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21.02.2024
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Ich trabte die Straße entlang. Es war schon dunkel. So war mir die Stadt am liebsten. Die meisten Menschen waren in ihren Häusern. Das machte es einfach das leckere Futter aus ihren Mülltonnen zu holen.
An einem Gebüsch blieb ich stehen und schnüffelte. Es war mal wieder Zeit mein Revier zu markieren. Doch dann störte mich das Klack-Klack von hohen Schuhen auf dem Gehweg.
Ich schaute in die Richtung, aus der das Geräusch kam. Eine Frau kam langsam auf mich zu. Sie war noch einige Meter entfernt. Wahrscheinlich hatte sie mich noch nicht gesehen. Ich wollte schon hinter dem Gebüsch verschwinden, da erleuchtete eine Straßenlaterne das Gesicht der Frau. Sie hatte lange dunkle Haare, die ihr helles Gesicht einrahmten. Ihre Augen waren groß und funkelten wie kleine Edelsteine im Licht. Um ihre Lippen spielte ein kleines Lächeln. Woran sie wohl gerade dachte? Sie sah nett aus. Warm und fröhlich. Da bemerkte sie mich.
„Hey, na du? Wo kommst du denn her?“ Ihre Stimme war sanft und weich wie das Gras im Sommer. Sie war jetzt nur noch zwei Meter von mir entfernt, aber ich blieb wo ich war. Es war lange her, dass ich mich mit jemandem unterhalten hatte.
„Gehörst du jemandem?“ Sie sah sich um, als würde sie etwas suchen.
Ich schnaubte. Ich gehörte nur mir selbst! Langsam bückte sie sich, sodass wir fast auf Augenhöhe waren.
„Kein Halsband“, bemerkte sie.
Natürlich nicht, wollte ich ihr sagen. Diese Halsbänder sind unbequem und hässlich!
Sie sagte nichts mehr, sondern streckte mir ihre Hand entgegen. Ich wollte nicht näher ran gehen, schnüffelte aber in ihre Richtung. Sie roch nach Blumen und – wie merkwürdig – Hunden.
Da machte sie eine ruckartige Bewegung und ich erschrak. Ich sprang ein Stück von ihr weg. Sie richtete sich aber einfach wieder auf und ging weiter. Immer wieder drehte sie sich aber zu mir um. Ich schüttelte mich. Mir fiel wieder ein, dass ich zu meinem Unterschlupf zurück gehen wollte und eigentlich hundemüde war.

Die nächsten Tage blieb ich am Rand der Stadt. Ich jagte kleine Nagetiere und Insekten. Leider fand ich nicht viele. Für die Tierchen war es noch zu kalt draußen. Liebend gern wäre ich in die Stadt geschlichen, aber ich wollte den Menschen vorerst nicht wieder zu nahe kommen. So war es auch gut. Und sicher. Abends zog ich mich in einem verlassenen Haus zurück. Es hatte ein Loch in der Wand, welches ich als Ein- und Ausgang benutzte.
Ich kam gerade nach Hause, da blieb ich am Eingang abrupt stehen. Etwas war anders. Mein Rückenfell stellte sich auf. Langsam und vorsichtig setzte ich eine Pfote vor die andere und betrat mein Haus. In der Dunkelheit sah nichts anders aus. Alles war dort, wo es sein sollte: Der halb heruntergefallene Balken trennte den Raum in zwei Hälften; ein paar leere Kisten lagen verstreut herum; in der hintersten Ecke war mein Nest aus Stroh. Langsam ging ich darauf zu. Das Gefühl, dass etwas nicht stimmte, ließ mich nicht los. Ich schnüffelte in die Luft. Menschen. Sie waren hier. Aber der Geruch war schwach, sie mussten schon lange wieder weg sein. Ich machte noch einen Schritt. Sobald ich die Vorderpfote aufsetzte, klickte etwas und ich dachte die Decke fiele vor mir auf den Boden. Ich sprang erschrocken zurück und sah gerade noch, dass ein Netz auf mein Nest gefallen war, ehe ich mich umdrehte. Ich rannte los ohne zu sehen wohin. Plötzlich versperrte mir eine Wand den Weg. Auch links und rechts ging es nicht weiter. Etwas ratterte direkt hinter mir. Ich fuhr herum und starrte auf Gitterstäbe. Ich war in eine Kiste geraten und gefangen.
Es dauerte nicht lange bis sie kamen. Zuerst hörte ich nur ihre Schritte. Dann sah ich sie. Vier Gestalten. Wie große schwarze Schatten standen sie vor der Kiste. Ich kauerte auf dem Boden und legte die Ohren an. Einer von ihnen kniete sich vor die Gitterstäbe und leuchtete mich mit einer Lampe an. Ich musste die Augen zusammenkneifen und knurrte.
„Das muss er sein“, sagte die Gestalt mit einer tiefen, kalten Stimme. „Braunes Fell, weiße Pfoten und Schlappohren.“ Es musste ein Mann sein.
„Bringen wir ihn ins Tierheim“, sagte ein anderer.
Sie umzingelten mich und hoben mich mitsamt der Kiste hoch. Es wackelte und ich musste aufpassen nicht hin und her zu rutschen. Sie luden mich in ein Auto. Es hatte keine Fenster. Ich hörte die Türen zuschlagen und den Motor angehen.
Die Fahrt dauerte nicht lange. Nachdem das Auto angehalten hatte, hoben mich die Männer hinaus und trugen mich in ein Haus. Jedes Mal, wenn einer von ihnen mich ansah, knurrte ich.
Endlich stellten sie mich ab. Dann entfernten sie die Gitter von der Kiste. Sofort sprang ich hinaus, nur um nach wenigen Schritten wieder stehen zu bleiben. Von dem kleinen Käfig war ich in einen großen gelotst worden. In dem Raum war ich von vier weißen Wänden umgeben. Eine Tür mit einem vergitterten Fenster führte hinein. Ich verzog mich in die Ecke, die am weitesten von der Tür entfernt war, und rollte mich zusammen. Die Männer hatten die Tür zugemacht. Einer von ihnen stand noch davor und starrte mich durch das Fenster an. Ich knurrte.

Ich weiß nicht wie viele Tage vergingen. Ich verbrachte den ganzen Tag in meiner Ecke. Jeden Tag brachte einer der Männer Futter in den Käfig. Ich knurrte und legte die Ohren an. Ich wollte nicht, dass sie mir zu nahe kamen. Wenn ich allein war, fraß ich widerwillig das Futter. Es war trocken und schmeckte nach nichts. Selbst Würmer waren besser. Ich träumte vom Gras unter meinen Pfoten und dem Wind in meinem Fell. Doch jeden Tag erwachte ich auf einem harten Boden umgeben von Mauern.
Eine Stimme riss mich aus meinen Gedanken.
„Bist du sicher? Er wirkt wild auf mich. Er hat keinen von uns an sich ran gelassen.“ Es war einer der Männer, die mich gefangen hatten.
„Er hat nur Angst. Als ich ihn gesehen habe, wirkte er eher neugierig. Ich glaube, ich hätte ihn sogar anfassen können.“ Die Stimme kannte ich. Ich hatte sie schon fast vergessen. Und jetzt tauchte sie tatsächlich vor dem Fenster auf. Ihre warmen Augen schauten mich an. Sie öffnete die Tür und kam zu mir herein.
„Hallo, mein Junge.“ Ihre Stimme war ruhig und freundlich. Sie setzte sich neben der Tür auf den Boden und sah mir in die Augen. Ich schaute zurück.
„Keine Sorge, ich hol dich hier raus.“
Das ließ mich aufhorchen und ich hob den Kopf an. Würde sie das wirklich tun? Die ganze Zeit hielt sie mit mir Blickkontakt und ihre Stimme war zart und ruhig.
„Du kannst bei mir zu Hause wohnen. Ich habe einen großen Garten und noch drei andere Hunde, die auch mal Streuner waren, so wie du. Ich bin sicher ihr werdet schnell Freunde werden.“
Langsam entspannte ich mich.​

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @Eva Cat. Willkommen bei den Wortkriegern!

Typisches Framing: Aufgrund deines Avatars habe ich erst beim letzten Satz gemerkt, dass es sich bei deinem Ich-Erzähler um einen Hund handelt. :) Was für mich spricht, ist die Tatsache, dass streunende Katzen sehr viel häufiger sind, zumindest da, wo ich lebe. Okay, wenn ich es noch mal lese, traben, schnüffeln, Halsband, ist es eigentlich klar. Das hat mich aber nicht dazu gebracht, die Tierart zu wechseln. Ich bin halt auch ein Katzenfreund.
Die Herausforderungen bei solchen Geschichten sind recht gross, finde ich. Zum einen hast du natürlich stets das Problem der suspension of disbelief, du musst deine Leser:innen davon abhalten, sich zu fragen: Moment mal, ist dieses Tier tatsächlich in der Lage, so zu denken wie ein Mensch? In Comics funktioniert das gut, im Text ist das schwieriger, finde ich. Hier ist allenfalls auch zu überlegen, auf die Ich-Perspektive zu verzichten und die Geschichte aus einer personalen Perspektive zu erzählen. In Bezug auf deinen Text könntest du ausserdem die spezifische Wahrnehmung des Tiers vielleicht noch stärker einbeziehen. Ich fand es zum Beispiel gut, dass der Prota etwas mit warmem Gras im Sommer vergleicht. Weniger gut dann der Vergleich mit Edelsteinen, das ist doch nichts, was mit der Lebenswelt eines Hundes zu tun hat. Die zweite Schwierigkeit besteht in der Tatsache, dass Tiere nicht so viele innere Konflikte mit sich herumtragen (Ach, wie bin ich neidisch auf unsere Katzen!). Sie haben auch selten Ziele, die über Fressen und Schlafen an einem warmen und sicheren Ort hinausgehen. Das bedeutet, dass es schwierig ist, sie als Akteure zu etablieren, die eine spannende Geschichte tragen können. Das ist hier bei dieser Geschichte das Problem. Es handeln im Wesentlichen die Menschen, nicht der Protagonist. Vielleicht liesse sich das etwas entkräften, indem du mehr Innenleben zeigst, zum Beispiel, wie es sich anfühlt, hungrig durch die Strassen zu ziehen oder gefangen zu werden. Bisschen mehr Drama halt. Das verstärkt dann zwar das Problem Nummer eins, aber das hast du eh am Hals. Ganz grundsätzlich: Dein Prota handelt und hat Bedürfnisse wie ein Tier, denkt aber wie ein Mensch. Da könntest du in die eine oder andere Richtung gehen, es kann ja sehr spannend sein, die Menschen aus der Perspektive einer zum Beispiel philosophischen Katze zu beschreiben. Die hätte dann aber mehr Interessen und Handlungsmöglichkeiten als ein gewöhnliches Tier.

Lieber Gruss
Peeperkorn

 

Hallo @Eva Cat

Eine knuffige Tiergeschichte hast du da geschrieben und sie ist bestimmt ein Fund für Hundeliebhaber. Im Gegensatz zu @Peeperkorn war mir sofort klar: Das muss ein Hund sein.:) In einigen Passagen kann ich mir richtig bildlich vorstellen, wie sich der Hund verhält, das ist dir gut gelungen. Ich habe selbst mal für ein paar Jahre einen Schäferhund besessen und fühlte mich an diese Zeit zurückerinnert.

Die Vermenschlichung des Hundes ist allerdings eine Kröte, die der Leser erstmal schlucken muss. Klar kann man so was machen, aber es könnte sein, dass du dadurch schon Leser verlierst, die sagen: So ein Quatsch! Wieso kann der Hund denken? Hat der irgendwas genommen? Das will ich auch haben! Viel interessanter würde ich es finden, und hier haue ich in die Kerbe von meinem Vorredner, wenn du das realistischer darstellst. Natürlich ist das eine Herausforderung, aber wie das bei Herausforderungen so ist, meistens lohnt es sich. Es lohnt sich ein Blick auf die absoluten Klassiker „Wolfsblut“ und „Buck, der Schlittenhund“ von Jack London. Wie hat London das gelöst? Es ist zwar schon eine Weile her, dass ich die Bücher gelesen habe, aber ich meine mich zu erinnern, dass London aus einer übergeordneten Erzählerperspektive schreibt und da, wo es nötig ist, auf den Hund zoomt und dessen Sinneseindrücke, Gefühle und Reaktionen beschreibt. In der Beziehung hat ein Hund doch eine Menge zu bieten und der Autor kann aus dem Vollen schöpfen.
Dazu musst du natürlich raus aus der Ich-perspektive.
Schon als Übung würde ich es mal versuchen.

Hier noch ein paar Kleinigkeiten:

Doch dann störte mich das Klack-Klack von hohen Schuhen auf dem Gehweg.
Ich schaute in die Richtung, aus der das Geräusch kam. Eine Frau kam langsam auf mich zu.
Unschöne Wiederholung von "kam". Neugierig schaute ich in die Richtung und sah eine Frau langsam auf mich zu kommen.
Abends zog ich mich in einem verlassenen Haus zurück.
Wohin? in ein verlassenes Haus, nicht in einem ...
Langsam ging ich darauf zu.
Statt ein Adverb zu benutzen, besser gleich nach dem passenden Verb suchen: Ich schlich darauf zu.
Sobald ich die Vorderpfote aufsetzte, klickte etwas und ich dachte die Decke fiele vor mir auf den Boden.
Klingt für mich, als würde er die Vorderpfote wiederholt aufsetzen. In dem Moment, als ich die Vorderpfote ...

Zum Schluss streue ich noch eine Handvoll Kommas über deinem Text aus. Du musst sie nur noch finden. ;)

Grüße
Sturek

 

Hallo @Eva Cat ,

eine schöne Idee, aus der Perspektive des Hundes zu schreiben, das finde ich nicht so problematisch wie @Sturek.

Es ist ja immer schwer, sich in einen anderen (vielleicht sogar anderen Geschlechts, aus einer anderen Kultur ...) hineinzuversetzen, jedoch nicht unmöglicht. Und das gilt meiner Meinung nach so auch für Tiere, zumindest jene, die ein ähnlich aufgebautes Gehirn mit fast gleichen 'emotionalen' Hirnarealen haben. Soo weit sind die nicht von uns zweibeinigen Säugetieren weg. Auch deshalb gibt es das 'Mausmodell' in der Forschung.
Aber, da bin ich wieder bei ihm, das sollte man ein bisschen näher an deren Erlebniswelt rücken. Ob in 'Unten am Fluss' oder 'Glennkill', sogar beim Insekt Maja (Buch, nicht Fernsehserie!): Die Protagonisten sind zwar (irreal) eloquent, aber was sie wie wahrnehmen, könnte wirklich so sein und wird eben in Menschensprech übersetzt. Hier zum Beispiel:

Ich wollte schon hinter dem Gebüsch verschwinden, da erleuchtete eine Straßenlaterne das Gesicht der Frau. Sie hatte lange dunkle Haare, die ihr helles Gesicht einrahmten. Ihre Augen waren groß und funkelten wie kleine Edelsteine im Licht. Um ihre Lippen spielte ein kleines Lächeln. Woran sie wohl gerade dachte? Sie sah nett aus. Warm und fröhlich.
Für einen Hund sind die Augen untergeordnet, er stellt Sympathie oder Antipathie eher über seinen Geruchssinn her. Er verschwindet dann vermutlich ins Gebüsch und zögert nicht, um etwas anzuschauen. Weil er auch von da aus hören (zweitwichtigster Sinn) und schnuppern kann.Übersetzte Gedanken wären auch eher: "Was hat sie vor? Hat sie was zu fressen dabei? Will sie mir was tun?" Und nicht "Woran sie wohl denkt?" Und wie @Sturek schon schreibt, Edelsteine sind in seiner Welt nicht von besonderem Wert.

Das machte es einfach das leckere Futter aus ihren Mülltonnen zu holen.
einfach - Komma - das
Sie hatte lange dunkle Haare, die ihr helles Gesicht einrahmten.
lange, dunkle
Die beiden Kommas mal für den Einstieg ;-).

Irgendwie fehlt mir auch noch etwas Spannung in der Geschichte, ein Zusammenhang zwischen der Fangaktion und dem neuen Frauchen vielleicht (hoffen wir mal, dass sie bei so vielen Hunden nicht Animal Hoarding betreibt).

War schöne zu lesen,
Grüße Eva

 

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