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Fenstermoment
in der eiskalten Winternacht?
Liebste Irma,
heute sind wir aus Aachen abkommandiert worden. Erich und ich sollen nach Bremen, weil wir doch sowieso nur Kräfte binden würden und es langsam hässlich würde hat der Hauptmann gesagt. Mein Bein schmerzt kaum noch aber Erich hat noch immer Probleme mit seiner Hand.
Alles ist grau und trostlos geworden. Ich ertappe mich immer öfter dabei, dass ich in freien Minuten davonträume, das Grau hinter mir lasse und in Gedanken zu dir zurückkehre.
Erinnerst du dich noch an die alte Weide am Mühlenteich? In den letzten Tagen hab ich häufig von der Weide geträumt, wie ich mit dir im Arm unter ihr liege und die Wolken zähle.
Dann rieche ich deine süße Haut und fühle dein weiches Haar in meinen Händen.
Ein Blick von dir, ist alles wonach ich noch strebe.
Ein Wort von dir, ist alles wofür ich lebe.
Ein Kuss von dir, ist alles worum ich bitte.
Irmchen sei meine Kerze in dunklen Stunden der Nacht, sowie ich dein Stern am Morgenhimmel sein will.
Sei tapfer und glaube an uns, alles wird gut.
Dein Franz 18.Oktober 1944 Aachen Hauptbahnhof
Traurig sah Franz aus dem Fenster und beobachtete die Regentropfen die gegen das Fenster schlugen. Es war ein grauer Tag, regnerischer Tag gewesen. Ein unpassender Tag für einen fröhlichen Anlass. Die Räder des Zuges ratterten gleichmäßig und ließen ihn hinwegdämmern. Was würde ihn erwarten, was würde sie alle erwarten? Eigentlich sollte er froh sein endlich fortzukommen aber Zweifel wohnten in seinem Herzen. Was würde werden? Der Regen wusch die grauen Trümmer am Streckenrand nicht weg und so starrten sie Franz entgegen wie gewaltige Zähne, die auf ihn warteten. Die zerschlagenen Zähne eines Riesen der am Boden lag und schon vor langer Zeit ausgezählt worden war.
als ich einsam auf dem Felde stand?
Liebste Irma,
heute sind wir durch die Stadt gegangen und hatten Angst. Wir sahen eine Gruppe von Kriegsgefangenen zur Baustelle Valentin marschieren. Es waren ausgepresste Männer mit leeren Blick und schmalen Hüften. Erich meinte sie sehen aus wie der lebende Tod und ich musste ihm Recht geben. Bei diesem Anblick lief es mir eiskalt den Rücken runter. Deutsche hatten das diesen Menschen angetan, keine Bolschewisten.
Irma, Liebes ich habe leider noch keinen Brief von dir erhalten aber ich hoffe, dass du meine Brief bekommen hast.
Wenn ich nach Hause komme heiraten wir. Ich habe keine Lust länger Soldat zu sein wenn der Krieg vorbei ist. Ich habe schon jetzt die Nase gestrichen voll von dem Krieg.
Dann bauen wir uns ein Haus gleich neben der Weide am Mühlenteich. Ich werde meine alte Arbeit als Schuster wieder aufnehmen und du wirst dich um unsere Kinder kümmern. Ich will mindestens 4 Kinder mit dir haben Irmchen und einen schönen Schäferhund möchte ich auch haben. Ich wünschte ich könnte schon Morgen in deinen Armen liegen aber der Krieg scheint kein Ende zu nehmen.
Dein Franz 25.November 1944 Bremen
Grau, dass Wetter war grau und färbte alles, was vor Franz lag. Noch ein paar Stunden dann wäre er wieder bei Irmchen und sie würden alles vergessen. Sie würden von Vorne anfangen.
Sechs Jahre war es her das er sie gesehen hatte. Er erinnerte sich noch, als wäre es gestern gewesen als er zur Wehrmacht eingezogen worden ist. Seitdem hatte er sie kein einziges Mal mehr gesehen. Würde sie sich freuen ihn zu sehen? Bestimmt würde sie sich freuen und dann würden sie wieder unter der Weide liegen wie sie es vor seiner Abreise getan hatten.
Etwa vor des warmen Feuerspracht?
Liebste Irma,
heute sind wir im Verteidigungsgürtel von Berlin angekommen, Erich und ich wurden getrennt. Erich soll in der Stadt bei der Versorgung helfen, weil er immer noch Probleme mit seiner Hand hat. Ich bin an die Ostseite kommandiert worden. Es ist eine ungemüdliche Sache hier stationiert zu sein. Wir liegen Tag und Nacht unter Beschuss.
Ich habe Angst davor, dein Gesicht nie mehr wiederzusehen, Angst davor, dass unsere Liebe nicht stark genug ist, um alles gut werden zu lassen. Ich habe Angst davor, meinen Glauben an uns zu verlieren und sehne mich danach, in deinen Armen zu liegen.
Ich habe keine Lust mehr, ich habe schon seit Aachen keine Lust mehr aber unser Hauptmann will nichts davon hören. Wir sollen das Reich halten, bis zum letzten Mann, hat er gesagt. Ich frage mich wem nützts? Welches Reich sollen wir halten? Die Trümmer?
Ich verzehre mich vor Sehnsucht nach dir, vor Sehnsucht nach dem friedlichen Chaos im Bauch bei einem Kuss von dir. Ich verzweifle in den Nächten wenn die Granaten einschlagen und doch stehe ich Tag und Nacht bereit, dein Leben zu verteidigen.
In Liebe Dein Franz 16. April 1945 Berlin
Die letzten vier Jahre waren die schlimmsten gewesen. Jeder Tag der letzten vier Jahre hatte sich ihm in Fleisch und Geist gebrannt. Er hatte stark an Gewicht verloren und hatte viele seiner Kameraden sterben sehen. Die meisten waren an zerbrochener Hoffnung gestorben. Am Anfang dieser vier Jahre waren sie alle noch erfüllt gewesen von Kampfgeist. Wir stehen das durch, war die Parole.
Aber diese Jahre nagten doch stärker an der Entschlossenheit als sie geglaubt hatten. Es fing damit an, dass man alles über sich ergehen lies man wurde stumpf und grau im Kopf. Das war gefährlich den wenn einem alles egal wurde passierten einem Unfälle aus Unaufmerksamkeit, starb man weil der Körper nicht mehr die Kraft hatte die erlahmende Seele zu halten.
All diese Jahre hatte die Gedanken an Irma und an die Weide ihn davor bewahrt, dass er zerbrach und aufgab, wie es viele seiner Kameraden getan hatten. Er wusste, dass seine Irma auf ihn warten würde er wusste es.
Bald hatte er das alles hinter sich, bald war er zu Hause bei Irmchen, bald...
als mein Lebenslicht in der Kälte schwand?
Geliebte Irma,
mein Augenstern, meiner Hoffnungziel, wir haben es geschafft, hörst du? Wir haben es geschafft. Die Kapitulation wird bald kommen, muss bald kommen. Bald bin ich wieder Zuhause, bei dir. Wenige Tage müssten wir noch aushalten hat mein neuer Hauptmann gesagt. Der Wahnsinn hat ein Ende, endlich! Oh Gott die Flecken auf dem Papier sind Tränen Irmchen, Tränen des Glückes. Ich werde bald mein Versprechen einlösen können, ich werde nach Hause kommen und dich zur Frau nehmen. Ich komme nach Hause!
Schieb den Kuchen in den Ofen, brüh den Kaffee auf, denn dein Liebster kommt nach Hause.
Tausend Küsse und tausend Worte der Liebe möchte ich dir senden.
Dein Franz 06.Mai 1945 Berlin
Es wäre alles so einfach gewesen, er hätte nach Hause gehen sollen zu seinem Irmchen, doch die Russen hatten ihn in ein Lager gesteckt, hatten ihn für vier lange Jahre in die Kriegsgefangenschaft gebracht. Es war kein Tag vergangen an dem er nicht an Irma gedacht hatte und jetzt war er zurück.
Er war in der Heimat, endlich!
Der Zug fuhr gerade in seinem Heimatdorf ein.
Jetzt würde er Irmchen in die Arme schließen, würde sie drücken und nie wieder loslassen.
Trotz des Regens schien die Sonne aus seinem Herzen. Das Grau war verschwunden, verdrängt von zittrigen Knien und einem herrlich flauem Gefühl im Margen. Er war so aufgeregt. Ob sie ihn erkannte? Ob sie sich sehr verändert hatte? Oder ob sie in der Zwischenzeit vielleicht einen anderen...
Er meinte ihm würde das Herz stehen bleiben. Nein sein Irmchen würde heute Abend in seinen Armen liegen und morgen würde er sie heiraten, eine Familie großziehen.
Ihm traten Tränen in die Augen als er ausstieg. Endlich Daheim!
Es nieselt noch immer leicht als er ausgestiegen war, aber das war egal. Zuhause!
Er sah sich um. Kein Irmchen auf dem Bahnsteig. Na, ja, dann würde sie wohl zu Hause sein, er hatte sie doch benachrichtigen lassen. Sie würde Daheim auf ihn warten und ihn in die Arme schließen, wenn er an ihre Tür klopfte.
Langsam macht er sich auf den Weg. Auf seinen Stock gestützt ging er die Straße hinab, die Ungewissheit nagte an ihm.
Was würde ihn erwarten.
Er wurde immer schneller, er musste Gewissheit haben.
Endlich stand er vor ihrem Haus. Alles war so, wie er es in Erinnerung gehabt hatte. Die Gardinen in den Fenstern, der schiefe Schornstein, die dunkelroten Dachziegel die grünen Fensterrahmen.
Langsam ging er auf die Tür zu.
Was war das?
Ein Kinderlachen?
Er trat ans Fenster und spähte ins Haus. Da saß sein Irmchen auf dem Schoß ein kleines Kind und gab einem Fremden einen Kuss.
Sein Irmchen und ein Anderer? Aber...aber... das... das war doch Unmöglich!
Franz schüttelt den Kopf und grummelte. Er würde diesen Typen zur Rede stellen, ihm erzählen wem Irmchen gehörte.
Franzs Blick fiel auf den Spiegel an der Wand. Ihm blieb der Atem stehen, dass war ja Erich.
Wie konnte ihm Erich so etwas antun? Erich war doch sein Freund, sein Kamerad gewesen! Gott verdammt, sie hatten sich gegenseitig den Rücken frei gehalten und jetzt?
Verzweifelt stand Franz vor dem Fenster, unfähig einen klaren Gedanken zu fassen, als Irmchen plötzlich über Erichs Schulter und in Franzs Augen blickte.
Als sie sich wieder abwand ging Franz weiter, fort.
Der verdammte Regen musste stärker geworden sein, den sein Blick schwamm und dicke Tropfen flossen sein Gesicht hinab.
Grau, grau und stumpf sah die Welt aus...
als mein Herz in einsamen Zweifel Verstummte?
Ein Heimkehrer 30.November 1951 Daheim