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Frieda nimmt sich den Tag

Seniors
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22.10.2011
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Frieda nimmt sich den Tag

„Frühlingswischwaschi ist das. An so einem Tag.“ Frieda brummte die Worte vor sich hin, immer wieder, während sie die Straße entlanghuschte, hin zu dem Straßencafé auf dem Platz zwischen den Hochhäusern. Sie hielt sich eng an die Gebäude, wandte sich ein- zweimal nach ihrer Wohnung um, ja da war es noch, das zuverlässige Rechteck der braunen Tür mit dem goldenen Knauf.
Frieda setzte sich, wickelte den Riemen ihrer Tasche fest um den Oberschenkel, bestellte Cappuccino und schaute. Sie sah Mädchen, die kurze Kleider ausführten und lange Beine. Bebrillte Männer drängten sich in dem schmalen Sonnenstreifen vor dem Haus, warfen mit der linken Hand Pläne in den Himmel, während die Zigarette in der rechten den Mädchen nachzielte. Sie sah, wie die Sonnenstrahlen allmählich an den Fassaden emporturnten und der verschattete Platz sich zur orangen Heizpilzzone entzündete.
Frieda rückte ihren Stuhl in die Nähe eines Strahlers und wärmte sich die Beine. Außerdem behielt sie auf diese Weise die Straße zu ihrer Wohnung im Blick. Sie legte die Hände in ihren Schoß und schloss die Augen. War das ein Tag zum Feiern? Hastig riss sie die Augen wieder auf und fuhr sich mit einer Hand an die Brust. Wohl nicht, dachte sie, aber ein besonderer Tag ist es doch.

Ein Röckchen wippte vorbei. Apricotfarbener Crêpe Satin, knapp dreißig Zentimeter, schätzte sie. Im Frühjahr werden die Rocksäume kürzer, das freut alle. Sie schmunzelte und strich über den schweren Wollstoff ihrer Hose. Sie hatte es geliebt, Röcke zu entwerfen, kurze duftige Hüllen, die sich um die Schenkel schmiegten. Jedes Jahr. Immer kürzere, bis der Slip blitzte. Und jedes Jahr hatte sich der Kopf ihres Chefs auf ungesunde Weise verfärbt aus Zorn über die fehlende ökonomische Nutzung des Rocksaums. Dann hatten sie alles neu entwerfen müssen und manchmal fegten dann knöchellange, missgünstige Kutten über das Pflaster. Zwei Jahre war sie jetzt raus aus dem Job, viel zu früh, hatte entworfen und genäht und verworfen und neu geplant, bis die Chefhaut wieder erblasste. Einmal stand er hinter ihr, als sie unter einen krapproten Musterstreifen „Chefkopprot“ schrieb. Er schimpfte, aber er lachte auch, denn er brauchte sie viel zu sehr mit ihren flinken Fingern und den gewagten Einfällen. Für einen Moment schwappte Stolz durch ihren Magen, ja wirklich, Modetrends beurteilen, das konnte sie. Und Cheflaunen. So gut, dass die Kolleginnen immer sie vorgeschickt hatten, wenn es Probleme gab. Ach ja, so war das damals.

Der Kellner kam und brachte den zweiten Cappuccino, schimpfte über die neuen Zahlen chronisch Kranker und den Anstieg der Chronitätsabgabe, flachste ein bisschen über den neusten Benzinersatz, der eine Reihe von Motoren durchgekocht hatte. Sie lachte pflichtschuldig und wunderte sich. Merkte er nie, dass sie nur selten antwortete und schon lang nicht mehr fuhr? Sie zahlte und gab ihm ein großzügiges Trinkgeld, registrierte sein überraschtes Gesicht. Ein Stich durchzuckte sie. Wieviel hatte sie ihm denn gegeben? Sorgfältig verstaute sie den Geldbeutel und strich dann langsam über die metallene Tischplatte. Der Kaffee duftete, rief das Bild einer früheren Kollegin wach, mit der sie neulich hier gesessen hatte. Wie hieß sie noch? Irgendwas mit M. Oder? Hastig griff sie nach dem Kaffeelöffel. Nicht über den Namen nachdenken. Bloß nicht. Einfach umrühren. Doch sie tastete ins Leere. Hatte sie den Löffel etwa eingesteckt? Als sie in der Tasche wühlte, rutschte ein Papierblock zwischen ihre Finger. Sie nahm ihn heraus und blätterte. Namen, Aufträge, Termine. Ach ja, dachte sie, mein Spezialdaumenkino. Ich muss nachgucken. Schnell. Was war es, das ich prüfen wollte? Ihre Adresse stand auf der ersten Seite. Die hatte sie noch nie gebraucht. Weiter hinten Einkaufen gehen, dann ein Name: Dr. Manninger, 17 Uhr. Hatte sie den etwa vergessen? Mit dem Finger fuhr sie hastig die Tage in ihrem Phone nach, verglich, noch einmal und noch einmal, immer wieder. Nein, das war schon länger her. Sie hatte nur vergessen, den Zettel fortzuwerfen. Von ihrem Magen quoll ein heißes Brennen in die Kehle, ein Gefühl, als verdrehe es die Speiseröhre. Sie riss das letzte Blatt ab, zerknitterte es und warf es vor sich auf den Tisch. Neben den Kaffeelöffel. Hatte der die ganze Zeit da gelegen? Sie streckte den Rücken durch, als könnte sie so das Wirre und Hilflose, das sie zu überschwemmen drohte, eindämmen. Ihre Hand krallte sich um den Löffel, so fest, dass die Kanten in die Haut bohrten, und schob den Papierball auf die andere Seite des Tisches, weg von sich, nur weg, bis der Löffel abrutschte und über das Metall schrappte.
Frieda rieb sich die schmerzende Hand, betrachtete die Kratzspuren auf der Tischplatte und den verbogenen Löffelstiel, dann rührte sie in ihrem Kaffee. Milchblasen verbanden sich, platzten und fügten sich neu.
Ein Mädchen spazierte an ihrem Tisch vorbei. Solche festen Schenkel hatte sie auch einmal gehabt. So lang war das gar nicht her, oder doch?
Zeit war elastisch geworden, ein Band, das sich dehnte, und wenn Frieda daran zog und endlich glaubte, eine Erinnerung zu fassen und zu behalten, dann schnalzte das Band zurück und die Erinnerung entglitt. Schnell kam es, das Schnalzen, und weh tat es. Frieda strich über ihre Hände, als hätten sie einen Schlag erhalten, betrachtete die braunen Flecken. Sie hatte gleich aufgeben wollen, damals.

*​

„Kein Grund zu resignieren“, sagte Dr. Manninger, „Das wird so früh erkannt jetzt, ihnen bleibt viel Zeit. Auch wenn es sehr früh auftritt. Die Medikamente werden die Krankheit aufhalten. Sie müssen sie allerdings regelmäßig nehmen und auf eine gesunde Lebensführung achten. Und sie sind teuer. Wenden Sie sich an die Beratungszentren. Anders geht es nicht. Irgendwann werden Sie dann eine Lösung finden müssen, wo sie zukünftig wohnen wollen.“ Während er sprach, lupfte er seine Mundwinkel, als könnte er ihre jämmerliche Zukunft mit einem fröhlichen „Auf, wird schon“ aus der Welt schaffen.
Frieda hatte es sich abgewöhnt, den Menschen in die Augen zu schauen, wenn sie mit ihnen sprach. Der Mund lachte freundlich, gleichzeitig beklagten sich die Augen über die Last, mit ihr umzugehen, oder, schlimmer noch, bemitleideten sie, wenn sie nach einem Wort rang oder einer Erinnerung. Nein, sie zog Münder vor.
Dr. Manninger zum Beispiel war das Heben der Mundwinkel so zur Gewohnheit geworden, dass diese sich zu vertikalen Kerben Richtung Stirn vertieft hatten, Optimistenwinkel nannte Frieda sie. Gerade erklommen sie Gesichtshöhen, dachte sie, die waren einfach nicht möglich. Dabei plärrte er eine Durchhalteparole nach der anderen. Ob man als Arzt ein Mundwinkelseminar besuchen musste? Wegen der vielen chronisch Kranken?
Mundtheater macht er, dachte sie. Nichts als Mundtheater. Sie hatte schon gewusst, was los war, als sie das erste Mal in Manningers Praxis erschienen war. Zu viele Zettel, die sie an zu viel erinnerten, zu viele Aussetzer. Es war ein unheimliches Wesen, das sie gepackt hielt, ein Wesen, das sie mit kleinen Zetteln bekämpfte.

*​

Eigentlich sah die Messingplatte auch aus wie ein überdimensionierter Zettel.
Beratungszentrum Ianua digna
Menschenwürdig leben
Menschenwürdig gehen
stand darauf. Mit dem Leben haben sie sich aber was vorgenommen, dachte Frieda. Sie hatte eine Weile gebraucht, um einen Termin auszumachen, aber die Tabletten waren zu teuer. Nur als Mitglied eines Beratungszentrums konnte man sich noch eine Therapie leisten. Und dann gab es da noch etwas, was sie von ihnen wollte.
Sie tastete über das diskrete, schwarzweiße Schild, fuhr die Buchstaben nach: Tägliche Besuchszeiten 8-12 und 15-18 Uhr. Vor dem Nachbargrundstück kackte ein Hund auf den Gehweg, die Besitzerin linste zu ihr herüber. Frieda runzelte die Stirn. Hoffentlich hatte sie nicht den gleichen flehentlichen Gesichtsausdruck wie der Hund, der jetzt unbeholfen in ihre Richtung buckelte und dabei eine Kotspur hinter sich her zog. Schnell trat sie ein.
Vor ihr erstreckte sich ein Saal mit mehreren Sitzgruppen, in denen mindestens zehn Leute warteten. Sie sahen ganz normal aus. Sie musste lachen, was hatte sie erwartet, Skelette, die mit Bastelzeug für Demente klapperten?
Die Stühle vor Raum 9 waren leer. Frieda strich sich noch einmal über den Rock, zupfte ihre Frisur zurecht und klopfte. Eine Altstimme bat sie hinein. Hinter einem kleinen Schreibtisch hockte eine Frau mit lockigen Haaren und einer riesigen Brille. Sie sah aus wie eine verfressene Katze. Macht nichts, dachte Frieda, sie würde sie sowieso nicht anschauen. Sie wollte nur die Zulassung für ihre Medikamente und den Rest. Und dafür brauchte sie jetzt ihre ganze Kraft. Im frühen Stadium die Kontroll-Pille zu erschmeicheln, das würde nicht leicht werden.
Die Frau begrüßte sie, wies auf einen bequemen Sessel in einer Sitzecke, kam um den Schreibtisch herum und setzte sich ihr gegenüber. Eine Kerze flackerte Honigschimmer auf das Holz, an den Wänden hingen bunte Bilder.
„Frieda Steitzinger, geboren 1980? Das sind Sie? Darf ich Ihre Arztberichte sehen?“
Oh je, dachte Frieda, und nestelte ihre Unterlagen heraus, das klang nicht gut, das klang nach genauer Prüfung.
Zwei Stunden später lag das Gebäude hinter ihr. Verwundert blickte sie sich um. Das war alles ganz leicht gewesen, sie hatte geplaudert, Espresso getrunken, Mandelplätzchen gegessen, hatte verwundert verfolgt, wie Angst und Sorge sich zu Gelassenheit wandelten. Die Katze plauderte so unbefangen, dass Frieda dauernd kicherte. Jetzt hielt sie eine Mappe in der Hand, darin abgeheftet die Zulassung für ihre Medikamente und ihre Arztberichte. Auf der Vorderseite glänzten herbstlich bunte Weinblattranken, in der Mitte war die Nummer L54789 eingeprägt. So ein kitschiges Muster hätte sie nie auf einem ihrer Röcke geduldet, doch jetzt fuhr sie mit dem Finger über die tröstliche Erhebung der Zahl. Und das Beste, sie hatte ihre kleine Versicherung, ein in dezentem Elfenbein gefärbtes Schächtelchen, in dem eine hellblaue Pille lag. Teuer, aber nun konnte sie gehen, wann immer sie wollte. Sie hatte etwas, mit dem sie die Kontrolle behielt, wenn ihr alles entglitt. Sie musste nur den richtigen Zeitpunkt erwischen.

*​

„Hirn-Aussatz“, sagte Kim, als sie ihr endlich von der Diagnose erzählte, und dann machte sie ganz ängstliche Augen, weil das so ein gemeines Wort war. Dabei gefiel es Frieda. Aussatz, das klang wie der stotternde Motor ihres alten Autos, Pickel nannten sie es, weil es der Schandfleck der Straße war, ja, Hirnpickel war gut. Das machte das Wesen so schön mürbe.

Und dann wollte Kim, dass sie ein Fest feierten.
„Das machen doch alle“, schimpfte Frieda.
„Wir feiern. Keine Widerrede. Und du lädst alle ehemaligen Liebhaber ein, überhaupt alle, die in deinem Leben eine Rolle spielen.“ Kim lachte, dann wurde ihre Stimme leise. „Niemand braucht zu wissen, dass es ein Abschied ist. Und dann“, ihre Stimme hob sich wieder, „wenn alle zu viel gesoffen haben, dann knipsen wir sie und erpressen sie, weil sie so scheiße aussehen.“
„Aber dein Herz.“
„Was soll damit sein? Dem geht’s gut. Du willst nur nicht feiern.“
„Hm.“ Frieda rieb einen unsichtbaren Fleck von der Tischplatte. „Und dann?“
„Dann kleben wir die Fotos in ein Buch.“
Als Frieda die Gästeliste zusammenstellte, fand sie, dass die Gesichter der Männer, mit denen sie in den letzten Jahren zusammen war, einander glichen. An ihre Namen erinnerte sie sich nicht. Sie hatte das Gefühl, es waren mindestens fünf, kam sich frivol vor, doch Kim sagte, es waren nur zwei. Sie war es auch, die sie anschrieb.

Das Fest rauschte an ihr vorbei, ein Reigen von Menschen, die mit ihr redeten, mit ihr anstießen. Jedes Mal, wenn es klingelte, hatte sie Angst, dass sie das Gesicht nicht erkannte oder den Namen nicht wusste. Sie trank zu viel, verkroch sich endlich in einem der leeren Räume. Es war Kims Zimmer. Irgendwann ertappte sie sich dabei, wie sie an dem Träger eines schwarzen Tangokleids roch. Kims Parfum haftete daran, überdeckt von einem leichten Schweißgeruch. Wegen ihr saß sie jetzt hier wie ein verschrecktes Schaf, wegen ihrer blöden Idee mit der Party. Kim würde weiter tanzen und denken und sich erinnern. Und sie? Frieda zerrte an dem Träger, sah voll bitterer Freude, wie sich der Stoff dehnte, riss weiter, bis er mit einem Knarzen nachgab, brüchiger, morscher Scheiß war das. Schnell stopfte sie das Kleid in den Schrank und kauerte sich in eine Ecke.
„Frieda?“ Mit einem Mal ragte Kim über ihr auf, entdeckte, wie sie da hockte, klein und hingeduckt. „Was ist denn mit dir?“ Ihr Atem roch nach Wein, Frieda fühlte ihre Hand, ihr Zupacken, und dann waren sie in dem großen Raum, zwischen den anderen, während One Day aus den Boxen dröhnte. Kim griff sie an beiden Händen, ließ sie nicht mehr los, tanzte mit ihr im Kreis, ganz wild, obwohl sie es doch so schlimm am Herzen hatte, immer weiter, schön war das, wunderschön, das hatten sie nie gemacht vorher, weiter und weiter, bis sie beide umfielen vor Lachen und Trunkenheit und Schwindel.
Dann rief Kim und ihre Stimme überschlug sich: „Mit Ihnen tanz ich am liebsten, Frau Frieda! Und noch was! Wenn du nicht mehr weißt, wer wer ist, dann bin ich deine Erinnerung, und du, du sollst mein Herz sein.“ Und dann lachte sie laut, weil alle ganz pikiert guckten und weil das so entsetzlich rosarot und zum Schreien war, und sie zog Frieda ganz schnell wieder hoch, und sie drehten sich weiter, immer rund und rundherum, bis alles verschwamm, und in dem Taumel sah Frieda Gesichter vor sich, große, bunte Gesichter, aber sie kannte sie nicht, und dann dachte sie an ein Stück zerrissenen, seidigen Stoff.

*​

Der Zettel hing an ihrer Zimmertür. Tabletten einnehmen stand darauf. Wann hatte sie den geschrieben? Sie erinnerte sich nicht. Noch mehr Zettel, eine ganze Serie hatte es sich in ihrem Zimmer breit gemacht. Als hätte jemand anderes sie heimlich aufgehängt; doch es war ihre Schrift, wenn sie auch aussah wie in großer Eile geschrieben. Am Kleiderschrank hingen welche, der nächste neben dem Tagebuch, in das sie jeden Tag ihre Fragen schrieb, und ein ganzer Zettelfächer klebte am Schreibtisch, wo der Tablettendosierer lag.
Sie riss die Zettel ab, nur den an der Tür ließ sie hängen, dann nahm sie die Box in die Hand und schob das Fach für Donnerstag heraus. Drei Tabletten lagen darin, fein aufgeteilt auf Sonne, Mond und Mittag. Mittag war unbeschriftet geblieben, bis sie selbst ein Symbol gemalt hatte: einen Stinkefinger. Das vierte Fach war nur an zwei Tagen der Woche gefüllt, Vitaminpillen lagen darin. Sie schob die Box noch weiter auf und beobachtete, wie die Tabletten in ihren Fächern rollten; kleine, hilflose Kügelchen. Schnell schluckte sie die Donnerstagmorgen-Pille. Der Boden der leeren Fächer war mit einer pastellfarbenen Staubschicht bedeckt. Sie befeuchtete den Zeigefinger, fuhr auf dem Boden eines Faches entlang und leckte den Staub ab. Sie musste an ein Kinderstück denken; ein kleiner, dicker Ritter im Kampf gegen das Böse. Ob er auch bitter schmeckte, wenn man an ihm leckte?
„Oblong-Fitz-Oblong“, rief sie, „Treten Sie an gegen den Aussatz!“ Sie schluckte die Stinkefingertablette rasch hinterher.
„Was ist denn schon wieder?“ Kim schaute ins Zimmer. Sie sah blass aus. Und müde. „Hast du die Tabletten schon genommen?“ Sie nahm ihr den Dosierer aus der Hand und prüfte die Fächer. „Du hast ja schon die Mittagstablette eingenommen. Soll ich das nicht langsam übernehmen?“
„Nein ich ...“
„Das ist wichtig, du musst dich dran halten. Dann lass es mich machen, wenn du es nicht mehr schaffst.“ Kims Stimme klang schrill.
Frieda griff nach dem Dosierer. „Gib her!“
„Ich weiß nicht“, Kim verzog das Gesicht, „traust du dir das echt noch zu?“
„Gib her!“ Mit einem Ruck zog Frieda an der Plastikschachtel, riss sie Kim aus der Hand, die erschrocken auf einen Schnitt an ihrer Hand blickte. Die Tabletten sprangen heraus und kreiselten über den Boden.
Bestürzt sah Frieda auf Kims Hand. „Das wollte ich nicht. Ich wollte nur …“
„Jetzt sieh mal, was du gemacht hast!“, Kim wies auf den Schnitt, aus dem ein Blutfaden quoll. „Keine Ahnung, in welches Fach die Dinger gehören. Mann, das nervt!“ Sie hockte sich auf den Boden, suchte, sagte, „Lass mal sehen“, und nahm Frieda den Dosierer aus der Hand. Sie legte die Tabletten in ihre Fächer zurück, an einer klebte ein bisschen Rot. Dann stand sie auf und hob die Hand. Frieda duckte sich, über ihr hing Kims Hand. Einen Moment stellte Frieda sich vor, wie die Finger zum Schlag ausholten, auf den Kopf droschen, als müssten sie die Schädeldecke durchdringen, fast wünschte sie es sich. Dann spürte sie doch nur wieder das harte Streicheln, das Ziepen an ihren Haaren. Kims Gesicht schwebte über ihr, es sah traurig aus. Frieda fühlte, wie ihr der Dosierer in die Hand geschoben wurde. Dann war sie allein.
Wann war das passiert, dass Kim ihr die Entscheidungen abnehmen wollte? Waren es Tage her? Oder Wochen? Die Erinnerung war abgetaucht in die zähe Masse, die jetzt ihr Gedächtnis war.
Sie hatte sich verändert, ihre Kim, sie sah breiter aus, dabei war sie doch klein und zierlich, und größer jetzt, viel größer als Frieda. Und sie redete so viel und wusste alles, und Frieda konnte nicht antworten, so schnell, wie die Fragen gestellt wurden. Jede Geschichte von ihnen beiden, wie sie Kim geholfen hatte, ihre Arbeit zu schreiben, oder wie sie ihr Flieder geholt hatte und dabei vom Baum gefallen war, jede einzelne Geschichte wurde zu einem Schatz, den Frieda Tag für Tag suchte, um ihn Kim und sich neu zu schenken. Damit alles seine Ordnung hatte. So froh war sie über das Wiedergefundene, doch Kims Gesicht erstarrte, wenn Frieda anfing zu erzählen. Und am schlimmsten war das Streicheln.
Als Kim aus dem Zimmer gegangen war, setzte Frieda sich vor ihren Schreibtisch und schlug das Tagebuch auf. Sie schrieb. Ich schäme mich für das, was ich bin, und noch mehr für das, was ich sein werde. Und wie es dann mit Kim sein wird. Ich … Sie schlug das Tagebuch zu, öffnete es wieder und riss die Seite aus dem Buch heraus.
Der Aussatz kam näher, ob sie wollte oder nicht. Ihre Vergesslichkeit zeigte es und Kims Gesicht zeigte es. Die Hoffnung, dass sie noch eine Weile so leben konnte, platzte. Es war Zeit.
Sie ging an ihren Schreibtisch, kramte ganz hinten in der Schublade, wo sie in einer versteckt liegenden Schachtel die kleine, blaue Pille aus dem Beratungszentrum aufbewahrte: Hyperbarbitol, schmerzlos und tödlich. Man musste es nur nehmen. Und genau das war der Punkt. Sie, die so schnell gelebt hatte, immer drauflos, so oft war sie gesprungen, zum nächsten Mann, in einen neuen Job oder mit dem Fallschirm. Vor diesem Sprung aber hatte sie Angst. Sie wollte nicht vor sich hin krepieren, aber sie wollte auch nicht spüren, wie die Tablette den Hals hinunterrutschte, und daran denken müssen, dass dies der letzte Moment ihres Lebens war. Sollte sie ihr graues Spitzenkleid anziehen und auf den Tod anstoßen mit einem Glas Champagner? Und vorher zum Friseur gehen? Eine flotte Kurzhaarfrisur schneiden lassen? Das passte doch alles nicht. Ach, sie hatte einfach Angst, jämmerliche beschissene Babyangst. Nachdenklich wendete sie das Kästchen zwischen ihren Fingern hin und her. Dann öffnete sie es. Vorsichtig platzierte sie die Pille in das vierte Fach für Sonntag. Heute wusste sie noch, dass sie diese Pille nicht nehmen durfte. Und morgen würde sie das auch noch wissen. Lange noch. Aber irgendwann würde sie vergessen, was das für eine Pille war und sie würde sie nehmen. Ihr Tod wäre ein merkwürdiger Zufall, eine Folge ihrer Vergesslichkeit. Sie würde dem Aussatz ein Schnippchen schlagen und ihrer eigenen Angst gleich mit.
Aber, dachte sie, was ist, wenn Kim mir den Dosierer wegnimmt? Sie beruhigte sich, das macht sie so schnell nicht, und wenn, dann schauspielere ich, ich werde so tun, als nehme ich die Pille und bewahre sie woanders auf. Das geht schon. Und wenn ich es nicht mehr weiß? Dann gibt Kim mir die Pille. Ihre Kehle verengte sich, sie schluckte, massierte sich den Nacken. Kim. Sie wird es verstehen, sagte sie sich dann, sogar, wenn sie das mit der Pille kapiert. Ja. Sie wird zurechtkommen, das ist ok, sie ist doch jetzt gewachsen. Außerdem wollte sie ja die Box. Sie verzog den Mund. Kontrolle hat einen Preis, auch für eine Freundin. Sie drängte den Gedanken an Kim endgültig zurück und lächelte. Ihr Vergessen würde sie vom Vergessen erlösen.

*​

Sie nahm den Papierball, der immer noch auf dem Metalltisch lag, zerknüllte ihn noch mehr und warf ihn mit Schwung auf die Straße, direkt vor die Pumps eines der Minirockmädchen. Wenn man einen Entschluss gefasst hatte, war alles leicht, es ging ihr gut heute, verdammt noch mal.
„Naja ein Dunking war das jetzt nicht gerade“, sagte der junge Mann, der neben ihr Platz genommen hatte.
„Wie bitte?“
„Dunking. Basketball, Korbwurf.“
„Dunking.“ Frieda schüttelte den Kopf. Sie sah den jungen Mann eine Weile an, musterte sein bartloses Kinn, den Pferdeschwanz. Er sah aus wie ein frisch geschlüpftes Küken. „Sie sehen aus wie ein Max.“
Der Junge stutzte. „Ich dachte wie der andere.“
„Wollen Sie einen Kaffee mit mir trinken? Der Kaffee ist gut, allerdings ist die Milch zu dünn: Die Blasen platzen.“
Der junge Mann nickte. „Mit platzenden Blasen kenne ich mich aus. Besonders mit Hoffnungsblasen.“ Seine Mundwinkel tänzelten nach unten. Gottseidank, dachte Frieda, einer, bei dem Mund und Augen nicht zwei verschiedene Geschichten erzählen. Doch so schnell sie gesackt waren, hoben seine Mundwinkel sich wieder, flatterten, als müsste der Mann sich noch entscheiden, ob er über das, was er sagte, lachen wollte. Da, schon wieder. Die Mundwinkel tanzten. Aber Tango ist das nicht, dachte Frieda, eher Veitstanz. Sie riskierte einen Blick zur Nase, wanderte über Sommersprossen zu hellbraunen Augen, in deren Mitte grüne Pünktchen schwammen.
„Platzende Blasen, blasende Platzen“, sagte sie. „Heute ist ein Blasenplatztag.“
„Ja …“, der Mann zögerte, musterte Frieda für einen Augenblick, dann fuhr er fort: „Ich weiß jetzt nicht, soll ich erzählen?“
Frieda nickte.
„Also eigentlich muss man das wirklich erzählen. Es ist absurd. Ich habe für ein Institut Interviews führen müssen. Den Job bin ich los. Aber egal, bin wohl nicht für so was geschaffen. Die wollten so psychologische Profile. Und ich hab alles andere rausgekriegt, nur nicht die Profile. Und das, was ich rausgekriegt hab, das hätt ich denen schon vorher erzählen können. Als ich ihnen gesagt hab, dass der Aufwand die Mittel nicht lohnt, haben sie gesagt, das sehen sie auch so, und haben mich rausgeschmissen. Naja, vielleicht besser so.“
„Was mussten sie fragen?“
„Ich musste Filmtitel nennen und die Leute mussten dann sagen, was ihnen dazu einfällt. Hab ich gemacht. Und was ist denen eingefallen? Fast immer?“ Der junge Mann krauste die Nase.
„Was zu essen?“
„Klar. War immer Popcorn. Ich weiß jetzt genau, dass Chilipopcorn besonders häufig von Männern gegessen wird, die in Actionthriller gehen. Wenn Frauen mitgehen, nehmen sie eine kleine Packung Popcorn, süß und gefärbt wie Karotten, und geben ihrem Begleiter nichts davon ab. Ich wusste nicht, dass Möhrchen-Popcorn eine Art Protestaktion ist." Er lachte. "Bei Schmachtfetzen, z. B. den Remakes von diesem, Mann, jetzt fällt er mir nicht ein …“
„Das ist mein Job“, sagte Frieda und griff nach der Tasse des jungen Mannes.
„Nur zu, nur zu“, irritiert blickte er auf seinen Kaffee, der gerade in Friedas Mund verschwand, „jetzt weiß ich es wieder, Walt Disney, komisch, dass das Zeug immer noch boomt, da kaufen die Frauen doppelsüßes Popcorn, Partnerbox, für sich und den Mann an ihrer Seite. Ich glaube, das ist eine Art Anti-Kondom. Den Kerlen fällt sofort auf, dass die Freundin das kauft. Da werden sie vorsichtig. Und dann erzählen sie, dass das Popcorn ihnen den Magen zugeklebt hätte in der Nacht nach dem Kino und alles andere gleich mit.“
„Und dann?“
„Und dann, naja“, der junge Mann setzte sich zurecht, griff sich wieder seine Tasse, nahm einen Schluck. „Dann, also ich find das ja schon komisch, wenn die immer mit Popcorn kommen. Aber es war wirklich so. Zum Beispiel: Was fällt Ihnen ein, wenn Sie „Morningtiger“ hören? Antwort: Das war da, wo meine Freundin einen Riesenaufstand gemacht hat, weil es kein buntes Popcorn mehr gab. Und der Proband und ich uns dann zusammen überlegt haben, ob man nicht Popcorn passend zum Film erfinden sollte. Also in diesem Fall Streifenpopcorn mit Zähnen.“ Der junge Mann lachte. „Fragt man sich doch echt, jetzt gibt es Popcorn seit der Steinzeit und nie ist einer auf diese Idee gekommen.“
Frieda gluckste, sein Lachen war ansteckend. „Was ist das? Morningtiger?“
„Was? Den kennen Sie nicht? Der Film von Milan Swamovic, von dem redet zur Zeit jeder. Ein ganz junger Regisseur, ein Schüler von Hooper. Apropos Hooper. Nach „Les Miserables“ musste ich auch fragen. Und wissen Sie, was mein Proband gesagt hat? Das war, als mein Karamell-Popcorn, so elend klebrig war, dass mir die Zahnfüllung rausgefallen ist.“ Der junge Mann seufzte übertrieben und verdrehte die Augen. „Ich weiß nicht, das muss wohl an mir liegen.“
Frieda verstand nichts, aber das Geplauder des jungen Mannes umhüllte sie wie eine gemütliche Decke. Man musste nicht antworten, er unterhielt sich ganz von allein. Sie lachte so laut, dass die Leute vom Nebentisch herüberschauten. Frieda drohte ihnen mit dem Finger. Als sie zurückschaute, sah sie, dass der junge Mann auch den Finger erhoben hatte.
„Jetzt müssen sie dazu nur noch mit den Ohren wackeln, dann kriegen die sich gar nicht mehr ein, sehen Sie, so …“ Seine Schläfen zitterten auf und ab.
Frieda prustete.
„Also das war das Problem, sobald die einmal Popcorn sagten, musste ich weiterfragen. Wissen Sie, die Sache mit dem Popcorn interessiert mich ja schon lange. Warum zum Beispiel gibt es das immer noch? Und wie hat es überhaupt den Weg in die Kinos genommen?“
„In einer Tüte?“
Der junge Mann stutzte. „Sie haben lustige Antworten. Ich hab mich natürlich oft auch gezwungen, anderes zu fragen, sonst wär ich wohl schon früher rausgeflogen.“
„Und dann?“
„Naja, den meisten fällt auch noch ein, mit wem sie im Kino waren. Hätt ich denen von dem Institut auch vorher sagen können. Ist doch logisch. Ich mein, Essen und Menschen, das ist doch das Wichtigste.“
„Das geht mir auch so. Ich erinnere mich auch nur noch an Essen und Menschen. Aber das ist bei mir normal.“ Frieda kicherte.
„Und dann gibt es da noch die Cineasten. Um die dreißig, buschige Augenbrauen. Für die gilt das alles nicht, die essen immer nur dasselbe Popcorn, egal, welcher Film. Dafür XXL-Packung. Immer. Aber einer hat mir heute einen super Tipp gegeben. Das guck ich mir nachher gleich an. Dieser Swamovic, der soll eine Indie-Produktion gemacht haben. Über Ianua digna. Kann man nur im Netz sehen.“
„Was?“
„Ein Film über Ianua digna. Dass die jedem die Todespille aufdrücken, selbst Leuten, die noch lange gut leben könnten. Und die lassen sich das teuer bezahlen. Und, jetzt kommts, das Zeug da drin funktioniert noch nicht mal. Ein paar Leute sollen ganz furchtbar verreckt sein, und manche haben trotzdem überlebt, und es war schlimmer als vorher. Die Pharma-Industrie sponsert die angeblich. Und die Regierung auch. Sind doch alle froh, die vielen Kranken loszuwerden. Sie werden ja ganz blass. Soll ich Ihnen ein Glas Wasser holen?“

Als der junge Mann gegangen war, saß Frieda immer noch da und lauschte der Leere in ihrem Inneren. Als wäre etwas abgemäht worden. Es tat noch nicht einmal besonders weh, es war einfach nur fremd. Das, was sie für Kontrolle und eine ironische Idee gehalten hatte, war eine Schimäre.
Leute liefen an ihr vorbei, sie sah ihnen hinterher. Und dann war es ihr klar, sie musste so schnell wie möglich nach Hause, die Pille rausnehmen. Sie musste. So wollte sie nicht gehen, nicht mit dieser Angst. Das wollte sie sich nicht antun. Und Kim auch nicht.
Und zuallererst würde sie in einen Film gehen mit Kim. Und an den jungen Mann denken, wenn er ihr wieder einfiel. Dafür war jetzt die Zeit. War doch egal, wenn Kim größer wurde als sie. Aber erst würden sie zusammen Popcorn essen. Eine riesige Tüte.

*​

Als Frieda eintrat, wartete Kim schon auf sie. Sie saß am Tisch, vor sich ein Stück Kuchen, pickte Krümel auf und leckte sie von ihrem Finger.
„Ich habe auf dich gewartet“, sagte sie. An der Kuchenplatte lehnte eine Postkarte. Frieda stellte ihre Tasche ab, wollte in ihr Zimmer, sie musste etwas Dringendes erledigen. Doch Kim umarmte sie, ganz fest, es war ein schönes Gefühl. Stimmt, sie musste sich erst einmal mit Kim vertragen, sich entschuldigen.
Sie griff nach einem Teller: „Ich auch Kuchen.“
Kim lachte und schnitt ihr ein Stück ab. Als Frieda sich über den Kuchen beugte, fühlte sie Kims Hand ihren Kopf berühren. Ganz leicht, wie ein Vogel, der sie zart mit den Federn streifte. Sie sah auf, sagte, „wir müssen zusammen ins Kino gehen, das ist wichtig.“ Dann stopfte sie sich ein Stück Kuchen in den Mund, kaute einmal und erhob sich.
Kim sagte: „Das ist für dich“, und reichte ihr die Postkarte. „Ich bin manchmal so ungeduldig, es tut mir leid. Es ist nicht einfach für uns beide.“ Sie senkte den Kopf. „Ich hab Kuchen gebacken und dann hab ich die Postkarte gesehen. Die zwei hier, die sind wie du und ich. Da hab ich sie dir mitgebracht.“
Auf der Karte liefen zwei struppige Hunde nebeneinander her. Hinter ihnen verschmolzen graugrüne Hügel mit dem Himmel.
„Das bist du“, sagte Kim und wies auf das linke Hündchen, das im Sprung durch die Luft flog, so dass die Haare nach hinten wehten. „Genauso wild bist du manchmal. Und das da, das bin ich.“ Sie deutete auf den Hund, der neben dem anderen über die Straße trabte, er sah ein wenig besorgt aus. Die Mundwinkel wiesen nach unten, bildeten zusammen mit der schwarzen Lacknase ein Dreieck. Die Augen waren groß und feucht, sahen den Betrachter direkt an. Frieda blickte auf die beiden Hunde, es war nur eine Postkarte, aber es war ein schönes Geschenk und ein bitteres, und so, dass sie weinen wollte, weil es ihr in die Seele schnitt. Wieder fiel Frieda ein, dass sie unbedingt an etwas denken wollte, was war es nur, irgendetwas, das mit blauer Farbe zu tun hatte. Ärger bohrte in ihr, warum hatte sie nicht einen Zettel geschrieben, das machte sie doch sonst immer? Sie erinnerte sich verdammt noch mal an nichts. Sie kniff sich in die Hand, ganz fest, saugte am Handballen, die Karte immer noch zwischen den Fingern, bis sich ein blauer Fleck bildete, blau, ja blau, das war es, bestimmt war es das, an etwas Blaues wollte sie denken. Noch einmal saugte sie und drehte dabei die Hand, so dass ihr Blick wieder auf die Karte fiel. Ach, Kims Geschenk, sie genoss die Lebensfreude, die in den beiden Hundekörpern steckte, die Anspannung des Sprungs und die Gemächlichkeit des Trabens, sie folgte dem hellen Feldweg, der sich mit dem Dunkel des Waldes verband, wanderte hin zu dem Streifen Himmel, der über den Hündchen leuchtete. Helles Lichtblau mit einem Grünstich. Ja, dachte sie, daran habe ich denken wollen, an diesen Himmel. Hell mit einem Schimmer Grün. Kims Geschenk. Sie tippte auf die Karte, fuhr den Himmelsstreifen entlang und freute sich über die beiden Hunde.

 
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Moin Novak,

mit Freuden sah ich nun vor einer Weile schon eine neue Geschichte von dir im Forum - mit Unfreuden (wenn es dieses Wort überhaupt gibt) sah ich leider auch die Länge (die aber auch nur zu beanstanden ist, wenn einem - wie mir - die Zeit fehlt!).

Nun, habe ich es aber doch endlich geschafft, sie zu lesen (Gott sei dank!), wiewohl fehlt mir allerdings jetzt die Zeit eines allzu ausführlichen Kommentars.
Also: Gefallen hat sie mir sehr, sehr gut, die Geschichte. Das wenigstens wollte ich loswerden.

Ich könnte jetzt viele Lieblingsstellen heraussuchen und auflisten, beschränke mich aber auf eine (von der ich echt, also wirklich, total neidisch bin, dass ich sie nicht geschrieben habe ;)!)

„Niemand braucht zu wissen, dass es ein Abschied ist. Und dann“, ihre Stimme hob sich wieder, „wenn alle zu viel gesoffen haben, dann knipsen wir sie und erpressen sie, weil sie so scheiße aussehen.“

Und nur um der Vollständigkeit willen zwei Mäkeleien (die eigentlich nur fade Kleinkrämerei sind):

Wenden Sie sich an die Beratungszentren.

Ich weiß nicht - die Beratungszentren klingt für mein Geschmack etwas zu ominös - wie "Die Grauen Herren" oder "Der Todesstern"! - wie wäre es als Vorschlag mit: ... an ein Beratungszentrum?

Und ist die Stelle mit dem Popcorn vielleicht ein wenig zu lang geraten? Aber das haben ja schon ganz andere ...! Deshalb will ich dich gar nicht weiter damit nerven ;).

Also, ausgesprochen gerne gelesen, danke dafür!

LG

fvg.

PS: Ich weiß du fordertest einmal relativ intensiv eine neue Geschichte von mir ein. Momentan - wie vielleicht schon zu oft gesagt - fehlt mir einfach die Zeit und die Muße dafür. Aber die Zeit wird kommen ... definitiv!
Außerdem: Wer zum Henker singt One Day?

 

Weiter gehts.

Liebe Fliege,
wow, liebe Fliege, ich hab mich sehr geehrt gefühlt, als du schriebst, das wär mein stärkster Text bisher. Ich freu mich unter anderem deshalb so sehr, weil du mich so ein bisschen auf den Trichter gebracht hast, die Konflikte zwischen den Personen mehr zu betonen. Kannst du dich noch an die Babyphongeschichte erinnern, die ich dir mal geschickt hatte? Damals schriebst du mir, das sei wichtig, dass es sozusagen einen Pro- und einen Antagonisten geben sollte, du hast es anders ausgedrückt, aber im Grunde läuft es darauf raus. Klar, man weiß das so ganz allgemein, aber man rafft es erst richtig, wenn man es auf das Geschehen in der eigenen Geschichte bezieht. Und das hab ich von dir, dass ich jetzt immer darauf achte, dass sich zwischen den Personen mehr abspielt.

Sterbehilfe un Selbstbestimmung ist für mich auch ein großes Thema.
Ich kann jetzt nicht sagen, dass sie mich emotional total erwischt hat, wie so manchen anderen Leser, obwohl ich das gut nachvollziehen kann. Ich glaube, da spielen die eigenen Erfahrungen eine große Rolle und die belaufen sich bei mir noch aufs Hören-Sagen. Wer da mehr involviert ist, dem wird es sicher ganz anders unter die Haut kriechen.
Ja, so ist das vermutlich. Ab einem bestimmten Alter stellt man sich diese Fragen eher. Ist man noch jung, dann bleibt das alles weit weg. Und klar, ich kann mir auch vorstellen, dass eigene Erfahrungen da eine ganz wichtige Rolle spielen. Mir geht das immer so, wenn ich mich selbst oder einen Teil von mir in einer Geschichte entdecke, dann haut das ganz anders rein. Auch wenn man sie trotzdem gut findet.

Hier wäre der perfekte Zeitpunkt, die Zeit zu klären. Hast Du ja ein bisschen drin, durch den neuen Bezinersatz, mach es deutlicher, lass ihn über was schimpfen was ganz fett auf Zukunft deutet, zum Beispiel, dass sie das Renteneintrittsalter auf 80 angehoben haben, oder das die Verbreitung von Wölfen in deutschen Wäldern langsam bedrohliche Ausmaße annimmt, irgendeine Tierart jetzt endgültig ausgestorben oder König William von England sich ein Bein gebrochen hat. Was weiß ich, Dir fällt sicher etwas ein.
Nee, mir war eben die ganze Zeit nix eingefallen, bis du mir da weitergeholfen hast. Verbessern werde ich alles erst nach dem Update, aber du hast an der Stelle hier echt eine Blinde sehend gemacht.

Über die Stellen, die dir gut gefielen, hab ich mich mächtig gefreut. Ich merke, dass man durch das Schreiben manchmal die Leute stärker beobachtet, auch sich selbst stärker beobachtet. Und zum Beispiel das mit den Augen, also dass man dem anderen nicht mehr in die Augen schaut, das ist ja so schnell abgetan als Verlogenheit, dabei ist Schüchternheit oder Verlegenheit oft der Grund. Oder eben so etwas wie hier. Und solche Beobachtungen, zu denen wird man eben durch das Schreiben angeregt

Und so wurde selbst der verwaltungsbürokratische Akt etwas menschlicher. Das fand ich eine schöne Vision.
Einerseits ja, aber andererseits sind die schon auch ganz schön findig, sie lullen den Klienten so ein bisschen ein.

Zitat:
Teuer, aber nun konnte sie gehen, wann immer sie wollte. Sie hatte etwas, mit dem sie die Kontrolle behielt, wenn ihr alles entglitt. Sie musste nur den richtigen Zeitpunkt erwischen.
Ich habe das hier noch gar nicht so richtig kapiert, was es heißt, den richtigen Zeitpunkt abzupassen. Nach hinten raus bekam das natürlich auf einmal eine Dimension - sag ja, Hören-Sagen-Wissen.
Ja, das ist wirklich ein Punkt. Als ich mal in einem Cafe saß und den Frauen am Nebentisch zuhörte, ich mach das leider immer so, da erzählten sie sich von einer Frau, die an Alzheimer litt und dann freiwillig aus dem Leben schied. Sie erzählten sich, sie hätten das gar nicht erwartet, dass sie das noch schafft. Irgendwann ist es bei sehr vielen Erkrankungen so, dass die Selbstbestimmung eigentlich nicht mehr so recht möglich ist.

Tja, ab welchen Punkt wird Hilfe zur Entmündigung? Spannende Frage immer wieder und eigentlich auch ein eigenes Thema. Davon hätte ich auch gut und gern noch mehr vertragen. Aber klar, man kann sich dann auch in einem Text verfransen, aber schön, dass es überhaupt aufgeriffen wurde. Fällt mir sowieso grad auf, dass Du das Thema sehr komplex angegangen bist, mit den vielen Facetten, die da reinspielen.
Ja, ich denke halt auch, dass das die Hauptthemen sind, die da eine Rolle spielen. Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass man so ein Thema ohne diese abwickeln kann, aber da denke ich vielleicht auch zu kurzschlüssig.

Zitat:
Jede Geschichte von ihnen beiden, wie sie Kim geholfen hatte, ihre Arbeit zu schreiben, oder wie sie ihr Flieder geholt hatte und dabei vom Baum gefallen war, jede einzelne Geschichte wurde zu einem Schatz, den Frieda Tag für Tag suchte, um ihn Kim und sich neu zu schenken. Damit alles seine Ordnung hatte. So froh war sie über das Wiedergefundene, doch Kims Gesicht erstarrte, wenn Frieda anfing zu erzählen. Und am schlimmsten war das Streicheln.
Sehr stark! Weil man hier anhand von Kims Reaktion sieht, wie oft sie diese Geschichten hört, wie sie es nervt, und wie verschieden da eben die Wahrnehmungen sind, zwischen den beiden. Für die eine ist es ein Glück, für die andere eine Belastung.
Tja, da sinds wohl wirklich die eigenen Erfahrungen, die mir da die Finger geführt haben. Erfahrungen mit alten vergesslichen Leuten. Normalerweise bin ich immer ein einziges Pfund schlechtes Gewissen, wenn ich so genervt reagiere, hier war es für mich spannend, beide Perspektiven aufzugreifen.

Zitat:
Vor diesem Sprung aber hatte sie Angst. Sie wollte nicht vor sich hin krepieren, aber sie wollte auch nicht spüren, wie die Tablette den Hals hinunterrutschte, und daran denken müssen, dass dies der letzte Moment ihres Lebens war. Sollte sie ihr graues Spitzenkleid anziehen und auf den Tod anstoßen mit einem Glas Champagner? Und vorher zum Friseur gehen? Eine flotte Kurzhaarfrisur schneiden lassen? Das passte doch alles nicht. Ach, sie hatte einfach Angst, jämmerliche beschissene Babyangst.
Spätestens hier hätte ich aufgehört zu schreiben (wäre es meine Geschichte). Mich da hineinzufühlen, da wäre mir der Text abgehauen, muss ich sagen. Schon allein deswegen, Repekt Frau Novak!
He, danke schön, das war eine meiner Angststellen. Man weiß ja nicht, ob man da wirlich einen guten Ton trifft. Oder ob man zu oberflächlich und flappsig wird.

Zitat:
Heute wusste sie noch, dass sie diese Pille nicht nehmen durfte. Und morgen würde sie das auch noch wissen. Lange noch. Aber irgendwann würde sie vergessen, was das für eine Pille war und sie würde sie nehmen. Ihr Tod wäre ein merkwürdiger Zufall, eine Folge ihrer Vergesslichkeit. Sie würde dem Aussatz ein Schnippchen schlagen und ihrer eigenen Angst gleich mit.
Letzter Satz kommt weg. Ist gebongt. Und auch der andere, den du angemahnt hast. Und hier, ja, ich fand den Plan auch so schlau, deswegen wollte ich das auch unbedingt drin haben.

Und wenn ich es nicht mehr weiß? Dann gibt Kim mir die Pille. Ihre Kehle verengte sich, sie schluckte, massierte sich den Nacken. Kim. Sie wird es verstehen, sagte sie sich dann, sogar, wenn sie das mit der Pille kapiert. Ja. Sie wird zurechtkommen, das ist ok, sie ist doch jetzt gewachsen.
Sie ist doch jetzt gewachsen - autsch. Kehle zuschnürr. Tja, wie wird es Kim gehen, wenn sie begreift, was sie ihr für eine Pille gegeben hat? Was da alles zusammenkommt, an Themen, uff.
Ja, sie ist ja auch ein bisschen fies da, die Frieda, schlechte Erfahrungen machen einen eben nicht immer zu einem besseren Menschen, sondern man wird ja auch neidisch, rachsüchtig, das gehört alles dazu.

Und dafür das Geseiere über das Popcorn? Wie wäre es, den Kellner wieder auf den Plan zu rufen? Hat er eben wieder was im Radio gehört oder in der Zeitung (gibt es das alles noch?) gelesen. Aber, den Einwand fand ich gut, gibt dem Geschehen noch mal eine Wendung, so ein Dolchstoß von hinten.
Hehe, ja da wird Popcorn zu einem Stein des Anstoßes. Himmel, bevor du auf den Plan tratst, hab ich das Popcorn verteidigt bis aufs Blut, aber du bist jetzt die eine zuviel. Also ich verspreche, ich werde das Popcorn ein bisschen kürzen. Ja, ich verspreche es auch allen anderen, die kein Popcorn essen wollten. Das, was ich wollte, erreiche ich ja trotzdem noch. Aber ich kürze es nur ein bisschen.
Feine Geschichte. Hat mir auf jeden Fall auch Facetten gezeigt, die mir erst mal gar nicht in den Sinn gekommen wären, die aber natürlich dazugehören.

Sehr gern gelesen!
Beste Grüße, Fliege

Ja, das habe ich auch sehr gerne gelesen. Dankeschön für dein Lob, für deine Verbesserungstipps und auch für die Antpopcornmessage. Die Popcörner, die ich rausschmeiße, die schicke ich dir dann schon mal nach Berlin. Oder ich schick mich gleich mal mit, gucken, dass es dir auch ja gut geht.
Viele Grüße aus Frankfurt
von Novak


Lieber Nastro,
Mann, als ich das las, war ich echt perplex, ich glaube, ich kann mit so viel Lob gar nicht umgehen. Ich denke immer, das kann doch nicht sein. Aber freuen tu ich mich unendlich drüber. Gerade von dem Verfasser meiner geliebten Frau Kowal.
Vielen Dank für dein Lob, das ist für mich eine große Motivation. Lass es dir gut gehen, arbeite nicht so viel, wenn es geht. Das Leben ist kurz, selbst wenn es lang ist.
Jaja, ich weiß, ist nur ein Spruch, aber manchmal hilft es doch, die Dinge gerade zu rücken, vor allem, wenn man so arg wenig Zeit hat.
Viele Grüße aus Frankfurt

Und nun zu dir, lieber Lollek,
den Anfang überdenke ich. Der Punkt ist nur, am Anfang hab ich ewig rumgebosselt. Das hab ich bestimmt x-mal umgeschrieben. Am Anfang hatte ich da noch so eine Maschine drin, um zu zeigen, dass es in der Zukunft spielt. Und davon bin ich dann wieder weg. Ich hab also schon gar keinen Bosselbock mehr. Aber vielleicht fällt mir ja was anderes ein für Frühlingswischiwaschi, war ja auch für ein paar andere Leute gewöhnungsbedürftig. Das wäre dann ein Wort wenigstens weniger. Ich will dich ja nicht üebrfordern, hehe, ja, da musst du jetzt durch nach der Vorlage.
Danke für das Nennen der Stellen, die dir gefielen.
Und Danke auch für das um Kopf und Kragen reden. Denn dadurch habe ich verstehen können, was dich zu deiner Meinung bringt.

Ich finde das Thema stark, Sterbehilfe in der Zukunft, da hab ich auch mal was zu angefangen, hab mirs dann aber nicht zugetraut.
Ich finde das Thema auch immer noch sehr stark und am liebsten würde ich das noch einmal in einer anderen Geschichte verarbeite. Aber ja klar, ich finbde es auch ziemlich schwierig. Ich hätte jetzt so ein bisschen Schiss, fass ich mich auf sehr vertrautem Bahnen wiederfinde, so Friedamäßig, dabei hätte ich da mehr eine Art Dytopie schreiben mögen. Ist wohl eine Nummer zu hoch für mich. Aber was du draus machst, das hätte ich schon gerne gelesen.
Aber jetzt mal zu deinem Kopf und Kragen.
Ich kann mich besser in die Leiden von Menschen hineinversetzen, die voll auf der Höhe sind und noch wissen, was gestern gerade geschehen ist etc. Irgendwie, jetzt rede ich mich doch um Kopf und Kragen, hab ich das Gefühl, für Angehörige ist Demenz vielleicht schlimmer als für die Betroffenen? Kann das sein? Jedenfalls ist das, was mir immer bei dem Gedanken wehtut, dass es passieren kann, dass einer meiner Lieblingsmenschen mich nicht mehr erkennt. Ich glaube, das fühlt sich schlimmer an, als wenn ich einen von ihnen nicht mehr erkennen würde.
Demenz ist für Angehörige sehr schlimm. Das ist, wie wenn dir ein geliebter Mensch stirbt, er bleibt aber trotzdem bei dir. Das ist nicht nur als Gefühl sehr schwer zu ertragen, sondern auch ganz praktisch. Nicht umsonst werden viele Leute, die einen Dementen gepflegt haben, selbst krank. Das bedeutet aber nicht, dass derjenige, der den Verlust seiner Erinnerung miterlebt, kein Problem damit hätte. Ich habe aus meinem Kollegen- und Freundeskreis Erfahrungen sammeln müssen, auch aus meiner Verwandtschaft, und auch wenn da vieles so lustig klingt, für diejenigen, die erleben müssen, wie ihnen die Erinnerung wegbricht, ist das eine ganz schlimme Erfahrung. Ich habe sogar den Eindruck, dass je mehr man gewohnt war, mit dem Kopf zu arbeiten, zu denken, logisch zu schlussfolgern, umso bitterer ist die Erfahrung, die Kontrolle zu verlieren. Mit Demenz im weiten Sinne gehen sehr schwere Depressionen einher, Aggressivität über das eigene Schicksal, Desorientierung und Isolation. Ich weiß nicht, wie sich das auswirken würde, wenn wirklich alle Möglichkeiten ausgeschöpft würden, um den Erkrankten zu helfen. Hierzulande steht das alles ja unter dem Kostenvorbehalt. Aber dass es eine sehr schmerzhafte Erfahrung ist, das kannst du mir abnehmen. Und ich weiß auch nicht, ob das wirklich erledigt ist, wenn die Erinnerung dann weg ist. Was ich auch noch im Altersheim beobachtet habe: Auch bei den Leuten, die schon längst in einem späten Demenzstadium sind, bedeutet es nicht unbedingt, dass sie halt einfach nur alles vergessen haben, sonst aber glücklich sind. Davon gibt es einige, aber so viele eben auch nicht. Ich weiß nicht, wovon das abhängt, ob es so oder so ausgeht, aber wenn du mal jemanden erlebt hast, der sich vor dir fürchtet, weil er dich nicht mehr erkennt, dann ist das zwar sehr schmerzhaft für den, der vergessen wird, aber für den anderen bedeutet es pure Angst. Immer wieder. Und wenn jemanden erlebst, die schreit, man solle ihr helfen und sie sei im KZ, dann merkst du, dass der Geist ja auch eine Hilfe ist, schlimme Erinnerungen abzuwehren. Und ich habe manchmal das Gefühl, dass es auch passieren kann, dass der Verlust des Geistens dich in einer Zeitschleife festhält, die der reine Horror ist.

So, wo der Kopf schon mal ab ist, brauch ich den Kragen auch nicht mehr: Irgendwie empfinde ich das auch als Segen, auf diese Weise zu sterben. Also eine Pille zu nehmen, von der man stirbt, ohne zu wissen, dass man sie genommen hat, weil man vergessen hat, das man diesen Tausch gemacht hat. Da ist man ja dann allen menschlichen Problemen, die mit dem Wissen um den eigenen Tod einhergehen praktisch entglitten.
Das stimmt, da geb ich dir Recht. Das war ja auch die Idee in dem Text. Bzw. Friedas Idee. Leider hat sie die Rechnung ohne den Geschäftssinn der Gesellschaft gemacht, in der sie lebt.

Also ich finde den Text schon gut, aber für mich ist der nicht auf einem höheren Niveau als andere Texte von dir, er geht für mich eher von deinen persönlichen Stärken weg, ist mehr verkopft und ich weiß nicht, ob mir das gefallen will. Der Text hat viellicht andere Ansprüche und er geht in eine gesellschaftskritische Richtung, was ich grundsätzlich sehr gut finde, trotzdem glaube ich, dass deine Stärken woanders liegen.
Dass er verkopfter ist? Das weiß ich nicht. Ich schreib jeden Text mit ziemlich viel Kopf, also da ist wenig rauschhaftes Schreiben. Ich würd das gern mal erleben, aber ich glaub, ich schreib eben anders. Also was den Schaffensprozess betrifft, den Aufbau und so, da sehe ich keinen Unterschied. Dass du andere Texte von mir genauso gut findest, das freut mich aber total. Denn manchmal wird das ja auch zu einer Hürde, wenn man dann vor so einem ganz besonderen Text steht und denkt, kommst du da wieder hin? Blöd so zu denken, aber ist mit schon passiert. Bremst man sich eben auch selbst aus.
Was ich nicht verstehe, hätte mich aber sehr interessiert, das ist das mit den persönlichen Stärken. Ich habe keine Ahnung wo die bei mir liegen. Hätte mich immer schon mal interessiert, gerade wenn man schreibt, ist das vielleicht wichtig, sich dessen bewusst zu sein.

Mir hat bei deinem Text persönlich irgendwas gefehlt, um ihn für ganz groß zu halten. Ich weiß nicht, ich war nicht traurig, dass Frieda nix mehr checkt, ich war nicht sauer auf die Pillenverkäufergesellschaft, irgendwie war es eher so: Ja, so wird es sein, so kann es sein, aber das ist jetzt auch nicht schlechter als heute und Demenz ist ein sehr interessantes Thema.
Klar, dass dir was gefehlt hat, das st natürlich schade. Das hätte ich schon gemocht, wenn dir der Text so richtig gut gefallen hätte. Ich weiß auch nicht, ob das vielleicht mit ein bisschen an deiner unterschiedlichen Ansicht zu Demenz liegt. Oder am Text oder an unterschiedlichem Geschmack. Aber es ist halt jetzt so.

Ich hatte den Ansatz bei meinem Text, dass es um Sterbehilfe für psychisch kranke Menschen geht, die es in einigen Ländern ja gibt. Da geht es dann mehr um die Angehörigen, um Gutachten (Wer sagt: Ja, er ist krank genug für die blaue Pille und wer profitiert von diesem Gutachten)
Mensch, das ist ja ein ziemlich krasses Thema. Jetzt bin ich natürlich noch neugieriger. Vielleicht schriebst du es ja doch einmal.
Lollek, ich danke dir für das Lesen, für deine kritischen Töne, auch für die Aussage, dass das nicht einer meiner stärksten Texte sei. Ich weiß, das klingt komisch, aber ich schätze dich so sehr, dass ich mich wirklich darüber freue, ich kann mir jetzt sagen, (bei aller riesigen Freude über das Loben des Textes durch die anderen), dass dieser Friedatext hier nicht zu einer Hürde wird, die ich nur schwer überwinden kann, ja, so blöd denk ich manchmal, sondern ich kann mir jetzt sagen, dass auch meine Horrorgeschichtchen was zu bieten haben. Und jeder Text irgendwie auch für sich selbst spricht.
Also viele Grüße an dich und bis bald einmal.
Novak

 

Liebe Kommentatoren, ich habe ein ganz schlechtes Gewissen, ich dachte ganz im Ernst, dass ich alles beantwortet hätte, und zwar noch vor dem Update. Jedenfalls wollte ich das unbedingt. Und heute, als ich die Geschichte ausdrucken will, um mir genau anzuschauen, was ich verändern will, sehe ich, dass ich die restlichen Antworten einfach vergessen habe. Ein mulmiges Gefühl habe ich jetzt schon. Wegen euch natürlich, ich kann mir vorstellen, dass man sich darüber ärgert, aber es war wirklich keine böse Absicht oder Nachlässigkeit. Aber auch, weil diese Geschichte vom Vergessen handelt. Hmmm.

Hallo, lieber Morlou,
Ich hab mich sehr sehr gefreut, dass du vorbeigeschaut hast und trotz deines Zeitmangels dich so mit meiner Geschichte auseinandergesetzt hast. Das hat dich bestimmt noch mal extra viel Zeit gekostet, und da fand ich es einfach nur stark, wie intensiv und genau du dich mit dem Text beschäftigt hast. Du hast an einigen Stellen dadurch noch einmal ein Nachdenken ausgelöst, an anderen mich zum Verändern bestärkt. Also Nachhall hinterlassen bei mir, also zum B. stärker zu verdeutlichen, dass es in der Zukunft spielt bis hin zu dem Demenzphone. Deine Hinweise sind hilfreich und bitte bleib weiter so genau, auch wenn ich deine Grundkritik (kommt gleich) zwar nachvollziehen kann, aber sie trotzdem nicht teilen möchte.

Die Frage, wie man in der Zukunft mit dem (vermutlich wachsenden) Problem Alzheimer bzw. Demenz umgehen wird, ist eine spannende.
So eine Frage sollte in einem Text allerdings dann Schwerpunkt sein, finde ich. Die ist so facettenreich ... Bei dir wirkt sie für mich nur als Erklärungskonstrukt /Rechtfertigung für die blaue Pille. Das, was du mMn zeichnen wolltest, hat Gunter Sachs mit einer Kugel beendet - in der Gegenwart. Ich hoffe, du verstehst, was ich meine.
Nein, das mit dem Gunter Sachs verstehe ich leider gar nicht. Aber dazu hab ich später noch was geschrieben. Ansonsten kann ich einiges natürlich nachvollziehen. Du kommst da glaube ich von einem anderen Interesse her, also dem, wie wird es später mal sein, der Umgang mit Alzheimer in der Zukunft. (Vielleicht gibt es das ja dann gar nicht mehr, fällt mir da nur so ein, denn wissen kann man das nicht.) Und so eine zukünftige Gesellschaft, die ist bei mir tatsächlich nur angerissen. Es ist natürlich fuchtbar schade, dass dir die Zukunftshandlung nur wie ein Konstrukt vorkam, das ist ja schlimmer als angerissen. Und trotzdem bin ich mir nicht sicher, dass du Recht hast. Klar, das kann natürlich sein, dass ich das einfach nicht gut genug hingekriegt habe, ansonsten habe ich auch ein kleines bisschen den Eindruck, dass du einfach von einer anderen Erwartung her kommst und/oder die gleiche Erwartung aus meinen Kommentarerklärungen entnimmst. Vielleicht spielt auch ein wenig hinein, dass ich die Zukunftssache nicht deutlich genug gemacht hatte? Jedenfalls aber, finde ich es legitim, wegen einer Sache oder eines Themas, die einen im Jetzt interessieren, geschichtenmäßig in die Zukunft zu schreiben, auch wenn das nur angedeutet ist, ich finde nicht, dass man ein ganzes Szenario entwerfen muss. Allein das in der Zukunft Liegende eröffnet eine ganze Menge an Freiheiten. Möchtegern hat das mal gesagt und ichfand das deh überzeugend. Was soll daran schlecht sein, wenn man nur einen Teil in die Zukunft verlängert, um einen wichtigen Gedanken plastischer zu machen? Oder ein Konstrukt? Und was bedeutet, es sollte Schwerpunkt sein? Das würde dann eine andere Geschichte werden. Mich hat hier eben nicht schwerpunktmäßig eine andere Gesellschaft interessiert, sondern die Situation einer bestimmten Frau mit einer Krankheit, die ihr eine Überlegung aufnötigt, sterben zu wollen. Wie würde ihr Leben und ihre Überlegungen aussehen in einer Gesellschaft, in der eine solche Pille möglich und sogar ihr aufgeschwätzt wird? Was mit dieser Frau passiert durch die Krankheit, wie verändert sich alles für sie, das stand für mich im Vordergrund. Ihre Entscheidungen, wie ihr Leben weitergehen soll, und die Zerbrechlichkeit, aber eben auch die Festigkeit von Beziehungen, das stand hier für mich im Fokus.

Die Stärken sehe ich in den menschlichen Begegnungen/Beziehungen, den Selbstreflexionen, feinen Beobachtungen. Alles andere wirkt ein wenig überambitioniert. Du hast viel zu sagen, zu dem Thema, das merkt man, finde ich.
Ich glaube, wenn du kürzen würdest, auf Frieda und Kim konzentrieren würdest, gewänne deine Geschichte.
Ja, das sind die Stärken, das haben viele gesagt, du auch, und das war ja auch mein Schwerpunkt. Aber den Zukunftsrahmen mit seinen negatuven Entwicklungen wegzulassen, nein, das leuchtet mir eben nicht ein. In dem Punkt bleibe ich bei meiner Geschichte, so wie sie ist, mag auch die Zukunftshandlung nur ein Rahmen sein. Mir gefällt eben die Idee, dass jemand, der überlegt, eigentlich sterben zu müssen zu wollen, vor diesem Schritt aber Angst hat, diese Sache einem ganz merkwürdigen Zufall überlässt. Und das geht nur miteiner Zukunftspille. Eine Frieda würde sich eben nicht eine Kugel in den Kopf schießen, falls du das meintest mit dem Gunter Sachs. Das passt nicht zu ihrem Charakter. Ich finde es hier außerdem wichtig, wenn man es dann schon in die Zukunft verlegt, dass man dann nicht nur irgendeine Zukunft ausgestaltet, sondern eine, die zu dem, was das Hier und Jetzt ausmachen, passt. Also natürlich sind Alter/Krankheit ein Kostenfaktor und der Tod ist ein Geschäft. Mag sein, das ich dem Ansatz nicht gewachsen bin/war, das heißt für mich aber trotzdem nicht, es zu streichen, denn dann wäre ein wesentlicher Aspekt meiner Geschichte futsch. Du merkst, ich bin an der Stelle stur wie ein Dackel. :D

Frühlingswischwaschi finde ich einen interessanten Haken, den ich allerdings gerne erklärt bekommen hätte, da ich ihn nicht verstanden habe. Hat doch nichts mit Entlanghuschen, Straßencafé, Wohnung zu tun, oder?
Nein, Wischiwaschi ist ein Durcheinander, und Frühlingswischiwaschi bezieht sich auf ein Wetterdurcheinander, April halt, sowas. Und der verquere Ausdruck sollte meine Frieda gleich auch ein bisschen charakterisieren. Aber vielleicht sollte ich es rausnehmen, ich muss fast lachen, wenn ich das so erklären muss, vielleicht bin ich zu stark davon ausgegangen, dass sich das von selbst erklärt. Lollek fand das ja auch übertrieben, seid ihr schon zu zweit. Und dann später kommen ja noch mehr. :(

Über die nachfolgenden Stellen, die du schön fandst, hab ich mich saumäßig gefreut. Über die anderen denk ich nach, aber mit einem hast du Recht, der Chef kommt nicht raus.

Also, das hat mich schon sehr verwirrt. Dass das hier Hinweise auf die Zukunft sein sollen, habe ich erst nicht kapiert. Chronitätsabgabe, wollte ich googeln, da ich mir bereits eine Bildungslücke vorwarf. Und, Benzinersatz, den gibts ja schon.
Ich habe ja schon versprochen, was dazuzuschreiben, so dass die Zukunft deutlicher wird. Ich bin aber sehr dankbar für die Hinweise, weil man das so ein bisschen besser von einem reinen Geschmacksunterschied trennen kann. Ich brauch sowas manchmal. Ich war halt davon ausgegangen, dass neuster Benzinersatz unterstellt, dass es schon einen Haufen Ersatzstoffe vorher gegeben haben muss. Und die Chronitätsabgabe gibt es eben nicht. Aber claro, ich mach es klarer.

Das Spezialdaumenkino kommt raus. Du hast Recht. Aber ich muss das in Ruhe durchgehen. Wollte ich heute machen, weil ich einfach mal Zeit habe, und dann habe ich gesehen, dass ich überhaupt nicht geantwortet hatte. Siehe Anfang. :schiel:

Okay, spielt in der Zukunft. Vielleicht werden dann Umgang mit Phone in Fleisch und Blut übergegangen sein - für mich beißen sich Zettel und Phone aber. Ich glaube, die technischen Dinge, die wir eigentlich gar nicht begreifen können, sind die ersten Laster, deren sich Demenzkranke entledigen
Da sprichst du einen wichtigen Punkt an, du bist der erste, der es schreibt, und ich dachte, das würde mir schon viel eher angekreidet werden. Aber die anderen waren gnädiger. Nein, du hast völlig Recht, der Umgang mit technischen Geräten, mit Bankkonten usw. sind die ersten Sachen, die heutzutage Alzheimerpatienten nicht mehr schaffen. Aber hast du dir schon mal überlegt, wie das aussehen würde bei Leuten, die mit dem Krams aufgewachsen sind? Na du sprichst es ja selbst an. Ich hab außerdem an ein Phone gedacht, was speziell für Leute gedacht ist, die keinerlei Funktion mehr so recht begreifen. Ich hab neulich bei der Freundin meiner Mutter ein Seniorenhandy gesehen, also nicht nur mit großer Schrift, die bräuchte ich selbst, sondern da ist die Notfalltaste zum Roten Kreuz schon gleich eingespeist und prominent besetzt. Es ist supereinfach aufgebaut, man muss es eigentlich nur anschalten und ab und an aufladen. Aber was das betrifft, sowas geht, meine Tante, als sie noch lebte, hat bestimmt Verrichtungen, die für mich hochkompliziert wären, (einen Ofen mit Holz beheizen) jeden Tag noch gemacht, obwohl sie in einer Traumwelt gelebt und immer für ihren Mann, der da schon seit einem Jahr tot war, Kohlsuppe gekocht hat.
Aber klar, wenn man so erklärt, was man meint, das taugt ja nicht, also ich verändere das Phone, ich mach es zu einem Demenzhelfer, ich muss nur noch einen besseren Namen dafür finden. Das ist wirklich zu ungenau.

Sie streckte den Rücken durch … dann rühret sie in ihrem Kaffee
Was passiert da jetzt und warum? Liegt aber vermutlich an mir, dass ich nicht auf Anhieb folgen konnte.
Na sie vergisst halt andauernd was, das macht sie völlig kirre. Wütend auf sich selbst, auf die Umstände, sie zerbricht fast daran, dass sie sich selbst nicht trauen kann, und da kriegt sie einen Wutanfall und beruhigt sich wieder.

Ein Doppel und irgendwie nicht schön formuliert, finde ich.
Alles klar, wird verändert.

Wirklich während des Sprechens? Und dazwischen?
Hmmm, da guck ich noch mal, kommt mir ein bisschen übergenau vor, aber manchmal sieht man ja den Wald vor lauter Bäumen nicht.

Chroniker brauchen mgl. noch mehr Aufmunterung, andererseits ... die sind meist so abgezockt ... Und der Onkel Doktor spielt vermutlich immer die gleiche Rolle. Der wird nicht viel Unterschiede machen. Ich würds streichen. Das Fette, meine ich.
Mal davon abgesehen, dass ich mich zuerst über die abgezockten Chroniker gewundert hab, :D hab ich ansonsten natürlich gleich gewusst, was du meintest. Ich hatte das extra nochmal eingesetzt, um dem Leser auf die Sprünge zu helfen, dass der Umgang mit Chronikern in dieser Gesellschaft nicht unbedingt der gefühlvollste ist. Aber ich überlege.

Eigentlich mag ich sowas sehr gerne, so ein Ausholen, Gegenschreiben, Wegführen, um dann konzentrierter weiterzumachen. Aber hier: das Bild vom kackenden Hund? Mag mir nicht gefallen.
Tja, mir gefiels jetzt ganz gut, sie braucht einen Grund reinzugehen, obwohl sie es eigentlich ja schon will. Aber es ist ein Schritt. Ein gewaltiger. Und da hilft ihr der Hund auf die Sprünge. Na im Moment verbuch ich das noch unter unterschiedlichem Geschmack und lass es drin, du lebst halt nicht in Frankfurt. Aber es wabert in mir, versprochen.

Allerdings funktioniert das Bild, das du zeichnest, nicht bei mir. Skelette und Bastelzeug? ich weiß zwar, was du meinst, vielleicht könntest du aber "das Bastelzeug" konkretisieren. Eine Handlung beschreiben - wie Wolle aufgerollt wird, in Malbücher gemalt wird, irgend sowas? Und Skelette, hm?
Also die Skelette bleiben, aber das Bastelzeug konkretisiere ich vielleicht. Ach ich weiß es nicht. Dann rafft das wieder keiner, dass das Krempel für Demenzkranke ist. Es ist nicht einfach.

Es war mir ein Lesevergnügen, liebe Novak, und ich freue mich auf weitere Geschichten von dir, denn erzählen kannst du.
Na das ist ein schönes Ende. Ich danke dir nochmals für dein Lesen, deine Genauigkeit, deine kritischen Einwände, die mich weiterbringen werden, und für dein Lob natürlich auch.
Viele Grüße an dich von hier.
Novak

Hallo lieber Co,
das hat mir ganz besonders gut gefallen, dass du hereingeschneit bist. Und natürlich, dass die Geschichte dir gefiel und an ein paar Stellen an einen Nerv bei dir erwischen konnte. Natürlich hat man sowas als Autor nicht unbedingt in der Hand, denn das hängt mit der Biographie und den Gedanken des Lesers zusammen, aber wenn es dann gelingt, dann weiß man eben auch, dass man was gut gemacht hat. Und wenn ich dann sowas höre, dann bin ich total stolz.

Einzig der bereits kritisierte Rahmen in der Zukunft wollte sich mir auch nicht aufdrängen. Da muss ich in die gleiche Kerbe hauen, würde sogar Schwups folgen, das braucht es gar nicht und die Idee der "obskuren" Quelle für die blaue Pille gefällt mir zum Beispiel, auch im Hinblick rechtlicher Fallstricke. Das erscheint mir auch das einzig konstruierte hier, der Rest ist Zucker.
Die Zukunft wird verdeutlicht, ich habe es versprochen. Zum Glück ist ja Fliege so einfallsreich gewesen, mir unter die Schreibärmchen zu greifen.
Und zum zweiten: Nee, eine Frieda würde keine Pille aus obskurer Quelle kaufen. Dazu hat sie doch zu viel Angst vor Qualen oder dass es nicht klappt, sie überhaupt zu nehmen. Und wenn man sich diese Obskurpillen so anschaut, oder was in der Vergangeheit damit passiert ist, das sind z. T. schreckliche Tode gewesen, zum Teil braucht es bestimmte Bedingungen, damit sie wirksam werden, das klappt nicht mit meiner Idee mit einer Einzelpille, die man einfach so nimmt, einschlafen zu können. Also erfand ich Hyperbarbitol.

(BTW: Pentobarbital gibts noch in Kapseln, aus einer (obskuren) Anzeige: "Reine Nembutal (Natrium-Pentobarbital) Kapseln und flüssige zum Verkauf [...]
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Iiihh, ja, bei meiner Recherche bin ich auch auf so ein Zeug gestoßen. Auch auf den Fall eines Mannes, der man ganz früher bei einer berühmten Institution war und dann Zyankalipillen für teuer Geld verhökert hat.

Nun, auch wenn Quinn recht damit hat, dass es sich - für versierte Autoren - um ein dankbares Thema handelt, so hast du mit der Ich-Perspektive noch einmal mehr die schwierigere Variante gewählt, und ich dachte gegen Ende, geht das gut? Wie wirst du es schaffen, im richtigen Moment den Leser zu entlassen, ohne einfach den Erzähler zu wechseln.
Und meiner Meinung nach ist es dir mit dem absehbaren und doch nicht holzhammermässig vorgetragenen Ende in der Küche ganz gut gelungen.
Juchhu. Quinn ist erfahrener als ich, der beurteilt das aus einer routinierteren Übersicht, ich muss ihm da einfach trauen, aber das heißt ja nicht, dass man in seiner persönlichen Schreibbiografie nicht ordentlich Bammel vor so einem Thema hat und befürchtet, es zu versauen. Ich hatte echt Schiss davor, zu sehr ins Rührselige abzurutschen.

Das ging mir hier richtig nah, wie Frida Trinkgeld gab, wie sie Kim zum x-ten mal das gleiche erzählt, ohne dass du das explizit aufzeigst, subtil in ihren Blick packst, das ist schon grossartig gemacht und man spürt durchs Band deine Textarbeit, ist halt schön, wenn ein Autor seinen Text ernst nimmt, dran feilt, bis die Aussage stimmt, aber ich labere …
Ja, das sind ganz entscheidende Stellen, die zeigen sollten, wie sehr das Vergessen sie Kraft kostet und sie aufzufressen droht mitsamt ihrer Vergangenheit und ihrer Identität. Solche Begebenheiten lösen wirklich schlimme Gefühle aus, obwohl das Kleinigkeiten sein mögen. Aber man muss sich ja nur mal vorstellen, man vergisst im Job wichtiges Zeugs, da fängt man doch an, hundert mal nachzuschauen, ob man das jetzt schon gemacht hat. Also solche Ansätze kennen doch auch junge Leute, die im Stress sind. Und wenn man dann merkt, man kann sich gar nicht mehr richtig trauen, also wenn ich mich da reinversetze, dann wird’s mir ganz anders.

Der Titel ist wirklich erste Sahne. Es gibt da diesen blöden Spruch, der mir immer zu den unpassensten Momenten einfällt: "Nimm dir Zeit und nicht das Leben." Und Frieda nimmt sich den Tag.
Mensch, das freut mich aber, dass der Titel dir gefiel, bist jetzt der zweite, der das findet. Das macht mich richtig stolz. Ich hab ja schon geschrieben, dass ich nicht so die Titelpäpstin bin. Aber den mag ich auch sehr. Bei mir rührt er her von: Frieda nimmt sich frei.

Das läuft irgendwie gegen die Sprachmelodie, ich lese da: ...wischiwaschi oder ...wischwasch.
NEIN! Du hast dich doch mit Morlou abgesprochen!
Naja, jetzt seid ihr mir doch ein paar zuviel, mal schauen, was ich da hinkriege. Schau auch mal, was ich an Morlou geschrieben hatte, auch zur Charakterisierung hatte ich dieses seltsame Wort verwendet. Ich gucke.

Gratulation zur völlig verdienten Empfehlung, aber warum steht das Ding nicht in Gesellschaft?
Nein, nein, nur Spass!
Hehe, ich kanns ja nachtaggen.

Vielen Dank, lieber dot, für deine lieben und motivierenden Worte, ich glaube, die druck ich aus und lege sie mir unters Kopfkissen. Das gibt bestimmt gute Träume.
Viele liebe Grüße von hier nach dot.

Hallo liebe Möchtegern,
als ich deinen Namen las, dachte ich, spannend, was wird sie jetzt schreiben? Denn du bist ja so ziemlich eine der wenigen sciencefiction-Autorinnen, die ich überhaupt lese. Das liegt an deiner Art von Geschichten, die kann man lesen, ohne dass man 50 Automotoren auseinandergebaut und nebenbei den Physik-Prof abgelegt haben muss. Außerdem habe ich von dir das Plädoyer dafür, Zukunftsgeschichten zu schreiben, weil einem das so ungeheure Freiheiten eröffnet. Ja, das hast du mal irgendwie geschrieben und das fand ich sehr einleuchtend. Ich dachte nun, du würdest viel viel kritischer mit dieser unklaren Zukunftsandeutung umgehen, aber weit gefehlt, das hat dich gar nicht groß gestört.

Also wusste ich das sehr spät und später, als von dir als Autor geplant. Ich hatte allerdings beim Lesen kein weiteres Problem damit und hab das dann einfach so hingenommen. Hab mich nur kurz gefragt, warum der Text nicht in SF steht.
Das hat mich sehr überrascht und ja, auch gefreut, weil ich dachte, das spricht ein bisschen auch für die Geschichte, die Erzählung von Frieda trägt das trotzdem. Aber ich besser es trotzdem noch ein bisschen nach, schaden kann das ja nicht.
Ich wär im Nachhinein ja mal interessiert gewesen, wie das Ganze angekommen wäre, wenn ich es in sciencefiction gepostet hätte. Ich weiß ja nicht, ob deine Bemerkung nur ein Spaß war, aber mich würd das echt interessieren. Warum hab ich es eigentlich nicht gemacht? Ja zum einen ist es ein bisschen, dass ich mich nicht getraut hab, ich fand sie zu wenig science-fiction-mäßig. Ach was weiß man, kA, was mir da alles im Kopf rumgeschwebt ist, aber vielleicht liefere ich es ja wirklich mit beidem nach, mit Gesellschaft und science. Dadurch, dass man mehr als einen Bereich taggen kann, kriegt der gewählte Bereich nicht mehr so eine Riesenbedeutung, das halte ich schon für einen ganz wesentlichen Vorteil.

wollte nur kurz loswerden, wie gut ich den Text finde. Ich weiß gerade gar nicht, ob ich alle deine Geschichten im Forum gelesen habe (? muss ich gleich mal gucken), aber von denen, die ich kenne, ist das hier auf alle Fälle der cleverste Text.
Ja, das kann sein, das soll jetzt nicht nach einem stinkenden Eigenlob klingen, sondern ich denke an den Entstehungsprozess. Alle meine bisherigen Geschichten haben sich trotz Vorüberlegungen ziemlich naturwüchsig entwickelt. Ich hatte eine Idee, und aus der ist dann ganz was anderes geworden, als ich das ursprünglich vorhatte. Durch das Schreiben. Auch wenn ich Szenen überlegt hatte undsoweiter. Hier war es das erste Mal, dass ich den Plan tatsächlich im Kopf hatte. Trotzdem habe ich Dinge verstärkt oder ausgebaut auch im Nachhinein. Aber dieses Geplante merkt man der Geschichte vielleicht an.

Toll fand ich das mit der Pille und der Pillendose. Weil der Leser ja ganz kurz vorher ahnt, dass sie die Selbstmordpille da reinlegen wird, und dann macht Frieda das und man nickt und denkt "ja, genau, genau so hätte ich das auch gemacht".
dito

Und dann hast du zwei Stellen zitiert, die fandst du gut. Och und da hätte ich dich echt knuddeln können, denn ich mag die auch so sehr:

Als Frieda die Gästeliste zusammenstellte, fand sie, dass die Gesichter der Männer, mit denen sie in den letzten Jahren zusammen war, einander glichen. An ihre Namen erinnerte sie sich nicht. Sie hatte das Gefühl, es waren mindestens fünf, kam sich frivol vor, doch Kim sagte, es waren nur zwei.
Die hier mag ich so, weil man ja oft die Vergangenheit so ein bisschen idealisiert, und grad, wenn man seine Männererfahrungen anguckt, ach zum Kuckuck, jetzt erklär ich den Witz auch noch. Nix gibt’s.
Und die zweite Stelle mag ich auch so, wenn der junge Mann sich unsicher ist, ob er weitererzählen soll:

Gar nicht mal so wegen Frieda und ihrem persönlichen Drama, mehr wegen ihm. Weil er sich da hinsetzt und sie anguckt und dann ausprobiert, ob man mit ihr über sowas reden kann. In der Realität sind solche Leute ziemlich creepy, aber hier in der Geschichte wirken beide unheimlich sympathisch.
Genau.

Um überhaupt nochmal irgendwas Negatives zu sagen ( ): ich hasse das Wort Frühlingswischiwaschi. Das ging mir den ganzen ersten Absatz lang auf den Keks. Was soll das überhaupt sein, ein Frühlingswischiwaschi?
Hhihi, okay, ich bin ja schon weichgekocht von eurem ganzen Antiwischwasch, ich machs ja schon weg. Versprochen. Aber erst, wenn ich wieder einen freien Tag hab.
Und ah ja, verbuchen unter einer gemeinen konzertierten Aktion gegen das berühmte Wischiwaschi werde ich es schon.
Da polemisiert Quinn zurecht gegen Sprachverunglimpfung in seinem Blog. Und hinter seinem Rücken dann das. Ich bin traurig, die deutsche Sprache wird um ein entscheidendes Wort ärmer werden: Wischiwaschi.

Ach, dein Lob bedeutet mir sehr viel. Du bist nämlich mit deinen Geschichten eines meiner zahlreichen Vorbilder hier auf der Seite. Ob das nun Invasiv ist oder Alabasterlüge mit der lapidartrockenen Sprache des Roboterkindes. Also bis denne, Novak

Selber Moin, lieber fvg,
ach wie schön, da bist du wieder. Ich freu mich immer total, wenn du aufkreuzt. Ich weiß ja aus eigener Erfahrung, wie das ist, mit Job und Familie und der einen oder anderen größeren oder kleineren Sorge. Und ach, dass ich deine Geschichten vermisse, das weißt du sowieso. Naja. Von daher hat mich dein PS in einen kleinen Vorfreudennebel reingedüst. Aber lass dir Zeit und mach dir keinen Stress. Denn das ist hier ein Hobby.

Nun, habe ich es aber doch endlich geschafft, sie zu lesen (Gott sei dank!), wiewohl fehlt mir allerdings jetzt die Zeit eines allzu ausführlichen Kommentars.
Also: Gefallen hat sie mir sehr, sehr gut, die Geschichte. Das wenigstens wollte ich loswerden.
Bist es losgeworden. Und ich habe es dir sehr gerne abgekauft. Ja und hat besser geschmeckt als Popcorn.
Ja, stimmt, lang ist sie, die Geschichte, deswegen werd ich am Popcorn ein kleines bisschen feilen. Aber es ist minimal, was ich da kürzen werde. Trotzdem, du hast jetzt mit den Ausschlag gegeben, ich war ja eigentlich vorher schon sicher, jetzt bin ich stahlsicher.

I

ch könnte jetzt viele Lieblingsstellen heraussuchen und auflisten, beschränke mich aber auf eine (von der ich echt, also wirklich, total neidisch bin, dass ich sie nicht geschrieben habe
Niemand braucht zu wissen, dass es ein Abschied ist. Und dann“, ihre Stimme hob sich wieder, „wenn alle zu viel gesoffen haben, dann knipsen wir sie und erpressen sie, weil sie so scheiße aussehen.“
Das klingt hübsch, leg ich mir auch unters Kopfkissen. Aber warum ich das wirklich schreibe, ich mag die Stelle auch sehr gern. Weil Kim mit ihrem Witz das Rührselige aus der Szene nimmt. Wegen der Stelle hatte ich mich mit einem Kumpel gestritten, der fand das nicht gut, das Sprachniveau wäre dem sonstigen Text nicht entsprechend. Ich ließ es trotzdem drin, weil ja immerhin die Kim das sagt, nicht der Erzähler. Und die kann sich einiges leisten. Dass du jetzt diese Stelle gut findest, macht mich ein bisschen sicherer in meiner Einschätzung.

Ich weiß nicht - die Beratungszentren klingt für mein Geschmack etwas zu ominös - wie "Die Grauen Herren" oder "Der Todesstern"! - wie wäre es als Vorschlag mit: ... an ein Beratungszentrum?
Ja, stimmt, klingt viel besser.

Ach ja, ehe ich es vergesse:
Außerdem: Wer zum Henker singt One Day?
Das ist Asaf Avidan. Ein relativ bekanntes Lied, auch Reckoningsong genannt. Avidan ist ein Mann mit einer merkwürdigen Stimme, die so klingt, als wäre die Nase ständig mit einer Wäscheklammer zugekniffen. Du kennst ihn und das Lied ganz bestimmt. Aber die meisten mögen es nicht, die ich kenne. Das Lied gibt’s schneller, aber auch relativ langsam von ihm gesungen. Mir gefällts gut, besonders, wenn Avidan mit seiner Gitarre allein und langsamer singt.
Und zur schnellen Version kann man tanzen.
Und der Text, naja, er passt halt auch ein bisschen zu meiner Geschichte, wenn man die Frau ersetzt. Ich liebe so kleine Anspielungen:
One day baby, we'll be old
Oh baby, we'll be old
And think of all the stories that we could have told

No more tears, my heart is dry
I don't laugh and I don't cry
I don't think about you all the time
But when I do, I wonder why
Vielen Dank für das Lesen trotz Zeitnot, für dein Lob, das man einfach immer mal wieder braucht, für das Anmerken der Kritik, auch wenn die anderen schon …. du weißt
Machs gut und wenig Stress wünsche ich dir. Viele Grüße von Novak.

 

Hallo Nowak,

jetzt habe ich auch etwas von dir gelesen. Selbst beim Schreiben von Kritiken fehlt mir so ein bisschen die Übung. ;)

Ich habe am Anfang ein bisschen gebraucht, um in die Geschichte hereinzukommen. Dein Schreibstil hat mich ein bisschen an Frisch erinnert. Ich mag das im Grunde genommen ganz gern, aber die Wortwahl lenkt mich insgesamt einfach zu stark von der eigentlichen Geschichte ab.

Bei mir war es so, dass die Story mich ab dem Besuch bei Dr. Manninger so richtig gepackt hat. Ab diesem Moment war ich so richtig dabei und hatte nicht länger das Gefühl, eine Geschichte zu lesen. Wie du Frieda dargestellt hast - das fand ich unglaublich stark. So nachvollziehbar. Ich konnte richtig mit ihr fühlen. Das Tolle an deiner Geschichte ist, dass ich aber auch mit Kim fühlen kann. Auch wenn du ihre Position nicht einnimmst, so wird beim Lesen trotzdem klar, welche Dinge sie umtreiben. Da hast du wahnsinnig viel "zwischen die Zeilen" gepackt und wenn man das schafft, dann finde ich das immer total schön.

Ich fand´s auch toll, dass du hier ne Science-Fiction Geschichte geschrieben hast, die nicht total abgedreht ist (Raumschiffe und sowas), sondern die wirklich so passieren könnte. Die einen (aus meiner Sicht) realistischen Konflikt in einer Zukunft beschreibst. Eine Version der Wirklichkeit. Das hat mir auch richtig gut gefallen und gerade auch bei den immer wieder laufenden Diskussion um das Gesundheitswesen in der Zukunft, finde ich das Thema besonders gelungen und eben auch durchaus aktuell.

Alles in allem: Großes Lob von mir. Hat mir ausgezeichnet gefallen.

Viele Grüße
Bella

 

Hallo Bella, das war aber mal ein schöner Gegenkommentar.
Da lohnt sich das Kommentare schreiben ja gleich doppelt und dreifach.

jetzt habe ich auch etwas von dir gelesen. Selbst beim Schreiben von Kritiken fehlt mir so ein bisschen die Übung.
Naja, das habe ich jetzt nicht groß gemerkt. Aber ich kann mir schon vorstellen, was du meinst. Die Sicht auf Texte, das Analytische, man gewöhnt sich das alles ein bisschen an im Laufe der Kommentartage, verliert es aber auch genauso schnell wieder.

Ich habe am Anfang ein bisschen gebraucht, um in die Geschichte hereinzukommen. Dein Schreibstil hat mich ein bisschen an Frisch erinnert. Ich mag das im Grunde genommen ganz gern, aber die Wortwahl lenkt mich insgesamt einfach zu stark von der eigentlichen Geschichte ab.
Kreisch, den mochte ich ja früher gar nicht. Ich hoffe, wenn ich jetzt noch einmal Frisch lese, das hat sich geändert. Keine Sorge, so ganz ernst ist mein Entsetzen nicht gemeint, ich kann nur nicht so viel mit diesem Hinweis anfangen. Ich ordne es mal unter zu dem Punkt: zu viele kraftvolle Verben, die sich gegenseitig ein bisschen die Luft nehmen, weil auch noch ein Wischi-Waschi dazu kommt, was ja auch schon andere angemerkt hatten.

Wie du Frieda dargestellt hast - das fand ich unglaublich stark. So nachvollziehbar. Ich konnte richtig mit ihr fühlen. Das Tolle an deiner Geschichte ist, dass ich aber auch mit Kim fühlen kann. Auch wenn du ihre Position nicht einnimmst, so wird beim Lesen trotzdem klar, welche Dinge sie umtreiben. Da hast du wahnsinnig viel "zwischen die Zeilen" gepackt und wenn man das schafft, dann finde ich das immer total schön.
Ja, so wollte ich das hinkriegen, wunderbar, dass es geglückt ist. Ich wollte halt auch zwei Frauen haben, die jede für sich ihre Schwierigkeiten mit dieser Situation haben. An solchen Punkten finde ich, dass das Schreiben eine sehr reflektierende Sache ist. Man entwirft einen Charakter, und wenn man sich wirklich auf ihn einlässt, dann gewinnt man an Verständnis für ihn. Ich weiß nicht genau, wie weit sowas geht oder gehen kann, denn hier hat man ja eine zwar schmerzliche, aber ganz normale Situation. Aber wenn ich mir das gleiche Prinzip für naja, einen fiesen Mörder vorstelle, naja, ich weiß nicht.

Ich fand´s auch toll, dass du hier ne Science-Fiction Geschichte geschrieben hast, die nicht total abgedreht ist (Raumschiffe und sowas), sondern die wirklich so passieren könnte. Die einen (aus meiner Sicht) realistischen Konflikt in einer Zukunft beschreibst. Eine Version der Wirklichkeit. Das hat mir auch richtig gut gefallen und gerade auch bei den immer wieder laufenden Diskussion um das Gesundheitswesen in der Zukunft, finde ich das Thema besonders gelungen und eben auch durchaus aktuell.

Du bist jetzt die erste, die die Geschichte unter den neuen Stichworten gelesen hast und du schienst keine Pobleme mit der zetlichen Einordnung zu haben. Erstaunlich. Oder hattest du vielleicht die Kommentare gelesen?
Weiß der Kuckuck, ich freu mich einfach über dein Lob, deine Besprechung und überhaupt.
Hoffentlich lesen wir uns bald einmal wieder. In die Überarbeitung deiner Geschichte schaue ich auf jeden Fall rein. Das ist jetzt schon versprochen.
Bis die Tage und schöne Festtage und Gänse und Knaller und alles, was der Mensch so braucht.
Bis dann
Novak

 

Hi Novak,

eine kurze Rückmeldung: Mit der zeitlichen Zuordnung hatte ich tatsächlich keine Probleme. Deinen Tag habe ich erst danach gelesen. Friedas Geburtsjahr hat mir hier den Aufschluss gegeben, denn es war sehr schnell klar, dass sie schon eine ältere Frau sein muss. Später haben sich dann auch die Hinwiese gehäuft.

Ich schätze, das mit dem Verständnis würde bis zu einem gewissen Grad auch bei einem fiesen Mörder funktionieren. Das ist einerseits schön, andererseits erschreckend. Aber ich denke, es wird nicht gut, wenn man über jemanden schreibt, den man nicht irgendwie versteht. Deswegen funktioniert auch meine letzte Geschichte nicht so richtig. Ich verstehe meinen Charakter nicht so wirklich, dafür mag ich ihn eigentlich ganz gern. ;)

LG
die Bella

 
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Hallo Novak!

Ich lege gleich mal los:

Sprache – Deine Sprache gefällt mir in weiten Teilen der Geschichte wirklich gut. Es ist über Strecken eine fließende, sanfte, geschickte Sprache, finde ich. Doch dann setzt Du Techniken ein, die mir zu gewollt erscheinen. Beispielsweise betitelst Du eine Person oder einen Gegenstand in der ersten Beschreibung mit einem speziellen, eigenwilligen Attribut und wenn die Person/ das Objekt dann wieder auftaucht, wird sie/es direkt mit dem Attribut benannt. Beispiele sind die Katzen-Doktorin, das Mundtheater und die Stinkefingertablette. Kann man machen, aber ich würde das sorgsam dosieren.

Ein Autor sollte sich davor hüten, geistreich erscheinen zu wollen. Erstens geht das meist schief und falls nicht wirkt es eitel. Diese ganzen Wortspielerein mögen beim ersten Lesen lustig sein, aber es sind letztlich nur Effekte. Ich wette, es gibt viele Leser die Dir zuhören wollen, wegen dem was Deine Geschichte zu sagen hat. Geistreiche Wortspiele braucht es nicht.

Es ist ja immer schwierig Aspekte eines Textes zu besprechen, die mit der Empfindung von Sprache zu tun haben. Ich wähle jetzt mal ein paar Details aus, die mir problematisch erscheinen und bewerte das vor dem Hintergrund der Sprachschönheit und –stärke, so wie ich sie bei Márquez, Hemingway, Greene bewundere. Ich weiß, so willst Du gar nicht schreiben, aber vielleicht hilft Dir die Einschätzung trotzdem.

Bebrillte Männer

Das klingt schräg. Ich finde, das ist keine gute Wahl. Klar ist das witzig gemeint, aber alles in dieser Art der Wortverzerrung "behausschuhte Männer", "bebluste Frauen", "bemützte Kinder" ist fragwürdig, meinem Empfinden nach.

wie die Sonnenstrahlen allmählich an den Fassaden emporturnten

Strahlen zeichnen sich ja durch das Mysterium aus, dass sie scheinbar bewegungslos die Welt durchdringen. Sie turnen nicht.

Hastig riss sie die Augen wieder auf

Hastig ist ein großes Wort für eine so winzige Bewegung. Das geht nicht "Hastig schloss sie die Lippen…" "Hastig weitete sie ihre Nasenflügel…" Hm, nein, das passt nicht, würde ich sagen.

schwappte Stolz durch ihren Magen
Schwappen ist ein hässliches Wort. Es ist ja ein bisschen Lautmalerei dieses Glucksens und Gurgelns, das Geräusch von Wasser, wenn es über eine Kante leckt und sich wieder zurückzieht. Es hat etwas Verschlagenes, Heimliches, Bedrohliches, auch Schmuddeliges (Wasser schwappte aus dem Klobecken). So oder so – es passt nicht zum harten, sengenden Stolz, auch nicht im Sinne eines verstärkenden Widerspruchs. Stolz schwappt nicht, er brennt.

Sie schmunzelte

Dieses Wort gehört in die Giftkiste oder besser Mottenkiste. Es ist süßlich, dümmlich, bieder, kitschig. Ich beschreibe natürlich nur eine subjektive Ansicht, auch wenn ich sie so knallhart äußere. Es soll ja nur ein Feedback sein, wie diese Wortwahl auf mich wirkt.

Von ihrem Magen quoll ein heißes Brennen

Es gibt zwar auch heiße Quellen, aber quellendes Wasser ergibt eigentlich das Bild von Kühle. Scheint mir nicht so ganz zu passen.

Vor dem Nachbargrundstück kackte ein Hund auf den Gehweg

Das ist gemessen am sonstigen Erzählton ziemlich ordinär. Ich finde, das passt nicht.

Eine flotte Kurzhaarfrisur

Ab in die Mottenkiste zu schmunzeln. Niemals, niemals flott verwenden.

„Hirn-Aussatz“, sagte Kim,

Hm, das scheint ein Wortspiel abzugeben, ist aber so unzutreffend, dass ich beim Lesen daran festhänge. Ein Blackout würde man immer "Aussetzer" nennen, nicht Aussatz.

Frieda prustete.

Ab in die Kiste.


Thema - Deine Geschichte reflektiert über die Erfahrung der eigenen Sterblichkeit, der Vergänglichkeit, des Verfalls. Frieda leidet unter Demenz. Sie erlebt ihre Situation als entwürdigend. Kim, ihre beste Freundin beginnt sie - zu ihrem eigenen Besten zu bevormunden - und das muss – so wie Frieda die Welt sieht – in ein Gefühl der Scham und der Verzweiflung münden.

Novak, das ist ein wichtiges Thema, ein elementares Thema. Ich finde es gut, dass Du das zum Background Deiner Geschichte gemacht hast. Deutlich zeigst Du die Verwirrung, das Hin und Her, die Momente der Hoffnungslosigkeit aber auch den Wert einer Freundschaft, die dieser Tragödie etwas von der Schwere nimmt.

Interessant hätte ich einen etwas deutlicheren Hinweis gefunden, wie diese Situation anders bewältigt werden könnte. Du hast angedeutet:

Sie, die so schnell gelebt hatte, immer drauflos, so oft war sie gesprungen, zum nächsten Mann, in einen neuen Job oder mit dem Fallschirm.

Ich lese das als einen Wink. Wir sterben unter diesen Qualen, mit all den Ängsten und in Verwirrungen, weil etwas nicht stimmt mit der Art, wie wir leben. Schnell, drauflos, zum nächsten Mann, zum nächsten Job – das ist die Haltung eines Konsumenten. Und das ist es auch, was das Sterben so schwer macht und das Ertragen des Verfalls: Wer das Leben als eine Gelegenheit dauerhaften Konsumierens ansieht, wird am Ende mit leeren Händen dastehen…

Szenisches – Die von Dir gewählten Szenen fand ich größtenteils stimmig. Was mir aber gar nicht passte war das hier:

… Und was ist denen eingefallen? Fast immer?“ Der junge Mann krauste die Nase.
„Was zu essen?“
„Klar. War immer Popcorn. Ich weiß jetzt genau, dass Chilipopcorn besonders häufig von Männern gegessen wird, die in Actionthriller gehen…

Ich weiß, Du wolltest irgendwie zu der Enthüllung mit dem Film überleiten, der den Pfusch bei diesen Todestabletten zeigt und brauchtest jemanden, der sich viel mit Film beschäftigt, einen Insider sozusagen. Aber diese Popcorn-Anekdote finde ich lächerlich. Angenommen, Du würdest einer größeren Anzahl von Personen zehn Filme nennen, dann wäre die Wahrscheinlichkeit, dass die diese Filme alle im Kino gesehen haben und deshalb mit Popcorn in Verbindung bringen außerordentlich gering.

Diese Art urbaner Nonsenswissenschaft, meist eine überraschende, unterhaltsame Beobachtung, die scheinbar treffend menschliche Verhaltensweisen innerhalb der modernen Gesellschaft zeigt, ist ja durch Comedy-Shows wie How I Meet Your Mother populär geworden. Da geben dann Leute ihre lustigen Theorien zum Besten über Füger und Strecker - Verhältnisse, Heiß-Verrückt-Korrelationen, Ewok-Linien etc. Wenn Du das nicht kennst, egal. Wichtig ist – das ist ein Pop-Stilmittel und stammt aus der Effekt-Kiste. Damit muss man vorsichtig sein.


Plot/ Umsetzung – Die Stationen der Geschichte sind: Frieda erfährt von ihrer Demenz/ ihrer Krankheit -> sie wendet sich an ein Beratungszentrum, um eine Sterbepille zu erhalten -> sie legt die Todespille in ihren Tablettendosierer -> sie erfährt, dass die Todespille eigentlich alles nur noch schlimmer macht -> sie vergisst (Demenz) die Pille aus dem Dosierer zu nehmen, was ein grausames Ende befürchten lässt

Das kann man so machen. Aber ganz klar ist mir die Linie nicht. Wenn gesagt wird, die Todestablette "funktioniert" nicht richtig, heißt das, sie wird sich damit nicht umbringen können. Es bleibt dann alles wie es ist oder wird durch die Nebenwirkungen schlimmer. Du bringst damit den Leser in die zwiespältige Situation sich zu wünschen, die Todespille möge funktionieren (baldiger Tod) oder Frieda solle die Pille lieber nicht nehmen (lange, qualvolle Demenz).

Diese beiden Alternativen wirken annehmbarer als die Einnahme der Pille, die nicht tötet aber zusätzliche Qualen bewirkt. Das ist ein bisschen verdreht.

Trotzdem wird das Desaster, die haarstäubende Ironie deutlich: eine Demenzkranke muss sich etwas merken, um Unheil zu verhindern, und das ist ausgerechnet, was sie nicht kann. Böse.

Fazit: Ich habe die Geschichte gern gelesen. Es ist ein wichtiges Thema, für jeden Menschen brisant. Die Umsetzung ist Dir über weite Strecken gut gelungen, an einigen Details im Szenischen und der Sprache hatte ich was zu meckern, aber das ist Privatmeinung.

Vielen Dank für diese Geschichte, Novak.

Beste Grüße
Achillus

 
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Hallo Bella,
ich danke dir noch mal für den Hinweis mit der Zeit. Ich sehe es so, dass es bei dir geklappt hat, ich werde es trotzdem deutlicher machen in der Szene mit dem Kellner. Ich bin nur manchmal erstaunt, wie unterschiedlich das manchmal gelesen wird bzw. genauer gesagt, wie unterschiedlich man sowas schreibt. Früher habe ich immer viel zu redundant geschrieben, jetzt schreib ich manchmal zu versteckelt. Man muss halt die Mitte treffen. Das ist es . :D
Ist doch ganz einfach!

Aber ich denke, es wird nicht gut, wenn man über jemanden schreibt, den man nicht irgendwie versteht. Deswegen funktioniert auch meine letzte Geschichte nicht so richtig. Ich verstehe meinen Charakter nicht so wirklich, dafür mag ich ihn eigentlich ganz gern.
Ja genau, da ist was dran. Letzteres merkt man übrigens, ich meine, dass du den Jano magst. Und genau das war es, was mir so gefiel. Ich finde nicht, dass das Mögen so gänzlich weg sollte. Einen üblen Neonazi, dem man Sympathie entgegenbringt, obwohl man ihn nicht mit den üblichen Insignien der schlimmen Kindheit austattet, nach dem Motto, der Arme, er konnte ja auch nicht anders. Ich bin gespannt, wie du das dann machst, und ich werde mich dann bestimmt nochmal melden.
Im Moment klingt es mir jedenfalls nach einer ganz leichten Aufgabe, hihi, ist ja nur die Quadratur des Kreises. :schiel:
Ich drück dir jedenfalls die Daumen bei der Überarbeitung und ich sag trotzdem noch mal, dass ich es auch jetzt schon eine sehr sehr interessante Sache fand, die ich beim Lesen sehr mochte, wenn ich auch die Einwände der anderen nachvollziehen kann.
Viele liebe Grüße und schöne Feiertage wünscht dir Novak.

Hallo Achillus,
ich hab deinen Kommentar voller Interesse gelesen. Und natürlich mich gefreut darüber sowieso. Sehr sogar, denn er gibt mir, was ich halt sehr spannend finde, eine Menge Stoff zum Nachdenken, und zwar, was deine Aussagen zu manchen sprachlichen Aspekten betrifft, zum Beispiel zu den Effekten des Nachstellens, oder dass ein Autor nicht geistreich erscheinen solle. Ich hab da im Moment einfach noch keine umfassende Antwort. Und morgen fahre ich in Urlaub. Ist ja eigentlich schön, aber jetzt kann ich dir nur eine kleine Antwort vorweg geben, und dann schreib ich nochmal, wenn ich noch ein bisschen nachgedacht habe und wieder da bin. Dann antworte ich auf alles genau.
Ich hab schon deine Anmerkungen zu der Sprache der Jugendgeschichten voller Interesse gelesen. Und da schon gedacht, dass du, das meine ich jetzt völlig wertfrei, eine sehr genaue Vorstellung von Sprachebenen und ihrer Wirkung hast, die eher konventionell oder besser gesagt von einem schöngeistigen Standpunkt aus herrührt. Ebenso was den Einsatz sprachlicher Effekte betrifft. Ich hab das nicht nur mit Interesse gelesen, sondern es ist wirklich ein sehr anregender und wichtiger Nachdenkgegenstand, mit dem ich es mir keinesfalls so einfach mache. Es ist ja auch für mich ein Punkt, mit dem ich mich immer wieder herumschlage. Wie gewichtet man das richtig. Wo passt es nicht mehr zum Protagonisten. Wo wirkt es bemüht. Sowas halt. Was die Ichform betrifft, stehe ich z. B. schon immer vor dem Problem, dass man da sprachlich doch sehr eingeschränkt ist auf die Fertigkeiten und Gedanken des Icherzählers. Ich glaube fast alle meine Geschichten sind entsprechend personale Erzähler und keine Icherzähler. Andererseits, was ist daran schlimm, wenn man dann halt bei einer Geschichte eher umgangssprachliche bis hin zu vulgären Formulierungen hat? Wenn ich dennoch neue Sichten und Verständnis für einen Charakter wecken kann? Und man charakterisiert ja auch über diese Sprache. Ich bin mir da einfach nicht sicher.

Zu dem kackenden Hund:
Außer dem kackenden Hund (du hast übrigens noch die eine Stelle vergessen, wo Kim sagt, die anderen würden scheiße aussehen) siehst du bei mir ja weniger das Vulgäre als das Effektheischende.
Einer meiner Freunde, der manchmal Texte von mir gegenliest, argumentiert ähnlich wie du, der schimpfte über die Stelle, wo Kim das sagt, da war der kackende Hund noch nicht mal geboren. Er kommt mir immer mit Ludwig Reiners und seiner Stilkunst. Kennst du den?
Ich glaube aber, du argumentiert weniger von den Sprachebenen her als von einer Vorstellung von Sprachschönheit, so in die Richtung, dass die auch eine Ernsthaftigkeit besitzen muss, die sich mit Effekt oder Comedyartigem nicht verträgt. So in die Richtung? Ich weiß selbst noch nicht, wie ich dazu stehen soll. Aber wie auch immer, das Nachdenken und Beschäftigen damit finde ich eine sehr lohnende Sache, die einen auf jeden Fall weiterbringt.
Ich habe zum Beispiel überhaupt kein Bewusstsein davon gehabt, dass ich Sachen nachstelle bzw. sie umbenenne wie die Katze oder die Stinkefingertablette. Es war auch hier so, dass ich darüber die Frieda und ihre Sicht auf die Dinge beschreiben wollte. Ich bin mir aber auch nicht sicher, ob ich ihr nicht Ecken und Kanten nehme, wenn ich das alles glätten würde. Und ich bin mir auch nicht sicher, ob ich nicht selbst oft so spreche. Von daher finde ich es auf jeden Fall schon mal gut, dass du mich auf diese Sache aufmerksam machst.

Zu den einzelnen Punkten nur schon mal einer vorweg:

Eine flotte Kurzhaarfrisur
Ab in die Mottenkiste zu schmunzeln. Niemals, niemals flott verwenden.
Ich musste da lachen. Weil ich nämlich ganz entsetzt war, dass du ernsthaft denkst, ich würde "flott" als normales Wort hier benutzen. Was nun? Schon als ich Jugendliche war, und das ist verdammt, verdammt lange her, denn ich werde im nächsten Jahr sechzig, da war "flott" ein Wort, das nur Großtanten benutzt haben, die einem hässliche Kleidungsstücke mit der Bemerkung "dann siehst du flott aus" aufdrückten, und wenn dieses Adjektiv fiel, dann wusste man, dass man mit diesem Kleid sozialen Selbstmord begehen würde. Ich hab die Frieda das extra sagen lassen, ich dachte, "flott" wäre so jenseits alles Sprachlichen, dass das superdeutlich ihre galgenhumorige und ironische Stellung zu der Inszenierung ihres letzten Abends klar macht. Jetzt weiß ich nicht, merkt man das so wenig?

Also dann beim nächsten Mal auf jeden Fall mehr. Ich danke dir aber jetzt schon mal für deine genaue und detailreiche Auseinandersetzung. Für dein Lesen, fürs Lob, vor allem aber für die anregenden Hinweise bezüglich Stil, Efffekte, Popstilmittel. Ganz egal, wie die Überlegungen bei mir ausgehen, es bereichert auf jeden Fall, das weiß ich schon jetzt.
Ich wünsche dir schöne Weihnachten und einen guten Rutsch. Bis zum neuen Jahr.
Viele liebe Grüße von Novak

 
Zuletzt bearbeitet:

Liebe Novak,

ich bin gar nicht so gut in deinen Text rein gekommen, habe den mehrmals angefangen, dann wieder beendet, dann wieder weitergelesen, hat mich nicht gleich gefesselt, aber dann wurde ich auch hellhörig, als sie nicht mehr gewusst hat, wie viel sie dem Kellner gegeben hatte, und dann habe ich einmal weitergelesen und dann konnte ich nicht mehr aufhören, dann hatte mich der Text und du gönnst dir hier einen leisen und langsamen, schon guten, aber eben unspektakulären Einstieg, für mich lockt er halt nicht in die Erzählung.

Ein paar Anmerkungen:

Sie sah Mädchen, die kurze Kleider ausführten und lange Beine.
Das klingt mir irgendwie zu theatralisch, die Mädchen – ich weiß nicht, wie alt sie sein sollen, ich verwende den Begriff ja auch bei 30jährigen – also kleine Mädchen führen Kleider ja nicht aus, die müssen entweder Kleider tragen oder wollen Kleider tragen und mögen das Gefühl und das Spiegelbild, aber ob die das dann ausführen, und die langen Beine, das macht die Mädchen ja schon älter. Ein Kleid wird für mich ausgeführt, wenn sich eine Frau für die Oper zurecht macht, für mich wirkt das hier einfach nicht lebendig.

Bebrillte Männer drängten sich in dem schmalen Sonnenstreifen vor dem Haus, warfen mit der linken Hand Pläne in den Himmel, während die Zigarette in der rechten den Mädchen nachzielte.
Ich mag den Satz, störte mich aber am “nachzielte”, die Zigarette nimmt die Mädchen ins Visier? Vielleicht „nachstierte“ statt „nachzielte“? Ich habe dazu woanders etwas notiert, warum mich das Wort so beschäftigt, finde es aber gerade nicht mehr.

Sie sah, wie die Sonnenstrahlen allmählich an den Fassaden emporturnten und der verschattete Platz sich zur orangen Heizpilzzone entzündete.
Schön!

Frieda rückte ihren Stuhl in die Nähe eines Strahlers und wärmte sich die Beine. Außerdem behielt sie auf diese Weise die Straße zu ihrer Wohnung im Blick. Sie legte die Hände in ihren Schoß und schloss die Augen. War das ein Tag zum Feiern? Hastig riss sie die Augen wieder auf und fuhr sich mit einer Hand an die Brust. Wohl nicht, dachte sie, aber ein besonderer Tag ist es doch.
Hastig griff sie nach dem Kaffeelöffel.
Mit dem Finger fuhr sie hastig die Tage in ihrem Phone nach, verglich, noch einmal und noch einmal, immer wieder.
Hastig - das ist so eine Adjektiv, bei dem die Regelkunde Verstoß sagen würde, oder? Da wären wir wieder beim leidigen Thema, show, don't tell und das ist immer ein interessanter Effekt, du zeigst uns das ja alles, aber du sagst uns es hier auch noch einmal. Du machst Show'n'tell! :)

Zwei Jahre war sie jetzt raus aus dem Job, viel zu früh, hatte entworfen und genäht und verworfen und neu geplant, bis die Chefhaut wieder erblasste.
Könnte man streichen, wäre auch der unschöne Gleichklang rAUS AUS weg.

Einmal stand er hinter ihr, als sie unter einen krapproten Musterstreifen „Chefkopprot“ schrieb.
Fand ich eine schöne Idee!

Er schimpfte, aber er lachte auch, denn er brauchte sie viel zu sehr mit ihren flinken Fingern und den gewagten Einfällen.
Da empfinde ich seine Reaktion als etwas unglaubwürdig. Wenn er sie viel zu sehr braucht, dann muss er doch nicht lachen, dann schimpft er zwar, aber es bleibt ohne Folgen. Aber ob er da lacht? Also so richtig mit HAHA, ich weiß nicht.

Irgendwas mit M. Oder?
Heißt sie Oder mit Nachnahmen oder sollte das klein und hinter einem Komma stehen?

Von ihrem Magen quoll ein heißes Brennen in die Kehle, ein Gefühl, als verdrehe es die Speiseröhre.
Vorschlag: Von ihrem Magen aus quoll ein heißes Brennen in die Kehle, ein Gefühl, als verdrehe sich die Speiseröhre.

Sie streckte den Rücken durch, als könnte sie so das Wirre und Hilflose, das sie zu überschwemmen drohte, eindämmen.
Verstehe das Bild nicht, angenommen ich werde überschwemmt, wie kann ich das Wasser dann eindämmen, wenn ich meinen Rücken durchstrecke? Ich kann meinen Kopf über Wasser halten, aber nass werde ich ganz bestimmt, oder?

Zeit war elastisch geworden, ein Band, das sich dehnte, und wenn Frieda daran zog und endlich glaubte, eine Erinnerung zu fassen und zu behalten, dann schnalzte das Band zurück und die Erinnerung entglitt.
Das war irgendwie cool. Besonders das “schnalzen” gefiel mir in dieser Beschreibung und in Zusammenhang mit Erinnerungen.

Frieda strich über ihre Hände, als hätten sie einen Schlag erhalten, betrachtete die braunen Flecken.
Wortwahl: mit „erhalten“ verbinde ich einen Prozess, einen annehmenden, einen, der bewusst geschieht und entgegen genommen wird, würde „als hätte sie einen Schlag abbekommen“ nicht besser passen?

Optimistenwinkel
Gefiel mir!

Ob man als Arzt ein Mundwinkelseminar besuchen musste?
So etwas ist fakultativ. :) – fand ich witzig!

Es war ein unheimliches Wesen, das sie gepackt hielt, ein Wesen, das sie mit kleinen Zetteln bekämpfte.
“bekämpfte” oder “zu bekämpfen versuchte”?

Eigentlich sah die Messingplatte auch aus wie ein überdimensionierter Zettel.
Das sind so Momente in deinem Text, da finde ich deine Sprache etwas unentschlossen, ich weiß nicht, ob das bloß eine Geschmacksfrage ist, weil ich – wenn möglich – solche Worte vermeide, aber deine Geschichte, überhaupt deine Geschichten haben auch oft so einen altertümelnden (nicht tümlichen) Klang, da stechen mir dann solche Begriffe total ins Auge, auch ein wenig vorher:
Dr. Manninger zum Beispiel war das Heben der Mundwinkel so zur Gewohnheit geworden, dass diese sich zu vertikalen Kerben Richtung Stirn vertieft hatten
Ich sehe auch den Nutzen oder den Effekt nicht, den du damit erwirken willst, für „überdimensioniert“ könnte man ja auch „übergroß“ schreiben und das „vertikal“ ist so exakt, dass es schon wieder falsch ist, weil es voraussetzt, dass das Gesicht so verdammt gerade ist und sobald er seinen Kopf bewegt, ist’s schon wieder verkehrt, weil „vertikal“ ja auch eine Richtung bezeichnet, das hat mich bisschen gestört manchmal.

Hinter einem kleinen Schreibtisch hockte eine Frau mit lockigen Haaren und einer riesigen Brille. Sie sah aus wie eine verfressene Katze.
Das mochte ich, auch wenn ich mir null vorstellen kann, wie eine verfressene Katze aussieht, also wie eine verfressene Katze aussieht, weiß ich schon, aber wie Mensch aussieht, der wie eine verfressene Katze aussieht, das weiß ich nicht, aber das ist hier gar nicht so wichtig. Ich finde es wunderbar!

Verwundert blickte sie sich um. Das war alles ganz leicht gewesen, sie hatte geplaudert, Espresso getrunken, Mandelplätzchen gegessen, hatte verwundert verfolgt, wie Angst und Sorge sich zu Gelassenheit wandelten. Die Katze plauderte so unbefangen, dass Frieda dauernd kicherte.
Wiederholungen.

Hirnpickel war gut. Das machte das Wesen so schön mürbe.
Ich mochte das Bild, auch, weil es zeigt, dass sich Menschen immer noch nach einfachen Erklärungen und Namen suchen, wenn sie Dinge nicht verstehen, hier wackelt der Vergleich allerdings ein bisschen, weil AUSSATZ und PICKEL zwei verschiedene Dinge bezeichnen, AUSSATZ die Funktion, PICKEL das Aussehen. Ein Hirnpickel wäre nicht schön, hässlich und so weiter, aber würde die Funktion nicht weiter einschränken.

Und dann lachte sie laut, weil alle ganz pikiert guckten und weil das so entsetzlich rosarot und zum Schreien war, und sie zog Frieda ganz schnell wieder hoch, und sie drehten sich weiter, immer rund und rundherum, bis alles verschwamm, und in dem Taumel sah Frieda Gesichter vor sich, große, bunte Gesichter, aber sie kannte sie nicht, und dann dachte sie an ein Stück zerrissenen, seidigen Stoff.
Starke Szene, starker Satz!

Drei Tabletten lagen darin, fein aufgeteilt auf Sonne, Mond und Mittag. Mittag war unbeschriftet geblieben, bis sie selbst ein Symbol gemalt hatte: einen Stinkefinger.
Das mochte ich!

„Das ist wichtig, du musst dich dran halten. Dann lass es mich machen, wenn du es nicht mehr schaffst.“ Kims Stimme klang schrill.
Also ich lese das schon in der wörtlichen Rede.
Warum nicht: Kim klang schrill.

Einen Moment stellte Frieda sich vor, wie die Finger zum Schlag ausholten, auf den Kopf droschen, als müssten sie die Schädeldecke durchdringen, fast wünschte sie es sich. Dann spürte sie doch nur wieder das harte Streicheln, das Ziepen an ihren Haaren. Kims Gesicht schwebte über ihr, es sah traurig aus. Frieda fühlte, wie ihr der Dosierer in die Hand geschoben wurde. Dann war sie allein.
Auch sehr gut! Wie du ihrer Verwirrtheit, Hilflosigkeit beschreibst, dieses Hoffen auf Erlösung, wie Gewalt mit Zuneigung vermischt in ihr und am Ende doch das gleiche ist – und dann ist sie wieder allein. Echt gut!

Wann war das passiert, dass Kim ihr die Entscheidungen abnehmen wollte? Waren es Tage her?
Beim zweiten Satz stimmt etwas nicht.

Die Erinnerung war abgetaucht in die zähe Masse, die jetzt ihr Gedächtnis war.
Hat mir auch gefallen.
Ich schäme mich für das, was ich bin, und noch mehr für das, was ich sein werde.
Schön formuliert!

Sie ging an ihren Schreibtisch, kramte ganz hinten in der Schublade, wo sie in einer versteckt liegenden Schachtel die kleine, blaue Pille aus dem Beratungszentrum aufbewahrte: Hyperbarbitol, schmerzlos und tödlich.
Ich habe Hyperbaritol gegoogelt, weil ich das nicht kenne, dann kam 1 Treffer – Frieda nimmt sich den Tag, aber ich finde gut, ein hochdosiertes Barbiturat, doch, war mir sympathisch. Aber noch eine Kritik zu dieser Szene: sie sucht da ganz gezielt danach und das finde ich eigenartig, nicht ganz stimmig. Würde es nicht ihrer Logik entsprechen, dass sie von der Pille, dem Hyperbarbitol, weiß, aber es nicht findet, schon fast überlegt, Kim danach zu fragen, aber dann einfach das ganze Zimmer zerlegt?

Ach, sie hatte einfach Angst, jämmerliche beschissene Babyangst.
Babyangst ist etwas sehr Unspezifisches, glaube ich. Babys haben keine wirklichen Ängste, sie sich eher hilflos oder schutzlos, unbehütet und schreien dann. Das würde auch alles auf Frieda passen, aber als Babyangst beschreibst du ja die Angst davor, die Pille zu schlucken, für mich stimmt das nicht ganz.

Dann öffnete sie es. Vorsichtig platzierte sie die Pille in das vierte Fach für Sonntag. Heute wusste sie noch, dass sie diese Pille nicht nehmen durfte. Und morgen würde sie das auch noch wissen. Lange noch. Aber irgendwann würde sie vergessen, was das für eine Pille war und sie würde sie nehmen. Ihr Tod wäre ein merkwürdiger Zufall, eine Folge ihrer Vergesslichkeit. Sie würde dem Aussatz ein Schnippchen schlagen und ihrer eigenen Angst gleich mit.
Das wirkt alles so gruselig real! Hast du jedenfalls gut hinbekommen!

Sie wird zurechtkommen, das ist ok, sie ist doch jetzt gewachsen.
Fand ich interessant, dass du hier „gewachsen“ statt „erwachsen“ schreibst.

Sie nahm den Papierball, der immer noch auf dem Metalltisch lag, zerknüllte ihn noch mehr und warf ihn mit Schwung auf die Straße, direkt vor die Pumps eines der Minirockmädchen.
Wenn in der Zukunft wieder so viele Röchcken und Kleidchen tragen, freue ich mich da sehr darauf!

„Platzende Blasen, blasende Platzen“, sagte sie. „Heute ist ein Blasenplatztag.“
Schön.

„Und dann, naja“, der junge Mann setzte sich zurecht, griff sich wieder seine Tasse, nahm einen Schuck.
Schluck

„Ein Film über Ianua digna. Dass die jedem die Todespille aufdrücken, selbst Leuten, die noch lange gut leben könnten. Und die lassen sich das teuer bezahlen. Und, jetzt kommts, das Zeug da drin funktioniert noch nicht mal. Ein paar Leute sollen ganz furchtbar verreckt sein, und manche haben trotzdem überlebt, und es war schlimmer als vorher. Die Pharma-Industrie sponsert die angeblich. Und die Regierung auch. Sind doch alle froh, die vielen Kranken loszuwerden. Sie werden ja ganz blass. Soll ich Ihnen ein Glas Wasser holen?“
Ich mag die Idee dahinter, aber die Verschwörung kommt mir hier zu dominat rüber. Würde sie da vielleicht ein bisschen nachfragen lassen, der sprudelt ihr ja das ganze System auf den Tisch. Ich überlege grad, wie du das anders machen kannst, vielleicht habe ich noch eine konstruktive Anregung. Es soll ein Film sein, er beschreibt es wie eine Dokumentation und am Ende scheint das so, als erzähle er über die Realität. Das hat mich verwirrt.

Als Frieda sich über den Kuchen beugte, fühlte sie Kims Hand ihren Kopf berühren.
Warum nicht: Als Frieda sich über den Kuchen beugte, fühlte sie, wie Kims Hand ihren Kopf berührte.

Sie sah auf, sagte, „wir müssen zusammen ins Kino gehen, das ist wichtig.“
Die Geschichte wird mit jeder Zeile sympathischer und süßer!

Sie kniff sich in die Hand, ganz fest, saugte am Handballen, die Karte immer noch zwischen den Fingern, bis sich ein blauer Fleck bildete, blau, ja blau, das war es, bestimmt war es das, an etwas Blaues wollte sie denken.
Schau! Das ist auch hastig und nervös, aber du musst es nicht dazu sagen. Funktioniert auch so!

Ich finde die Geschichte auch berührend, das Ende ist sehr geschickt vorbereitet und trifft einen umso härter, das ist dir sehr gut gelungen. Der einzig schwache Moment in deiner Erzählung ist für mich der junge Popcornmann, der ihr von der Verschwörung erzählt, da sieht man die Fäden des Puppen(Mund)theaters zu sehr, das finde ich schade, weil die Geschichte ein Stückchen von ihrem runden Charakter verliert, also stimmig ist es alles, aber das sticht eben total raus. Mir ist inzwischen auch etwas Konstruktives dazu eingefallen, also kein vorgefertigter Vorschlag oder eine fertige Formulierung, aber das hier: braucht es hier echt die Dokumentation, so wie er sie beschreibt? Kann es nicht irgendetwas Übertragenes sein, man muss ja nicht so stark mit dem Zeigefinger drauf deuten, eine metaphorische Geschichte, ein Bildnis, irgendetwas, was sie die Meinung ändern lässt, aber doch nicht dieses rationale Erkennen „Uh, die Pharmaindustrie und die Regierung töten uns bewusst vorzeitig, ich darf die Pille nicht nehmen!“ – das ist mir zu überdeutlich, auch ernst hat das ja schon angemerkt, dass das zu konstruiert wirkt und das ist einfach schade bei der tollen Geschichte. Den Popcorntypen fand ich übrigens richtig erfrischend, hat mir gut gefallen die Szene, auch die Vorstellung, dass es sich wirklich zutragen könnte und wie er dann mit ihr sympathisiert und auch mit dem Zeigefinger deutet!

Das mit der modeschöpferischen Karriere und wie sie die ganzen Kleidchen daran erinnern, das mochte ich als Gedanke, aber ich fand das nicht so gut umgesetzt, das war vielleicht auch der Grund, warum ich mir so schwer tat, in die Geschichte einzutauchen. Es steht dann einfach da, „jetzt war ich raus aus dem Job“, und sie sinniert da vor sich hin, mir hätte da gefallen, wenn sie nicht die Kleidchen sieht und sich denkt, oh, ich war da ja auch so gut da drin, das hat so einen ganz faden Geschmack bei mir hervorgerufen, so etwas selbstmitleidiges, selbstliebendes Gefühl, was eigentlich gar nicht zu Frieda passt irgendwie, mir hätte gefallen, wenn sie sich Gedanken gemacht hätte, wie sie die Kleider umnäht und das dann nicht mehr hinbekommt im Kopf.

Zur Sprache im Allgemeinen sage ich dieses Mal wenig: an manchen, eigentlich an sehr vielen Stellen ist deine Sprache richtig stark, eindringlich, fesselnd, verbildlichend, hier meißelst du die Verwirrung und zunehmend geistig Eintrübung sehr geschickt zwischen die Zeilen, aber es sind auch einige Stellen dabei, wo ich einer unentschlossenen Sprache entgegen blicke, ganz ohne Stolpersteine war der Text für mich nicht, bei den Anmerkungen habe ich das auch teilweise deutlich gemacht.

Meine Lieblingsszene war die Abschiedsparty, die ist sehr skurril, so etwas ist auch immer verdammt traurig, ich fand das einfach gut dargestellt, war da dabei, unsichtbar bin ich Frieda ins Zimmerchen gefolgt, und auch wie sie den Abschied leugnet, wie sie die Geliebten durcheinander bringt, wie Liebe – DAS Thema – plötzlich gar keine Rolle mehr spielt, wie sie sich zurück zieht und verwirrt und hilflos am Boden sitzt – da ist stark! Auch wie sie erst sagt: „Das machen doch alle!“ – irgendwie witzig. Was mir komisch vorkam, Kim erstellt ja die Gästeliste, alle Geliebten und so weiter, dann sind es bloß zwei, aber am Ende sind total viele auf der Party, also mir ist schon klar, dass da noch andere kommen, aber das müsste man noch irgendwo erwähnen oder nicht so übererwähnen, dass nur (oder vor allem) die Geliebten kommen. Ich nehme es dir dann ab, dass sie mit keiner Freundin spricht, ich habe ehrlich gesagt, keinen blassen Schimmer, wie alt die Protagonistin ist, Quinn sagt etwas von dreißig Jahren oder so, für mich war die älter – an dieser Stelle, es ist echt nicht unbedingt notwendig, das so sehr in die Zukunft zu schieben, kann man doch auch alles hier im JETZT handeln lassen, da verliert die Geschichte überhaupt nichts, außer den Zeigefingerschreienden Utopiecharakter. Also, ich bin selbst schon verwirrt, wo war ich stehen geblieben? Sie spricht mit keiner Freundin, sieht überall nur bunte Gesichter, da hast du es dir vielleicht zu leicht gemacht, sie kennt praktisch niemanden mehr außer Kim, und die erkennt sie immer, ohne Ausnahme, vielleicht spricht sie eine Freundin mit den falschen Namen an oder erinnert sich an etwas Falsches, eine kleine Episode habe ich da vermisst, aber das ist jetzt nicht kriegsentscheidend.

Und zuletzt zum großen Thema der unterschwellig/ freiwilligen Euthanasie, das ist ein Thema, das mich sehr interessiert und ich denke oft darüber nach, sowohl in Bezug auf Patienten als auch auf mich. Darf man jemanden von seinem Leid erlösen, wir haben da letztens im Rahmen der Geschichte für Medizin den NS-Propaganda-Film „Ich klage an“ geschaut, den man nur unter bestimmten Bedingungen anschauen darf. Der ist schon heftig, und auch wenn er verdammt gut gemacht ist, in seiner subtilen Message, finde ich – ach, wir müssen da jetzt gar nicht über meine Meinung dazu reden, es soll dir aber auch zeigen, dass der sozialkritische Charakter deiner Erzählung zu überzeugen weiß, man denkt dann wieder darüber nach und Alzheimer oder Demenz ist eine Erkrankung, aus der man sich selbst noch befreien kann, aber es fürchterliche Erkrankungen bei denen man ein Leben lang in seinem Körper gefangen ist, leidet und noch bewusst wahrnimmt, unfähig selbst zu gehen. Die Vorstellung, selbst in eine körpereigene Gefangenschaft zu geraten, finde ich fürchterlich und umso nachvollziehbarer ist die „Kontroll-Pille“ von oder für Frieda, auch wenn ich die Bezeichnung nicht schön finde, ist es doch der richtige Ausdruck, nach „Der König in seinem Exil“ von Arno Geiger und dem Blog des totkranken Tschick-Autors Herrendorf, der sich am Ende selbst erschossen hat, habe ich durchaus sehr gute Umsetzungen der Thematik gelesen und beide Autoren „profitieren“ (ich möchte das Wort hier am liebsten gar nicht verwenden), sie schreiben aus eigener Erfahrung heraus und das verleiht dem ganzen einen authentischen Glanz, den man nur sehr schwer einfangen kann als Außenstehender, was ich sagen will: Die Messlatte hängt hoch, ich habe viele Gedanken zu dem Thema, und vielleicht hast du keine persönliche Erfahrung damit, aber der Text lässt mich zufrieden zurück, ich finde er setzt sich angemessen damit auseinander und tut das auf die sympathischste Art und Weise, ich mag Frieda, wie sie zwar traurig ist, traurig über sich selbst und ihr Schicksal, aber immer wieder floppen die Popcorn in ihrem Herzen, sie vergleicht sich mit einem kackenden Hund, der die Scheiße hinter sich her zieht, aber dann auch wieder sauber rausgeputzt und fröhlich springend mit Kimhund spazieren geht, diese Ambivalenz, wie sie ständig laut lacht, ihre geschickten und witzigen Antworten, ihr ganzes Handeln ist so lebendig, das hat mir richtig gut gefallen. Schön war auch, wie die Entscheidung ein Sprung ist, so viel gehüpft und gesprungen in ihrem Leben, aber den letzten Sprung – das Schlucken der Tablette – fällt schwer.

Hat mir sehr gut gefallen deine Erzählung, auch, weil bei meinen letzten Geschichten von einem guten Anfang gesprochen wird und einem enttäuschenden Ende, und bei dir das irgendwie umgekehrt war, ich mochte den Anfang wirklich nicht sonderlich und ich hätte nie gedacht, dass ich so begeistert aus der Geschichte gehe.

Ein schönes Weihnachtsfest wünsche ich dir!

Beste Grüße
markus.

 
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Liebe Novak,

da hat mir doch die neue Struktur von den Wortkriegern einen Hinweis zur Geschichte gegeben, hast du doch auch SF getaggt. Ansonsten hätte ich doch glatt geglaubt, das Geburtsjahr 1980 von Frieda müsste ein Vertippser sein.

Davon abgesehen, Frieda als Namen zu wählen macht das ganze nicht einfacher, denn ich habe mir wirklich so eine über 70jährige vorgestellt. Hätten wir es mit einer Liebesgeschichte zu tun, nehme ich dir alle Vornamen ab, die dir so einfallen, aber wenn du mit Zeitenverschiebung arbeitest und dem Leser etwas indirekt sagen willst, dann bitte auch mit entsprechenden Hilfsmitteln, z.B. passende Namen (Kim passt da viel besser!)

Die beliebtesten 10 Vornamen 1980 waren
Julia
Katrin / Catrin / Kathrin
Stefanie / Stephanie
Melanie
Sandra
Anja
Nicole
Nadine
Christina
Sabrina

Nur mal so als Anregung - mir ist natürlich klar, dass dir Frieda ans Herz gewachsen ist und du sie nun sicher nicht umtaufen wirst, aber auf meine Irritation mache ich dich trotzdem gerne aufmerksam.

Mir wird nicht ganz klar, wieso du das in der Zukunft spielen lässt. Hat das nur mit der blauen Pille zu tun, damit keiner sagen kann: Das gibts doch gar nicht!? Denn sonst holst du ja keinen Mehrwert aus der Situation heraus, außer der Tatsache, dass es viele bunte Popcorns gibt, aber dazu später mehr.

Ich habe einige Kommentare (jedoch nicht alle bis ins letzte) durchgelesen und da war die Zeitverlagerung auch hin und wieder Thema. Für mich ist das dann nicht konsequent durchdacht. Wenn man sich überlegt, was in den letzten zwanzig Jahren passiert ist - was wird dann in den kommenden zwanzig weiterhin in noch schnellerer Folge geschehen? Davon ist nichts im Text zu spüren, aber das ist doch auch klar, das würde den Rahmen sprengen. Denn der Fokus liegt doch auf dem Zerbröseln von Friedas Erinnerungen, ihrem Gedächtnis.

Würde man zwanzig Jahre weiter gehen, hätte man viel mehr demente Menschen, es müsste durch die Krankenkassen, die Sozialstationen, das Gesundheitswesen allgemein einiges in die Wege geleitet worden sein, von dem man in dem Stadium, in dem sich Frieda (sich selbst bewusst!!!) befindet, etwas mitbekommen müsste.

Irgendjemand schrieb, dass du der KG zuviel aufbürdest und so sehe ich das auch ein Stückweit. Die gesellschaftskritische Sicht mit dem Suizid ist ein Thema für sich, dem kannst du meiner Meinung nach nicht genug Raum geben und das der Logik halber dann in die Zukunft zu verlegen, nimmt der Geschichte Intensität.

Von daher habe ich mir die Frage gestellt, ob mir die Szenen mit Frieda, wie sie immer unsicherer wird, der Kellnerszene und denen mit ihrer Freundin Kim inklusive Party reichen würden und ich habe ja dazu gesagt. Anders herum gesagt: Ich würde den Interviewer rausschmeißen, die Geschichte nicht in der Zukunft spielen lassen und die Frage nach dem früheren Sterben in Dialoge mit Kim einbinden. Es gibt ja z.B. in der Schweiz die Möglichkeit, freiwillig aus dem Leben zu gehen. Oder Kim ist eine so gute Freundin, dass sie zusammen einen Plan schmieden können, was gemacht werden kann, wenn es Frieda mal so gaga geht, dass sie nix mehr kapiert.

Überhaupt finde ich schade, dass Frieda diesen Weg mit der blauen Pille alleine geht. Wieso weiht sie denn Kim nicht ein? Mit engen Freunden haben wir uns schon vor Jahren in einer sehr ernsten Gesprächsrunde gegenseitig versprochen, dass der eine dem anderen aus einer solchen Scheißsituation heraushilft. Da gibt es Mittel und Wege, wenn man will.


So, und dann empfinde ich deine Geschichte, liebe Novak, entschlackt von dem, was ich oben angedeutet habe, hervorragend dem Thema angenähert. Du schaffst es, dass der Leser sehr gut verstehen kann, wie schwer es für einen Menschen im Anfangsstadium der Demenz sein muss, zu akzeptieren, was nicht aufzuhalten ist. Da findest du die richtigen Worte, hast Ideen dazu, beschreibst das so, dass ich auch nicht mehr nach der Textarbeit gesehen habe, weil ich einfach den Text durchgelesen habe, weil er mich als solcher sehr mitgenommen und in Teilen restlos überzeugt hat (nach den anfänglichen Irritationen).Es gibt viele schöne Stellen, die ich gar nicht einzeln auflisten will, also sei dir meines Lobes gewiss.

Da ich in meinem fortgeschrittenen Alter auch nur noch mit Kalendern und To-Do-Listen arbeiten kann und auch schon nachts komplett durch den Wind aufgeschreckt bin, weil ich dachte, ich hätte einen wichtigen Termin versemmelt, kann ich das in Ansätzen nachvollziehen, was Frieda erlebt.

Was ich grade bei meiner Tante erlebe, ist zwar das Gegenteil: Die sagt immer: Ich bin noch richtig im Kopf aber verdächtigt viele, die ins Haus kommen, dass sie ihr was wegklauen. Die Mutter einer Freundin ruft immer die Polizei an und beschwert sich, dass sie keiner besuchen kommt :D (obwohl die natürlich täglich auftauchen). Da gibt es in der Tragik die witzigsten Geschichten.

Ich gehe den Text jetzt nochmal durch, mal sehen, ob ich noch was anmerken will:

„Frühlingswischwaschi ist das. An so einem Tag.“ Frieda brummte die Worte vor sich hin, immer wieder, während sie die Straße entlanghuschte, hin zu dem Straßencafé auf dem Platz zwischen den Hochhäusern.
brummen finde ich eher passend für Männer; eigentlich meckert sie ja ein wenig (wenn ich das Frühlingswischiwaschi auch nicht recht verstehe), brummeln fände ich jedenfalls besser.

Sie hielt sich eng an die Gebäude, wandte sich ein- zweimal nach ihrer Wohnung um, ja da war es noch, das zuverlässige Rechteck der braunen Tür mit dem goldenen Knauf.
Bin ich da jetzt I-Tüpfele-Scheißer, wenn ich sage, dass es eigentlich um das Haus geht, in dem sie wohnt? Eine Wohnung kann man von außen nicht sehen.


Sie sah Mädchen, die kurze Kleider ausführten und lange Beine. Bebrillte Männer drängten sich in dem schmalen Sonnenstreifen vor dem Haus, warfen mit der linken Hand Pläne in den Himmel, während die Zigarette in der rechten den Mädchen nachzielte.
Sie sah, wie die Sonnenstrahlen allmählich an den Fassaden emporturnten und der verschattete Platz sich zur orangen Heizpilzzone entzündete.

Entschuldige, da ist für mich einiges nicht stimmig. Man könnte es dem Eifer des Textanfanges zuschreiben, da ist die Kreativität noch sprudelnd ;).
Wenn Mädchen kurze Kleider anhaben, kann es nicht sooo kalt sein, dass sich die Männer (die ja hart im Nehmen sind) Sonnenplätze suchen. Die Sonnenstrahlen turnen meiner Ansicht nach nicht; wenn, dann kriechen oder ziehen sie. Also das liest sich so gewollt Stimmung erzeugend für mich.

Einmal stand er hinter ihr, als sie unter einen krapproten Musterstreifen „Chefkopprot“ schrieb.
versteh ich nicht. Auch nicht, wieso sie früher gehen musste.

Ob man als Arzt ein Mundwinkelseminar besuchen musste?
herrlich


Hirn-Aussatz“
Aussetzer fände ich auch besser, wurde ja schon mal moniert. Ansonsten denke ich da an Lepra. Oder war das deine Intention: Hirn-Auffresser? Hmm ... ob das durchkommt?

Der Zettel hing an ihrer Zimmertür. Tabletten einnehmen stand darauf. Wann hatte sie den geschrieben? Sie erinnerte sich nicht. Noch mehr Zettel, eine ganze Serie hatte es sich in ihrem Zimmer breit gemacht. Als hätte jemand anderes sie heimlich aufgehängt; doch es war ihre Schrift, wenn sie auch aussah wie in großer Eile geschrieben.
Das sind so Sätze, die ich großartig finde, um dem Leser ihre Situation nahezubringen.



„Oblong-Fitz-Oblong“, rief sie, „Treten Sie an gegen den Aussatz!“ Sie schluckte die Stinkefingertablette rasch hinterher.
„Was ist denn schon wieder?“ Kim schaute ins Zimmer. Sie sah blass aus. Und müde. „Hast du die Tabletten schon genommen?“ Sie nahm ihr den Dosierer aus der Hand und prüfte die Fächer. „Du hast ja schon die Mittagstablette eingenommen. Soll ich das nicht langsam übernehmen?“
„Nein ich ...“
„Das ist wichtig, du musst dich dran halten. Dann lass es mich machen, wenn du es nicht mehr schaffst.“ Kims Stimme klang schrill.
Frieda griff nach dem Dosierer. „Gib her!“
„Ich weiß nicht“, Kim verzog das Gesicht, „traust du dir das echt noch zu?“
„Gib her!“ Mit einem Ruck zog Frieda an der Plastikschachtel, riss sie Kim aus der Hand, die erschrocken auf einen Schnitt an ihrer Hand blickte. Die Tabletten sprangen heraus und kreiselten über den Boden.
Bestürzt sah Frieda auf Kims Hand. „Das wollte ich nicht. Ich wollte nur …“
„Jetzt sieh mal, was du gemacht hast!“, Kim wies auf den Schnitt, aus dem ein Blutfaden quoll. „Keine Ahnung, in welches Fach die Dinger gehören. Mann, das nervt!“

Ja, und genau da hört die kritische Situation auf, zu eskalieren. Man weiß ja, dass sehr viele Familienmitglieder auf dem Zahnfleisch gehen, wenn sie Dementkranke pflegen. Da hätte ich mir gewünscht, es wäre noch ein Stück weiter gegangen. Wobei - und dabei ziehe ich den Bogen zum Anfang: Dreißig Jahre später würde man anders damit umgehen. Dann gäbe es Tagesstätten für Dementkranke wie es diese heute schon für Behinderte gibt, damit die Angehörigen einen normalen Alltag leben können, auch, weil sie Geld verdienen müssen.


Liebe Novak, das liest sich jetzt von mir noch nach eher naja statt toll!. Das ist es aber definitiv nicht. Der Text ist in Teilen sehr, sehr intensiv und ausgefeilt geschrieben und ich finde die Art, wie du an das Thema gegangen bist, gut. Das nimm als Melodie mit, wenn du über meine Kritik nachdenkst.

Liebe Grüße
bernadette

 
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Hey Novak,

ich schreibe mal mit, was mir so auffällt.

Hastig riss sie die Augen wieder auf und fuhr sich mit einer Hand an die Brust. Wohl nicht, dachte sie, aber ein besonderer Tag ist es doch.
Okay, im ersten Absatz passiert noch nicht viel; Frieda sitzt in einem Café und beobachtet die Menschen. Es ist ein besonderer Tag - ich bin gespannt.

Und jedes Jahr hatte sich der Kopf ihres Chefs auf ungesunde Weise verfärbt aus Zorn über die fehlende ökonomische Nutzung des Rocksaums.
:D

Der Kellner kam und brachte den zweiten Cappuccino, schimpfte über die neuen Zahlen chronisch Kranker und den Anstieg der Chronitätsabgabe, flachste ein bisschen über den neusten Benzinersatz, der eine Reihe von Motoren durchgekocht hatte.
Da muss der Kellner ja ziemlich lange mit ihr geredet haben! Das ist erst der zweite Cappuccino - zuvor schriebst du:
Sie sah, wie die Sonnenstrahlen allmählich an den Fassaden emporturnten und der verschattete Platz sich zur orangen Heizpilzzone entzündete.
und deswegen dachte ich irgendwie, dass sie schon den ganzen Nachmittag da gesessen war. Aber okay.

Sie lachte pflichtschuldig und wunderte sich.
pflichtschuldig ... ja, ich weiß, was du damit meinst, aber irgendwie gefällt mir das Wort nicht, kann dir auch gerade nicht sagen, wieso; ich persönlich hätte es ohne geschrieben, aber ich denke, das ist eine Geschmackssache

Zeit war elastisch geworden, ein Band, das sich dehnte, und wenn Frieda daran zog und endlich glaubte, eine Erinnerung zu fassen und zu behalten, dann schnalzte das Band zurück und die Erinnerung entglitt. Schnell kam es, das Schnalzen, und weh tat es. Frieda strich über ihre Hände, als hätten sie einen Schlag erhalten, betrachtete die braunen Flecken. Sie hatte gleich aufgeben wollen, damals.
Ich glaube, ich weiß, in welche Richtung der Text gehen wird. Und dafür finde ich die Metapher ziemlich gut! Der Absatz davor, da geht es um die Verwirrung von Frieda, dieses Wissen, dass man zwar verwirrt ist, aber man weiß nicht, wo die Verwirrung steckt. Es passiert nicht viel, es ist keine Actiongeschichte, aber interessant wirkt sie bis jetzt allemal.

Es war ein unheimliches Wesen, das sie gepackt hielt, ein Wesen, das sie mit kleinen Zetteln bekämpfte.
Das ist ein guter Satz!

Vor dem Nachbargrundstück kackte ein Hund auf den Gehweg, die Besitzerin linste zu ihr herüber. [...] Hoffentlich hatte sie nicht den gleichen flehentlichen Gesichtsausdruck wie der Hund, der jetzt unbeholfen in ihre Richtung buckelte und dabei eine Kotspur hinter sich her zog.
Irgendwie musste ich an dieser Stelle schmunzeln. Dieses "kackte ein Hund" fällt total aus der Erzählstimme heraus, finde ich, auch diese Beobachtung, dass da ein Hund kackt, sowas wurde bis jetzt nicht vom Erzähler beobachtet.

Hinter einem kleinen Schreibtisch hockte eine Frau mit lockigen Haaren und einer riesigen Brille. Sie sah aus wie eine verfressene Katze.
Guter Vergleich!

„Frieda Steitzinger, geboren 1980? Das sind Sie? Darf ich Ihre Arztberichte sehen?“
Okay, dass die Prot. alt ist, hat man schon mitbekommen, dement ist sie auch; aber geboren 1980, jetzt weiß ich auch, wieso du das auch unter Science Fiction eingeordnet hast. Die letzte Zeit hab ich's irgendwie mit Namen - Frieda finde ich da irgendwie komisch gewählt; ich meine, kennst du jemanden, der um 1980 geboren wurde, und Frieda heißt? Ich weiß nicht, kann ja von Region zu Region anders sein, aber ich kenne niemanden, Frieda klingt eher so nach Jahrgang 1920, 30 oder so, finde ich jedenfalls

doch jetzt fuhr sie mit dem Finger über die tröstliche Erhebung der Zahl.
Die gute Frieda muss ja echt überall mit ihren Fingern hinlangen :D

„Das machen doch alle“, schimpfte Frieda.
Mir fällt gerade auf, dass das die erste wörtliche Rede von Frieda ist; ich weiß nicht, ob das gewollt ist, ob du Frieda als eher ruhige und nachdenkliche Person dastehen lassen willst, aber ist mir eben so aufgefallen, weil Frieda eigentlich sich zu allen Dingen, die passieren, immer nur ihre Gedanken macht, und das lässt sie irgendwie bisschen passiv erscheinen, in der Hinsicht.

Kim griff sie an beiden Händen, ließ sie nicht mehr los, tanzte mit ihr im Kreis, ganz wild, obwohl sie es doch so schlimm am Herzen hatte, immer weiter, schön war das, wunderschön, das hatten sie nie gemacht vorher, weiter und weiter, bis sie beide umfielen vor Lachen und Trunkenheit und Schwindel.
Und da sind sie plötzlich wieder jung, tanzen. Manchmal merkt man gar nicht, dass Frieda eine alte Frau ist; ich denke, das ist gewollt, Demente halten sich ja manchmal selbst für ihr eigenes 20jähriges Ich, oder so.

Da, schon wieder. Die Mundwinkel tanzten. Aber Tango ist das nicht, dachte Frieda, eher Veitstanz.
Schön, dass du das bild mit den Mündern wieder aufgreifst

„Was mussten sie fragen?“
„Ich musste Filmtitel nennen und die Leute mussten dann sagen, was ihnen dazu einfällt. Hab ich gemacht. Und was ist denen eingefallen? Fast immer?“ Der junge Mann krauste die Nase.
Also dieser Absatz mit dem Gespräch mit dem jungen Mann ... den fand ich ehrlich gesagt nicht so packend. Ich fragte mich da: Wohin führt das? Ich erkannte da irgendwie keinen Konflikt oder so, nur zum Schluss, als er sagt, die Pille wirkt angeblich manchmal nicht richtig, da nahm es wieder Fahrt auf. So für mein Gefühl.

Als der junge Mann gegangen war, saß Frieda immer noch da und lauschte der Leere in ihrem Inneren. Als wäre etwas abgemäht worden.
Das fand ich gut

Mhm ja, das ist ein interessanter Text über Alzheimer, ich konnte gut nachvollziehen, wie es ist, an dieser Krankheit zu leiden, und ich denke, das war auch deine Intention, die du dem Leser hier übermitteln wolltest.
Ich persönlich habe gemerkt, dass ich vom Thema Alzheimer und Gedächtnisverlust usw. ziemlich weit weg bin - deswegen packt mich die Geschichte wahrscheinlich nicht so wie sicherlich einige andere, ist einfach so. Wenn mein einem bestimmten Thema besonders nahesteht und viel mit ihm zu tun hat, berühren einen Texte ganz anders, als solche, die einem im persönlichen Leben weiter weg stehen, denke ich mir. Ich begriff die Story als eine Art Momentaufnahme, ein Werkzeug, sich in die Krankheit Alzheim eindenken zu können, um zu verstehen, wieso man mit dieser Bürde nicht bis zum natürlichen Ende gehen will.
Ich fand desweiteren, dass die Story vor dem rauschenden Fest und der Suizidpille spannender war, danach hatte ich das Gefühl, dass sie etwas abflacht, so von der Spannung her, da war dann der Zwist "Ich komme mit meiner Umwelt nicht mehr so gut klar" und "ich werde mir das Leben nehmen" irgendwie ein bisschen draußen, so für mein Empfinden; das Gespräch mit diesem jungen Mann ... ich weiß nicht, irgendwie hat mich das raus gehauen beim Lesen, ich sah da nicht, wohin das führen sollte.
Stilistisch und Schreibtechnisch her ist das natürlich große Klasse, aber das weißt du selbst, daran soll es bei dir nicht scheitern. Für mein eigenes Empfinden hättest du ruhig aber den Fokus etwas mehr auf die Suizidtablette lenken können, das war das, was mich beim Lesen am meisten interessiert hat, was aber erst nach einem Drittel des Textes kam; wie gesagt, ich kann total nachvollziehen, wenn andere Demenz als großes Thema interessant finden, und sie die Story deswegen zu hundert Prozent abholt, aber für meinen persönlichen Leseeindruck fand ich die Suizidtablette irgendwie spannender; Sterbehilfe ist ja ein ziemlich großes Thema in der Gesellschaft, schon seit längerem jetzt, und ich finde es als Leser interessant, wieso sich Leute dazu entscheiden, entweder mit einer schweren und irreversiblen Krankheit weiterzuleben, oder eben nicht weiterzuleben. Ich finde das ist sehr wohl bei deiner Story herausgekommen, ich verstehe Frieda. Soviel von meinem Leseeindruck!

Grüße

 

Oh, oh, oh, gerade wollte ich noch mal Achillus Kommentar lesen und ihm die restliche Antwort schreiben, da sehe ich neue Kommentare.
He Markus, bernadette und zigga, was hab ich da nur gemacht, ihr müsst mich ja für komplett unhöflich halten, ich hab das gar nicht gesehen, vielleicht weil das in meinem Urlaub war.
Oh je, ich muss vielleicht doch mal meine eigenen Geschichten abonnieren, damit mir sowas nicht nochmal passiert.
Ja, sorry, es tut mir ganz arg leid, war keine böse Absicht, ich kann euch einfach nur um Entschuldigug bitten. :sad:
Ich hole das schnell nach.

 

Hallo Novak,

eine beeindruckende Geschichte, die ich so schnell nicht vergessen werde, sofern mich mein Gedächtnis nicht generell in weiten Teilen verlässt.

Den ersten Teil fand ich genial. Frieda berührt in ihrem Kampf gegen das Sich-Auflösen. Bei der Beschreibung der Szenerie stolperte ich einzig etwas über die Heizpilzsonnen, ordnete sie dann aber in die Außenraucherszene ein. Der Gedankengang von den flanierenden Mädels zu Friedas früherem Beruf gestaltete sich so selbstverständlich, dass ich beim Lesen sehr deutliche Bilder vor Augen hatte. Der Geburtsjahrgang 1980 hat mich dann ziemlich kalt erwischt. Nicht wegen der Demenz, sondern wegen der Diskussionen mit dem Chef über die Rocklänge. Klar, Mode wechselt und der Trend geht auch immer mal wieder in eine konservative Richtung, aber meine Bilder passten so gut zu einer weiter zurückliegenden Zeit.

Die blaue Pille und damit die Kontrolle über den eigenen Tod, dazu kamen mir gleich zwei Assoziationen. Die Sterbehilfedebatte und ein alter Film, Soylent Green, wobei die zweite Assozialtion gleich bei Erwähnung der Beratungsstelle entstand. Von diesem Punkt an vermutete ich eine böse Wendung. Dann kam die Begegnung im Café und ich war irritiert. Die ganze Unterhaltung über Filme und verschiedene Popcornvarianten blieb für mich absurd. Einzig das Ende der Szene, als Frieda begreift, dass sie vielleicht doch nicht die Kontrolle über ihren Tod hat, ja dass sie vielleicht ihre Krankheit noch verschlimmert und damit auch ihre Freundin/Lebensgefährtin/Schwester (Kims Rolle in Friedas Leben wurde mir nicht klar. Ich halte sie für etwa gleichaltrig, für jemanden, den Frieda bereits seit ihrer eigenen Kindheit kennt.) stärker belastet, ergibt einen klaren Sinn.

Deine Beschreibungen sind sehr detailfreudig und lebendig. Genau wie die Darstellung der Gedanken Deiner Protagonistin. Bei den Dialogen hat mir jeweils Friedas Part am besten gefallen. Ihr konnte ich das Fahrige, das frei Assoziierende sehr gut abnehmen. Bei dem jungen Mann im Café fiel mir das schwer. Ist er auch krank? Das wäre eine mögliche Erklärung für mich.

Der Aussatz gefiel mir. Kranke, Arme, Opfer erleben häufig, dass sie gemieden werden. Da funktioniert etwas nicht, der Mensch leidet und als Reaktion darauf machen seine Mitmenschen einen Bogen um ihn, gerade als ob er eine mittelalterliche Ratsche mit sich trüge.

Da sind so viele Kleinigkeiten in der Geschichte, die mir wirklich gut gefallen. Das Vermeiden des Augenkontakts zum Beispiel, oder die Pillendosenverwirrung. Zwei Kritikpunkte bleiben mir am Ende: die Schwierigkeit der zeitlichen Einordnung und die Popcornflut. Das hebt das Positive nicht auf, die Geschichte war für mich ein toller Sonntagsstart.

LG
Sabine

 

Sorry an euch alle. Ich weiß nicht, warum ich zur Zeit so lange brauche, schlimm, schlimm, die Kommentare lieferten mir viel Stoff um nachzudenken, da will man dann auch nicht unüberlegt antworten. Und manchmal brauch ich auch viel Zeit, bis ich eine Antwort für mich gefunden habe. Und andererseits will ich eben auch möglichst genau antworten .
Dadurch hat es jetzt einfach gedauert. Ich hoffe, ihr sehr mir das nach.

Hallo Achillus,
ja, du hattest mir wirklich Stoff zum Nachdenken gegeben. Anstrengend, aber auch bereichernd.
Einiges hatte ich dir ja schon vorweg geschrieben, zum Beispiel die Sache mit dem Nachstellen. Warum habe ich das hier gemacht? Ich hatte dir schon geschrieben, dass ich unsicher bin, ob ich das nicht selbst im Alltagssprachgebrauch so mache, dass es also nichts weiter ist als eine Angewohnheit. Aber auch da hat man ja seine unbewussten Gründe. Und bei mir ist es auch da der Versuch, zu einer Sache eine gewisse ironische Distanz einzunehmen. Diese Angewohnheit also habe ich, mich selbst beklauend, der Frieda angeschrieben, ich finde, es zeigt ja auch ihre Persönlichkeit und ihre Art des Umgangs mit der Erkrankung. Sie ist eine Frau, die sich nicht unterkriegen lassen will, die Distanz zu den Dingen einnehmen will, also bemalt sie ein Fach mit einem Stinkefinger und nennt die Tablette entsprechend so, sie will ihr Leben nicht von der Krankheit diktieren lassen, will sie in ihre Schranken weisen.

Ein Autor sollte sich davor hüten, geistreich erscheinen zu wollen. Erstens geht das meist schief und falls nicht wirkt es eitel. Diese ganzen Wortspielerein mögen beim ersten Lesen lustig sein, aber es sind letztlich nur Effekte. Ich wette, es gibt viele Leser die Dir zuhören wollen, wegen dem was Deine Geschichte zu sagen hat. Geistreiche Wortspiele braucht es nicht.
Übrigens, wenn der Effekt eitel wirkt, dann ist er auch schief gegangen. Denn dann wird er als Effekt oder als Trick wahrgenommen. Von daher kürzt sich dein Argument hier für mich zusammen darauf, dass solche „Tricks“ in aller Regel nicht gut sind.
Ich habe lange überlegt. Ich kann es gut nachvollziehen, was du hier schreibst. Und wenn dir das Mundtheater als eitler Effekt erscheint, dann ist das, was ich wollte, bei dir nicht angekommen. Und das ist natürlich total blöd, denn man schreibt ja, um den Leser zu erreichen.
Ich denke nur auch, dass du sehr, sehr kritisch bist, was solche Sprachspielereien betrifft. Ich habe fast den Eindruck, du kommst mehr von der Sprache her, legst auf sie einen ganz großen Schwerpunkt, sie soll klar sein und glänzen, aber der Glanz darf nicht auffallen. Und da fallen dir unpassende Sprachebenen oder Tricksereien als solche negativ auf, weil sie dir als eitel vorkommen und von der Geschichte ablenken. Ich glaube, ich komm mehr von den Figuren her, das ist so die Phase, in der ich mich gerade befinde, dass ich unbedingt eine Figur bauen und sie durch Sprache, Details, Angewohnheiten dem Leser sehr nahebringen will. Und da greife ich alles ab, was mir begegnet oder was ich selbst erlebt habe. Ich vergreife mich daher auch manchmal in den Sprachebenen (der kackende Hund) oder benutze „Tricks“, die Menschen eben nun mal benutzen, um den Schmerz oder einfach auch nur unangenehme Dinge handhabbar zu machen.
Als Beispiel: Ich bin mal in eine neue Wohnung in Sachsenhausen gezogen und hab renoviert. Und dabei habe ich gesehen, dass das Haus von Kakerlaken befallen war. Das war für mich persönlich ein absoluter Supergau, ich hab mich derartig geekelt, dass ich mich kaum mehr in der Wohnung bewegen konnte, aus Angst, dass jetzt aus irgendeiner Scheißecke wieder ein Kaker vorgerollt kommt, also hab ich die Schaben Karlheinz genannt. Und wenn mein damaliger Freund nachhause kam und sich nach der Kakerfront erkundigt hat, dann hab ich ihm erzählt, was Karlheinz wieder angestellt hat. Ich hatte für mich die Plage, bis der Kammerjäger kam, dadurch erträglich gemacht. Und um eine solche Angewohnheit ging es mir, also eher um eine Persönlichkeitsfrage als darum, geistreich erscheinen zu wollen oder einen rein sprachlichen, witzigen Effekt einbauen zu wollen.
Womit du mir also auf jeden Fall einen großen Gefallen getan hast, ist, dass mir das bewusst geworden ist, aber auch dabei, dass man auch solche Charakterisierungsmittel dosiert einsetzen sollte. Weil sie auch dann, wenn sie nicht als witziges oder geistreiches Mittel benutzt werden, so verstanden werden können.

Bebrillte Männer
Das klingt schräg. Ich finde, das ist keine gute Wahl.
Okay. Die kommen weg.

wie die Sonnenstrahlen allmählich an den Fassaden emporturnten
Strahlen zeichnen sich ja durch das Mysterium aus, dass sie scheinbar bewegungslos die Welt durchdringen. Sie turnen nicht.
Naja, gefällt mir immer noch zu gut, so dass ich es nicht wegmachen mag, aber einen Haken hast du gesetzt.

Hastig riss sie die Augen wieder auf
Hastig ist ein großes Wort für eine so winzige Bewegung.
Naja, da hast du auch Recht, ich überleg gerade, es sowieso wegzumachen, und zwar deswegen, weil ich es außerdem redundant finde. Wie soll das wohl anders sein als schnell oder hastig, wenn man sein Auge aufreißt.

schwappte Stolz durch ihren Magen
Schwappen ist ein hässliches Wort. Es ist ja ein bisschen Lautmalerei dieses Glucksens und Gurgelns, das Geräusch von Wasser, wenn es über eine Kante leckt und sich wieder zurückzieht. Es hat etwas Verschlagenes, Heimliches, Bedrohliches, auch Schmuddeliges (Wasser schwappte aus dem Klobecken). So oder so – es passt nicht zum harten, sengenden Stolz, auch nicht im Sinne eines verstärkenden Widerspruchs. Stolz schwappt nicht, er brennt.
Hihi, was hast du für ein flaches Klobecken? Und was hast du gegen ein bisschen Glucksen und Gurgeln? Ist doch schön gemütlich, wenn es im Bauch so ein bisschen rumbrummelt und gurgelt, wenn man was Leckeres gegessen oder eine schöne Erinnerung gefrühstückt hat. Nee, Stolz ist doch was Feines, wieso soll der brennen?

Sie schmunzelte
Dieses Wort gehört in die Giftkiste oder besser Mottenkiste. Es ist süßlich, dümmlich, bieder, kitschig. Ich beschreibe natürlich nur eine subjektive Ansicht, auch wenn ich sie so knallhart äußere. Es soll ja nur ein Feedback sein, wie diese Wortwahl auf mich wirkt.
Hihi. Okay, ich denk drüber nach. Es gibt ja so Wörter, bei denen einem das Autorenmesser aufgeht. Mir auch. Aber das sind andere. Aber dass dir gleich so das Messer aufgeht, Achillus? Das arme Wort. Und prusten auch gleich noch. Aber ich sehe schon, ein echter Wortkrieger mäht manche Wörter wie schmunzeln und prusten einfach aus der Sprache. Jetzt im ernst. Ich versteh den Hintergrund, geht mir bei manchen Wörtern ja auch so, und hier geht es mir bei schmunzeln eher so als bei prusten, aber das geht dann ja doch sehr in den persönlichen Geschmack. Muss mal gucken, dass ich ein passendes Synonym finde, das vielleicht das häufige lächeln ersetzt. Finde ich übrigens auch eine spannende Sache, wie das kommt, dass man manche Wörter gar nicht mehr ab kann. Hängt vielleicht mit dem klischeemäßigen Verwenden dieser Wörter zusammen.

Von ihrem Magen quoll ein heißes Brennen
Es gibt zwar auch heiße Quellen, aber quellendes Wasser ergibt eigentlich das Bild von Kühle. Scheint mir nicht so ganz zu passen.
Ich finde immer noch, dass das passt. Wenn du schon mal Sodbrennen gehabt hast, das ist genau so ein fieser Effekt, Flüssigkeiten können brennen, ätzen und sonstwas. das tut sakrisch weh.

Vor dem Nachbargrundstück kackte ein Hund auf den Gehweg
Das ist gemessen am sonstigen Erzählton ziemlich ordinär. Ich finde, das passt nicht.
Ja, ich weiß ganz genau, was du meinst. Es fällt tatsächlich raus aus dem sonstigen Sprachgebrauch. Hatte ich dir ja auch schon geschrieben. Aber: Die Geschichte ist aus Friedas Sicht geschrieben. Sie fürchtet sich davor, in den Laden da reinzugehen. Es ist eine Schlüsselstelle. Alles, was sie da wahrnimmt, ist sehr von ihrer Stimmung beeinflusst. Das Schild, ihre Gedanken dazu. Der Hund mit seinem Kot, das treibt sie dann halt doch rein, es ist hässlich wie ihre Zukunft. Ich weiß nicht, da passt dann doch wirklich nichts anderes als kacken. Ich lasse es also ganz bewusst, obwohl ich ganz genau weiß und verstehe, was du meinst. Ich hatte selbst meine Probleme damit, ich hatte dir ja auch von dem Reiners erzählt, ein Freund hatte mir den geschenkt und ich hab ziemlich viel drin gelesen und geschnüffelt. Ja der Reiners, der würd das kacken auch monieren. Und trotzdem lass ich es. Aber du triffst trotzdem auf ein sehr offenes Ohr.
Zur flotten Kurzhaarfrisur hatte ich ja schon was geschrieben. War ironisch gemeint.

Hm, das scheint ein Wortspiel abzugeben, ist aber so unzutreffend, dass ich beim Lesen daran festhänge. Ein Blackout würde man immer "Aussetzer" nennen, nicht Aussatz.
Ja, auch das hat der Freund moniert. Auch andere dann nach dir. Sind in etwa immer dieselben Argumente wie bei dir. Also: ich geb dir schon Recht, streng genommen passt das Wortspiel nicht. Aber es fällt Kim ein. Und Frieda übernimmt es. Und Menschen machen manchmal unpassende Wortspiele und biegen sich die Wörter zurecht. Frieda will sich ihre Krankheit handhabbar machen, sie ja auch verbiegen. Wie ich das damals mit den Kakerlaken. Für mein Gefühl passt es zu der Frau, die ich da bauen wollte. Besser kann ich es dir leider dir nicht begründen, warum ich das lassen will.

Danach hast du die Geschichte dann sehr treffend zusammengefasst, aber dir fehlte ein Hinweis darauf, wie die Situation anders hätte bewältigt werden können. Ich kann das zwar aus deiner Perspektive nachvollziehen, aber ich verstehe es im Zusammenhang der Geschichte nicht. Das ist eben Frieda, und die kann sich in dem Moment des Konflikts mit Kim nicht vorstellen, dass sie das aushalten kann. Es ist von ihrer Person her gedacht. Und es ist auch, wenn ich mir Diskussionen dazu anhöre, auch eine häufige Reaktion. Ob es das ist, weil viele Menschen das Leben als eine Gelegenheit für Konsum ansehen, wie du das schreibst oder, was ich vielmehr glaube, weil wir alle in einer Gesellschaft leben, in der ständiges Funktionieren und Erfolg haben höchste Ziele sind. Krankheit, Alter und Vergesslichkeit sind da Ausreißer, nichs, was zum Leben dazugehört, sondern Wechselfälle des Schicksals, die zwar einerseits mit Notwendigkeit eintreten, aber andererseits so behandelt werden, als dürften sie nicht sein und entsprechend betrachtet man sie als lästige Unkosten einer Gesellschaft. Wer weiß, wie es wäre, wenn nicht das Geld und der Erfolg Maßgabe für das Leben der Menschen wären, sondern andere Dinge.
Ich kann jedenfalls deine Idee, einen Hinweis auf eine alternative Bewältigung zu geben, nachvollziehen, muss jedoch passen, ich habe das Gefühl, das würde dann eine Geschichte mit einem anderen Schwerpunkt werden. Ich stimme dir jedoch zu, eine interessante Sache wäre das allemal.

Sie, die so schnell gelebt hatte, immer drauflos, so oft war sie gesprungen, zum nächsten Mann, in
einen neuen Job oder mit dem Fallschirm.

Ich lese das als einen Wink. Wir sterben unter diesen Qualen, mit all den Ängsten und in Verwirrungen, weil etwas nicht stimmt mit der Art, wie wir leben. Schnell, drauflos, zum nächsten Mann, zum nächsten Job – das ist die Haltung eines Konsumenten. Und das ist es auch, was das Sterben so schwer macht und das Ertragen des Verfalls:
Eigentlich war die Stelle anders gemeint. Ihr fehlt einfach der Mut. Und das überrascht sie selbst. Ich verstehe aber auch, dass dir das auffällt, denn dieses Schnelle ist ja etwas Gedankenloses, wenn du willst, Verschlingendes, man rast von einem Event zum nächsten. Und das hat schon mit Frieda zu tun. Denn, so meine ich, da ist Frieda dann schon etwas geläutert worden, sie besinnt sich in all ihrer Qual und in ihrer Angst davor, die Kontrolle zu verlieren oder eben auch bewusst, ihr Ende herbeizuführen, doch darauf, die Pille wieder rauszunehmen. Die Nachricht, dass mit den Leuten, die ihr die Pille angedreht haben, was nicht stimmt, die bewegt sie dazu. Aber schon während sie da sitzt im Cafe, da hat sie ja auch schon eine gewisse Entscheidung getroffen, sie überlässt ihren Tod ihrem eigenen Vergessen, da hat sie dann die Ruhe und die Muße, sich auf das Geplauder des jungen Mannes einzulassen, sie genießt in gewisser Weise die Situation in dem Cafe, weil dieser junge Mann so plaudert, er erwartet nichts von ihr, sie muss nichts können, sich an nichts erinnern, er nimmt ihre Verschrobenheit so hin, spaßt mit ihr. Das gefällt ihr, macht sie locker. Und wenn du so willst, ist das der andersartige Umgang, auf den man kommen könnte: ein liebevoller Umgang, Freundlichkeit, Menschen in dieser Situation ernst nehmen mit allen Konsequenzen. Möglicherweise kommt man, dann gar nicht mehr so schnell auf die Idee, vorzeitig sein eigenes Ende herbeiführen zu wollen. Frieda braucht dann noch den Hinweis mit der Doku, um sich umzuentscheiden. Dafür, für ihre Lust am Leben, ihre Ablenkbarkeit, dafür sollte auch die Szene mit dem jungen Mann, Popcorn usw. stehen.
Achillus, ich kann deine Kritik da sehr gut nachvollziehen, schon als ich es gepostet habe, hatte ich auch die Angst, dass die Geschichte dadurch zu sehr in zwei Teile zerfällt. Manche haben das ja auch schon vor dir angemerkt, wieder anderen gefiel das gerade. Ich habe das befürchtet, ich kann und konnte es aber leider nicht anders lösen, so dass es runder und eleganter wird. Aber es ist mir andererseits wiederum so wichtig, es ist ein elementarer Teil dessen, wie ich die Geschichte sehe, dass ich das so lassen muss.

Ich weiß, Du wolltest irgendwie zu der Enthüllung mit dem Film überleiten, der den Pfusch bei diesen Todestabletten zeigt und brauchtest jemanden, der sich viel mit Film beschäftigt, einen Insider sozusagen. Aber diese Popcorn-Anekdote finde ich lächerlich. Angenommen, Du würdest einer größeren Anzahl von Personen zehn Filme nennen, dann wäre die Wahrscheinlichkeit, dass die diese Filme alle im Kino gesehen haben und deshalb mit Popcorn in Verbindung bringen außerordentlich gering.
Es ging nicht nur um die Enthüllung, es ging auch um das Gespräch. Beide, der junge Mann und die Frieda sind verschroben, und gerade deswegen verstehen sie sich gut. Und dieses Verstehen, das ist verdammt wichtig, sie will ja nicht nur die Pille wieder rausnehmen, als sie das erfährt, sondern sie will auch mit Kim Popcorn essen, das vergisst du. Obwohl sie jetzt die Schwache, Bedürftige ist und von Kim abhängig, sie jetzt also in einer Rolle ist, die sie kaum ertragen kann, sie vor der Zukunft Angst hat, sie will es noch eine Zeit lang versuchen, ihr Leben und die Freundschaft mit Kim doch noch ein wenig länger zu genießen. Sie will erst noch mit ihr Popcorn essen. Und dass man Filme mit Popcorn zusammenbringt, also das finde ich völlig normal. Aber ich schrieb ja auch, dass der junge Mann die Probandengespräche schon immer in seine eigene verschrobene Richtig gelenkt hat. Deswegen wurde er ja auch rausgeschmissen.

Wichtig ist – das ist ein Pop-Stilmittel und stammt aus der Effekt-Kiste. Damit muss man vorsichtig sein.
Ich sehe das wieder nicht ganz so wie du. Es stimmt schon, dass das ein Pop-Stilmittel ist. Aber auch hier, ich setzte es nicht ein, um der Effekthascherei willen, sondern auch hier diente es der Charakterisierung des Mannes und des Gespräches, der ganzen Situation.
Also mein Motiv war ein anderes. Trotzdem nehme ich deinen Hinweis sehr ernst, ich verstehe schon, was du mir sagen willst, man muss seinen Inhalt, seine Geschichte im Blick haben, darf die nicht opfern für Sprach- und sonstige Tricks, nur weil man weiß, dass sowas gern gelesen wird. Da bin ich mir mit dir einig. Und auf jeden Fall werd ich zukünftig auf solche Sachen noch ein wenig mehr ein Auge haben.

Aber ganz klar ist mir die Linie nicht. Wenn gesagt wird, die Todestablette "funktioniert" nicht richtig, heißt das, sie wird sich damit nicht umbringen können. Es bleibt dann alles wie es ist oder wird durch die Nebenwirkungen schlimmer. Du bringst damit den Leser in die zwiespältige Situation sich zu wünschen, die Todespille möge funktionieren (baldiger Tod) oder Frieda solle die Pille lieber nicht nehmen (lange, qualvolle Demenz).

Diese beiden Alternativen wirken annehmbarer als die Einnahme der Pille, die nicht tötet aber zusätzliche Qualen bewirkt. Das ist ein bisschen verdreht.

Wieso? Dieses Dilemma habe ich mir nicht ausgedacht. Dass Todespillen ein Geschäft sind, das hat es schon mehrfach gegeben. Dieses Dilemma beginnt übrigens schon damit, dass chronisch Kranke Tabletten zur Bekämpfung ihrer Schmerzen einnehmen müssen, von denen es absolut klar ist, dass die zerstörerische Nebenwirkungen haben. Bessere und verträglichere Medikamente werden verweigert, weil sie zu teuer sind. Das ist Normalität. Ich habe viel darüber gelesen, wie Medikamente getestet werden und auf den Markt kommen. Dass da menschenfreundliche Gesichtspunkte die Hauptrolle spielen würden, ist leider ein Märchen für Kinder, klar müssen sie wirken, aber das leitende Motiv ist das Geschäft, das damit zu machen ist.
Und dass auch die ganze Euthanasiegeschichte ein zweischneidiges Schwert ist, das habe ich mir auch nicht ausgedacht. Schon allein, dass Staaten darüber entscheiden, ob ein Mensch das Recht hat, sein Leben zu beenden, ist doch schon ein ziemliches Ding. Und ein noch größeres Ding ist, dass Euthanasie in zahlreichen Diskussionen als Alternative gesehen wird für den Versuch, Menschen das Leben angenehm und schön zu gestalten, auch wenn sie schwere Behinderungen haben.

Trotzdem wird das Desaster, die haarsträubende Ironie deutlich: eine Demenzkranke muss sich etwas merken, um Unheil zu verhindern, und das ist ausgerechnet, was sie nicht kann. Böse.
Ja, am Ende ging es mir dann darum.
Achillus, ich habe sehr profitiert von der Auseinandersetzung mit deinen Argumenten, auch wenn ich vieles beibehalte, ich kann verstehen, was du sagst, oder erkenne die Probleme, habe nur einen anderen Schwerpunkt für mich gesetzt, sage ein trotzdem oder kriege es auch einfach nicht besser hin.
Ich konnte mir aber dadurch (also z. B. die „Sprachtricks“) auch bewusster machen, ich versteh mich jetzt selbst, warum ich das so gemacht hatte, denn vieles beim Schreiben (zumindest bei mir) läuft doch sehr unbewusst ab.
Ich danke dir für dein Lesen und deine Kritik, die wieder einen andere Fokus für mich gesetzt hat.
Bis demnächst.
Novak


Lieber Markus,

ich bin gar nicht so gut in deinen Text rein gekommen
Wääh, das ist ja übel. Bitte nicht,

und dann habe ich einmal weitergelesen und dann konnte ich nicht mehr aufhören, dann hatte mich der Text
Na Gott sei Dank, ging ja gerade noch mal gut. Aber besser wär, wenn beides reinziehen würde. Gell? Naja, ich hatte schon meinen Grund für den langsamen Beginn, also das war schon ihrer Person und ihrer Erkrankung geschuldet, ich musste erst mal die Situation abklären, und das brauchte Zeit, aber klar, dass dann Leute abgehalten werden weiterzulesen, das ist natürich nicht Zweck der Sache.


Das klingt mir irgendwie zu theatralisch, die Mädchen – ich weiß nicht, wie alt sie sein sollen, … aber ob die das dann ausführen, und die langen Beine, das macht die Mädchen ja schon älter. Ein Kleid wird für mich ausgeführt, wenn sich eine Frau für die Oper zurecht macht, für mich wirkt das hier einfach nicht lebendig.
Neenee, Frauen, Mädels, Tussen, ältere Damen – alle führen ihre Kleider aus, wenn der Frühling lockt. Und ihre Beine übrigens auch.

Ich mag den Satz, störte mich aber am “nachzielte”, die Zigarette nimmt die Mädchen ins Visier? Vielleicht „nachstierte“ statt „nachzielte“? Ich habe dazu woanders etwas notiert, warum mich das Wort so beschäftigt, finde es aber gerade nicht mehr.
Hmm, das nachzielte gefällt mir viel besser als nachstieren. Das machen ja alle Kerle, so nachstieren, aber diese Typen mit bestimmten Frisuren vor den Hochhäusern in Frankfurt, die planen schon die Afterworkparty und polieren sich die Brillen, um die Mädels ins Visier nehmen zu können. Also ich könnte mit dir darum feilschen, das „nach“ wegzulassen, aber das ändert nichts. Oder?

Sie sah, wie die Sonnenstrahlen allmählich an den Fassaden emporturnten und der verschattete Platz sich zur orangen Heizpilzzone entzündete.
Schön!
Oh Danke, Danke, ich war ein wenig unsicher geworden wegen dem turnen und den Sonnenstrahlen, ich fand das so schön, dass ich mal ein neues Wort für das Wandern der Sonnenstrahlen gefunden hatte und auch die sich entzündenden Heizpilzzonen, ich war mal richtig stolz auf mich, aber ob das dann und so, das weiß man immer erst, wenn man es gepostet hat. Und jetzt hatte Achillus mich da verunsichert und später auch noch glaub bernadette, ich bin richtig froh über deine Sicht, jetzt kann ich sagen, der Markus findet es aber auch gut. :D

Hastig - das ist so eine Adjektiv, bei dem die Regelkunde Verstoß sagen würde, oder? Da wären wir wieder beim leidigen Thema, show, don't tell und das ist immer ein interessanter Effekt, du zeigst uns das ja alles, aber du sagst uns es hier auch noch einmal. Du machst Show'n'tell!
Naja wie auch immer, vielleicht steht das dann mal auf meinem Grabstein: Sie konnte show'n'tell.
Vielleicht lass ich mal das eine oder andere kleine hastig, aber die meisten kommen sicherlich weg, denn sie häufen sich. Hast du gut gesehen, die Häufung auch. Meine „hastig“Affinität hat ja auch schon Achillus bemerkt.

Zwei Jahre war sie jetzt raus aus dem Job, viel zu früh, hatte entworfen und genäht und verworfen und neu geplant, bis die Chefhaut wieder erblasste.
Könnte man streichen, wäre auch der unschöne Gleichklang rAUS AUS weg.
Alles klar, das beißt auch beim Lesen.

Er schimpfte, aber er lachte auch, denn er brauchte sie viel zu sehr mit ihren flinken Fingern und den gewagten Einfällen.
Da empfinde ich seine Reaktion als etwas unglaubwürdig. Wenn er sie viel zu sehr braucht, dann muss er doch nicht lachen, dann schimpft er zwar, aber es bleibt ohne Folgen. Aber ob er da lacht? Also so richtig mit HAHA, ich weiß nicht.
Naja du kennst manche Reaktionen von Männern auf hübsche, freche Frauen nicht, jedenfalls wenn sie jung sind, da darf man sich schon mal was rausnehmen.

Irgendwas mit M. Oder?
Heißt sie Oder mit Nachnahmen oder sollte das klein und hinter einem Komma stehen?
Mensch! Die hieße dann zusammengekürzt Moder. Was manche Autorinnen den Figuren antun!

Vorschlag: Von ihrem Magen aus quoll ein heißes Brennen in die Kehle, ein Gefühl, als verdrehe sich die Speiseröhre.
Ja, klingt besser. Ich weiß nicht, auf welchem Schlauch man manchmal rumtrampelt.

Verstehe das Bild nicht, angenommen ich werde überschwemmt, wie kann ich das Wasser dann eindämmen, wenn ich meinen Rücken durchstrecke? Ich kann meinen Kopf über Wasser halten, aber nass werde ich ganz bestimmt, oder?
Naja, ich finde schon, dass du das Bild hier zu wortwörtlich nimmst. Sie bemerkt, dass sie ein hilfloses Gefühl überkommt, mehr noch, es überkommt sie sehr stark. Alle Menschen reagieren körperlich auf Hilflosigkeit, sie ziehen die Schultern vor, schützen den Kopf. Wenn jemand aber gelernt hat, dem entgegenzuwirken durch den Einsatz des Körpers, dann versucht der den Rücken grade zu machen. Diese innerliche Haltung, die man Leuten anmerkt, die wollte ich hier zeigen.

Frieda strich über ihre Hände, als hätten sie einen Schlag erhalten, betrachtete die braunen Flecken.
Wortwahl: mit „erhalten“ verbinde ich einen Prozess, einen annehmenden, einen, der bewusst geschieht und entgegen genommen wird, würde „als hätte sie einen Schlag abbekommen“ nicht besser passen?
Okay, bin noch nicht sicher, aber ich überlege mal. Mit dem Wort „bekommen“ hab ich es nicht so.

Eigentlich sah die Messingplatte auch aus wie ein überdimensionierter Zettel.
Das sind so Momente in deinem Text, da finde ich deine Sprache etwas unentschlossen, ich weiß nicht, ob das bloß eine Geschmacksfrage ist, weil ich – wenn möglich – solche Worte vermeide, aber deine Geschichte, überhaupt deine Geschichten haben auch oft so einen altertümelnden (nicht tümlichen) Klang, da stechen mir dann solche Begriffe total ins Auge,
Da bin ich ins Schwimmen geraten. Ich würd es verstehen, wenn du sagst, das Fremdwort passt hier nicht. Aber was soll denn daran unentschlossen sein?
Schau mal, ich finde es eher entschlossen, denn überdimensional oder zu groß wäre auf der Ebene der Beschreibung. In das Wort überdimensioniert fließt eine Beurteilung der Prot ein. Sie bewertet die Messingplatte. Ähnlich wie du das mit übergroß machst. Also ich könnte übergroß einsetzen, aber was daran entschlossener ist, das verstehe ich nicht.
Außer wie gesagt, du meinst, dass man eh solche Fremdwörter vermeiden sollte.
Und altertümelnden Sprachklang? Ohje, hab ich auch nicht verstanden, klingt aber scheiße.
Also wenns so wäre, mein ich.
Ich hab noch nicht mal kapiert, ob jetzt ich altertümelnd schreibe und aus dem Altertümelnden jetzt der überdimensionierte Zettel unpassend heraussticht oder ob du überdimensioniert altertümelnd findest. Achje, hier muss gleich ein Smiley mit einem Rollator hin.
Ja, die jungen Kerle, da zausen sie die armen älteren Damen.

das „vertikal“ ist so exakt, dass es schon wieder falsch ist, weil es voraussetzt, dass das Gesicht so verdammt gerade ist und sobald er seinen Kopf bewegt, ist’s schon wieder verkehrt, weil „vertikal“ ja auch eine Richtung bezeichnet, das hat mich bisschen gestört manchmal.
Also dieser Dr. Manninger, ich könnte dir ja was erzählen über sein kubistisches Gesicht, da ist vertikal noch ungenau, oder war das jetzt schon wieder sowas? Aber jetzt im Ernst, ich denk ich könnt das ersetzen. Ich weiß jetzt auch grad nicht, warum ich unbedingt vertikal schreiben wollte. Ich denk mal drüber nach.

Das mochte ich, auch wenn ich mir null vorstellen kann, wie eine verfressene Katze aussieht, also wie eine verfressene Katze aussieht, weiß ich schon, aber wie Mensch aussieht, der wie eine verfressene Katze aussieht, das weiß ich nicht, aber das ist hier gar nicht so wichtig. Ich finde es wunderbar!
Ich auch. Und du triffst es genau so, wie man es sehen sollte. Das gefällt mir.

Die Plauderwiederholungen etc. werden ausgemistet.

Hirnpickel war gut. Das machte das Wesen so schön mürbe.
Ich mochte das Bild, auch, weil es zeigt, dass sich Menschen immer noch nach einfachen Erklärungen und Namen suchen, wenn sie Dinge nicht verstehen, hier wackelt der Vergleich allerdings ein bisschen, weil AUSSATZ und PICKEL zwei verschiedene Dinge bezeichnen,
Ja klar, versteh ich, aber da bleib ich streng, hab ich ja auch schon an Achillus geschrieben.
Warum nicht: Kim klang schrill.
Noch nicht 100% sicher, aber es arbeitet.

Ich habe Hyperbaritol gegoogelt, weil ich das nicht kenne, dann kam 1 Treffer – Frieda nimmt sich den Tag,
Hehe, die Pharmaindustrie hat sich schon bei mir gemeldet.

Aber noch eine Kritik zu dieser Szene: sie sucht da ganz gezielt danach und das finde ich eigenartig, nicht ganz stimmig. Würde es nicht ihrer Logik entsprechen, dass sie von der Pille, dem Hyperbarbitol, weiß, aber es nicht findet, schon fast überlegt, Kim danach zu fragen, aber dann einfach das ganze Zimmer zerlegt?
Ja, das ist eine gute Idee, bzw. das ist genau der andere Strang, an dem ich während ich es schrieb, rumgedacht habe, es wär von dem Verluf und der Krankheit her konsequent. Ich hab das dann gelassen, weil es mir auf den anderen Schwerpunkt ankam. Und es war für mich vorstellbar, dass sich daran noch erinnert. Ich bin jedenfalls im Altersheim manchmal sehr überrascht, was da alles noch so kommt, an Zeugs aus dem Kurzzeitgedächtnis.

Babyangst ist etwas sehr Unspezifisches, glaube ich. Babys haben keine wirklichen Ängste, sie sich eher hilflos oder schutzlos, unbehütet und schreien dann. Das würde auch alles auf Frieda passen, aber als Babyangst beschreibst du ja die Angst davor, die Pille zu schlucken, für mich stimmt das nicht ganz.
Hmmm, ich den mal drüber nach, ich wollte ihr Gefühl beschreiben, etwas ganz ganz Existenzielles. Das erschien mir bei Babyangst eigentlich grad gut ausgedrückt, weil ein Baby ja keinerlei Schutz hat.

Sie wird zurechtkommen, das ist ok, sie ist doch jetzt gewachsen.
Fand ich interessant, dass du hier „gewachsen“ statt „erwachsen“ schreibst.
Das ist so ein bisschen eine Macke von mir, Veränderungen von Personen körperlich auszudrücken. Dass sie dünner geworden sind oder sich fester oder schwabbliger anfühlen. Und dabei hat sich ja manchmal nur das Gefühl für die Person verändert. Und es ist ja auch so, dass in der eigenen Sicht einem Personen ja auch oft so vorkommen, als hätten sie sich körperlich verändert, nichts Großes, aber etwas Spürbares.

Ich mag die Idee dahinter, aber die Verschwörung kommt mir hier zu dominat rüber. Würde sie da vielleicht ein bisschen nachfragen lassen, der sprudelt ihr ja das ganze System auf den Tisch. Ich überlege grad, wie du das anders machen kannst, vielleicht habe ich noch eine konstruktive Anregung. Es soll ein Film sein, er beschreibt es wie eine Dokumentation und am Ende scheint das so, als erzähle er über die Realität. Das hat mich verwirrt.
Okay, ging vielleicht zu schnell, ich denk drüber nach. Im Moment wäre ich zu einer Änderung eh nicht in der Lage, bin mir dem Kopf auf ganz anderen Baustellen. Aber ich lass es mal wirken.

Als Frieda sich über den Kuchen beugte, fühlte sie Kims Hand ihren Kopf berühren.

Warum nicht: Als Frieda sich über den Kuchen beugte, fühlte sie, wie Kims Hand ihren Kopf berührte.
Deins ist echt besser
Der einzig schwache Moment in deiner Erzählung ist für mich der junge Popcornmann, der ihr von der Verschwörung erzählt, da sieht man die Fäden des Puppen(Mund)theaters zu sehr, das finde ich schade, weil die Geschichte ein Stückchen von ihrem runden Charakter verliert, also stimmig ist es alles, aber das sticht eben total raus. Mir ist inzwischen auch etwas Konstruktives dazu eingefallen, also kein vorgefertigter Vorschlag oder eine fertige Formulierung, aber das hier: braucht es hier echt die Dokumentation, so wie er sie beschreibt? Kann es nicht irgendetwas Übertragenes sein, man muss ja nicht so stark mit dem Zeigefinger drauf deuten, eine metaphorische Geschichte, ein Bildnis, irgendetwas, was sie die Meinung ändern lässt, aber doch nicht dieses rationale Erkennen
Und du meinst, wenn ich mir da noch was Bildliches dazu überlege, dann rafft das die kranke Frieda? Da bin ich skeptisch. Die braucht schon eine klare Aussage.
Und ich weiß nicht, da sagen die Leser dann vielleicht, dass das zu geheimnisvoll wäre, zu undeutlich. Also mir kommt das auch nicht unbedingt weniger konstruiert vor als meins. Und trotzdem verstehe ich es schon, was du meinst. Aber eine bessere Verknüpfung kriege ich eben hier nicht hin.

„Uh, die Pharmaindustrie und die Regierung töten uns bewusst vorzeitig, ich darf die Pille nicht nehmen!“ – das ist mir zu überdeutlich, auch ernst hat das ja schon angemerkt, dass das zu konstruiert wirkt und das ist einfach schade bei der tollen Geschichte.
Nene, der ernst fand das schon gut.
Äh, hoff ich. Also ich denke darüber nach, aber so richtig will es mir nicht einleuchten, wenn man sich dann was Übertragenes dazu ausdenkt, dass das dann weniger konstruiert wirkt. Und der andere Punkt ist der, das ist halt ein bisschen Ansichtssache, der Seitenhieb auf die Pharmaindustrie war mir schon wichtig.

Den Popcorntypen fand ich übrigens richtig erfrischend, hat mir gut gefallen die Szene, auch die Vorstellung, dass es sich wirklich zutragen könnte und wie er dann mit ihr sympathisiert und auch mit dem Zeigefinger deutet!
Ach, du zweitbester aller Markusse (der erste Platz ist schon privat besetzt) endlich sagt das mal jemand. Ich mag den auch so gerne.

mir hätte gefallen, wenn sie sich Gedanken gemacht hätte, wie sie die Kleider umnäht und das dann nicht mehr hinbekommt im Kopf.
Das ist eine schöne Idee, vielleicht mach ich das, das ist total hübsch. Die Idee nehm ich.
Aber der Chef und das Chefkopprot bleiben.

aber es sind auch einige Stellen dabei, wo ich einer unentschlossenen Sprache entgegen blicke
Ohje, da müssen wir uns wohl beide warm anziehen. Du, weil du wie ein stolzer Kapitän klingst, der den saugenden Fahrwassern des Unentschlossenheitsstrudels entgegenblickt. Natürlich mit einer überdimensionierten Kapitänsmütze. Und ich, weil ich so unentschlossen rumstrudele. Ich will dich nicht ärgern, lieber Markus, dazu kann ich dich viel zu gut leiden, aber erlöse mich von meinem Unverständnis. Das mit dem Unentschlossenen, ich raffe es wirklich nicht so richtig, wie du das meinst. Hab viel drüber nachgedacht, aber es will nicht geistblitzen.

Meine Lieblingsszene war die Abschiedsparty,
Endlich, ist nämlich auch eine meiner Lieblingsszenen. Die mag ich auch richtig gerne. Ich finde das lustig, wie man manchmal über seinen eigenen Text redet, so, als hätte den ein anderer geschrieben.

Was mir komisch vorkam, Kim erstellt ja die Gästeliste, alle Geliebten und so weiter, dann sind es bloß zwei, aber am Ende sind total viele auf der Party, also mir ist schon klar, dass da noch andere kommen, aber das müsste man noch irgendwo erwähnen oder nicht so übererwähnen, dass nur (oder vor allem) die Geliebten kommen.
Oh, das muss ich klar machen, ich sehe schon, ich prüfs jedenfalls noch mal ganz genau. Gemeint war, dass sie alle die einlädt, die ihr nahestehen, und das sind ja nicht nur die Exen. Aber die sollte sie eben ganz besonders einladen. Und dass es bloß zwei sind, das war für die letzten Jahre gemeint. Insgesamt hat sie natürlich mehr ehemalige Liebhaber, aber die Kerle aus den letzten Jahren kommen ihr halt ähnlich vor, und sie täuscht sich auch in der Zahl, weil sie da schon krank war.

für mich war die älter – an dieser Stelle, es ist echt nicht unbedingt notwendig, das so sehr in die Zukunft zu schieben, kann man doch auch alles hier im JETZT handeln lassen, da verliert die Geschichte überhaupt nichts, außer den Zeigefingerschreienden Utopiecharakter.
Nein, kann man nicht, wirklich nicht, weil es diese Pille heute noch nicht gibt. Man müsste heutzutage noch einen Cocktail einnehmen, sag ich mal, mit Wasser und so, und die ganze Geschichte mit ihrem Verlauf wäre sonst nicht möglich. Die Frieda ist natürlich schon älter. Merkt man an der Beschreibung.

aber es fürchterliche Erkrankungen bei denen man ein Leben lang in seinem Körper gefangen ist, leidet und noch bewusst wahrnimmt, unfähig selbst zu gehen. Die Vorstellung, selbst in eine körpereigene Gefangenschaft zu geraten, finde ich fürchterlich und umso nachvollziehbarer ist die „Kontroll-Pille“
Ja, das ginge mir auch so. Im Laufe des Lebens trifft man auf viele Menschen, deren Schicksal so ist/war, dass man auf diese Thematik geworfen wird. Ich jedenfalls. Ich weiß es nicht, wie eine solche Entscheidung für mich ausginge. Aber das alles kann man nur überlegen, solange man noch Arme und Beine hat, um die eigene Entscheidung umsetzen zu können. Sonst ist man auf fremde Hilfe angewiesen. Ich kenne Kinder und junge Leute, denen das so geht, die setzen sich allerdings ganz anders damit auseinander, soweit man das als Betreuer und außenstehender Erwachsener überhaupt mitkriegen kann. Die kommen gar nicht auf die Idee, gehen zu wollen. Sehr bewegt hat mich zum Beispiel das Schicksal eines jungen Mannes mit einer schweren Muskeldystrophie, der mittlerweile fast völlig bewegungslos ist und seinen Rollstuhl nur noch mit Hilfe des Kopfes steuern kann. Aber, dieser Mann hat ein Buch im Eigenverlag rausgegeben, er hat alles Mögliche in seinem Leben ausprobieren können, reisen, er studiert mit einer Frau zusammen sein. Trotz aller schmerzlichen Erfahrungen schreibt er, er sei sehr sehr oft glücklich gewesen und die positiven Erfahrungen würden überwiegen. Er hat halt auch Eltern und äußere Umstände, die ihm das alles ermöglichen. Ich sehe daran aber auch, dass Kranken, Behinderten, Vergesslichen eben auch nicht die Möglichkeiten zur Verfügung gestellt werden, ihr Leben dennoch als eine Art Geschenk zu erleben. Ich finde es eine Schande, dass man nicht selbst über sein Leben entscheiden kann, aber ich finde, dass Euthanasie nur vor der Ausschöpfung aller aller Möglichkeiten diskutiert werden kann, die einem eingeschränkten Menschen das Leben verschönern.

der Text lässt mich zufrieden zurück, ich finde er setzt sich angemessen damit auseinander und tut das auf die sympathischste Art und Weise, ich mag Frieda, wie sie zwar traurig ist, traurig über sich selbst und ihr Schicksal, aber immer wieder floppen die Popcorn in ihrem Herzen, sie vergleicht sich mit einem kackenden Hund, der die Scheiße hinter sich her zieht, aber dann auch wieder sauber rausgeputzt und fröhlich springend mit Kimhund spazieren geht, diese Ambivalenz, wie sie ständig laut lacht, ihre geschickten und witzigen Antworten, ihr ganzes Handeln ist so lebendig, das hat mir richtig gut gefallen. Schön war auch, wie die Entscheidung ein Sprung ist, so viel gehüpft und gesprungen in ihrem Leben, aber den letzten Sprung – das Schlucken der Tablette – fällt schwer.
Ach wie schön, du hast das genau so gelesen, wie ich das auch schreiben wollte.

Liebe Markus, ich danke dir für deinen hammermäßigen Kommentar. Du hast mir nicht nur Kritik, Sprachverbesserungen geschenkt ud neue Ideen, wie ich nich was ein wenig aufputzen kann, sondern auch ganz viel Bestätigung, dass was klappt und nicht zuletzt wie gesagt Anregungen und Ideen.
Gut, dass du dich nicht von dem drögen Anfang hast abschrecken lassen.
Danke dir für dein Lesen und überhaupt. Ich freue mich immer sehr, wenn du mich kommentierst.
Ich wünsch dir noch was, lieber Markus.


Liebe bernadette

total schön, dass du dich gemeldet hast, hätte ich das vorher gewusst, hätte ich eine Tüte Colorado bereitgestellt.

Ansonsten hätte ich doch glatt geglaubt, das Geburtsjahr 1980 von Frieda müsste ein Vertippser sein.
Joh, hab immer noch nicht eine Zusatzinfo eingefügt, die die „Zukunftsmusik“ noch mehr verdeutlicht. Kommt noch, dauert dieses Mal halt echt lang, ich weiß.

Davon abgesehen, Frieda als Namen zu wählen macht das ganze nicht einfacher, … aber wenn du mit Zeitenverschiebung arbeitest und dem Leser etwas indirekt sagen willst, dann bitte auch mit entsprechenden Hilfsmitteln, z.B. passende Namen (Kim passt da viel besser!)
Ja, ich musste ein bisschen lachen, als ich deine Namensliste las. Weil ich auch so ähnlich arbeite und dachte, ich stünde damit alleine da. Aber dieses Mal war mir das ganz egal. Es musste eine Frieda sein, ich weiß nicht, woher das kommt, aber der Name muss bleiben. Aber deine Irritation ist tritzdem angekommen bernadette. Ich schick dir noch eine Tüte Colorado.

Mir wird nicht ganz klar, wieso du das in der Zukunft spielen lässt. Hat das nur mit der blauen Pille zu tun, damit keiner sagen kann: Das gibts doch gar nicht!? Denn sonst holst du ja keinen Mehrwert aus der Situation heraus,
Das hat mit der Pille zu tun, aber auch mit einer gesellschaftlichen Entwicklung, die ich, am Rande zwar nur, aber eben doch einfließen lassen wollte.
Würde man zwanzig Jahre weiter gehen, hätte man viel mehr demente Menschen, es müsste durch die Krankenkassen, die Sozialstationen, das Gesundheitswesen allgemein einiges in die Wege geleitet worden sein, von dem man in dem Stadium, in dem sich Frieda (sich selbst bewusst!!!) befindet, etwas mitbekommen müsste.
Ich dachte, ich hätte das schon ein bisschen hingekriegt. Es gibt zum Beispiel weder eine Chronitätsabgabe, die in der Geschichte auch erhöht wird zum Leidwesen des Kellners, das ist ja ein Hinweis auf eine Zunahme Kranker. Außerdem kriegen Kranke nur dann Medikamente bezahlt, wenn sie in ein Beratungszentrum gehen. Die steuern, auch das ist in der Geschichte angedeutet, welche Medikamente verabreicht werden. Und hier wird auch angedeutet, dass sie den Leuten Hilfsmittel für einen Selbstmord sehr schnell anbieten. Wozu wohl, wenn sie eine vom Staat angeheuerte private Institution sind, über die die Medikamentenvergabe abläuft. Die haben die Krankenkassen ein Stück weit abgelöst.
Ich merke schon, dass das nicht genügend zum Ausdruck kommt, sonst müsste ich es ja nicht erzählen, aber es waren Dinge, die für mich und meine Geschichte sehr sehr wichtig waren. Von daher muss ich es halt akzeptieren, dass mir dieser gesellschaftliche Hintergrund, die Zukunftsmusik chronisch Kranker als Hintergrund für meine Frieda zu kurz kommt und ich die Geschichte überfrachte. Aber eine Beschränkung auf die Szenen Frieda/Kim, das kommt für mich nicht in Frage. Ich muss mir das alles noch mal überlegen, wie man solche gesellschaftlichen Hintergründe so einarbeitet, dass es eben weniger Kritik an diesem Punkt gibt, also es einfach (hoffentlich) besser machen, wenn ich noch einmal solch eine Geschichte schreibe, bei dieser hier versuche ich es jetzt nicht mehr. Aber eine Beschränkung kommt jedenfalls nicht für mich in Frage.

Überhaupt finde ich schade, dass Frieda diesen Weg mit der blauen Pille alleine geht. Wieso weiht sie denn Kim nicht ein? Mit engen Freunden haben wir uns schon vor Jahren in einer sehr ernsten Gesprächsrunde gegenseitig versprochen, dass der eine dem anderen aus einer solchen Scheißsituation heraushilft. Da gibt es Mittel und Wege, wenn man will.
Naja, du sagst es ja selbst, bernadette, das haben du und deine Freunde so gemacht, auch ich denke nach, wahrscheinlich hätte ich auch sonst nicht eine solche Geschichte geschrieben, und bei mir persönlich würde es eher auf das rauslaufen, was du über dich schreibst. Aber es ist ja Frieda, um die es hier geht. Zu dem Zeitpunkt, an dem die Geschichte spielt, hat sie doch auch noch Lebensfreude, soweit man das sagen kann, ihr geht es um die Zeit danach. Sie will Kim eine solche Entscheidung nicht zumuten und sie ihr auch nicht überlassen. Sie ist immer die Stärkere in der Beziehung gewesen, das habe ich versucht durch die verschiedenen Bilder auszudrücken, und Frieda ist eine, die etwas eigenbrötlerisch ist, die überlässt das nicht einfach einem anderen Menschen, die überlässt das lieber dem Zufall.

brummeln fände ich jedenfalls besser.
Ja, das kann gut sein, dass ich das übernehme, klingt glaub besser. Brummen ist so ein bisschen bärenmäßig.

Bin ich da jetzt I-Tüpfele-Scheißer, wenn ich sage, dass es eigentlich um das Haus geht, in dem sie wohnt? Eine Wohnung kann man von außen nicht sehen.
Ne bist du nicht, hast schon recht. Hab genau an der Stelle überlegt, hätte ich „ihres Hauses“ geschreiben, denkt man, ihr gehört das ganze Haus, das passt aber auch nicht. Und „das Haus, in dem ihre Wohnung lag“ ist inhaltlich zwar richtig, aber schreiberisch kam es mir übergenau vor. Mal schauen, vielleicht lass ichs, vielleicht fällt mir was Besseres ein.

Entschuldige, da ist für mich einiges nicht stimmig. Man könnte es dem Eifer des Textanfanges zuschreiben, da ist die Kreativität noch sprudelnd .
Wenn Mädchen kurze Kleider anhaben, kann es nicht sooo kalt sein, dass sich die Männer (die ja hart im Nehmen sind) Sonnenplätze suchen. Die Sonnenstrahlen turnen meiner Ansicht nach nicht; wenn, dann kriechen oder ziehen sie. Also das liest sich so gewollt Stimmung erzeugend für mich.
Ach je, schade, dass das so ankommt. Die turnenden Sonnenstrahlen, ich glaub die lass ich, weil ich lieb die und man soll zwar immer seine darlings killen, aber macnhmal eben auch nicht. Und der Markus ... ok, das letzte war jetzt nicht ganz ernst gemeint. Was die Temperaturen betrifft, verstehe ich deinen Einwand nicht, ein wesentlicher Teil meines Berufslebens besteht darin, junge Mädchen dazu zu zwingen, sich eine Jacke überzuziehen, weil sie jede Gelegenheit nutzen, selbst die derzeitigen Temperaturen in Frankfurt , ihre kurzärmligen Tshirts und die Röckchen, die sie zu Weihnachten gekriegt haben, auszuführen. Sind natürlich nicht alle und noch nicht mal die meisten, aber doch ganz schön viele. Und an Frühlingstagen, wenn es im Schatten noch ganz schön kühl ist und an Hochhäusern pfeift dann auch immer ein kalter Wind, da geht man dann als normal empfindlicher Mensch gern in die Sonne.

Einmal stand er hinter ihr, als sie unter einen krapproten Musterstreifen „Chefkopprot“ schrieb.
versteh ich nicht. Auch nicht, wieso sie früher gehen musste.
Sie ärgert ihren Chef mit seinem hohen Blutdruck, der ihm eine rötliche Gesichtsfarbe verleiht. Früher gehen muss sie, weil sie krank geworden ist.

Hirn-Aussatz“
Aussetzer fände ich auch besser, wurde ja schon mal moniert. Ansonsten denke ich da an Lepra. Oder war das deine Intention: Hirn-Auffresser? Hmm ... ob das durchkommt?
Ne, es ging schon um den Aussetzer, hab Kim trotzdem den anderen Ausdruck sagen lassen. Schau auch ich mal in meiner Antwort an Achillus. Also ihr macht mich noch fertig mit eurem Aussatzdissen. :D

Ja, und genau da hört die kritische Situation auf, zu eskalieren. Man weiß ja, dass sehr viele Familienmitglieder auf dem Zahnfleisch gehen, wenn sie Dementkranke pflegen. Da hätte ich mir gewünscht, es wäre noch ein Stück weiter gegangen. Wobei - und dabei ziehe ich den Bogen zum Anfang: Dreißig Jahre später würde man anders damit umgehen. Dann gäbe es Tagesstätten für Dementkranke wie es diese heute schon für Behinderte gibt, damit die Angehörigen einen normalen Alltag leben können, auch, weil sie Geld verdienen müssen.
Die Situation hört deswegen auf, weil es ja ihre Entscheidung bebildern soll, sich das Leben zu nehmen. Sie rechnet diese Situation mit ihren Problemen für sich hoch. Mir ging es ja nicht um eine ausführliche Schilderung des Alltags Dementer mit ihren Angehörigen, sondern eben auch um anderes.
Tagesstätten gibt es übrigens schon, auch z. T. sehr gute. Es gibt auch Projekte, wie man spezielle Heime oder Abteilungen einrichtet für Demente. Da ist zum Beispiel ein Warteraum eingerichtet, der wie eine Bushaltestelle ist und die Wege führen im Kreis, so dass man zum Schluss immer wieder am Ausgangspunkt landet und nicht verloren gehen kann.
Ich glaube, dass auch bei solchen Tagesstätten und Ideen für die Lebenserleichterung Dementer die Kosten eine Rolle spielen. Gesundheitsversorgung in Deutschland eine Klassenfrage. Aber das führt jetzt alles zu weit.
Ich glaube eher, dass es ein Nebeneinander geben wird von Tageseinrichtungen, Alters- und Pflegeheimen und von privater Betreuung wie es jetzt schon ist, ich könnte mir nur vorstellen, dass für Alter und die entsprechenden Erkrankungen noch mehr der einzelne Mensch in die Pflicht genommen wird, gut geführte Einrichtungen sich also bei der Lohn- und Gehaltsentwicklung der Großteil der Bevölkerung gar nicht leisten kann, wesahlb ich mir Ähnliches wie die Chronitätsabgabe durchaus vorstellen kann.

Liebe Novak, das liest sich jetzt von mir noch nach eher naja statt toll!. Das ist es aber definitiv nicht. Der Text ist in Teilen sehr, sehr intensiv und ausgefeilt geschrieben und ich finde die Art, wie du an das Thema gegangen bist, gut. Das nimm als Melodie mit, wenn du über meine Kritik nachdenkst.
Liebe bernadette, das mache ich. Ich fand das sehr liebevoll, dass du das geschrieben hast, und dafür danke ich dir, aber ich hatte deinen Kommentar ohnehin so verstanden. Das spürte man.
Im Laufe der Zeit versteht man ja auch als Autor besser, was einem schon gelingt und ordnet das ein, was man noch nicht kann oder vielleicht auch nie lernen wird. Aber wie auch immer, das Draufstuppsen ist die Voraussetzung. Kommentare nehme ich als Anregung dafür, die Geschichte auch aus einem anderen Blickwinkel zu lesen, mich insgesamt vielleicht verbessern zu können. So hat zum Beispiel auch deine Kritik dazu geführt, dass ich mir mehr über die Schwierigkeit, bewusst geworden bin, gesellschaftliche Entwicklungen in einer Geschichte so zu verankern, dass das stimmig wird.
Also hab Dank für dein Lesen, die Rückmeldungen und für dein Lob und die kritische Sicht, das braucht man als Autor, ohne das geht es für mich jedenfalls nicht.
Viele liebe Grüße von Novak


Und jetzt du, lieber zigga,

Okay, im ersten Absatz passiert noch nicht viel; Frieda sitzt in einem Café und beobachtet die Menschen. Es ist ein besonderer Tag - ich bin gespannt.
Ja, so war es gemeint, das mit dem besonderen Tag sollte den Leser an den Haken nehmen. Hat ja nicht überall geklappt, dich scheint der Anfang jedenfalls nicht über die Gebühr abgeschreckt zu haben wegen seiner Langsamkeit.

und deswegen dachte ich irgendwie, dass sie schon den ganzen Nachmittag da gesessen war. Aber okay.
Das habe ich nicht verstanden, du schreibst das, als widerspräch sich da was. Ich wollte sagen, dass sie lange da sitzt, es ist noch früh im Jahr, daher steht die Sonne noch tief und der Platz verschattet sich daher. In der Zeit sitzt sie und schaut und trinkt Kaffee, aber nicht viel, sie hat auch nicht so viel Geld, sie sitzt und beobachtet. Den zweiten Cappu bestellt sie halt erst, nachdem sie schon eine Weile kaffeelos dagesessen hat, der Kellner kennt sie, lässt sie sitzen. Und dann kommt der junge Mann, setzt sich an ihren Tisch, was sie gar nicht mal bemerkt, sie kreigt ihn erst mit, als er ihren Papierball kommentiert.

pflichtschuldig ... ja, ich weiß, was du damit meinst, aber irgendwie gefällt mir das Wort nicht, kann dir auch gerade nicht sagen, wieso; ich persönlich hätte es ohne geschrieben, aber ich denke, das ist eine Geschmackssache
Ich wollte sagen, dass sie die Witze und die Flachsereien des Kellners überfordern, sie weiß da keine Antwort. Aber sie weiß noch, dass man normalerweise lachen sollte. Sie kaschiert ihr Unverständnis.

Ich glaube, ich weiß, in welche Richtung der Text gehen wird. Und dafür finde ich die Metapher ziemlich gut! Der Absatz davor, da geht es um die Verwirrung von Frieda, dieses Wissen, dass man zwar verwirrt ist, aber man weiß nicht, wo die Verwirrung steckt. Es passiert nicht viel, es ist keine Actiongeschichte, aber interessant wirkt sie bis jetzt allemal.
Schön, dass das bei dir klappt. Und schön, dass ich da so dran teilnehmen kann an deinem Leseprozess. Das ist ja was, das kriegt man so gar nicht mit, wenn man schreibt, ich selbst kommentiere ja eher von hinten her, vom Schluss, wenn sich die Geschichte vor mir entfaltet hat, hier bei dir kriege ich gerade mit, wie du die einzelnen Bausteinchen aufnimmst und für dich gewichtest, das ist ausgesprochen interessant, wie du hier kommentierst, es ist eher unmittelbar.

Irgendwie musste ich an dieser Stelle schmunzeln. Dieses "kackte ein Hund" fällt total aus der Erzählstimme heraus, finde ich, auch diese Beobachtung, dass da ein Hund kackt, sowas wurde bis jetzt nicht vom Erzähler beobachtet.
Zum Schmunzeln war die Stelle eigentlich nicht gedacht! Aber besser du schmunzelst, als dass du schimpfst. Achillus beobachtet dasselbe wie du, also ich weiß jetzt auch nicht, der arme kackende Hund.
Jetzt im Ernst, ich werte deinen Einwand jetzt nicht als so grundlegend, oder? Achillus hatte da schon einen Haken in mich geschlagen mit seinem Hinweis auf die Sprachebenen.

Okay, dass die Prot. alt ist, hat man schon mitbekommen, dement ist sie auch; aber geboren 1980, jetzt weiß ich auch, wieso du das auch unter Science Fiction eingeordnet hast. Die letzte Zeit hab ich's irgendwie mit Namen - Frieda finde ich da irgendwie komisch gewählt; ich meine, kennst du jemanden, der um 1980 geboren wurde, und Frieda heißt? Ich weiß nicht, kann ja von Region zu Region anders sein, aber ich kenne niemanden, Frieda klingt eher so nach Jahrgang 1920, 30 oder so, finde ich jedenfalls
Himmel, du hast bernadettes Kommentar gelesen. Äh, hoffe ich jedenfalls, ihr seid die beiden ersten, die so sehr den Namen monieren. Schau mal, was ich bernadette geschrieben habe, also ich will den Namen unbedingt, aber deine Kritk ist ein Ansporn für mich, die Anfangssituation noch deutlicher in der Zukunft spielen zu lassen. Dann hat man hoffentlich nicht mehr so ein Problem mit dem Namen.

Die gute Frieda muss ja echt überall mit ihren Fingern hinlangen
Stimmt hehe.

Mir fällt gerade auf, dass das die erste wörtliche Rede von Frieda ist; ich weiß nicht, ob das gewollt ist, ob du Frieda als eher ruhige und nachdenkliche Person dastehen lassen willst, aber ist mir eben so aufgefallen, weil Frieda eigentlich sich zu allen Dingen, die passieren, immer nur ihre Gedanken macht, und das lässt sie irgendwie bisschen passiv erscheinen, in der Hinsicht.
Naja, sie ist dement. Das hab ich schon ganz bewusst so gemacht. Auch, dass sie sich nicht sehr eloquent äußert. Demente reden oft nicht mehr so gerne, weil dann auffallen würde, dass sie ständig Namen oder Wörter oder Situationen vergessen oder Antworten geben, die nicht zu der Situation zu passen scheinen. Von daher ist sie natürlich passiv.

Kim griff sie an beiden Händen, ließ sie nicht mehr los, tanzte mit ihr im Kreis, ganz wild, obwohl sie es doch so schlimm am Herzen hatte, immer weiter, schön war das, wunderschön, das hatten sie nie gemacht vorher, weiter und weiter, bis sie beide umfielen vor Lachen und Trunkenheit und Schwindel.
Und da sind sie plötzlich wieder jung, tanzen. Manchmal merkt man gar nicht, dass Frieda eine alte Frau ist; ich denke, das ist gewollt, Demente halten sich ja manchmal selbst für ihr eigenes 20jähriges Ich, oder so.
Ja, das ist natürlich gewollt, aber andererseits, ist das auch so, dass ganz normale ältere Leute sich manchmal wie Kinder aufführen oder wie Zwanzigjährige, das darfst du nicht so eng sehen, glaub mir, ich weiß, wovon ich spreche.

Also dieser Absatz mit dem Gespräch mit dem jungen Mann ... den fand ich ehrlich gesagt nicht so packend. Ich fragte mich da: Wohin führt das? Ich erkannte da irgendwie keinen Konflikt oder so, nur zum Schluss, als er sagt, die Pille wirkt angeblich manchmal nicht richtig, da nahm es wieder Fahrt auf. So für mein Gefühl.
Das spricht dafür, die Szene mit dem jungen Mann etwas zu kürzen. Ich hab mich da immer noch nicht dran getraut. Behalten muss ich die Szene und will ich natürlich auch, nicht nur wegen der Dokumentation, sondern auch wegen der Stimmung, in die Frieda gerät, als sie mit dem Mann, der sie ja nicht überfordert, sondern annimmt und einfach mit ihr schwätzt, und sie kann ihm zuhören.

Ich persönlich habe gemerkt, dass ich vom Thema Alzheimer und Gedächtnisverlust usw. ziemlich weit weg bin - deswegen packt mich die Geschichte wahrscheinlich nicht so wie sicherlich einige andere, ist einfach so.
Das finde ich ziemlich selbstverständlich, geht mir andersherum auch oft so. Die Geschichten lese ich dann oft nur an und lese sie dann gar nicht weiter. Von daher bin ich um so erfreuter, dass du weitergelesen hast.

Es gibt auch keinen großen Grundkonflikt in der Geschichte, sie ist eher eine Art Momentaufnahme, ein Werkzeug, sich in die Krankheit Alzheim eindenken zu können, um zu verstehen, wieso man mit dieser Bürde nicht bis zum natürlichen Ende gehen will.
Das sehe ich anders, ich finde es schon einen existenziellen Konflikt im wahrsten Sinne des Wortes, sich mit so einer Krankheit zu arrangieren und sich mit der Frage zu beschäftigen, ob man sich selbst auslöschen will. Auch die Szene zwischen Kim und Freida ist von einem Konflikt zwischen den beiden getragen, nicht nur der oberflächliche Konflikt, wer denn nun die Sorge über die Tabletten übernimmt, sondern auch der innere Konflikt, wer denn nun die Stärkere ist bzw. wie sich die Rollen zwischen beiden verschieben/verschoben haben.

Für mein Empfinden hättest du ruhig aber den Fokus etwas mehr auf die Suizidtablette lenken können, das war das, was mich beim Lesen am meisten interessiert hat, und was aber leider erst nach einem Drittel des Textes kam; ist ja ein ziemlich großes Thema in der Gesellschaft, schon seit längerem jetzt, und ich finde es als Leser interessant, wieso sich Leute dazu entscheiden, entweder mit einer schweren und irreversiblen Krankheit weiterzuleben, oder eben nicht weiterzuleben. Soviel von meinem Leseeindruck!
Das fand ich spannend, dass du das so siehst, du hast wieder eine ganz andere Sicht auf den Text als andere, die die Pille eigentlich eher draußen haben wollten.

Lieber zigga, ich hab mich sehr gefreut, dass vorbeigekommen bist und deine Eindrücke mitgebracht hast. Besonders dieses parallele Lesen und dazu die Eindrücke aufschreiben, das fand ich für mich eine sehr sehr spannende Sache.
Daher Dankeschön fürs Lesen, fürs Durchhalten fürs Loben, zigga, ach einfach für alles.

Hallo Sabine,
ich glaube wir kennen uns nicht nicht, gell?

eine beeindruckende Geschichte, die ich so schnell nicht vergessen werde, sofern mich mein Gedächtnis nicht generell in weiten Teilen verlässt.
Erst mal wow und dann hihi.

stolperte ich einzig etwas über die Heizpilzsonnen, ordnete sie dann aber in die Außenraucherszene ein.
Genau, siehst du richtig.

Der Gedankengang von den flanierenden Mädels zu Friedas früherem Beruf gestaltete sich so selbstverständlich, dass ich beim Lesen sehr deutliche Bilder vor Augen hatte.
Das fand ich schön.

Der Geburtsjahrgang 1980 hat mich dann ziemlich kalt erwischt. Nicht wegen der Demenz, sondern wegen der Diskussionen mit dem Chef über die Rocklänge. Klar, Mode wechselt und der Trend geht auch immer mal wieder in eine konservative Richtung, aber meine Bilder passten so gut zu einer weiter zurückliegenden Zeit.
Also wenn man heutige Modedesigner vergleicht, da merkt man, dass es keine einheitliche Richtung gibt, die dann die Mode eines ganzen Jahres bestimmt, sondern es ist sehr vielfältig, was die Rocklängen betrifft. Eigentlich wollte ich das so ein bisschen nachspielen, denn Frieda würde ja ungefähr heutzutage Mode entwerfen. Und dass Designer zwar einen Wiedererkennungswert behalten wollen, aber trotzdem beständige Neuerungen brauchen, also z. B. den Wechsel der Rocklänge oder der Farben, um ihre Marktanteile zu sichern, das ist ja auch klar.
Trotzdem, dein Problem ist ja wie bei einigen anderen die zeitliche Einordnung. Das will/werd ich auf jeden Fall (hoffentlich) verbessern, dann irritiert das vielleicht nicht mehr so.

Die blaue Pille und damit die Kontrolle über den eigenen Tod, dazu kamen mir gleich zwei Assoziationen. Die Sterbehilfedebatte und ein alter Film, Soylent Green, wobei die zweite Assozialtion gleich bei Erwähnung der Beratungsstelle entstand. Von diesem Punkt an vermutete ich eine böse Wendung.
Das fand ich interessant. Ich glaube, das ging den anderen da noch nicht so. Aber ich freue mich darüber, denn eigentlich war das von mir auch so intendiert.

Dann kam die Begegnung im Café und ich war irritiert. Die ganze Unterhaltung über Filme und verschiedene Popcornvarianten blieb für mich absurd. Einzig das Ende der Szene, als Frieda begreift, dass sie vielleicht doch nicht die Kontrolle über ihren Tod hat, ja dass sie vielleicht ihre Krankheit noch verschlimmert und damit auch ihre Freundin/Lebensgefährtin/Schwester (Kims Rolle in Friedas Leben wurde mir nicht klar. Ich halte sie für etwa gleichaltrig, für jemanden, den Frieda bereits seit ihrer eigenen Kindheit kennt.) stärker belastet, ergibt einen klaren Sinn.
Ja, das kam schon mehrfach. Die Szene hatte noch eine zweite Bedeutung, vielleicht kannst du dazu meine Antwort an zigga lesen? Aber dein Hinweis bestärkt mich noch mehr in dem Entschluss, wenigstens ein bisschen in dieser Szene zu kürzen. Ich weiß nur noch nicht wie.
Übrigens ist Kim Friedas Freundin schon seit ewigen Zeiten und sie wohnen zusammen. Aber keine Lebensgefährtin im sexuellen Sinn. So nach dem Motto: Liebhaber gehen, Freundinnen bleiben.

Bei dem jungen Mann im Café fiel mir das schwer. Ist er auch krank? Das wäre eine mögliche Erklärung für mich.
Ne, der ist einfach ein bisschen absonderlich und selbstdarstellerisch mit einer gewissen Selbstironie. Also es war jedenfalls so gemeint.

Der Aussatz gefiel mir. Kranke, Arme, Opfer erleben häufig, dass sie gemieden werden. Da funktioniert etwas nicht, der Mensch leidet und als Reaktion darauf machen seine Mitmenschen einen Bogen um ihn, gerade als ob er eine mittelalterliche Ratsche mit sich trüge
.
Ah, dankeschön, du lieferst mir hier gerade einen wunderbaren Beweis, warum ich den Aussatz, an dem mir ja so viel liegt, behalten muss. Ich hatte das natürlich nicht im Kopf, so schön wie du das hier schreibst, aber egal, du hasts mir gesagt und ich bin heilfroh.

Da sind so viele Kleinigkeiten in der Geschichte, die mir wirklich gut gefallen. Das Vermeiden des Augenkontakts zum Beispiel, oder die Pillendosenverwirrung. Zwei Kritikpunkte bleiben mir am Ende: die Schwierigkeit der zeitlichen Einordnung und die Popcornflut. Das hebt das Positive nicht auf, die Geschichte war für mich ein toller Sonntagsstart.
Mensch, Mann, Frau, Sabine – und für mich war das ein ganz wunderbarer Satz. Ich wollte immer schon mal für jemanden einen tollen Sonntagsstart schreiben.
Liebe Sabine, war schön, dass du vorbeigeschaut hast, und dass du mir Lob und Anregung und Kritik dagelassen hast, mit der ich eine Menge anfangen kann.

Bis die Tage und viele Grüße zurück von Novak.

Und außerdem euch allen noch mal Dankeschön für eure Kommentare. Gerade im Moment, wo ich selbst zu wenig Kopf für Geschichten und das Kommentieren habe, merke ich, dass das alles überhaupt keine Selbstverständlichkeit ist, eine schöne Seite haben wir hier. Ja.

 

Liebe Novak,

ich kommentiere ja gern, wenn ich sehe, dass das irgendwo und irgendwie ankommt und weiterbringt, wenn es dann auch noch so schön gewürdigt wird, umso lieber, da ist einem dann auch die Wartezeit egal. Aus Zeitnot so knapp wie möglich: Mit Unentschlossenheit meine ich wohl am ehesten, dass ich unentschlossen bin, was ich von deiner Sprache halten soll, sie gefällt mir größtenteils, aber ab und zu gefällt sie mir nicht, ich habe das ja auch an Beispielen gezeigt, aber ich kann nur sagen, dass ich sehr komische Ansprüche an die Sprache habe. Betrachtet man den einzelnen Satz, könnte man vielleicht gar nicht groß kritisieren, aber wenn man ihn in Verbindung mit anderen betrachtet, widerspricht sich die Stilistik vielleicht nicht, aber sie passt einfach nicht zusammen manchmal. Schwierig, ist ein sehr subjektiver Eindruck, den ich dir genauer benannt hätte, wenn ich könnte. Mach dir also keinen großen Kopf drüber, schreib einfach weiter so und ich pick beim nächsten Mal wieder Sachen raus, die ich nicht so gut fand, wie man das halt so macht und eines Tages kann ich dir vielleicht die unentschlossene Unentschlossenheit entschlüsseln.

Liebe Grüße
dein zweiter!

 

Hey Novak,

Dieses "kackte ein Hund" fällt total aus der Erzählstimme heraus, finde ich,
Jetzt im Ernst, ich werte deinen Einwand jetzt nicht als so grundlegend, oder?
Also ich kann mich Achillus nur anschließen wenn er meint, dass kacken und auch der ganze Umstand, dass da ein ausscheidender Hund beobachtet und erwähnt wird, aus der Erzählstimme herausfällt, war schon so gemeint

Die letzte Zeit hab ich's irgendwie mit Namen - Frieda finde ich da irgendwie komisch gewählt;
Himmel, du hast bernadettes Kommentar gelesen.
Hatte tatsächlich die Vorkommentare nicht gelesen, ich dachte einfach an Bekannte die um 1980 geboren sind, und da fiel mir auf, dass davon einfach niemand Frieda heißt oder jemanden kennt, der so heißt

Es gibt auch keinen großen Grundkonflikt in der Geschichte, sie ist eher eine Art Momentaufnahme, ein Werkzeug, sich in die Krankheit Alzheim eindenken zu können, um zu verstehen, wieso man mit dieser Bürde nicht bis zum natürlichen Ende gehen will.
Das sehe ich anders, ich finde es schon einen existenziellen Konflikt im wahrsten Sinne des Wortes, sich mit so einer Krankheit zu arrangieren und sich mit der Frage zu beschäftigen, ob man sich selbst auslöschen will.
Ich habe nochmal darüber nachgedacht, und kann dir teilweise zustimmen; es gibt schon diesen Grundkonflikt (wie gehe ich mit meiner Krankheit um?) ... aber: ich glaube, was ich meinte (und weswegen mir die Geschichte ab der Suizidtablette besser gefiel) ist: Der anfängliche Konflikt (wie soll ich mit meiner Krankheit umgehen?) ist klar ein essenzieller Konflikt, aber da die Option des Selbstmordes noch nicht im Raum steht, macht man sich als Leser keine Sorgen um die Protagonistin; also mir ging es zumindest so, so weit ich mich noch recht entsinnen kann. Die Suizidtablette kam ja erst später, oder irre ich mich da jetzt? Und ab dem Zeitpunkt, ab dem diese Option für den Freitod ins Spiel kommt, fängt man sich als Leser an, Sorgen zu machen, und das macht diesen Konflikt richtig interessant. So für mein Gefühl zumindest, deswegen fand ich auch, dass du die Tablette ruhig hättest ausbauen können. So, das ist mir noch so eingefallen, hoffe es bringt dich weiter.

Alles Gute dir!
Grüße

 

Hallo Novak,

unglaublich, wie lange ich jetzt schon vorhatte, diese Geschichte zu kommentieren. Ich hatte sie ja schon direkt nach dem Einstellen gelesen, aber da war ich irgendwie nicht so fit im Kopf und hab einfach nicht ganz verstanden, ob die nun alt ist oder jung. Zwischenzeitlich war ich mir dann sogar nicht sicher, ob Kim echt war, oder ein Hirngespinst. Ich kann mich aber noch erinnern, dass die Spache mich ziemlich beeindruckt hat und die schönen Details. Aber jetzt hab ich nochmal ordentlich gelesen und wollte unbedingt noch kommentieren, bevor ich dann weg bin.

Frieda brummte die Worte vor sich hin, immer wieder, während sie die Straße entlanghuschte
Da hab ich ganz konträre Assoziationen zu "brummen" und "huschen". Brummen ist sowas schwerfällig, tapsig Bäriges und Huschen sowas leichtfüßiges Rehiges. Ist jetzt eigentlich keine Kritik, ist mir nur aufgefallen beim Lesen.

Bebrillte Männer drängten sich in dem schmalen Sonnenstreifen vor dem Haus, warfen mit der linken Hand Pläne in den Himmel, während die Zigarette in der rechten den Mädchen nachzielte.
Das ist sowas, dieses Pläne in den Himmel werfen, was mir sehr gefällt.

Sie zahlte und gab ihm ein großzügiges Trinkgeld, registrierte sein überraschtes Gesicht. Ein Stich durchzuckte sie. Wieviel hatte sie ihm denn gegeben?
Das ist wirklich sehr fein eingeführt. Konnte ich beim ersten Lesen natürlich noch nicht so einordnen. Mir passiert das auch schonmal gerne, dass ich mich verrechne und zu wenig gebe, mit einem gnädigen "stimmt so". Auch peinlich.

Milchblasen verbanden sich, platzten und fügten sich neu.
Das ist ein wunderschönes Bild. Nur das "verbinden" ist mir als Verb zu kalt hier, zu technich. "Wuchsen zusammen" könnte ich mir gut vorstellen.

Dr. Manninger zum Beispiel war das Heben der Mundwinkel so zur Gewohnheit geworden, dass diese sich zu vertikalen Kerben Richtung Stirn vertieft hatten, Optimistenwinkel nannte Frieda sie.
Total gut :) Da könnte ich auf die folgenden Ausführungen zum Mundtheater fast verzichten.

Sie hatte eine Weile gebraucht, um einen Termin auszumachen, aber die Tabletten waren zu teuer.
Das ist echt böse. Also mir zum Thema Sterbehilfe in unserem System ne Meinung zu bilden, find ich schon sehr schwer. Aber hier werden die Menschen ja durch Geldnot dazu animiert und wahrscheinlich auch, sweil sie niemanden durch diese Abgabe zur Last fallen wollen. Da fällt es natürlich leichter, da ne eindeutige Meinung zu zu haben, aber ich find es noch nicht zu überzogen, als dass es nicht auch etwas über das Thema in unserer Gesellschaft sagen kann. Denn auch bei uns kann man ja fragen, ist die Betreuung, die Schmerztherapie optimal, empfinden sich die Menschen als Last für andere und erwägen deshalb einen Suizid? Oder geht es wirklich darum, dass sie unbelastet von solchen Systemmängeln eine freie Entscheidung für sich treffen, nicht mehr leben zu wollen.

„Hirn-Aussatz“, sagte Kim, als sie ihr endlich von der Diagnose erzählte, und dann machte sie ganz ängstliche Augen, weil das so ein gemeines Wort war. Dabei gefiel es Frieda. Aussatz, das klang wie der stotternde Motor ihres alten Autos, Pickel nannten sie es, weil es der Schandfleck der Straße war, ja, Hirnpickel war gut. Das machte das Wesen so schön mürbe.
Das finde ich großartig, wie Du so tröstliche Momente in die Traurigkeit flichtst.

Mittag war unbeschriftet geblieben, bis sie selbst ein Symbol gemalt hatte: einen Stinkefinger.
Da sind viele, richtig gute Ideen drin.

Dann öffnete sie es. Vorsichtig platzierte sie die Pille in das vierte Fach für Sonntag. Heute wusste sie noch, dass sie diese Pille nicht nehmen durfte. Und morgen würde sie das auch noch wissen. Lange noch. Aber irgendwann würde sie vergessen, was das für eine Pille war und sie würde sie nehmen. Ihr Tod wäre ein merkwürdiger Zufall, eine Folge ihrer Vergesslichkeit. Sie würde dem Aussatz ein Schnippchen schlagen und ihrer eigenen Angst gleich mit.
Das ist auch ein ziemlich genialer Gedanke, auf den ich schon beim ersten Lesen sehr neidisch war.

Als wäre etwas abgemäht worden.
Super Bild

Kim sagte: „Das ist für dich“, und reichte ihr die Postkarte. „Ich bin manchmal so ungeduldig, es tut mir leid. Es ist nicht einfach für uns beide.“ Sie senkte den Kopf. „Ich hab Kuchen gebacken und dann hab ich die Postkarte gesehen. Die zwei hier, die sind wie du und ich. Da hab ich sie dir mitgebracht.“
Auf der Karte liefen zwei struppige Hunde nebeneinander her. Hinter ihnen verschmolzen graugrüne Hügel mit dem Himmel.
„Das bist du“, sagte Kim und wies auf das linke Hündchen, das im Sprung durch die Luft flog, so dass die Haare nach hinten wehten. „Genauso wild bist du manchmal. Und das da, das bin ich.“ Sie deutete auf den Hund, der neben dem anderen über die Straße trabte, er sah ein wenig besorgt aus. Die Mundwinkel wiesen nach unten, bildeten zusammen mit der schwarzen Lacknase ein Dreieck. Die Augen waren groß und feucht, sahen den Betrachter direkt an. Frieda blickte auf die beiden Hunde, es war nur eine Postkarte, aber es war ein schönes Geschenk und ein bitteres, und so, dass sie weinen wollte, weil es ihr in die Seele schnitt.
Das hat mich wirklich ganz tief berührt. Und diese Berührung ist so teuflisch gut getimed vor dem tragischen Schluss.

Also insgesamt finde ich, das ist eine ganz großartige, unglaublich einfühlsam erzählte Geschichte. Und das zu so einem riesigen Thema. Ich bin wirklich sehr beeindruckt. Beim zweiten Mal auch vom Gesamtpaket. Beim ersten Durchgang hatte ich echt noch zu viel damit zu tun, mich zu orientieren, um all die Kleinigkeiten würdigen zu können. Erst dachte ich, dass es vielleicht nicht nötig ist, dass die Geschichte in der Zukunft spielt. Aber jetzt finde ich, dass diese nur leichte Verschiebung doch einiges am Thema deutlicher ins Relief wirft. Das einzige, was ich wirklich nicht mochte, ist der Popcorn-Mann. da bin ich total mainstream! Das Gerede führt mich zu sehr raus. Ich fände es auch irgendwie runder und schöner, wenn da nicht ein böses Pharmakartell auftaucht, sondern sich das Problem aus Frieda selbst entwickelt. Dass sie draußen vielleicht ein besonders schönes Erlebnis hat, was ihr wieder Lebenswillen gibt und dann vergisst sie aber die Pille. Dann hättest Du mich aber da liegen gehabt! Ich finde, wenn man da nur ein bisschen umbaut, könnte auch die Hundekarte selbst diesen Stups zum Leben geben, dann wär das auch so stimmig, wie sie da auch mit dem Hunden abschweift. Die Karte wäre dann Rettungsmoment und tödliche Ablenkung.

Ganz großartig, Novak!

Mach's gut :)
fiz

 

Uff!
Das sitzt. Also diese Geschichte hat mich echt mitgenommen. Bin jetzt noch immer etwas erschlagen und weiß eigentlich gar nicht so recht, was ich jetzt hier schrieben soll, außer, dass ich mich hiervor echt verneige. An die Idee hätt ich mich nie rangetraut, aus der Sicht eines Jemanden, dessen Wissen angefressen ist und wird. Das stell ich mir total schwierig vor, weil man ja prakisch bei jeder INformation überlegen muss, ob die überhaupt platziert werden darf, damit alles in sich stimmig wirkt und bleibt. Dem bist du bewundernswert gut gerecht geworden. habe zumindest keinen Moment an der Authentizität gezweifelt, wurd enicht rausgeworfen.
Also dieser Aspekt, das ist schon mal krass genug, dann dieses Drama mit der Pille. Das ist schon echt richtig gemein und sehr klug eingefädelt. Wow.
Den jungen Mann hast du auch sehr geschickt platziert. Dass es jemand ist, dem gar nciht so viel auffällt, weil er sich selbst ständig im Fokus hat. Das Kino-Thema kann man auch meta-mäßig deuten. Textlich ist das auch ein clever inszeniertes Aufatmen, weil der Leser in dieser Passage mal rauskommt, aus dieser hetischen Innenansicht deiner Prota. Bliebe es allein in diesem Schema, hätte das auch nerven können. So am Rande wenigstens, eine gewisse UNgeduld aufkommen lassen. So aber entspannt das - und die Bedrohuung gewinnt dadurch auch eine ganz andere Qualität. Denn das Leben an sich gewinnt ja noch mal eine neue Facette. Dass er dann von den Nebenwirkungen erzählt, okay, das ist vll etwas sehr inszeniert, aber es ist ein starker Streich.
Ich war auch etwas unsicher, wiewowas das jetzt spielt und war froh über die erhellenden Kommentare (Hab sie aber nur überflogen), aber den Lesegenuss hat das für mich nicht gehemmt. Das hatte ein bisschen so den Charakter, als würde man mit der Prota leiden, weil man nicht genau weiß, wann und wo man ist ;)

Wirklich ein außerordentlich starker Text. Beeiindruckend, was man as diesem Thema machen kann.

grüßlichst
weltenläufer

 

Hallo Novak,

ich möchte mich der Form widmen. Zum Inhalt hast du schon reichliche, soweit ich überblicke vehement positive Kritik erhalten. Intention, Aussage, Emotion sind natürlich wichtige Bestandteile, ohne die eine Geschichte langweilig wird. Aber um den Leser dort erst einmal hinzuführen, muß das Handwerk stimmen.
Dein Handwerk zeugt von viel Mühe und Herz, du schreibst nicht seit gestern. Was ich allerdings vermisse, ist das Auge für ein ausgewogenes Lektorat. Jede frisch geborene Geschichte ist ein wenig pummelig. Im Laufe der Zeit, mit jedem Korrekturlesen, verliert sie ihren Babyspeck, lernt Manieren, und irgendwann ist sie so schlank und sportlich und adrett herausgeputzt, dass man gerne mit ihr zu tun hat.
In diesem Sinn hat der Anfang des Textes mir bereits die Lust genommen, weiterzulesen. Ich empfinde den Stil als Mischmasch und zu umständlich. Zu viele Erläuterungen, zu viele Pronomina, reflexive Verben und unnötig verschachtelte Konstruktionen.
Als Beispiel habe ich mir deinen Anfang geschnappt und ein wenig reduziert. Sicher habe ich nicht das Gelbe vom Ei, der Entwurf soll keine Empfehlung sein, sondern meine Kritikpunkte lediglich verdeutlichen. Zwecks Pointierung habe ich möglicherweise übertrieben. Falls dich das Umgemodele stört, entschuldige bitte. Ich möchte dir nichts aufdrängen, aber angesichts der fast reinweißen Kommentare wirst du dich nach ein wenig Kontrast sehnen. Kontrast ist das Interessante.

„Frühlingswischwaschi, an so einem Tag“, brummte sie und huschte die Straße entlang, hin zum Café zwischen den Hochhäusern. Eng an die Gebäude geduckt warf sie Blicke zurück, einmal, zweimal – ja, da war es noch, das vertraute Rechteck der Wohnungstür mit dem goldenen Knauf.
Am Café setzte sie sich, bestellte Cappuccino und schaute. Mädchen, die kurze Kleider ausführten und lange Beine. Bebrillte Männer, dicht gedrängt im schmalen Sonnenstreifen, die mit der Linken Pläne in den Himmel warfen und rechts den Mädchen mit der Zigarette nachzielten. Die Sonnenstrahlen turnten allmählich die Fassade empor, und der schattige Platz entflammte zur orangen Heizpilzzone.
Frieda rückte ihren Stuhl näher an einen Strahler. Warme Beine, außerdem blieb die Straße zur Wohnung im Blick. Sie legte die Hände in den Schoß und schloss die Augen. Ein Tag zum Feiern?
Die Hand flog ihr an die Brust. Wohl nicht, dachte sie, und riss die Augen auf. Aber doch ein besonderer Tag.

Es hilft, den eigenen Text ein paar Tage wegzupacken und erst dann, frisch und unbefangen – und gnadenlos – zu lektorieren.
Immer wieder.

Liebe Grüße,
Dat

 

Hallo zweiter Markus,

hat mich sehr gefreut, dass du dich noch mal gemeldet hast.

Betrachtet man den einzelnen Satz, könnte man vielleicht gar nicht groß kritisieren, aber wenn man ihn in Verbindung mit anderen betrachtet, widerspricht sich die Stilistik vielleicht nicht, aber sie passt einfach nicht zusammen manchmal.
Okay, ich lass das einfach mal auf mich wirken. Und dann wird man irgendwann sehen.

Mach dir also keinen großen Kopf drüber, schreib einfach weiter so und ich pick beim nächsten Mal wieder Sachen raus, die ich nicht so gut fand, wie man das halt so macht und eines Tages kann ich dir vielleicht die unentschlossene Unentschlossenheit entschlüsseln.
So machen wir das.

Viele Grüße aus Frankfurt und arbeite nicht zu viel. Bis bald einmal
Novak


Hi zigga,
du hast dich auch noch mal gemeldet, fand ich gut, weil ich deine Aussage zu dem Hund jetzt besser einordnen kann. Dann mach ich mir noch ein paar Gedanken über die Erzählebenen. Ich schau mal.

Der anfängliche Konflikt (wie soll ich mit meiner Krankheit umgehen?) ist klar ein essenzieller Konflikt, aber da die Option des Selbstmordes noch nicht im Raum steht, macht man sich als Leser keine Sorgen um die Protagonistin; also mir ging es zumindest so, so weit ich mich noch recht entsinnen kann. … Und ab dem Zeitpunkt, ab dem diese Option für den Freitod ins Spiel kommt, fängt man sich als Leser an, Sorgen zu machen, und das macht diesen Konflikt richtig interessant. So für mein Gefühl zumindest, deswegen fand ich auch, dass du die Tablette ruhig hättest ausbauen können. So, das ist mir noch so eingefallen, hoffe es bringt dich weiter.
Ja, bringt mich auf jeden Fall weiter. Kann jetzt einschätzen, was du meintest.
Dankeschön dafür. Und Grüße aus Frankfurt.

Vielen Dank euch beiden, Markus und zigga für das nochmalige Melden und Aufklären. Finde ich absolut nicht selbstverständlich und bin daher umso erfreuter. Also bis denne mal.
Novak


Hallo Frau fiz,

Ach war das schön, als ich deinen Namen beim Kommentar las, du begleitest meine Schreiberei ja seit geraumer Zeit und kannst dadurch so ein bisschen meine Entwicklung verfolgen, da bin ich einfach total gespannt, was du mir immer erzählst, außerdem gehören viele Geschichten von dir einfach zu meinen Lieblingsdingern.

hab einfach nicht ganz verstanden, ob die nun alt ist oder jung.
Nee, das lag nicht an deinem Kopf, war eher mein Schreibfingerlein, das da für Unklarheiten gesorgt hat.

Zu dem Brummen und Huschen:
Bernadette fand ja das Brummen auch schon zu tief, zu männlich, als ich ändere das bestimmt noch ab. Frieda soll auch rehig sprechen.

Mir passiert das auch schonmal gerne, dass ich mich verrechne und zu wenig gebe, mit einem gnädigen "stimmt so". Auch peinlich.
Ja :D könnte ich sein. Und das Gegenteil, wie das der Frieda hier passiert, auch. Ich sehe dann immer an den weit aufgerissenen Augen meiner Begleitung, dass ich grad viel zu viel Trinkgeld gegeben hab. Bei mir liegt das dann immer an der fehlenden Brille.

Das ist ein wunderschönes Bild. Nur das "verbinden" ist mir als Verb zu kalt hier, zu technich. "Wuchsen zusammen" könnte ich mir gut vorstellen.
Gekauft

Da könnte ich auf die folgenden Ausführungen zum Mundtheater fast verzichten.
Ich gucke.

Sie hatte eine Weile gebraucht, um einen Termin auszumachen, aber die Tabletten waren zu teuer.
Das ist echt böse. Also mir zum Thema Sterbehilfe in unserem System ne Meinung zu bilden, find ich schon sehr schwer. Aber hier werden die Menschen ja durch Geldnot dazu animiert und wahrscheinlich auch, sweil sie niemanden durch diese Abgabe zur Last fallen wollen. Da fällt es natürlich leichter, da ne eindeutige Meinung zu zu haben, aber ich find es noch nicht zu überzogen, als dass es nicht auch etwas über das Thema in unserer Gesellschaft sagen kann. Denn auch bei uns kann man ja fragen, ist die Betreuung, die Schmerztherapie optimal, empfinden sich die Menschen als Last für andere und erwägen deshalb einen Suizid? Oder geht es wirklich darum, dass sie unbelastet von solchen Systemmängeln eine freie Entscheidung für sich treffen, nicht mehr leben zu wollen.
Ja, super, du siehst das ganz ähnlich wie ich. Bist die erste glaube ich, die meine Intention an dieser Stelle erwähnt hat. Genauso sollte es ankommen. Durch die Geldnot kommen alle Kranken an diese Beratungszentren und dann kriegen sie mal ganz locker die Pille ausgehändigt, ohne dass man sie ansonsten unterstützt. Sie kriegen sie viel zu locker, wie Frieda selbst bemerkt, als sie wieder aus dem Gebäude raus ist. Ursprünglich mal wollte ich das Gespräch zwischen der Sachbearbeiterin und Frieda schreiben, aber da tat ich mich so schwer, da kam so holprig und stolprig rüber, dass ich mich umentschlossen habe.
Ja ich finde schon auch, dass das ein wichtiger Punkt in unserer Gesellschaft ist. Betreuung von Kranken, Schmerzpatienten, Depressiven, die ist nicht so, dass wirklich alle Mittel ausgeschöpft würden, jemandem das Leben zu erleichtern. Ganz im Gegenteil. Das merkt man dann, wenn man selbst mal längere Zeit krank war. Viele Dinge, die einem gut täten, werden nicht bezahlt, auch nicht bei Privatpatienten. Krankheit ist hierzulande ein Kostenfaktor – und entsprechend wird mit Kranken umgegangen.

Die Stellen, die du dann aufgelistet hast, ich hab mich so darüber gefreut. Das bedeutet mir total viel. Ich mag die Stellen natürlich auch gerne, aber das noch einmal von jemand anderem zu erfahren, das ist schon was Besonderes. Und dann noch von dir.

Das macht es dann auch nicht mehr so viel aus, wenn dir der Popcornmann nicht gefällt. Ich kann das nicht so gut erklären und begründen, aber für mich muss der Kerl einfach bleiben. Ich hätte mir mal schon vorher weltenläufer ausleihen sollen, der hat das ausgedrückt, wie ich es empfinde:

Textlich ist das auch ein clever inszeniertes Aufatmen, weil der Leser in dieser Passage mal rauskommt, aus dieser hetischen Innenansicht deiner Prota. Bliebe es allein in diesem Schema, hätte das auch nerven können. So am Rande wenigstens, eine gewisse UNgeduld aufkommen lassen. So aber entspannt das - und die Bedrohuung gewinnt dadurch auch eine ganz andere Qualität. Denn das Leben an sich gewinnt ja noch mal eine neue Facette.
Naja, ich fürchte, das leichtet dir trotzdem nicht ein. Aber einen Versuch wars wert.

Ich fände es auch irgendwie runder und schöner, wenn da nicht ein böses Pharmakartell auftaucht, sondern sich das Problem aus Frieda selbst entwickelt. Dass sie draußen vielleicht ein besonders schönes Erlebnis hat, was ihr wieder Lebenswillen gibt und dann vergisst sie aber die Pille. Dann hättest Du mich aber da liegen gehabt!
Na das wär ja was.
Ich versteh, was du meinst, es haben ja wirklich viele auf diesem Punkt bestanden, ich verstehe auch all die Begründungen. Und dennoch - ich bleibe trotzig. Dieser Schlenker zur Pharmaindustrie, der war mir wichtig. Ich wollte unbedingt, dass es hier deutlich wird, wie aus der Krankheit, die ja einerseits nur als Kostenpunkt gesehen wird, sogar noch ein makabres Geschäft mit dem Tod wird.
Ich denke mittlerweile auch, dass das vielleicht alles ein bisschen viel ist, aber naja, das waren halt die Eckpfeiler meiner Geschichte. Es fühlt sich einfach nicht richtig an, wenn ich es rausschmeiße. Naja, so ein Gefühlsargument taugt nicht viel. Ich wollte einfach sagen, dass ich eure Argumentation verstehen und nachvollziehen kann, und bleib trotzdem stur.

Ich finde, wenn man da nur ein bisschen umbaut, könnte auch die Hundekarte selbst diesen Stups zum Leben geben, dann wär das auch so stimmig, wie sie da auch mit dem Hunden abschweift. Die Karte wäre dann Rettungsmoment und tödliche Ablenkung.
Ja, das stimmt, das ist eine tolle Idee. Die Karte ist ja auch hier schon in einer doppelten Rolle, Frieda freut sich tierisch über sie, also als Symbol für Leben und Freude mit Kim, gleichzeitig tödliche Ablenkung, wie du sagst. Ja, wenn ich jemals den jungen Mann und das Pharmakartell doch rausschmeißen sollte, dann stell ich sicherlich die Karte in den Mittelpunkt.

Ach fizz, ich habe eine Menge von dir gelernt. Früher schon, und auch hier wieder. Manchmal eben halt durch das Lob, weil auch eine Bestätigung wichtig ist, dass man auf dem richtigen Weg ist. Und genauso wichtig ist auch der Hinweis, dass ich was überfrachte und das Pharmakartell zu vordergründig ist. Sowas arbeitet ja im Schädel rum und spätestens in der nächsten Geschichte bahnt sich das den Weg, das kenne ich schon, auch wenn ich dann in dem Einzelfall hier eben bei meiner Ursprungsidee bleibe.
Machs auch gut, fizz und eine wunderschönen Urlaub wünsche ich dir. Wird bestimmt toll.


Ach weltenläufer,
ich liebe es, dich sprachlos zu machen oder zu einem Uff zu veranlassen, das passiert ja leider nicht immer, manchmal schimpfst du ja auch mit mir zu Recht und da ist dann ein Uff von dir echt der Knüller.

Das sitzt. Also diese Geschichte hat mich echt mitgenommen. Bin jetzt noch immer etwas erschlagen und weiß eigentlich gar nicht so recht, was ich jetzt hier schrieben soll, außer, dass ich mich hiervor echt verneige.
Als ich das gelesen habe, war ich so verlegen, dass ich mit meinen Glühbombenfingern die Tasten zum Schmelzen gebracht hab. Jetzt sind die Buchstaben auf der Tastatur endgültig weg. Also ich glaub, wenn ich mal nicht mehr weiter weiß, dann lese ich mir die Kommentare hier zu der Friedageschichte nochmal durch. Das ist sowas von motivierend. Wahnsinn.

An die Idee hätt ich mich nie rangetraut, aus der Sicht eines Jemanden, dessen Wissen angefressen ist und wird. Das stell ich mir total schwierig vor, weil man ja prakisch bei jeder INformation überlegen muss, ob die überhaupt platziert werden darf, damit alles in sich stimmig wirkt und bleibt. Dem bist du bewundernswert gut gerecht geworden. habe zumindest keinen Moment an der Authentizität gezweifelt, wurd enicht rausgeworfen.
Da war ich total froh, ich hab nämlich die ganze Zeit das Problem gehabt, dass ich nie so ganz sicher war, ob das so rüberkommt. Also ob ich glaubhaft bleibe. Also ich hab damit durch die Besuche meiner Mutter im Altersheim, durch die Recherche und auch durch Gespräche mit älteren Leuten ein bisschen Erfahrung, aber ob das dann wirklich reicht, und man in der Lage ist, das umzusetzen, das ist ja ganz die Frage. Also ich bin echt froh, das zu lesen, das war immer meine Hauptsorge.

Den jungen Mann hast du auch sehr geschickt platziert. Dass es jemand ist, dem gar nciht so viel auffällt, weil er sich selbst ständig im Fokus hat. Das Kino-Thema kann man auch meta-mäßig deuten. Textlich ist das auch ein clever inszeniertes Aufatmen, weil der Leser in dieser Passage mal rauskommt, aus dieser hetischen Innenansicht deiner Prota. Bliebe es allein in diesem Schema, hätte das auch nerven können. So am Rande wenigstens, eine gewisse UNgeduld aufkommen lassen. So aber entspannt das - und die Bedrohuung gewinnt dadurch auch eine ganz andere Qualität. Denn das Leben an sich gewinnt ja noch mal eine neue Facette.
Ja und darüber war ich auch ausgesprochen froh. Hab ja deine Antwort auch der fizz zitiert. Ich hab immer versucht zu erklären, warum mir dieser junge Mann wichtig ist und ich ihn auf keinen Fall rausschmeißen will, ich hab auch immer gemerkt, dass dadurch die Geschichte so ein wenig zweigeteilt wird, besser habe ich es halt nicht hingekriegt, aber ich wollte ihn ganz ganz unbedingt drinbehalten. Und du nennst den Grund dafür in deinem Zitat. Frieda hat sich an dem Tag entschieden, ihren Selbstmord einem Zufall zu überlassen. Das hat sie entlastet, und so kann sie entspannt auf die Faxen des jungen Mannes reagieren, er dreht sich halt grad nur um sich selbst, ist ein wenig verschroben und das ist für Frieda gerade gut. Sie kann ein kleines bisschen genießen und Freude empfinden. Das war mir wichtig für den weiteren Verlauf.

Ich war auch etwas unsicher, wiewowas das jetzt spielt und war froh über die erhellenden Kommentare (Hab sie aber nur überflogen), aber den Lesegenuss hat das für mich nicht gehemmt. Das hatte ein bisschen so den Charakter, als würde man mit der Prota leiden, weil man nicht genau weiß, wann und wo man ist
Also du bist ja ein richtiges Begründungsfeuerwerk für mich. Das hätte ich den anderen schreiben sollen als Antwort, als die nicht wussten, wann das spielt.
Naja, irgendwann werde ich Zeit und Lust und Muse und Kopf haben, um endlich die Geschichte an einigen Stellen zu überarbeiten und so ein paar Ausdrucksweisen zu verändern. Dann werd ich mich auch an die zeitliche Orientierung machen.

Weltenläufer, dein Lob und deine Einschätzung, das war einfach richtig gut für mich. Hat saugut getan.
Ein ganz ganz schönes Restwochenende wünsche ich dir.
Novak


Hallo Dat,
ich bevorzuge die Kurzform, zum Glück hast du das ja auch unter deinen Kommentar geschrieben. Bei Datenvegetarier komm ich immer ins Grübeln, ob bei uns anderen etwa Currywurst mit Pommes durch die Kabel fließt. Komisches Gefühl. Wie kommt man auf so einen Namen?

Erst mal vielen Dank für dein Vorbeischauen und für Eindruck dalassen und vor allem für dein Umschreiben. Ich weiß das sehr zu schätzen, denn du verdeutlichst dadurch deinen Einwand. Das ist besser als ein allgemeiner Hinweis, der hätt mich nur grummelig und rummeluig gemacht. Außerdem weiß ich weiß auch genau, wie viel Mühe es macht, die Sätze eines anderen umzuschreiben, so dass der kapiert, was man will.

Ich möchte dir nichts aufdrängen, aber angesichts der fast reinweißen Kommentare wirst du dich nach ein wenig Kontrast sehnen.
Nö.
Aber im Ernst, natürlich ist deine Kritik gerne gesehen, wenn ich es natürlich auch schade finde, dass dich der pummelige Beginn (geiler Ausdruck) vom Weiterlesen abgehalten hat.
Markus ging das ja auch schon so, der hatte auch schon erwähnt, dass er den Anfang schwerfällig fand, hat dann aber durchgehalten, vielleicht weil er mich kennt oder so.
Umso mehr freut mich, dass du mit einen Grund dagelassen hast, mit dem man sich auseinandersetzen kann und den ich auch sehr spannend finde. Aber dazu später.

Was ich jetzt an deinem Kommentar ein bisschen eigenartig fand, war das hier:

fast reinweißen Kommentare
Zum Inhalt hast du schon reichliche, soweit ich überblicke vehement positive Kritik erhalten.
Das klang für mich ein bisschen prinzipiell, als hättest du dich nur durch die Positivität der Kommentare zu einer Kritik veranlasst gesehen. Das finde ich komisch, völlig wertfrei gemeint, mehr im Sinne von interessant. Ich meine, es stimmt ja noch nicht mal, dass die Kommentare so reinweiß gewesen wären, wenn du da mal nachliest, siehst du, dass die anderen sehr differenziert haben. Und manche finden Zeugs in der Geschichte überhaupt nicht gut. Da hat mich reinweiß gewundert. Ebenso die Betonung des Positiven. Ich persönlich finde es komisch, wegen vehement positiver Kritik unbedingt etwas kommentieren zu wollen, (so klang das ein bisschen) ich hab da ganz andere Gründe beim Kommentieren, wirkt halt fremd auf mich. Oder hast du dich entschuldigen wollen, weil du jetzt was Negatives schreibst? Das musst du hier nicht. Nein, das wird gern genommen.
Aber vielleicht hab ich das ja auch völlig falsch interpretiert. Jedenfalls ist es gut, deine Ansicht zu haben, egal welchen Grund du hattest, außer, dass dir der Anfang einfach nicht gefiel. Ich finde, der Grund reicht ja auch schon für einen Kommentar, da muss man nicht noch extra was erklären.

Aber an einer Stelle habe ich mich ein bisschen geärgert. Das war hier.

Es hilft, den eigenen Text ein paar Tage wegzupacken und erst dann, frisch und unbefangen – und gnadenlos – zu lektorieren.
Erst wollte ich nur eine ironische Bemerkung dazu machen, aber das wäre ungerecht dir gegenüber. Du kennst mich ja schließlich nicht.
Dein Spruch unterstellt halt, man würde das nicht tun. Und das kannst du nicht wissen. Es können ja auch andere Gründe vorliegen für meinen Beginn. Zum Beispiel, dass ich es nicht besser kann oder dass ich die Sache anders sehe als du.
Aber Schlamm drüber, du hast es gut gemeint.

In diesem Sinn hat der Anfang des Textes mir bereits die Lust genommen, weiterzulesen. Ich empfinde den Stil als Mischmasch und zu umständlich. Zu viele Erläuterungen, zu viele Pronomina, reflexive Verben und unnötig verschachtelte Konstruktionen.
Ja, da habe ich natürlich geschluckt. Klingt ja ziemlich … naja, wie schon mal gegessener Handkees, so will man ja echt nicht ankommen.
Von daher war ich dann sehr sehr froh über deine Ummodelei, Das stört mich überhaupt nicht, das finde ich toll, dass du das machst, und entschuldigen musst du das überhaupt nicht. Im Gegenteil. Ich merk dadurch, wo die Unterschiede liegen.

Du hast ziemlich viele Hauptsätze aneinandergereiht und Ellipsen in deiner Fassung. Das erzeugt einen ganz bestimmten Satzrhythmus. Wenn ich das zu lange lese, kriege ich Leseasthma. Das engt mir so ein bisschen die Brust ein und macht mich atemlos. Womit du Recht hast, das ist, dass du mit deinen Sätzen mehr Tempo machst als ich, mehr nach vorne drängst. Ich denke auch, dass die Art, wie du schreibst, eher der modernen Schreibschule entspricht als meine. Aber genau weiß ich das nicht, weil ich Autodidakt bin und auch nicht sehr routiniert.
Als ich den Anfang gestaltet habe, war mir ein Wechsel von Satzreihen und Satzgefügen wichtig. Ich fand, dass sich das angenehmer liest. Ich habe meine eigenen Reaktionen bemerkt, wenn ich Geschichten gelesen habe, die in diesem reinen Satzreihenstil geschrieben sind. Und ich fand auch, dass mein Stil besser zu der Situation passt und zur Stimmung.
Aber naja, das kann man ja auch übertreiben. Und dann sind zu viele Verschachtelungen oder Umständlichkeiten drin. Also ich gucke mir das in Ruhe auf jeden Fall noch einmal an, vielleicht frage ich auch jemanden um Rat, hier aus dem Forum, denn ich finde das eine ziemlich spannende Frage.

Ich kann deine Ansicht zwar nicht teilen, jedenfalls nicht in Gänze, aber ich nehme sie trotzdem als Anregung, mein Sprachgefühl da auch noch mal zu überprüfen.
Also vielen Dank für deine Auseinandersetzung mit meiner Sprache und besonders für das Ummodeln. Da brauchst du bei mir nie die Befürchtung zu haben, dass ich es als Ärgernis empfinde, das Gegenteil ist der Fall.

Dir ein schönes Wochenende noch und liebe Grüße zurück von Novak

 

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