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Frédéric Lachmann
"Gestatten, Frédéric Lachmann.
Wissen Sie, ich lache viel. Früher mehr, jetzt weniger. Ich habe es nicht leicht. Pardon, wir. Ja, meine Frau Pamela und auch die Kinder: Moritz, Michael, Manuel und Doris, Deborah, Daniela. Unser Jüngstes kam bei einem Tauchunfall ums Leben. Deswegen habe ich früher mehr gelacht, müssen Sie wissen. Ich wollte immer sieben Meine nennen, jetzt hab ich drei: Moritz, Michael, Manuel. Die Mädchen sind nicht so meins. Da sag ich immer zu Pamela, meiner Frau, nimm, dass sind Deine. Sie watschelt dann immer mit den Dreien im Schlepptau zur Sonnenbank. Ich finde, damit verwöhnt sie die Mädchen. Meine Jungs dagegen entwickeln sich prächtig. Wir gehen immer tauchen zusammen, drehen dann noch ein paar Runden im Baggersee und fliegen am Wochenende in die Berge. Zum Jagen."
Nun muss ich doch schmunzeln. Frédéric Lachmann, soso.
In der Mittagssonne saß ich eine zeitlang am Teich. Er fiel mir sofort auf – ein prächtiger Typ, schimmernd irgenwie sein Äußeres, glänzend und strahlend. Seine drei Kleinen im Schlepptau, etwas abseits die aufgetakelten Frauen der Familie Lachmann. Er macht was her. Gibt konzentriert Anweisungen und sich Mühe, gut auszusehen. Seine Bewegungen sind geschmeidig, vorsichtig forschend. Ein aufmerksames Auge lässt er stets über die Familie schweifen.
"Frédéric, Sie jagen also. Wie kamen sie denn dazu?"
"Sehen Sie, meine Mutter war krank, schwer krank. So wuchs ich unter den Fittichen meines Vaters auf. Ein grimmiger, viel zu alter Herr, der noch dazu neben seinem Teichmeisterposten stets Waisenkinder aus ärmeren Anrainerstaaten adoptierte. Na, das tut wenig zur Sache. Allerdings, mich hat diese multikulturelle Jugend sehr offen gemacht, man könnte wohl behaupten, sie prägte mich.
Das Klima war in meinen Jugendtagen rauh. Mutter schrie ständig nach neuen Leckereien, wurde von allen verhätschelt. Hennes, Abdul und Süßer Moment (meine Adoptivbrüder) sangen Jugendverbandslieder. Kurz, meine Nerven lagen blank, offen für den feindlichen Angriff. Immer. Da sagte ich, nach einer feuchten Nacht, so kann es nicht weitergehen. Du krepierst, du schaffst es nicht über den Winter.
Ich begann meine Lebenseinstellung zu ändern. Ich begann, positiv zu denken. Beim plastischen Chirurgen habe ich mir Permanent Make Up machen lassen, obwohl die Jungs am Teich, wir haben hier so eine Art Treffpunkt, mich dafür ganz schön durch den Kakao zogen."
Ich durchforstete sein Gesicht und glaubte, in seinem festen Lächeln die eben gestandene Künstlichkeit ausmachen zu können. "Die feine Linie, dort?" Frédéric nickt zustimmend "Modell Delphin ...".
"Von da an, kamen nur selten negative Gedanken über mich. Ich lachte viel.
Damals traf ich Pamela zum ersten Mal. Im Winter darauf schlitterten wir über den zugefrorenen Teich und gingen zum Tanz unter die illuminierte Brücke. Wir verloren uns eine zeitlang aus dem Augen, als ich zum Kriegsdienst musste.
Bei der Armee langweilten mich die Trockenübungen. Zum Beispiel hier, an eben jener Stelle. Da haben wir Federn reinigen gelernt. Das fand ich immer furchtbar langweilig. Mein Vater hat mich geprägt, ich wollte nicht meiner Art entsprechend leben. Ich wollte kein stinknormales Leben. Beeindruckend fand ich immer wirkliche Kriegsübungen. Auch hier am Teich kann man die beobachten. Krieg zwischen Karpfen und Tauben zum Beispiel. Ist doch zugegebenermaßen spannender als Libellenpaare, oder?
Ich wollte fliegen. Und - jagen. Meinen Lebensstandard verbessern, aus diesem scheiß Loch. Raus. Aus die Maus.
Mein erstes Opfer war ein Marienkäfer. Ich schnabelte bei der Trockenübung durch mein Gefieder. Ich sah rot. Hör sofort auf, sagte ich mir und konzentrierte mich auf die extreme Mitte in mir. Dann sah ich grün und dort wieder rot. Es kann nicht so schwer sein. Er ist rot, den mach ich tot!
Millimeterweise schubste ich mich in seine Richtung. ‚Gestatten, Frédéric Lachmann‘, säuselte ich. Dabei neigte ich tief meinen Kopf herunter, ganz tief ins Gras hinein. Ich schiele, deswegen trage ich auch eine Brille seit Kindertagen. Ich sah aufgrund der extremen Nähe zum Feind meines Sehfehlers wegen zwei rote Punkte und entschied mich, einen höfischen Kopfschlenker einzulegen und dann zuzuschlagen. Mein Vorhaben kaschierte ich, indem ich vorgab, müde zu sein und lauthals gähnte. Schwubbs, der Käfer war in mir.
So bin ich Jagdente geworden."
Ich bin beeindruckt. Frédéric Lachmann, eine feine Ente.