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Fuchs und Hase

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13.02.2016
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Fuchs und Hase

- 1 -

Drei … zwei ... eins und ... es klingelt. Endlich Schluss für heute. Ich sehe zu, wie die anderen aufspringen und ihre Schulhefter, Blöcke und Federmappen in die Taschen packen. Der Lautstärkepegel ist mit einem Mal gewaltig. Frau Schmidt versucht, dagegen anzubrüllen, und wedelt mit einem Stapel Papier, den sie dann auf ihren Schreibtisch an die Kante legt.
Katja, die in der Reihe vor mir sitzt, dreht sich herum und erzählt wieder von ihrem Manga, den sie gerade liest und der – O-Ton – „super super toll“ sein soll. Ich nicke nur und sortiere langsam meinen Kram. Nachdem die Tasche voll ist, ziehe ich in aller Ruhe die Ärmel meines Kapuzenpullovers herunter und krame meine Jackentaschen durch, ehe ich die Jacke anziehe.
Katja und ich sind die Letzten. Auf dem Weg hinaus nehmen wir uns die Hausaufgabenblätter vom Lehrerpult mit. Sie gestikuliert in der Luft herum und plappert und plappert. Ich nicke und sage hin und wieder „ja“. Dann steigt sie auf ihr Fahrrad, winkt und ist weg.
Allein laufe ich zur Bushaltestelle. Ich war nicht langsam genug, die meisten aus meiner Klasse sind noch da. In Gruppen stehen sie herum, reden und lachen. Ich suche mir eine Stelle weit entfernt, hole mein Telefon heraus und tue so, als ob ich irgendwelche Nachrichten lesen müsste. Die lachen nicht über dich. Nein, die lachen nicht über dich.
Endlich kommt der Bus. Alle anderen steigen hinten ein. Ich setze mich nach vorn zu den Omis und Muttis. Die Fahrt ist nur kurz.
Sobald ich wieder draußen bin, wird es leichter: Es sind fünf Minuten Fußweg zu unserem Wohnblock. Schlüssel ins Schloss, rauf in die dritte Etage, Frau Müller von gegenüber „guten Tag“ sagen, die gerade die Treppe wischt, und Wohnungstür hinter mir zu. Schuhe, Jacke und Rucksack fallen, wohin sie eben fallen. Kurzer Blick auf die Küchenanrichte: Mama hat mir drei Zettel hingelegt. Einer ist ein Einkaufszettel, auf den anderen steht Müll runter bringen und Abwaschen. Der Geschirrberg in der Spüle ist riesig. Aber es ist erst drei. Noch drei Stunden. Ich schaue in den Kühlschrank (leer) und in die Brotkapsel (drei Scheiben Rosinenbrot), nehme mir das Brot und setze mich ins Wohnzimmer vor den Fernseher.
Ich zappe hier hin, dahin, dorthin. Mampfe das Brot. Gucke auf mein Handy, gucke auf die Uhr. Noch zwei Stunden. Seufzend mache ich die Flimmerkiste aus, räume meinen Rucksack leer, fummle den vollen Müllsack aus dem Eimer, schnappe mir Einkaufszettel und dazu gehöriges Geld, ziehe mich wieder an und geh raus.
Zum Einkaufszentrum brauche ich nur zehn Minuten. Und da ich weiß, wo alles steht, bin ich nach einer halben Stunde wieder draußen. Nur mit dem Toilettenpapier unter dem Arm rumlaufen zu müssen, nervt.
Nachdem ich alle Einkäufe weg geräumt habe, fällt mein Blick wieder auf die volle Spüle. Dann auf die Uhr über der Küchentür. Noch eine Stunde.
Ich schnappe mir meinen Lieblingsjoghurt und sinke zurück in meinen Lieblingssessel vor dem Lieblingsfernseher. Das Programm wird besser und besser.
Und dann höre ich ihren Schlüssel im Schloss. Der Abwasch! Scheiße.
Sofort springe ich auf, mache den Fernseher aus und laufe in den Flur, um sie zu begrüßen. Aber es ist zu spät.
Wütend guckt sie. „Der Abwasch ist nicht gemacht! Hast du den Zettel nicht gesehen?“
„Hallo“, sage ich und lächle.
Sie schaut mich nicht an. Sie schält sich aus ihrem langen, schwarzen Mantel, seufzt und stöhnt, zieht sich die Straßenschuhe aus, die Hausschuhe an und sieht sich in der Küche um, guckt in den Kühlschrank, in den Mülleimer.
„Wann bist du nach Hause gekommen?“, fragt sie mich mit in die Hüften gestützten Händen.
„Um vier.“
„Dann hattest du wirklich genug Zeit!“
Ich sehe sie an, warte auf das Urteil.
„Mach das bitte jetzt“, sagt sie, dreht sich auf dem Absatz um und geht ins Wohnzimmer. Vor mir steht das hoch getürmte, dreckige Geschirr. Es nützt nichts. Ich krempel die Ärmel hoch und fange an, die Spüle leer zu räumen.
Sie hat Musik angestellt und ich weiß, sie sitzt jetzt mit angezogenen Beinen auf dem Sofa und guckt ihre Post durch oder ein Magazin. Das Telefon im Wohnzimmer klingelt und ich höre ihre Stimme. Erst ruhig, dann aufgeregt, dann nicht mehr. Die Wohnzimmertür geht und sie kommt über den schmalen Flur zu mir. Im Türrahmen bleibt sie stehen, lehnt sich an, fährt sich durch die halblangen, dunklen Haare und seufzt. Sie starrt geradeaus.
„Wer hat angerufen?“, frage ich, obwohl ich es weiß.
„Martin war das.“ Pause. Seufzen. „Er kommt mit der Trennung nicht gut zurecht. Ich mache mir große Sorgen um ihn.“
Ich hoffe, ich schaue mitfühlend. Was sie meint, weiß ich nicht.
Sie kommt zu mir herüber, streicht mir die Haare aus der Stirn und sieht mich prüfend an. „Du musst zum Friseur. Das sieht nicht schön aus“, sagt sie, seufzt nochmal und zieht sich aufs Sofa zurück.
Nachdem der Abwasch gemacht ist, gehe ich zu ihr, lehne mich gegen die Sessellehne ihr gegenüber, sehe auf ihren gesenkten Kopf, fahre schließlich mit der Hand ein paar Mal über die Polster, sodass ein kratzendes Geräusch entsteht. Aber sie schaut nicht hoch. Ich gehe weiter ins angrenzende Schlafzimmer und lege mich auf mein Bett, scrolle ein bisschen durch die Folder meines Telefons, in denen nichts passieren kann, weil ich keine Freunde habe. Dann nehme ich mir ein Buch.
Ich höre ihre Schritte, bevor sie die Tür öffnet.
„Hast du deine Tasche für die Schule fertig gepackt? Ich möchte nicht, dass du wieder erst morgens alles zusammen suchst und mich weckst.“
„Ich mach das jetzt gleich“, antworte ich und stehe auf, um meinen Rucksack zu füllen mit allem, was ich morgen brauchen werde.
Das nächste Mal, als sie herein kommt, bin ich schon eingeschlafen. Ich werde kurz wach und höre, wie sie sich in das andere Bett legt und zudeckt, schlafe aber sofort wieder ein.


2 -

Als ich am nächsten Tag in der Schule den Klassenraum betrete, sehe ich als erstes Katja, die mir zuwinkt. Mit ihrem linken Arm in dickem weißem Gips. Ich setze mich an meinen Platz und sehe auf ihren Verband, den sie mir unter die Nase hält. Mit dem Fahrrad gestürzt ist sie gestern, beide Unterarmknochen sind gebrochen und ich soll ihr doch fix vor der Stunde was drauf schreiben.
Während sie jedes Detail ausschmückt, hole ich meine Sachen aus dem Rucksack, breite meine Farbstifte aus, entscheide mich für Blau und stelle dann fest, dass mir nichts einfällt. In dem Moment fängt der Unterricht an und Katja nimmt ihren Arm weg und dreht sich nach vorn.
Nach der letzten Stunde mache ich wie immer ein Ritual daraus, möglichst langsam zusammenzupacken. Währenddessen erzählt Katja davon, was gerade in ihrem Manga passiert und bittet mich zwischendurch, ihr in die Jacke zu helfen. Nebeneinander gehen wir die Treppe hinunter. Ich schlage den Weg zu den Fahrradständern ein. Sie bleibt stehen.
„Ich hab doch gesagt, ich fahr mit dem Bus! So kann ich doch keinen Lenker halten!“ Sie grinst breit.
Und so gehen wir gemeinsam zur Bushaltestelle, warten gemeinsam, sind eine Zweiergruppe.
„Tut es denn noch weh?“, frage ich.
Sie schüttelt die langen, rotbraunen Flechtzöpfe, die oben an den Seiten ihres Kopfes anfangen. Damit, und mit dem herzförmigen Gesicht, sieht sie tatsächlich aus wie die Mädchen in ihren Mangas.
Sie hat kein Problem damit, mit mir zusammen vorn im Bus einzusteigen. Sie kennt sogar eine der Omis, die immer in der ersten Reihe direkt hinter dem Fahrer sitzen, und unterhält sich kurz mit ihr.
„Hier muss ich raus“, sage ich nach zehn Minuten Fahrt und stehe auf.
„Ich auch“, lacht sie und stellt sich neben mich an die Tür.
Sobald wir draußen sind, fragt sie: „Hast du Lust, mit zu mir zu kommen?“
„Hat deine Mutter denn nichts dagegen?“
„Nö. Wieso sollte sie?“
Ich nicke langsam, und so laufen wir statt zu den Wohneinheiten in die andere Richtung, ins Malerviertel, mit den Einfamilienhäusern, den Vorgärten und Carports.
Wir steuern auf ein zweistöckiges Haus mit hellgrauer Backsteinfassade, roten Fensterläden und roter Tür zu. Katja stößt eine kleine Schwingtür vor mir auf und wir laufen hintereinander durch den etwas verlotterten Vorgarten auf die Eingangstür zu. Sie klingelt. Es öffnet eine kleine Frau mit ebenso rotbraunen, langen Haaren wie Katja sie hat. Sie sagt „hallo“, lächelt und küsst Katja auf die Wange, die die drei Stufen hoch und an ihr vorbei ins Haus hopst.
„Das ist Chris“, höre ich sie von drinnen rufen.
Ich hebe eine Hand und winke schwach, zum Gruß und zum Zeichen, dass ich gemeint bin.
„Hallo Chris. Schön dich kennen zu lernen. Komm rein“, sagt sie und lächelt so, dass ich ihr glaube, dass sie es auch so meint. Sie schiebt mich die letzten Zentimeter in den Flur und schließt die Wohnungstür hinter mir. Während ich mir die Schuhe ausziehe und meine Jacke abgebe, fragt Katjas Mutter allerlei Dinge. Sie will wissen, wie die Schule war. Ob wir einen Test geschrieben oder zurück bekommen haben. Sie fragt, ob wir Hunger haben. Sie fragt, was ich trinken möchte. Ich verneine und meine, Saft oder Wasser würde mir reichen. Katja zuckt die Achseln und fängt an zu erzählen: Dass unsere sonst so langweilige Frau Schlosser in der vierten Stunde einen Witz gemacht hat, Sanne und Steffen sich getrennt haben, Sanne geheult und Steffen die Ariane zu lange angeguckt hat. Außerdem hatte der lange Helge ein blaues Auge, wollte aber nicht sagen, wo er es her hatte, und alle glauben zu wissen, dass Frau Kaiser schwanger ist.
Ihre Mutter scheint genau Bescheid zu wissen, lacht über Frau Schlosser, wundert sich über Helge, zweifelt an dem Gerücht über Frau Kaiser.
„Ich habe gerade das Gefühl, heute in der falschen Schule gewesen zu sein. Ich habe davon nichts mitbekommen“, meine ich kopfschüttelnd.
Katja verdreht die Augen und tätschelt mir den Rücken.
Ihre Mutter ist in der Küche verschwunden, Katja läuft nun hinterher und winkt mich dann auch dazu. Mit der unverletzten rechten Hand drückt sie mir eine Flasche Apfelsaft, eine Flasche Cola und ein Glas in die Hände und schnappt sich eine Schale Kekse und Plätzchen. Sie nickt mir mit dem Kopf zu, ihr zu folgen, steigt die Treppe hinauf und führt mich in ihr Zimmer.
Es hat eine Dachschräge. Das fällt mir als Erstes auf. Dann zieht der ovale, flauschige, grasgrüne Teppich in der Mitte meinen Blick auf sich. Darauf setzt Katja sich und stellt die Kekse an den Rand. Ich setze mich ihr gegenüber und stelle Flaschen und Glas zu den Keksen.
Ich sehe mich um. Das Bett ist mit quietschbunter Mangabettwäsche bezogen, an den Wänden hängen Zeichnungen, in einer Ecke stehen ein Fernseher mit DVD-Player und DVD-Regal, in einer anderen ein Schreibtisch, auf dem Hefter und Bücher wild aufgetürmt sind. Unter der Schräge steht ein niedriges Regal mit ihrer Mangasammlung. Und dann lehne ich mich zurück und lasse mich in den weichen Teppich sinken. Ich könnte sogar die Beine ausstrecken. Auch an der Decke hängen Zeichnungen. Mit Bleistift, Aquarellstift, Kohle, alles dabei. Das meiste im Mangastil. Die mit Kohle gezeichneten Bilder wirken anders, irgendwie gröber.
„Von dir?“, frage ich und zeige nach oben.
Da legt sie sich neben mich und ich mache die Beine lang.
„Mhm, siehst du den Fuchs da drüben und dort das Haus vor dem schneebedeckten Berg?“ Sie hat den gesunden Arm ausgestreckt und ihr Zeigefinger deutet auf die Kohlezeichnungen. Sie trägt dünne Armreifen am Handgelenk in Rot und Blau und ihre Fingernägel sind blau lackiert. „Die sind von meinem großen Bruder. Der Rest ist von mir.“
„Die sehen klasse aus.“
„Welche? Meine oder die von meinem Bruder?“, lacht sie.
„Alle“, sage ich und meine es ernst.
Die langen Teppichfasern kitzeln ein bisschen im Nacken. Ich betrachte jedes einzelne Bild. „Wie viele Geschwister hast du?“, frage ich.
„Drei. Kai ist mein großer Bruder, der mir die beiden Bilder geschenkt hat. Er ist cool. Aber ich hab noch ne kleine Schwester und nen kleinen Bruder. Die nerven. Neulich hat Kira doch allen Ernstes einen meiner Mangas als Ausmalbuch hergenommen! Die kleine Kröte hat drei Seiten ruiniert ...“
Ich muss lachen.
Sie setzt sich auf und guckt mich ungläubig an. „Hey!“, schimpft sie und haut mir leicht gegen den Oberarm. Zu meinem Schutz rolle ich mich weg von ihr auf die Seite. Ich wische mir eine Träne aus dem Augenwinkel. Dann ist es vorbei und ich drehe mich zurück auf den Rücken. Sie sieht leicht beleidigt aus.
„Wie alt ist Kira?“, will ich wissen.
„Sieben.“
„Hast du dich gerächt?“
Sie guckt betroffen. „Übertrieben hab ich es. Ich hab ihrem Plüschfuchs den Schwanz amputiert. Den liebt sie über alles. Der muss mit in die Badewanne und mit ins Bett.“
Ich weiß, was jetzt kommt. Und muss wieder lachen.
„Sie hat zwei Stunden lang geheult und getobt. Papa hat mich gezwungen, ihn selber wieder anzunähen. Und die kleine Malhexe hat drei Tage lang nicht mit mir geredet.“ Sie lässt sich neben mich zurück auf den Teppich fallen.
Ich sehe zu ihr rüber, sehe sie schwer ausatmen und die rot angemalten Lippen schürzen.
„Was macht dein Vater?“, frage ich.
„Er ist bei der Bank, so richtig mit Anzug und Krawatte und nem schwarzen Aktenkoffer. Wie im Film, nur stinklangweilig.“ Sie setzt sich in den Schneidersitz, holt ihr Handy aus der Hosentasche, fängt an, ungelenk auf dem Display herum zu wischen und darauf herum zu tippen. „Gib mir mal deine Nummer“, sagt sie.
Ich gebe sie ihr. Sie ruft mich an. Ich hab ihre.
„Bist du Linkshänder?“, frage ich und nicke in Richtung ihres Armes.
Sie nickt und seufzt: „Kein Zeichnen, solang das Ding dran ist.“ Dann steht sie auf, holt ihre Stifte, legt sie neben mich, setzt sich wieder und hält mir den Gips hin.
„Mir fällt nichts Gutes ein“, sage ich und zucke die Achseln.
„Gar nichts? Kein Spruch? Kein Bild? Nichts? Vielleicht ein Gedicht?“
„Gib mir ein bisschen Zeit. Ich werde dir was drauf schreiben oder malen.“
Sie ist einverstanden.
„Ich muss jetzt los“, sage ich.
Sofort springt sie auf. „Ich hab dir nicht mal meinen neuen Manga gezeigt! Ich nerv dich ständig damit, wie toll er gezeichnet ist, und jetzt hast du ihn immer noch nicht gesehen!“
„Nächstes Mal?“, frage ich leise.
Sie grinst. „Nächstes Mal!“, sagt sie.
Sie kommt mit nach unten, führt mich kurz ins Wohnzimmer, damit ich mich von ihrer Mutter verabschieden kann, und dann winken wir und ich bin auf dem Weg nach Hause.
Es kommt mir wesentlich kälter vor als vorhin. Ich ziehe den Reißverschluss bis ans Kinn hoch und setze die Kapuze auf. Kurze Zeit später stehe ich im Flur. Ein einziger Zettel wartet auf mich: Staubsaugen. Nachdem das erledigt ist, gehe ich ins Schlafzimmer, was wir „mein Zimmer“ nennen. Ich setze mich, mit dem Rücken an die lange Seite meines Bettes gelehnt, auf den Fußboden. Dann schiebe ich mich Stück für Stück nach vorn. Der graue Teppich ist dünn und ich fühle den harten Boden darunter. Dann liege ich da, mein Kopf zwei Zentimeter von meinem Bett entfernt. Wenn ich die Zehen ausstrecke, kann ich das andere Bett berühren. Die Decke über mir ist weiß. Fünf Minuten bleibe ich so, tippe mit den Zehen gegen das Bett, streiche mit den Fingern über die kurzen rauen Teppichfasern, sehe an die weiße Decke.
Dann stehe ich auf, hole mir einen Joghurt aus dem Kühlschrank und setze mich vor den Fernseher.


- 3 -

Ich höre ihren Schlüssel im Schloss gehen und sehe als Erstes auf die Uhr. Sie ist eineinhalb Stunden zu spät. Die Wohnzimmertür geht auf und da steht sie, hat noch den Mantel und die Schuhe an, strahlt und sagt „hallo“. Ich grüße zurück.
„Martin hat zweimal angerufen“, sage ich.
„Wie klang er?“, will sie wissen.
„Ein bisschen betrunken.“
Sie nickt. „Was hast du ihm gesagt, wo ich bin?“
„Dass ich es nicht weiß.“
Ich warte, bis sie sich die Hausschuhe angezogen und sich auf ihren Platz auf dem Sofa gesetzt hat. „Wo warst du denn?“, frage ich neugierig.
Sie zieht die Beine an, schiebt die dunklen Haare auf einer Seite hinter das Ohr, sieht auf ihre Hände in ihrem Schoß, dann auf mich. „Ich hatte ein Date“, sagt sie und strahlt wieder. „Er arbeitet eine Etage tiefer im Vertrieb. Ich habe schon letzte Woche bemerkt, dass er mich jedes Mal lange ansah, wenn er hoch kam. Und gestern hat er mich angesprochen und gefragt, ob wir uns nach der Arbeit treffen können. Wir waren in einer Bar, die er ausgesucht hat. Andreas heißt er. Eine edle Bar. Es lief Jazzmusik. Wir haben uns unterhalten. Ohne Pause. Er ist sehr sehr nett.“ Sie sieht geradeaus durch mich hindurch und lächelt.
Ich gebe ihr ein paar Minuten. „Wollen wir Samstagnachmittag zu Oma? Ich habe sie schon eine Weile nicht mehr gesehen“, frage ich.
Sie zieht ein Gesicht. „Du brauchst mich doch nicht, um zu Oma zu fahren.“ Sie steht auf, geht in die Küche und kommt mit einem Brett geschmierter Brote zurück. Sie kuschelt sich in ihre Ecke, blättert in einer Zeitung und isst.
Ich mache mir eine Tütensuppe und verziehe mich mit dem Teller ins Schlafzimmer.

Am folgenden Samstag fahre ich mit dem Bus zu Oma. Ich habe Mama nochmal gefragt, ob sie mitkommen möchte, aber sie hat „nein“ gesagt. Ich bin eine halbe Stunde unterwegs, ehe ich vor einem weiteren Wohnblock ankomme. Oma steht am Fenster im Erdgeschoss, die Gardine zurück gezogen. Als sie mich sieht, lächelt sie breit, winkt und verschwindet. Die Haustür summt und lässt mich rein. Sie hat bereits die Wohnungstür für mich geöffnet, steht im Rahmen und lacht. Ich umarme sie vorsichtig. Sie ist so klein.
„Ich freue mich so, dich zu sehen“, sagt sie zu mir und klatscht in die Hände. Dann muss ich mich angucken lassen. Auch wenn es erst zwei Monate her ist, dass wir uns gesehen haben.
„Du bist gewachsen“, sagt sie wehmütig und drückt meine Hand.
„Du bist geschrumpft“, necke ich sie.
„Hoffentlich passen die Schuhe noch“, lacht sie und fischt die Hausschuhe aus dem Schrank im Flur, die sie für mich vor einem halben Jahr gekauft hat. Sie passen. Sie freut sich.
Dann schiebt sie mich ins Wohnzimmer. Der Tisch ist gedeckt. Sie hat Kuchen gekauft.
„Trinkst du Kaffee?“, fragt sie. „Ich weiß es leider nicht mehr.“
Ich schüttele den Kopf.
„Aber Apfelkuchen ist richtig, oder?“, will sie wissen und zeigt auf den gedeckten Tisch. Dann holt sie einen Zettel und kommt zu mir herüber. Ganz oben lese ich meinen Namen. Sie setzt die Brille auf, kneift die Augen zusammen, öffnet leicht den Mund und überfliegt das Stück Papier vor ihr. „Hier steht Apfelkuchen. Ich weiß aber nicht, wann ich das notiert habe. Ich muss mir doch immer alles aufschreiben.“ Dann sieht sie mich an, lächelt und greift wieder nach meiner Hand.
„Der ist prima, Oma“, sage ich und lächele zurück.
Sie tut mir ein Stück auf den Teller. Ihr Blick fällt auf meine Tasse.
„Trinkst du Kaffee?“, fragt sie.
Ich schüttele den Kopf.
„Möchtest du Tee oder Saft?“ Und schon steht sie wieder.
„Saft wäre gut. Aber ich kann ihn selbst holen. Du musst mir nur sagen, wo er ist.“
Ich bringe den Saft und wir sitzen am Tisch und essen Apfelkuchen zusammen.
„Nun erzähl mal, was es Neues gibt“, sagt sie.
„Es gib nichts.“
Nach drei Bissen legt sie die Gabel hin und sieht mir zu. „Ich kann nicht so viel essen. Bist du gesund?“, fragt sie.
„Ja.“
„Bekommst du gute Zensuren?“
„Ja.“
„Das ist wichtig“, sagt sie und hebt dabei den Zeigefinger. „Hast du Freunde?“
„Mhm“, mache ich.
„Das ist gut. Du liest zu viel und guckst zu viel Fernsehen. Du musst mehr raus kommen.“ Sie nimmt noch einen Bissen vom Kuchen. „Gibt es da vielleicht jemanden Besonderes?“, will sie wissen und zwinkert mir zu.
„Nein.“ Ich werde ein bisschen rot.
Sie lacht. „Ich war so alt wie du jetzt, als ich den Opa kennen gelernt habe. Aber das war eine ganz andere Zeit. Eine ganz andere Zeit“, sagt sie und jede Freude ist aus ihrem Gesicht verschwunden. „Man kommt ja gar nicht mehr mit. Ich kann keine Kreuzworträtsel mehr machen. Weil ich diese ganzen Begriffe nicht kenne, die mit diesem Internet zu tun haben, weißt du? Und was hier los ist mit den ganzen Einbrüchen! Das stand erst heute wieder ganz groß in der Zeitung! Die Stadt mit den meisten Einbrüchen!“
Unwahrscheinlich. Aber ich weiß, aus welcher Zeitung sie das hat.
Dann sieht sie mich an und lehnt sich nach vorn. Streicht mir über die Haare. „Hübsch siehst du aus. Ganz ganz hübsch.“
Ich lächele dankbar. „Wie geht es dir?“
Sie lässt sich zurückfallen in ihren Stuhl. „Wie soll es mir schon gehen? Ich bin alt und werde nicht jünger“, sagt sie und lacht. „Aber der Arzt ist zufrieden mit mir.“
Schon steht sie wieder. „Da fällt mir ein, kann ich dich um ein paar Sachen bitten? Würdest du mir vielleicht die leeren Flaschen in den Keller tragen und die Gardine in der Küche abnehmen? Ich traue mich nicht auf die Leiter. Dann kann ich die waschen. Aber iss erst mal“, sagt sie, setzt sich wieder und sieht mir beim Essen zu. „Wie geht es der Mutti?“
„Gut. Sie hat sich von Martin getrennt.“
„So was. Na ja, wenn sie meint. Aber den habe ich nicht kennen gelernt. Den anderen hat sie mal mitgebracht. Den davor. Wie hieß er denn?“
„Jens.“
„Jens! Jens? Nein, den davor.“
„Vor Martin kam Jens. Und davor kam Reiner.“
„Reiner! So hieß er. Reiner. Und da gab es noch einen Jens?“
„Ja, aber nicht lange.“
Oma seufzt und zuckt die Schultern. „Ich komme da nicht mit“, sagt sie und lacht.
Ich muss grinsen.
„Aber auf der Arbeit gibt es keine Probleme?“
„Sie hat nichts erzählt.“
Sie sitzt da, nickt und lächelt mir zu.
Nachdem wir fertig sind, bringe ich ihr das Geschirr in die Küche und trockne ab, während sie spült. Danach mache ich mich an ihre kleine Liste, trage ihr Sachen in den Keller, nehme die Gardine ab und alles, was ihr sonst noch einfällt.
Als ich fertig bin und zurück ins Wohnzimmer komme, klopft sie auf den Platz auf dem Sofa neben sich. Ich setze mich, ziehe die Beine an, lasse die Hausschuhe auf den Boden fallen.
„Möchtest du was Süßes? Oder ein bisschen Obst? Isst du genug Obst? Ich habe Bananen und Himbeeren.“
„Ich bin satt, Oma, danke. Bleib sitzen.“
„Na gut“, sagt sie und greift nach meinen Füßen in ihren Socken, fühlt, ob sie warm genug sind. Dann fängt sie an, in einem Papierstapel neben sich, nach etwas zu suchen. „Ich habe Zeitungsartikel für dich und deine Mutti ausgeschnitten.“ Sie hält ein paar Schnipsel in den Händen, setzt die Brille auf, kneift die Augen zusammen, liest laut vor und fährt jedes Wort mit dem Finger nach: „Unsere. Kinder. Lernen zu viel. Keine. Freizeit. Für. Deutsche Schüler.“ Den reicht sie mir. „Musst du viel lernen?“, fragt sie, ohne auf eine Antwort zu warten. „Der Rest ist für deine Mutti. Das nimmst du alles nachher mit. Möchtest du den Apfelkuchen, der übrig ist? Vielleicht für die Mutti?“ Und bevor ich etwas sagen kann, springt sie auf, geht in die Küche und wickelt die Kuchenstücken in Papier. Ich sehe die anderen Artikel durch. Mehrere über Steuer und Versicherungen, einer über Australien. Der abgebildete rote Felsen erinnert mich an ein Gemälde. Ich sehe hoch. Es hängt links neben der Tür. Mein Großvater hat es gemalt. Es zeigt eine Bergkette – ich habe vergessen, welche – in dunklem Schokoladenbraun. Als ich klein war, hielt ich diese Berge für einen auf dem Rücken liegenden Riesen, der schläft. Mehrmals schaue ich weg und wieder hin. Ich sehe immer noch den Riesen.

Zurück zu Hause angekommen, bin ich allein. Mama hat mir einen Zettel geschrieben, auf dem steht, dass sie sich mit Andreas trifft. Ich stelle den Apfelkuchen in die Küche, lese ein wenig in meinem Zimmer, mache ein paar Hausaufgaben, setze mich eine Stunde vor den Fernseher und gehe dann ins Bett.
Ich werde wach von ihrer Stimme im Nebenzimmer. Sie klingt aufgeregt. Ich kann aber nicht verstehen, was sie sagt. Dann bin ich sicher, dass sie weint, und gehe hinüber. Sie sitzt auf dem Sofa, hat das Telefon in der Hand und ihr laufen die Tränen über die Wangen. Ich setze mich neben sie, nehme sie in den Arm.
„Martin ist total betrunken. Er sagt, er will sich was antun“, sagt sie.
„Und was nun?“
„Ich habe die Polizei angerufen.“


- 4 -

Liebe Katja,
ich wünsche dir, dass du ganz schnell gesund wirst und wieder zeichnen kannst.

Weiter unten auf dem Stück Papier steht Peace im Graffitistil.
Außerdem habe ich ein paar Hasen gemalt. Das einzige Tier, das ich so zeichnen kann, dass andere es erkennen.


- 5 -

Am Montag in der Schule ist Katjas linker Arm wesentlich bunter.
„Ich hab Kira erlaubt, auf den Gips zu malen. Sie hat sich gefreut wie'n Schnitzel“, sagt sie und zeigt auf ein paar Kreise und Dreiecke in Rot und Blau. „Sie behauptet, es soll ein Fuchs sein.“ Sie zieht die Stirn kraus. Dann lächelt sie und deutet auf eine andere Stelle. Dort erzählt ein Comicstrip in vier Bildern, wie ein Strichmännchen fröhlich Fahrrad fährt, das Vorderrad auf einen Stein trifft, es durch die Luft segelt und schließlich auf dem Hintern landet und Sterne sieht. „Mein Bruder Konni wollte dann auch unbedingt. Das ist von ihm.“
„Das ist echt gut.“
„Nicht wahr? Er kommt ganz nach Kai und mir!“, meint sie und strahlt.
„Was ist mit Kai? Hatte der keine Lust?“
Ihre Augen blitzen, sie lächelt und dreht leicht den Arm. Auf der Innenseite über fast zwei Drittel der Länge des Gipses ist ein Bild von Katja im Sailor Moon-Kostüm.
Ich muss ganz fest die Lippen aufeinander pressen. Sie knufft mich und trifft mich genau auf dem Brustbein, sodass ich kurz keine Luft kriege und husten muss.
„Es ist toll!“, schimpft sie und dreht sich nach vorn.
„Ja, okay“, murmle ich und lache leise.

Drei Stunden später, im Bus, ist alles wieder gut. Ich schaue aus dem Fenster, Katja sitzt neben mir und betrachtet liebevoll ihren Gips.
„Kann ich mit zu dir kommen?“, fragt sie plötzlich.
Ich sehe auf die Uhr auf meinem Telefon. Es ist erst zwei. „Okay“, sage ich langsam. Sie lächelt. Wir steigen aus und ich gehe voran zu den Wohnblocks. Ich sehe schon von Weitem die Fassade, suche sie ab nach offenen Fenstern und Omis, die den Sims mit einem Kissen polstern, um stundenlang hinaus schauen zu können. Niemand zu sehen. Bevor wir das Treppenhaus betreten, lege ich den Zeigefinger an die Lippen. Sie versteht nicht ganz, ist aber leise. An jeder Wohnungstür befürchte ich, dass sie sich öffnen könnte, und ich Katja vorstellen muss. Dass später jemand mit meiner Mutter im Hausflur darüber plaudern könnte, dass es doch nett wäre, dass ich eine Freundin mit nach Hause gebracht habe.
Dann schließt sich die Wohnungstür hinter uns. Katja steht in meinem Flur, verschränkt die Arme, sieht mich mit hoch gezogenen Augenbrauen an und wartet.
„Meine Mutter möchte eigentlich nicht, dass ich jemanden mit in die Wohnung nehme“, sage ich, zucke die Achseln, ziehe die Schuhe aus und gehe ins Wohnzimmer. Ich höre, wie sie ebenfalls die Schuhe von den Füßen streift, erst mal in die Küche schaut und die Tür zum Bad öffnet, ehe sie mir folgt. Im Wohnzimmer sieht sie sich um. Sie sieht das hellgrüne Sofa, den gegenüber stehenden Sessel, indem ich gerne sitze, den schäbigen Tisch dazwischen mit der lila Wachstuchdecke. Die alte braune Schrankwand mit dem Fernseher, vollgestopft mit Aktenordnern, Liebesromanen und Schmuckkästchen. An den weißen Wänden bunte Karnevalsmasken und Tierbilder. In der Ecke hinter der Tür zum Flur den Schreibtisch mit dem Computer. Was denkt sie?
„Möchtest du etwas trinken?“, frage ich und gehe in die Küche. Ein Zettel, Müll runter bringen. „Ich habe Milch und Apfelsaft zur Auswahl“, rufe ich.
„Apfelsaft“, höre ich sie antworten.
Mit zwei vollen Gläsern und einer Schachtel Kekse komme ich zurück. Sie sitzt auf dem Sofa.
„Komm, wir gehen in mein Zimmer“, sage ich und drücke die Klinke mit dem Ellenbogen herunter. Ich stelle die Getränke auf eine freie Ecke auf meinem Schreibtisch, mache mein Bett, lege die Wolldecke darüber und biete es ihr als Sitzplatz an. Dann setze ich mich ihr gegenüber auf den Boden. Sofort rutscht sie zu mir herunter. Ich reiche ihr ihr Glas
Sie zeigt auf das Bett hinter mir. „Wer schläft dort?“
„Meine Mutter.“
„Das ist die ganze Wohnung?“
„Ja.“
Mehr fällt uns beiden nicht ein. Ich drücke auf einen Knopf auf der Stereoanlage am Kopfende meines Bettes und die Musik läuft leise im Hintergrund.
Katja sitzt im Schneidersitz vor mir. Ihre Socken sind blau-rot gestreift, eine hat am großen Zeh ein Loch. Ihre Hände umschließen fest das Glas. Sie sieht sich um und sieht den langen schwarzen Kleiderschrank meiner Mutter gegenüber ihres Bettes, meinen schmalen neben ihrem Bett, daneben meinen zugemüllten Schreibtisch, mein Bett, alles in schwarz. Die weißen Wände, das Katzenbild an ihrem Kopfende, die Stereoanlage und darüber das Bücherregal an meinem. Das Bild von dem roten australischen Felsen an der Wand neben meinem Bett.
Schließlich kommt ihr Blick zurück zu mir. „Du lebst hier mit deiner Mutter.“ Es ist eine Feststellung.
„Ja.“
„Wann wird sie nach Hause kommen?“
„Gegen sechs.“ In drei Stunden.
„Du hast keine Geschwister?“
Ich schüttele den Kopf.
„Wo ist dein Vater?“
„Tot. Aber schon ganz lange. Ich kann mich kaum an ihn erinnern.“
„Was ist passiert?“ Sie schaut mir dabei direkt in die Augen.
Ich halte ihren Blick. „Er hat sich Dinge eingebildet. Und dann hat er sich umgebracht“, sage ich und sehe schließlich auf meine Hände in meinem Schoß, spreize die Finger und verhake sie ineinander.
„Das tut mir leid“, höre ich sie sagen und nicke. „Und deine Mutter hat nie wieder einen netten Mann kennen gelernt?“
Ich muss grinsen und schaue hoch. „Es geht ihr gut“, antworte ich.
Sie grinst zurück und dann schreit sie fast: „Findest du es nicht merkwürdig, mit deiner Mutter in einem Zimmer zu schlafen?“
Ich zucke mit den Schultern. „Ich kenne es nicht anders.“
„Was ist, wenn sie jemanden mit nach Hause bringen will?“
„Das Sofa im Wohnzimmer lässt sich ausklappen ...“
„Trotzdem! Du hörst doch ...“, bricht sie ab, deutet mit beiden Händen auf die Tür zum angrenzenden Zimmer und sieht mich mit großen Augen an.
Ich schüttele den Kopf.
„Nie?“
„Nein!“, sage ich und verziehe das Gesicht. „Hör jetzt auf damit!“
„Okay okay“, sagt sie und hält mir die Handflächen entgegen.
Ich muss lachen.
Sie lacht mit. „Was hat es mit dem roten Sandhaufen hinter mir auf sich?“
„Ich weiß nicht“, antworte ich und starre auf das Foto, das ich letzten Samstag mit Stecknadeln an die Tapete gepinnt habe. „Das ist der Ayers Rock in Australien.“
„Ich weiß. Willst du da hin?“
Ich starre sie an. Der Gedanke ist mir nie gekommen. Dann sehe ich zurück auf den Felsen. „Ich weiß es nicht. Ich hab es hingehängt, weil es mich an meinen Großvater erinnert. Eigentlich an ein Bild, dass er gemalt hat.“
„Dein Großvater malt?“
„Mein Großvater hat gemalt. Landschaften in Öl. Würde dir vielleicht nicht gefallen.“
„Malt sonst jemand in deiner Familie?“
„Nein.“
„Schreibst du noch?“, fragt sie mich und ich sehe sie verwundert an.
„Woher weißt du davon?“
„Hallo? Du hast vor drei Jahren ein Gedicht vor der Klasse vorgelesen!“
Ich werde rot. „Das war peinlich!“, sage ich zu ihr und stehe auf, um den Apfelsaft zu holen.
„Das war großartig!“, ruft sie mir hinterher. „Ich wünschte, ich könnte mich noch daran erinnern, wie es ging.“
Ein Rudel Füchslein spielt im Wald
Ein Hase kommt dazu... „Besser nicht!“
„Und?“, fragt sie, als ich zurück komme. „Schreibst du noch?“
Ich schüttle den Kopf.
„Das ist schade“, seufzt sie. Dann sieht sie wieder hoch und mir in die Augen. „Was machst du so den ganzen Tag, außerhalb der Schule?“
Ich zucke die Achseln.


- 6 -

Heile heile schnelle, Knochen
bist schon viel zu lang gebrochen
denn die Katja braucht den Arm,
weil sie sonst nicht zeichnen kann.

Ich zerknülle das Blatt Papier und werfe es in den Mülleimer.
Wie ging das Gedicht, das ich damals für die Schule geschrieben habe?

Ein Rudel Füchslein spielt im Wald,
ein Hase kommt dazu.
Ein Füchslein sieht es bald
...


- 7 -

Ich liege auf meinem Bett und mache Hausaufgaben, als mein Handy vibriert. Eine Nachricht von Mama, dass sie später kommt. Sie trifft sich mit Andreas.
Ich sehe hinüber zu ihrem Bett. „Findest du es nicht merkwürdig?“, hat Katja gefragt.
Die Hausaufgaben verschwimmen vor meinen Augen. Die Sätze ergeben keinen Sinn. Ich werfe die Blätter und Stifte auf den Boden, drehe mich herum und starre an die weiße Decke. Ich kann ein wenig vom roten Felsen sehen. Ich setze mich gerade hin, so dass ich das Bild direkt vor mir habe. Es ist ein Hund! Ein Hund mit ganz langem Fell und langen, herabhängenden Ohren, der flach auf dem Bauch liegt. Ich lächele, nehme das Bild von der Wand, male mit dem Kugelschreiber den Umriss, das Schlappohr, die Nase nach und hänge es dann wieder hin.
Glücklich lege ich mich zurück auf mein Bett. Kurze Zeit später bin ich eingeschlafen.
Ich werde wach vom Klingeln des Telefons. Und der Anrufer ist hartnäckig. Was, wenn es Oma ist? Ich springe aus dem Bett und renne zum Apparat.
„Hallo?“
„Martaaa? Martaaaa, warum hat das so lange gedauert?“ Es ist Martin. Er ist betrunken.
„Nein, hier ist Chris.“
„Wo is deine Mutter?“, fragt er flehend. Sie macht sich Sorgen um ihn.
„Sie ist nicht hier, Martin.“
„Wo issie?“
„Ich weiß es nicht“, sage ich.
„Sie hat nen andern, nich wa? Chris?“ Er klingt traurig.
Ich lege auf.
Chris? Wo issie?
Ich laufe mehrmals zwischen Küche und Wohnzimmer hin und her.
Chris? Wo issie?
Ich gehe ins Bad, dusche, putze mir die Zähne, ziehe den Schlafanzug an und lege mich ins Bett.
Chris? Wo issie?
Ich hole mir eine Tafel Schokolade aus Mamas Vorrat und setze mich vor den Fernseher.
Es klingelt an der Tür. Es ist Dienstag Abend, 23 Uhr, und es klingelt an der Tür. Und es klingelt wieder. Und nochmal. Dann ist es still.
Ich schleiche in den Flur und spähe durch den Spion ins Treppenhaus. Martin steht auf der anderen Seite. Er hämmert gegen die Tür. Ich trete ein paar Schritte zurück.
„Martaaa?“
Pause.
„Ch habbe Lich chesehn. Ch weiß, s du daaa bis.“
Bitte geh weg.
„Martaaa. Wie müsse redn. Ch liebe dich.“ Er klingt so furchtbar traurig.
„Sie ist nicht da“, sage ich durch die Tür. „Bitte geh nach Hause.“
„Ch kannich. Ch liebe sie. Ch kannich ohne sie.“ Er klingt, als ob er jeden Moment anfangen würde, zu weinen. „Chris?“
„Ja?“ Unbeweglich stehe ich in der Mitte des kleinen Flurs, starre auf die Tür, lausche.
„Hat sie nen andern?“, schnieft er. „Ch weiß nich, was ch machen würde, wenn sie nen andern hätte“, sagt er leise.
Mama, bitte komm nach Hause.
„Wo issie, Chris?“ Er klingt, als ob ihm sein ganzer Körper weh tun würde.
Ich fange an zu weinen. Ich mache kein Geräusch. Lediglich die Tränen laufen mir über die Wangen. Wo ist sie? Wann kommt sie? „Ich weiß es nicht.“
„Issie allein?“
Denk nach! „Eine Freundin ist bei ihr.“ Ich zittere.
„Iss wahr?“, fragt er.
„Ja.“
„Chris?“
„Ja?“
„S'tut mir leid, dass ch nich mehr versucht hab n Papa su sein.“
Meine Magengrube verkrampft sich, ich beuge mich vorn über, sinke auf die Knie, rolle mich zu einer Kugel. Das Wasser läuft mir aus den Augen, der Nase, dem Mund. Und ich hoffe immer noch, dass sie kommt.
Draußen auf der Treppe höre ich Schritte, die sich entfernen.

Ich kann nichts sehen. Meine Kehle tut weh vom Weinen und Schlucken, mein Mund ist trocken, meine Hände nass. Ich könnte ewig weiter weinen. Wo kam plötzlich all der Schmerz her? Die ganze Traurigkeit?
Aber ich habe keine Tränen mehr.
Ich blinzele ein paar Mal, hebe den Kopf, wische mir mit dem Handrücken über Augen und Nase. Langsam stehe ich auf. Die Knie tun weh. Ich sehe durch den Spion, aber das Treppenhaus ist dunkel. Ich sehe in den Spiegel im Bad. Zweimal kaltes Wasser ins Gesicht und abtrocknen. Habe ich wirklich vor fünf Minuten auf dem Fußboden gelegen und geheult?
Hoffentlich glaubt er mir. Hoffentlich hat er ein Taxi genommen. Wo ist sie? Wann kommt sie?
Ich lasse die Tür zum Flur weit offen, setze mich in den Sessel im Wohnzimmer, starre vor mich hin und warte.
Dann endlich Schritte und ihr Schlüssel im Schloss. Sie ist da! Ich fliege ihr entgegen. Umarme sie.
„Warum schläfst du nicht? Du hast morgen Schule!“, sagt sie, hält mich kurz und küsst mich auf den Kopf. Dann schiebt sie mich weg, um sich den Mantel und die Schuhe auszuziehen. „Geh bitte ins Bett.“
„Martin war hier“, sage ich und hoffe, dass sie weiß, was ich meine.
„Hast du ihn rein gelassen?“, will sie wissen und geht an mir vorbei ins Bad.
„Nein! Aber er war furchtbar betrunken! Und so traurig! Und er wollte wissen, wo du bist und ob du dich mit jemandem triffst!“
Sie steht vor dem Spiegel, nimmt erst die Ohrringe ab, dann die Kette und wischt sich das Make-up aus dem Gesicht. Ihre Augen blitzen und sie lächelt mir zu. „Und ob ich mich mit jemandem treffe. Ach Chris, es war so ein wunderbarer Abend …“
„Er war wirklich verzweifelt!“, unterbreche ich sie.
„Und was soll ich deswegen jetzt tun?“, fragt sie mich und wendet sich wieder ihrem Spiegelbild zu.
„Ich hatte Angst!“, sage ich schließlich.
Sie sieht mich prüfend an. „Jetzt übertreib mal nicht“, sagt sie und fängt an, sich die Zähne zu putzen.
Ich gebe auf, küsse sie auf die Wange und gehe ins Bett.


- 8 -

Ich habe mir heute dieses Tagebuch gekauft. Ich bin nicht sicher, was hier rein gehört. Wahrscheinlich, dass Mama mich häufig nicht versteht. Nicht, weil sie es nicht will und nicht, weil sie mich nicht lieb hätte. Da bin ich sicher. Sie kann es einfach gerade nicht. Dass ich mich frage, ob alles einfacher wäre, wenn ich einen Vater hätte. Irgendeinen Erwachsenen. Dass ich froh bin, dass Katja da ist.
Ich habe gestern mal in den Keller geschaut und mein altes Fahrrad steht noch da. Sobald der Gips ab ist, kann ich also zusammen mit ihr mit dem Rad zur Schule fahren. Sie hat sich gefreut, als ich ihr davon erzählt habe. Sie hat sich auch darüber gefreut, dass ich wieder schreibe. Dass sie es nicht lesen darf, findet sie doof. Aber das macht nichts. Vielleicht zeige ich es ihr irgendwann.
Außerdem hat sie mir letzte Woche ein Flugblatt mitgebracht über ein spezielles Visum, mit dem man ein Jahr lang in Australien reisen und arbeiten kann. Ich glaube, das würde mir gefallen. Ich habe Oma davon erzählt. Sie hat sich erst riesig für mich gefreut, dann hat sie angefangen zu weinen. Ich wäre so jung und allein und dann so weit weg und das geht doch nicht. Sie hat Mama angerufen, die sie trösten musste und mir die Hölle heiß gemacht hat, was mir denn einfiele, die Oma so aufzuregen. Die Idee finden sie beide, glaube ich, nicht schlecht. Es sind noch ein paar Jahre, bis ich mit der Schule fertig bin. Aber dann ...


- 9 -

Katja und ich sitzen auf dem Fußboden in meinem Zimmer. Ich schulde ihr immer noch eine Verewigung auf ihrem Gips. Es hat eine halbe Stunde gedauert. Solange musste sie die Augen zulassen.
„Ist es das, was du damals geschrieben hast?“, fragt sie mich nach dem ersten Blick auf ihren Arm.
Ich nicke.
„Liest du es mir bitte vor?“

Ein Rudel Füchslein spielt im Wald,
ein Hase kommt dazu.
Ein Füchslein sieht es bald
und ruft den andern zu:
„Ein Hase kommt, mit uns zu toben.“
„Er wäre besser aufgehoben,
sich von uns fernzuhalten.
Wir würden ihm den Schädel spalten.“

Der Hase dreht sich um, zu gehen.
Ein Füchslein sieht ihm nach
und folgt ihm dann, um zu sehen,
ist dieser Hase wach.
„Hast du keine Angst, Hase?
Ich sehe es an deiner Nase!“
„Einen Freund will ich finden
um schöne Spiele zu erfinden.“

Das Füchslein überlegt ganz schnell:
Ein Freund mehr ist gut!
Und sagt zum Hasen „Eventuell
brauchst du dafür Mut.“
„Ich habe keine Furcht vor dir, Fuchs.
Ich bin bereit für jeden Jux.
Und wer behauptet eigentlich,
Freundschaft zwischen Fuchs und Hase gibt es nicht?“

Der Fuchs kann auch nicht sagen,
wer das behauptet hat
und in den folgenden Jahren
spielen sie Tag und Nacht.
Sie toben, verstecken, suchen und jagen
und werden nicht müde, sich Rätsel zu sagen.
Und auch das restliche Rudel
spielt das Spiel mit der Nudel.

Sie lacht und lacht, liest es wieder und wieder. Dann umarmt sie mich. Ich habe es neben Kiras Fuchs geschrieben und meinen Hasen daneben gemalt.
Derselbe Hase sitzt seit gestern oben auf dem roten Hunde-Felsen.

 
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Hey Zantje

Du bist mir durch einige differenzierte Kommentare aufgefallen und ich habe mir gedacht, dass da bestimmt noch ein guter Text von dir im Forum steckt. Und tatsächlich! Den hatte ich aus irgendeinem Grund glatt übersehen. Wäre schade gewesen.

Ich habe die anderen Kommentare nicht gelesen, es könnte also Überschneidungen geben.


Ich nicke nur und sortiere langsam meinen Kram. Nachdem die Tasche voll ist, ziehe ich in aller Ruhe die Ärmel meines Kapuzenpullovers herunter und krame meine Jackentaschen durch, ehe ich die Jacke langsam anziehe.

Gut, der Gegensatz zur plappernden Katja, aber mindestens einmal zu viel. Das letzte „langsam“ würde ich auf alle Fälle streichen.

Sie gestikuliert in der Luft herum und plappert und plappert. Ich nicke und sage hin und wieder „ja“. Dann steigt sie auf ihr Fahrrad, winkt und ist weg.

Es sind oft die unauffälligen Passagen, die einen Text gut machen. Drei Sätze und ich kann mir ein Bild von Katja und von der Beziehung der beiden machen. Sehr gut!

Schlüssel ins Schloss, rauf in die dritte Etage, Frau Müller von gegenüber guten Tag sagen, die gerade die Treppe wischt, und Wohnungstür zu hinter mir.

Das erste und das letzte Wort eines Satzes haben stets grösseres Gewicht. Daher würde ich hier „hinter mir zu“ schreiben. Dieses „zu“ schliesst dann wirklich ab, und darum geht’s doch in diesem Satz.

Mama hat mir drei Zettel hin gelegt.

hingelegt

Seufzend mache ich die Flimmerkiste aus, räume meinen Rucksack leer, fummle den vollen Müllsack aus dem Eimer, schnappe mir Einkaufszettel und dazu gehöriges Geld, ziehe mich wieder an und geh raus.

Die Wechsel zwischen kurzen und langen Sätzen – die immer sehr übersichtlich bleiben – machen den Text sehr lebendig, finde ich.

Nachdem der Abwasch gemacht ist, gehe ich zu ihr, bleibe ihr gegenüber gegen die Sessellehne gelehnt stehen,

Fällt wohl nicht jedem auf, ist aber unschön.

Das nächste Mal, dass sie herein kommt, bin ich schon eingeschlafen.

als


Fazit nach dem ersten Teil : Es geschieht nicht viel, aber macht nichts. Sehr langsam erzählt, ich werde mit den Figuren vertraut, mit der Erzählerin, ich schaue mich um und fühle mich wohl. Könnte der Anfang eines Romans sein.


ich soll ihr doch fix vor der Stunde was drauf schreiben

Ich glaube, ich würde „solle“ schreiben.

Und so gehen wir gemeinsam zur Bushaltestelle, warten gemeinsam, sind eine Zwei-Mann-Gruppe.

??

„Hier muss ich raus“, sage ich nach zehn Minuten Fahrt und stehe auf.
„Ich auch“, lacht sie und stellt sich neben mich an die Tür.

Hier fand ich den Text etwas zu langsam und diese Dialogstelle bietet sich an, weggekürzt zu werden.

Katja zuckt die Achseln und fängt an, von der Schule zu erzählen. Dass unsere langweilige Frau Schlosser in der vierten Stunde einen Witz gemacht hat, Sanne und Steffen sich getrennt haben, Sanne geheult und Steffen die Ariane zu lange angeguckt hat. Außerdem hatte der lange Helge ein blaues Auge, wollte aber nicht sagen, wo er es her hatte, und alle glauben zu wissen, dass Frau Kaiser schwanger ist.

Sehr schön !

Ich habe davon nichts mit bekommen

mitbekommen

Sie nickt mir mit dem Kopf zu [KOMMA] ihr zu folgen, steigt die Treppe hinauf und führt mich in ihr Zimmer.

Würde ich setzen. Bin gestolpert.

Ich muss ganz doll lachen.

Das macht die Chris in meinen Augen gleich drei Jahre jünger. Würde ich anders formulieren.

Und die kleine Malhexe hat drei Tage lang nicht mit mir geredet.

Ich denke, Katja würde einfach nur „Hexe“ sagen. Gefiele mir eh besser.

Fazit nach dem zweiten Teil. Tempo bleibt eher langsam, für mich ein bisschen zu langsam. Und vielleicht auch für Jugendliche, die das lesen werden, aber ich kann das nicht so gut einschätzen. Aber man fühlt sich wohl in deinem Text, fühlt sich wohl mit deiner Erzählerin. Da kann man es sich gut einrichten.


Er hat mir letzte Woche ein paar interessierte Blicke zugeworfen.

Würde ich streichen. Floskelhaft und eigentlich ja auch redundant.

Fazit zum dritten Teil. Die Oma ist sehr liebevoll gezeichnet, wie alle deine Figuren – das finde ich eine grosse Stärke des Textes. Dennoch war die mir einen Zacken zu normal. Sie muss ja keinen Joint rauchen oder fliegen können, aber der Leser will doch in einem solchen Text nicht die eigene Oma antreffen, nicht?
Das Ende dieses Teils dann Zack-Bumm. Super!

„Er soll psychische Probleme gehabt haben. Er hat sich umgebracht“

Vielleicht nur den zweiten Satz. Der erste klingt so erwachsen.

Ich hab es hin gehangen

hingehängt. Kommst du, wie ich, aus der Schweiz? Das würde so was erklären.

„Martaaa? Martaaaa, waaarum hat das sooo lange gedauert?“

Ich finde das einen guten Dialog. Aber dieses verzerrte, betrunkene Gestammel mochte ich schnell mal nicht mehr lesen. Mir persönlich reicht es, wenn ich weiss, dass jemand betrunken ist, und ich lese das dann entsprechend. So gleitet das m.E. ins Komödiantische ab, was ich schade fände.

So, und jetzt schon das Schlussfazit. Du, ich möchte schon noch erfahren, wie es weitergeht. Das ist doch das erste Kapitel eines Romans, nicht? :)
Durch die unprätentiöse und langsame Erzählweise erhält man so langsam einen Einblick in diese Familie(n), das ist "show, don't tell" auf einer sehr allgemeinen Ebene, das überzeugt, auch wenn das Tempo für mich an einigen Stellen ruhig etwas schneller hätte sein können. Liebevolle Figurenzeichnung, solide Sprache. Doch, das habe ich sehr gerne gelesen, hat mir gefallen.

Lieber Gruss
Peeperkorn

 

Hallöchen Zantje,

ich muss schon sagen, dein Text regt mich auf. Wirklich. Weil ich neidisch werde, wenn ich einen so guten Einstieg bei den Wortkriegern lese. Die Sprache ist sauber, die Charaktere interessieren mich, schon nach wenigen Sätzen hatte ich ein Bild von Chris und Katja vor Augen, und obwohl Alltagsgeschichten gewöhnlich überhaupt nicht meins sind, fand ich deine Geschichte von Anfang bis Ende spannend und berührend, wollte wissen, wies weitergeht (und will das ehrlich gesagt nach dem Ende der Geschichte immer noch). Kompliment, es ist eine wirklich gute Geschichte. :thumbsup:

Was das angeht, dass Katjas Geschwister ebenfalls alle K-Namen haben: das ist nicht ungewöhnlich und kann man ruhig so lassen (meine Neffen und meine Cousins haben zB alle M-Namen).

Und nach Lesen der anderen Kommentare bin ich wohl der Einzige, der bei Chris die ganze Zeit einen Jungen vor Augen hatte ... aber gut, wenn das nur einer von 20 Lesern so sieht, dann liegt das eindeutig an mir und nicht an der Geschichte :)

War mir wirklich ein Lesevergnügen, und ich freue mich drauf, in Zukunft noch mehr von dir zu lesen.

MfG
NerdLion

 
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Hallo @Peeperkorn,

das freut mich, dass du auf diesem Weg zu mir gefunden hast. Ich merke, dass mir das Lesen voellig anderer Texte viel Spass macht und mir jede Menge bringt!
Den Grossteil deiner Anmerkungen werde ich aendern. Ich fuerchte, die Oma wird so bleiben, wie sie ist. Deine Anmerkung zum Tempo finde ich sehr interessant. Da muss ich nochmal gezielt drueber gucken. Und nein, ich komme nicht aus der Schweiz und habe keine so gute Entschuldigung fuer meinen Konjugationsfehler.
Ich danke dir ganz doll fuers Lesen und Kommentieren. Ich wachse hier mit jeder einzelnen Kritik, wie mir scheint.

Liebe Grüße
Zantje


Hallo NerdLion,
danke fürs Lesen und Kommentieren und Loben. Es gibt aber keinen Grund, neidisch zu sein. Das ist das Beste, was ich bisher geschrieben habe und ich bezweifle, dass ich so schnell was Ähnliches fabrizieren könnte.
Und ich freu mich wie Bolle, dass Chris in deinem Kopf ein Junge war! Ich wollte das gerne soweit wie möglich offen lassen. Es liegt also nicht nur an dir!
Vielen Dank nochmal für die lieben Worte.

Liebe Grüße
Zantje


Hallo flammbert,

vielen Dank für deinen Kommi! Und noch jemand, der sich Chris als Jungen vorgestellt hat! Yes!
Freut mich sehr, dass es dir gefallen hat. Danke, dass du dir die Zeit genommen hast.

Liebe Grüße
Zantje

 

Hallo @Albatros,

danke, dass du dir die Zeit genommen hast. Und was für ein tolles Lob!
Vielen Dank.

Liebe Grüße
Zantje

 

Hallo Zantje,

auch ich mochte deinen Text sehr gerne. Ich fand die Figuren lebendig gezeichnet, das traurige Verhältnis zu ihrer Mutter, die keine wirkliche ist, und auch die Hoffnung, die mit dieser neuen Freundschaft verbunden ist.
Auf die Mutter von Chris war ich richtig wütend. Du beschreibst sehr überzeugend, wie sich die Rollen umgedreht haben, wie sie unter der Lieblosigkeit ihrer Mutter leidet und sie zugleich akzeptiert, gar nichts mehr von ihr erwartet. Auch wie ihr ihre Situation erst bewußt wird, als sie Katja kennenlernt. Ich erinnere mich noch gut an dieses Alter, in dem man mit Erstaunen feststellt, dass es in anderen Familien ganz anders zugeht und konnte mich selber an dieser Stelle eher mit Katja identifizieren.

Ihre Mutter scheint genau Bescheid zu wissen, lacht über Frau Schlosser, wundert sich über Helge, zweifelt an dem Gerücht über Frau Kaiser.
„Ich habe gerade das Gefühl, heute in der falschen Schule gewesen zu sein. Ich habe davon nichts mitbekommen“, meine ich kopfschüttelnd.

Das ist eine tolle Stelle. Niemand interessiert sich je wirklich dafür, was Chris erlebt und sie merkt es sich vielleicht auch deshalb nicht. Sie wird so wenig gesehen, dass sie selbst kaum etwas wahrnimmt. Du beschreibst sehr eindringlich, wie unterschiedlich die Wahrnehmung der beiden Mädchen ist und es ist auch schön zu lesen, wie sie voneinander fasziniert sind. Die Eine, die offen auf Menschen zugehen kann, die andere, die sich die ganze Zeit schützt.

„Kann ich mit zu dir kommen?“, fragt sie plötzlich.
Ich sehe auf die Uhr auf meinem Telefon. Es ist erst zwei. „Okay“, sage ich langsam.

Hier hätte ich mir noch etwas mehr Zögern gewünscht, vielleicht einen kleinen Schreck, zumal man das mit der Uhr auch erst später versteht.

Die Szene mit Martin finde ich auch sehr berührend. Das ist so ein Höhepunkt, wo der Schmerz, der vorher so mitschwingt, ihre Verlassenheit und auch das Verhalten der Mutter für mich am Schärfsten zu erkennen ist.

„Er war wirklich verzweifelt!“, unterbreche ich sie.
„Und was soll ich deswegen jetzt tun?“, fragt sie mich und wendet sich wieder ihrem Spiegelbild zu.
„Ich hatte Angst!“, sage ich schließlich.
Sie sieht mich prüfend an. „Jetzt übertreib mal nicht“, sagt sie und fängt an, sich die Zähne zu putzen.
Ich gebe auf, küsse sie auf die Wange und gehe ins Bett.

Es entsteht auch so eine Spannung, weil mich als Leserin an diesem Punkt nicht mit der Ich-Erzählerin identifizieren kann, weil ich wütend auf die Mutter bin.

Am Ende freue ich mich über die wachsende Freundschaft zwischen den beiden Mädchen. Und auch das Gedicht spiegelt die Geschichte noch einmal schön wieder. Wobei ich es ziemlich lang fand und etwas Mühe hatte mir vorzustellen, dass es neben all den anderen Sachen auch noch auf den Gips passen sollte.


Ich finde du hast das Zeug für Stories mit psychologischem Tiefgang. :) Und ich bin gespannt, was wir von dir hier noch lesen, Zantje.

Liebe Grüße von Chutney

 

Hallo @Chutney,

du hast mir mit deinem Kommentar eine ganz große Freude gemacht. In dem Text steckt wahnsinnig viel zwischen den Zeilen und ich freue mich, dass es bei dir angekommen ist. Dass der Text dich so mitnehmen konnte.
Vielen Dank fürs Lesen und deinen Kommi.

Liebe Grüße
Zantje

 

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