tisch krachen. Die Fliege summte aufgeregt im Inneren des Glases hin und her und auf Lopez Gesicht zeichnete sich ein zufriedenes Grinsen ab.
Na bitte. Genau nach Plan.
Cut.
Genau nach Plan hatte auch der Barkeeper seine Chance erkannt. Aus den Augenwinkeln nahm Lopez die Bewegung wahr und beendete sie mit seinem Revolver. Die Explosion hallte durch den Raum.
Der Barmann, ein käsiger Typ mit einem Schnurrbart wie ein Schnürsenkel, brachte einen Laut hervor, der wie „Egh...“ klang. Dann fiel er nach hinten in das Regal und rutschte zu Boden. Flaschen und Gläser folgten ihm klirrend.
Cut.
„Will noch jemand den Helden spielen?“, fragte Lopez. Etwa ein Dutzend Männer, die im Halbdunkel des Schankraumes an den Tischen saßen, schwiegen sich aus.
Die Stille vibrierte wie eine Banjosaite. Nur das Summen der Fliege war zu hören.
Lopez spuckte auf den Boden.
„Wo sollen in diesem Kaff auch Helden her kommen? Du da.“ Lopez winkte mit dem Revolver in Richtung eines Mannes, dessen Gesicht durch einen grauen Bart fast vollständig verdeckt war. Der Mann stand zögernd auf, die Hände halb erhoben.
„Die anderen die Pfoten oben lassen. Komm her, Opa.“
Cut.
Langsam schob sich der Mann in Richtung Tisch vor und blieb etwa einen halben Meter davor stehen.
„Ich weiß nichts“, greinte er. „Hab keine Ahnung, wo der Sheriff ist.“
„So, das werden wir sehen.“ Lopez richtete den Revolver direkt auf den Bauch des Alten, der anfing zu zittern.
„Ich ... ich weiß wirklich nichts, Mister“, wiederholte er mit fiepsiger Stimme.
„Du wiederholst dich. Dein Pech, wenn du nichts weißt. Ich zähle jetzt bis drei. Dann hast du mir gesagt, wo er ist. Wenn nicht ...“
„Ababer ...“
„Eins ... zwei ... dr...“
Cut.
Oben flog eine Tür auf. Ein Mann stürzte heraus und feuerte mehrere Schüsse ab. Lopez hechtete zur Seite, riss den Tisch um, benutzte ihn als Deckung und erwiderte das Feuer. Pulverdampf stieg als blauer Nebel in die Luft. Die beiden Revolver stritten in kurzen, bellenden Lauten miteinander. Lopez’ Revolver hatte das letzte Wort. Der Mann auf der Balustrade breitete die Arme aus, als wollte er alle Anwesenden segnen, ließ die Waffe fallen, kippte nach vorn und rollte mit dumpfem Poltern die Treppe herunter. Sich mehrmals überschlagend landete er auf den letzten Stufen und rührte sich nicht mehr. Der Sheriffstern glänzte auf seiner Brust.
Cut.
Lopez erhob sich. Langsam, den Revolver immer noch in der Hand haltend und die Männer an den Tischen nicht aus den Augen lassend, ging er zu dem Mann hin, der am Fuß der Treppe lag.
Er trat ihm mit der Stiefelspitze in die Seite. In diesem Moment begann eine Fliege – die Fliege, dachte Lopez – ihn zu umsurren. Um ein Haar hätte er nach ihr geschlagen, besann sich aber gerade noch rechtzeitig.
Stattdessen sagte er: „Das ist für Johnny, du verfliegter Hurensohn ... shit.“
Der am Boden Liegende lachte glucksend. Es war ansteckend. Die Männer an den Tischen erwachten aus ihrer Erstarrung und schlugen sich brüllend auf die Schenkel.
„Cut!“, schrie der Regisseur. „Verflucht, verflucht, verflucht. Lopez! Hast du denn nur Knete im Kopp?
Dein Text ist so leicht, dass ihn selbst mein Dackel könnte. Reiß dich zusammen!“
Wütend schlug er nach der Fliege, die seinen Kopf umschwirrte.