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Fast alles nach Plan

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03.08.2003
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Fast alles nach Plan

Die Männer beachtete er nicht.
Lopez richtete seine volle Aufmerksamkeit auf das Tierchen, das vor ihm über den Tisch kroch. Grünschwarz schillernd, dick. Ein Prachtexemplar. Es kroch auf die Lache zu, ein Verdurstender in der Wüste, der mit letzter Kraft versuchte, die Wasserstelle zu erreichen.
Lopez grunzte und hob das Whiskyglas.
Er schob es vorsichtig millimeterweise nach vorn. Es musste einfach klappen. Die Fliege hörte auf zu krabbeln und das Glas verharrte auf der Stelle. Eifrig rieb die Fliege ihre Vorderbeine aneinander und setzte dann, vom Geruch der Pfütze magisch angezogen, ihren Weg fort.
Lopez erkannte seine Chance. Blitzschnell ließ er das Whiskyglas auf den Tisch krachen. Die Fliege summte aufgeregt im Inneren des Glases hin und her und auf Lopez Gesicht zeichnete sich ein zufriedenes Grinsen ab.
Na bitte. Genau nach Plan.

Cut.

Genau nach Plan hatte auch der Barkeeper seine Chance erkannt. Aus den Augenwinkeln nahm Lopez die Bewegung wahr und beendete sie mit seinem Revolver. Die Explosion hallte durch den Raum.
Der Barmann, ein käsiger Typ mit einem Schnurrbart wie ein Schnürsenkel, brachte einen Laut hervor, der wie „Egh...“ klang. Dann fiel er nach hinten in das Regal und rutschte zu Boden. Flaschen und Gläser folgten ihm klirrend.

Cut.

„Will noch jemand den Helden spielen?“, fragte Lopez. Etwa ein Dutzend Männer, die im Halbdunkel des Schankraumes an den Tischen saßen, schwiegen sich aus.
Die Stille vibrierte wie eine Banjosaite. Nur das Summen der Fliege war zu hören.
Lopez spuckte auf den Boden.
„Wo sollen in diesem Kaff auch Helden her kommen? Du da.“ Lopez winkte mit dem Revolver in Richtung eines Mannes, dessen Gesicht durch einen grauen Bart fast vollständig verdeckt war. Der Mann stand zögernd auf, die Hände halb erhoben.
„Die anderen die Pfoten oben lassen. Komm her, Opa.“

Cut.

Langsam schob sich der Mann in Richtung Tisch vor und blieb etwa einen halben Meter davor stehen.
„Ich weiß nichts“, greinte er. „Hab keine Ahnung, wo der Sheriff ist.“
„So, das werden wir sehen.“ Lopez richtete den Revolver direkt auf den Bauch des Alten, der anfing zu zittern.
„Ich ... ich weiß wirklich nichts, Mister“, wiederholte er mit fiepsiger Stimme.
„Du wiederholst dich. Dein Pech, wenn du nichts weißt. Ich zähle jetzt bis drei. Dann hast du mir gesagt, wo er ist. Wenn nicht ...“
„Ababer ...“
„Eins ... zwei ... dr...“

Cut.

Oben flog eine Tür auf. Ein Mann stürzte heraus und feuerte mehrere Schüsse ab. Lopez hechtete zur Seite, riss den Tisch um, benutzte ihn als Deckung und erwiderte das Feuer. Pulverdampf stieg als blauer Nebel in die Luft. Die beiden Revolver stritten in kurzen, bellenden Lauten miteinander. Lopez’ Revolver hatte das letzte Wort. Der Mann auf der Balustrade breitete die Arme aus, als wollte er alle Anwesenden segnen, ließ die Waffe fallen, kippte nach vorn und rollte mit dumpfem Poltern die Treppe herunter. Sich mehrmals überschlagend landete er auf den letzten Stufen und rührte sich nicht mehr. Der Sheriffstern glänzte auf seiner Brust.

Cut.

Lopez erhob sich. Langsam, den Revolver immer noch in der Hand haltend und die Männer an den Tischen nicht aus den Augen lassend, ging er zu dem Mann hin, der am Fuß der Treppe lag.
Er trat ihm mit der Stiefelspitze in die Seite. In diesem Moment begann eine Fliege – die Fliege, dachte Lopez – ihn zu umsurren. Um ein Haar hätte er nach ihr geschlagen, besann sich aber gerade noch rechtzeitig.
Stattdessen sagte er: „Das ist für Johnny, du verfliegter Hurensohn ... shit.“
Der am Boden Liegende lachte glucksend. Es war ansteckend. Die Männer an den Tischen erwachten aus ihrer Erstarrung und schlugen sich brüllend auf die Schenkel.
„Cut!“, schrie der Regisseur. „Verflucht, verflucht, verflucht. Lopez! Hast du denn nur Knete im Kopp?
Dein Text ist so leicht, dass ihn selbst mein Dackel könnte. Reiß dich zusammen!“
Wütend schlug er nach der Fliege, die seinen Kopf umschwirrte.

 

Hi Sturek,

ach die Fliege! Musste gleich an den genialen Anfang von "Once Upon A Time In The West" denken. Schön knapp und gut geschrieben.

Na ja, das Ende mit dem "Cut" ist zwar ein uralter Hut, aber dennoch leicht überraschend. Alles in allem nette Story, wenn auch nicht herausragend.

Grüße
Peter

P.S. Endlich mal ein Western im Challenge (sagte der heimliche Fan :cool: )

 

Hallo Sturek,

Zitat:
Cut!“, schrie der Regisseur. „Verflucht, verflucht, verflucht. Lopez! Hast du denn nur Knete im Kopp?
Dein Text ist so leicht, dass ihn selbst mein Dackel könnte. Reiß dich zusammen!

:rotfl:

:thumbsup:

Gefällt mir wirklich sehr gut deine KG :) Kurz, knackig und wie ich finde, nicht vorhersehbar.

Lieben Gruss Melle

 

Hi Peterchen und Melle;

Danke für euere Kommentare. ;)

@ Peterchen
Da der Western in diesem Challenge arg unterrepresentiert war, habe ich kurz entschlossen diesen Text geschrieben. (wollte schon immer mal einen Western schreiben) Einfach nur aus Spaß und so soll auch meine Story wirken.
Und, es gibt eben nichts Neues unter der Sonne.

@ Melle
Wenn du lachen konntest, hat die Story ihr Ziel erreicht.

Grüße
Sturek

 

Hallo Sturek

Du siehst mich überrascht, angsichts des unerwartenden Endes. :)
Der Anfang war so spannend erzählt, das er wie ein Film vor meinem inneren Auge ablief. Dass es tatsächlich ein Film sein sollte, habe ich keine Sekunde geglaubt.
Sehr gut und temporeich erzählt. Hat mir sehr gefallen.
Ich weiß nicht, ob dies beabsichtigt war oder nicht.
In manchen Western, auch in sehr guten, ist die Anzahl der abgefeuerten Schüsse, angesichts des fehlenden Magazins, erstaunlich hoch. Anfangs hat mich das gestört, aber im nachhinein eine wunderbare Ergänzung zum Thema.

Habe nicht bereut, Deine Geschichte gelesen zu haben und habe mich sehr gut unterhalten. :thumbsup:

Liebe Grüße von Susie

 

Howdy Partner,

ich war eigentlich ein wenig enttäuscht über den Schluß. Du beschreibst die Szene im Saloon wirklich sehr gut. Auch ich konnte innerlich einen Film ablaufen lassen, wie Kürbiselfe es beschreibt.

Die Stille vibrierte wie eine Banjosaite.
:thumbsup:

Die beiden Revolver stritten in kurzen, bellenden Lauten miteinander. Lopez’ Revolver hatte das letzte Wort.
Schon wieder :thumbsup:

Der Mann auf der Balustrade breitete die Arme aus, als wollte er alle Anwesenden segnen,
Und zum dritten :thumbsup:

Also von mir aus, hättest Du das Ganze als waschechten Western weiterschreiben können. Schade, so ist es zwar eine witzige Geschichte mit einem überraschenden Ende, aber sie hätte noch besser werden können (meiner Meinung nach). Doch jede Geschichte könnte in den Augen des Leser noch besser sein.

Jorgo

 

Hi Sturek,

ich bin zwar nicht mal ein heimlicher Westernfan, aber schon der Abwechslung wegen finde ich es prima hier im Challenge einen zu lesen (Könnte mich nicht mal dran erinnern überhaupt schon mal einen auf KG.de gelesen zu haben).

Mir ging es ein wenig wie Don Jorgo. So amüsant und spannend deine Geschichte ist, so langweilig fand ich die Pointe. Ich wüsste jetzt allerdings auch nicht, wie du anders aus der Nummer hättest rauskommen können.

Viel konstruktives kann ich gar nicht beisteuern. Die Geschichte ist gut geschrieben, die Challengevorgaben erfüllt, wenn man davon ausgeht, dass der Sherriff auf der Balustrade schon die ganze Zeit im Haus war.
Mir hats gefallen.

Lieben Gruß, sim

 

Hat mir gut gefallen, Dein Text. Von einer richtigen Geschichte erwarte ich etwas mehr, aber da es nicht Dein Ziel war, frage ich nur: warum nicht? Fiele Dir doch sicher nicht schwer.

Zwei Kleinigkeiten noch:

  • "der mit letzter Kraft versuchte die Wasserstelle zu erreichen." - 'versuchte, die'
  • "ein käsiger Typ" - Gefällt mir nicht. Wie wäre "käseweiß" oder "mit einem Mozzarellagesicht" oder so etwas?

 

Cool, ein Western, damit ist die Challenge-Vorgabe schonmal hunderprozentig erfüllt, denn jeder Western spielt in einem Saloon, und ein Saloon ist ein Gasthaus.
Das hätten wir.
Leider ist Dein Western überaus banal. Da er nur ein gerade gedrehter Film ist, wundert das nicht, aber das ist keine Entschuldigung. Die Filmleute hätten ja auch einen Western drehen können, der nicht ausschließlich aus 100 Jahre alten Klischees besteht.
Die Idee mit der Fliege ist nett. Die mit dem Cut nicht. Genau wie bei "Bobby steht unter der Dusche, alles war ein Traum" ist das Verarschen des Lesers.
In diesem Fall geht das besonders schief.
Oder weißt Du nicht, wie ein Film gedreht wird? Jede Einstellung einzeln, nie so eine lange Sequenz am Stück. Deshalb funktioniert Deine Pointe nicht - der Regisseur hätte schon mehrfach Cut gerufen, und zwar nach dem Einfangen der Fliege, nach dem Umfallen des Barkeepers, nach der Großaufnahme des ängstlichen Bärtigen, nach dem Runterfallen des Sheriffs.

Fazit: sprachlich okay, inhaltlich reine Pointen-Story - und die Pointe ist schlecht. Challenge-Vorgabe ist gut umgesetzt.

Uwe
:cool:

 

Hi folks,

also mit euren Kritiken kann ich gut leben. Thanks @ all. :)


@ Kürbiselfe
Freut mich, wenn der Schluss für dich unerwartet kam. Ja, und das mit dem Film – ich habe bewusst versucht, weitgehend aus der Kameraperspektive zu schreiben, schon um dem Leser nichts vor zu machen. Er soll ja eine faire Chance haben, die Pointe zu erraten.
Die fünf Schüsse, die Lopez noch hat, zusammen mit den zwei bis drei verbleibenden Schüssen des Sheriffs sollten übrigens für eine Schießerei ausreichend sein.
@Don Jorgo und Sim
Schön, dass ihr euch trotzdem unterhalten habt. Ich wäre auch lieber in dem Western geblieben und habe auch einige Versuche in der Richtung unternommen. War aber alles nichts. Liegt evtl auch an der Beschränkung auf den Ort. Mal sehen, vielleicht fällt mir dazu noch was ein.
Und der Sheriff war schon in dem Haus. Wer anderes behauptet, kriegt eine Kugel.
@cbrucher
Was ist eine richtige Story? ;) Reine Unterhaltung hat doch auch ihre Daseinsberechtigung.
Deinen Kommavorschlag werde ich umsetzen. Mein „Käsig“ gefällt mir aber besser, weil es kürzer ist. Danke für die Vorschläge.
@Uwe Post
Hast du das nicht gemerkt? Die Klischees waren doch Absicht, damit der Leser den Western-Teil nicht zu ernst nimmt. ;)
Nochmal zur Pointe:
Ich habe mich schon bemüht, den Leser nicht zu verarschen. Hätte ja auch schreiben können: Der Barkeeper brach tot zusammen. Mit Filmsets kenne ich mich nicht aus, könnte mir aber vorstellen, dass auch längere Szenen am Stück gedreht werden, z.b. um Kamerafahrten und Schwenks drin zu haben, oder Übergänge, Überblendungen. Sichten aus verschiedenen Perspektiven können hinterher in Ruhe zusammengeschnitten werden usw. Also: Die Pointe ist sicher nicht originell. Dass sie aber nicht funktioniert – da weiß ich nicht, ob du recht hast.

Grüße
Sturek

 

Leider nein Sturek, da hat Uwe schon recht. In der Länge deiner Szene wird da nichts gedreht. Es sein denn, es handelt sich um eine längere Rede. Aber gerade wegen der Kameraschwenks bleiben die Takes oft so kurz.

 

Danke nochmal an Uwe und an Sim für den Hinweis. Hab ich echt nicht gewusst.
Okay, Leute, da die Sache so nicht funktioniert, muss die Fliege eben die Pointe alleine tragen. Ich denke, das kann sie auch. Habe jetzt einfach die Cuts an den entsprechenden Stellen eingefügt. Das hat sogar was für sich.
Das Ende kommt nicht mehr aus heiterem Himmel.

Grüße
Sturek

 

Hmm, was ist eine wirkliche Geschichte? Gute Frage. War vielleicht ein wenig frech und voreilig, das Deinem Text einfach so abzusprechen. Ehrlich gesagt, kann ich darauf keine gute Antwort geben. Vielleicht, weil alles, was wirklich geschieht aus der Pointe besteht. Ist aber vielleicht kein sonderlich qualifiziertes Urteil.

In keinem Fall wollte ich dem Text die Daseinsberechtigung absprechen; mich hat er ja auch wunderbar unterhalten.

Ob die ganze Sequenz nun an einem Stück gedreht wird, oder nicht, halte ich für relativ unerheblich. Wenn Uwe Post und sim sich da auskennen, sollte ich das vielleicht besser glauben. Obwohl ich mich frage, ob nicht auch Schauspieler ein wenig Atmosphäre brauchen und man die Szene deshalb einfach so oft komplett spielt, bis man sie sich aus einzelnen Versatzstücken zusammenschneiden kann.

 

Hi Sturek,

ha, ich habs geahnt, dass es ein Dreh war. ;)

Klar, lag an den cuts.

Trotzdem hat mir dein Westernausflug gut gefallen.
Tolle Sprüche. :thumbsup:
Tolle Bilder, wie schon erwähnt wurde, Kino im Kopf.

Gerne gelesen.

liebe Grüße, coleratio

 

Danke. :)

@ Coleratio
Das macht ja nichts, dass der Leser das Ende voraus ahnt. Im Gegenteil.
Die Frage ist ja, wie es dazu kommt.

@ cbrucher
Ach so hast du das gemeint. Da habe ich dich missverstanden. Bezüglich der kurzen Szenen vertraue ich jetzt einfach mal der Sachkenntnis von Uwe und Sim.

Grüße
Sturek

 

Hallo Sturek!

Also mir ist das auch ein bisserl zu wenig. Ich hab zwar früher sehr gerne mal einen guten Western gesehen, aber in Deiner Geschichte ist nur Action, und das mag ich nicht. Mir ist schon klar, daß in dem Plot nicht viel Platz für Charaktere usw. ist, aber dann liegts eben am Plot... :shy:

Die Pointe ist dann aber ganz nett, nur ist es eben schade, daß die ganze Geschichte nur auf sie hinausläuft.

Wenn Du mal Lust hast, könntest Du ja vielleicht versuchen, die Pausen zwischen den einzelnen Cuts auch noch zu erzählen. Da wäre eigentlich Platz für Charakterisierungen vorhanden. - Aber das ist nur ein Vorschlag. ;)

Liebe Grüße,
Susi :)

 

Hi Häferl,

also ich kann deinen Standpunkt voll und ganz verstehen. :)
Es ist eben eine Geschichte für Zwischendurch.

Deinen Vorschlag finde ich sehr gut. Ich habe auch schon überlegt, auf die Art zwei unterschiedliche Stories sozusagen parallel nebeneinander herlaufen zu lassen, den Western und eine, die am Set spielt.
Leider kenne ich mich zu wenig mit dem Geschehen bei Dreharbeiten aus und müsste da erstmal recherchieren, damit das authentisch wird.

Grüße
Sturek

 

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