Hallo zusammen!
@ Dion
Das verstehe ich nicht: Wovor soll sich der Autor schützen?
Vor der Reaktion der anderen. Davon ausgehend, dass er seine Geschichte tatsächlich ohne Kompromisse schreibt und veröffentlicht, muss er mit Reaktionen rechnen, die auch routinierte Autoren und Kritikempfänger belasten können.
Was ich damit also nur meinte war, dass der Autor sich (natürlich je nachdem, was er schreibt) gegen teilweise barsche Kritik schützen sollte.
Nicht Schlimmes? Viele, wenn nicht sogar sehr viele, sehen das ganz anders – deswegen gibt es extra einen Paragraphen im Strafgesetzbuch.
lol, naja, ich hab mich mit der Aussage nun nicht direkt auf das geltende Recht bezogen.:-) Pornographie an sich ist meiner Meinung nach nicht verwerflich, das ist aber etwas, was jeder mit sich selbst ausmachen muss. Womit ich ein Problem habe, ist, wenn Pornographie ungefragt an einen herangetragen wird. Und das passiert leider viel zu selbstverständlich.
Macht das geltende Recht eigentlich einen Unterschied zwischen Porno und Erotik?:-)
Na, du scheinst einer der wenigen zu sein, die ganz klar und leicht zwischen Erotik und Pornografie unterscheiden können. Könntest du mir bitte ein paar Kriterien nennen, nach denen du entscheidest?
Na, ich bilde mir nicht ein, das allgemeingültig formulieren zu können. Die Grenze muss da jeder für sich ziehen.
Aber für mich beginnt Erotik eigentlich an der Stelle, an der Du einen Teil Deiner Kritik angebracht hast.
Warum schreibe ich einen literarischen Text? Weil ich etwas zu sagen oder zu erzählen habe. Der Unterschied zum Sachbuch ist der, dass ich eben nicht lediglich Fakten herunterschreibe...ich versuche den Menschen zu berühren, nicht nur seinen Verstand zu bedienen, sondern auch seine Emotionalität.
Dazu bediene ich mich einer der Geschichte angemessenen Sprache, konstruiere Sachverhalte, die der Leser dank seiner Phantasie nachvollziehen und verfolgen kann. Dazu gehört für mich aber auch, den Schleier des Alltäglichen beiseite zu schieben und die Möglichkeit einer nachvollziehbaren Tiefgründigkeit dahinter einzuräumen.
Dazu gehört für mich dann natürlich auch Sex. Den Sexualakt lediglich detailliert zu beschreiben, passt dann aber nicht in das o.g. Schema. Um diesem zu genügen, müsste ich also, wenn ich die Sexszene einbaue, es tun, um etwas damit auszudrücken oder zu symbolisieren.
Nachvollziehbar wird das Ganze, wenn eine Sexszene benutzt wird, um zu zeigen, wie ein Mann seiner Frau bspw. Gewalt antut. Mit einem solchen Bild fällt es verhältnismäßig leicht, die Brisanz der Situation zu verdeutlichen. Man hat schnell einen Eindruck von der gewaltsamen Unterdrückung der Frau, von der Skrupellosigkeit des Mannes. Jedes Detail des Sexualaktes kann diesen, für den Leser (hoffentlich) unangenehmen Eindruck, verstärken. Natürlich hat das nichts mehr mit Erotik zu tun, aber für die Gedanken, die wir hier austauschen, halte ich das Beispiel für relevant.
Schwierig wird es aber, wenn ich eine Sexszene benutzen möchte, um die aufrichtige Liebe zweier Menschen zueinander zu verdeutlichen. Erstens muss man fragen, wofür eine Sexszene in dieser Sache überhaupt relevant ist. Hat man sich aber dafür entschieden, kommen andere Probleme auf einen zu.
Der mit Liebe assoziierte Sexualakt impliziert eine gewisse Länge, das beiderseitige Genießen der Nähe zum jeweils anderen, die Abgrenzung zum Sex aus purer Lust, all das braucht Zeit.
Man muss ein gutes Timing haben und obendrein dafür Sorgen, dass diese Passage keine Längen hat. Nichts kann so langweilig in geschriebener Form sein, wie ein in die Länge gezogener Beischlaf. Ich lese ja auch keine Bedienungsanleitungen aus purem Vergnügen.;-D
Das heißt aber, man muss eine solche Passage durchgängig so berührend schreiben, dass der Leser davon gefesselt wird.
Und dann kommt dazu auch noch die Schwierigkeit der Formulierung, denn eine unglückliche Formulierung reicht, um diese Einstimmung auf den Text sofort zu zerschlagen. Ich glaube, das ist vergleichbar mit einem hauchdünnen Spannungsbogen, den es sehr leicht zerreissen kann.
Ähnliches gilt auch bei allen Sexszenen, mit denen man etwas anderes verdeutlichen möchte, ohne dass es um Liebe geht. Da hüpfen Mann und Frau in die Kiste, weil sie trauern, verzweifelt sind, glauben, einander zu lieben aber herausfinden, dass dem nicht so ist, weil sie beide grad geil sind oder was auch immer. Für die Geschichte kann in all diesen Fällen interessant sein, dass die beiden miteinander schlafen und was sie dabei oder danach empfinden.
Es stellt sich also auch hier immer die Frage der Relevanz der expliziten Darstellung des Sexualaktes und ob es sich lohnt, die damit verbundenen Risiken (Timing, Länge, Formulierungen usw.) einzugehen.
Ich glaube, dass das, was ich oben schrieb, für viele Leute eine grundlegende Erwartungshaltung ist. Effekthascherei durch Sexszenen ist, meines Erachtens nach, zurecht verpöhnt. Man braucht es nicht und will offenkundig nur etwas damit erreichen, was mit der eigentlichen Geschichte überhaupt nichts zu tun hat. Und das ist ärgerlich, weil dadurch eine evtl. gute Geschichte verwässert und respektlos behandelt wird.
Das oben geschriebene vorausgesetzt, unterscheide ich zwischen Pornographie und Erotik wie folgt:
Pornographie hat als einzige Intention das Lustgefühl des Menschen anzusprechen. Pornographie soll geil machen, soll sexuelle Phantasien hervorrufen und in den Wunsch gipfeln, selbst aktiv tätig zu werden.:-)
Bei der Erotik spielt natürlich auch die Lust eine Rolle. Sex ohne Lust kann nicht funktionieren. Das Entscheidende ist aber, dass Sex nicht nur auf Lust reduziert wird. Demnach ist die Intention des erotischen Textes nicht, den Leser geil zu machen (das kommt dann schon ganz von selbst;-)), sondern den Blick auf das zu richten, was die für die meisten Leser nachvollziehbare Handlung zu etwas Besonderem macht.
Also diese Zwangsläufigkeit möchte ich bezweifeln, denn das würde bedeuten, dass man authentisch nur noch über Dinge schreiben könnte, die man selbst erlebt hat. Bedenke, was dies für die Krimizunft bedeutete: erst morden, dann darüber schreiben.
Nene, so meinte ich das nicht:-)
Was ich meinte war, dass man als Leser bei Sexszenen immer davon ausgeht, dass der Autor auf seine eigene Erfahrung zurückgreift.
All die Dinge, in denen wir eigene Erfahrungen gesammelt haben, drängen sich ja nahezu auf, wenn es darum geht, aus dem Nichts heraus einen literarischen Text zu erschaffen. Wenn wir keine eigenen Erfahrungen haben, nehmen wir auch gerne die Erfahrungen anderer, recherchieren, interviewen usw.
Bei einem Mord, da ist das ganz einfach, weil da die meisten Leser keine eigenen Erfahrungen haben, die sie als Referenz heranziehen können. Je mehr Erfahrung ein Leser jedoch in bestimmten Dingen hat, desto kritischer wird er den Text aufnehmen.
Aber auch hier nimmt Sexualität eine Sonderstellung ein, weil es hier nicht DEN einen Erfahrungsschatz gibt, sondern das eigene Erleben Teil der eigenen Intimität ist.
Wenn also jemand explizite sexuelle Inhalte veröffentlicht, dann muss er sich seiner selbst sehr sicher sein oder fahrlässig handeln, weil er im Falle einer "Falschdarstellung" mit einem entsprechenden Feedback zu rechnen hätte.
Ein Autor muss also schon in gewisser Weise mutig sein, weil das Beschreiben des Sexualaktes in der Regel mit dem Abrufen eigener, persönlicher Erfahrungen gleichgesetzt wird. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass man als Autor gerade bei dem Thema nicht auf eigene Erfahrungen zurückgreift.
Dass die Darstellung des Sexualakts etwas Bedeutsames ist, sagt diese Gesellschaft. Es gibt aber sicher auch andere bedeutsame Dinge – allerdings weiß ich nicht, welche davon du als „unheilig“ betrachtest.
Als unheilig bezeichne ich im Diskusssionszusammenhang das, was Menschen einander antun können, wohinter sich allerdings ebenfalls erklärbare Umstände und einfache Handlungen verbergen. Ich habe den Begriff gewählt, um eine Abgrenzung zu Deinem Standpunkt, Sex würde zu etwas Heiligem hochstilisiert, abzugrenzen.
Wir glauben, wenn ein Mensch einen anderen mißhandelt, mißbraucht, foltert, ermordet usw. dann ist das im negativen Sinne etwas Besonderes.
Dabei ist es alltäglich, passiert in jedem Augenblick auf der Welt und ist medizinisch und verhaltensbiologisch nachvollziehbar. Aber das allein reicht uns nicht. Wir möchten glauben, dass es etwas Besonderes ist, wenn ein Mensch von einem Moment auf den anderen gewaltsam zu Tode kommt...dass alles, was sein Leben ausgemacht hat, bedeutsam war...dass es erschreckend ist.
Ich verstehe nicht, was du damit – im Zusammenhang mit der Fragestellung - sagen willst.
Ich hatte Deine Bemerkung, Sexualität würde als etwas Heiliges dargestellt werden, ja als kritische Bemerkung und nicht als einfache Feststellung aufgenommen.
Ich sehe einen Trend, Dinge, die die Allgemeinheit als etwas Besonderes erachtet, zu banalisieren. Deine Äußerung hatte ich zum Anlass genommen, mich darüber auszulassen.
Dabei unterscheide ich aber zwischen einem geschickt eingesetzten Stilmittel und der puren Effektheischerei. Manche wollen einfach nur provozieren, ohne wirklich etwas zu sagen zu haben. Das missfällt mir, mehr wollte ich nicht sagen.:-)
Ich fürchte, du bringst mit Grenzenlosigkeit und Freiheitslosigkeit was durcheinander. Warum muss es Grenzen – in diesem Zusammenhang – geben? Reinhard May hat mal gesungen: Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein ...
In diesem Zusammenhang muss es, wie in allen Bereichen, Grenzen geben. Grenzen sind Orientierungs- und Ankerpunkte für die Menschen.
Der Mensch braucht Konstanten in seinem Leben, wenn er die nicht hat, herrscht einfach nur Chaos.
Werte und Moralvorstellungen sind zum Beispiel gesellschaftliche Orientierungspunkte. Ohne diese verbindenden Elemente, wäre ein gesellschaftliches Zusammenleben kaum möglich.
Deswegen reagieren viele Menschen auch (zurecht) allergisch auf zu schnelle und abrupte Umbrüche. Veränderungen müssen entweder langsam und nachvollzihebar erfolgen oder ihnen muss ein derartiger Spannungsbogen vorausgegangen sein, dass das Gros der Menschen für einen kurzfristigen Umbruch bereit ist.
Die freizügige Darstellung von Sexualität ist ein solcher Bereich, in dem momentan viel Unsicherheit herrscht. Galt vor ein paar Jahrzehnten Sexualität noch als etwas, worüber man nicht sprach und was man im heimischen Schlafzimmer miteinander teilte, folgte daraufhin eine Zeit der sexuellen Freizügigkeit. Das Problem ist jedoch, dass diese Entwicklung eine Art Begleiterscheinung andersartiger gesellschaftlicher Probleme und Umwälzungen war/ist und es sich nicht um eine gesamtgesellschaftliche Entwicklung handelt.
Das heißt, dass beim Thema "Freizügiger Umgang mit Sexualität" nachwievor keine Orientierung vorhanden ist. Und das macht vielen Menschen Schwierigkeiten, auch solchen, bei denen man einen anderen Eindruck hat auf dem ersten Blick.
Schönes Bild. Das aber leider nicht funktioniert bzw. von falschen Voraussetzungen ausgeht: Das Gehen auf zwei Beinen ist dauerndes Fallen, das jedoch mit dem jeweils voranschreitenden Bein aufgefangen wird – entgegen deiner Annahme verhindert das voranschreitende Bein, dass wir auf die Schnauze fallen.
Du hast natürlich Recht. Andernfalls wäre es unmöglich, auf einem Bein hüpfend, nach vorne zu kommen. Ich gehe aber davon aus, dass Du trotzdem nachvollziehen konntest, was ich mit dem spontan zusammengezimmerten Bild ausdrücken wollte.
Nebenbei ist es nicht erstrebenswert, ein Bein amputieren zu lassen, nur weil es einen beim Vorwärtskommen aufhält.;-P
Das verstehe ich nicht: Warum sind Grenzen und Tabus – in dieser Fragestellung – notwendig?
Notwendig sind sie nicht, aber wenn man eine Frage stellt, wie Du sie stellst, kommt man, glaube ich, nicht umhin, diese Dinge mit zu berücksichtigen.
Ich habe bereits gesagt, dass "Show, don't tell" ohne Einschränkung auch für Sexszenen gelten kann. Wenn man einen Text in all seiner Konsequenz schreiben möchte, dann ist das vielleicht auch unabdingbar.
Das ist eine künstlerische Gesetzmäßigkeit, meiner Meinung nach. Als solche ist sie aber nicht für jeden nachvollziehbar. Wir müssen also unterscheiden zwischen dem Anspruch an uns selbst und an den Text und dem, was wir von der "Außenwelt" erwarten dürfen.
Du meinst damit, gäbe es viele Grenzgänger, die bereit wären, für ihre Grenzübertretungen in irgendwelcher Art zu bezahlen, würde die Grenze einmal obsolet bzw. woanders verschoben werden?
Ja, in gewisser Weise schon. Das wäre diese langsame Grenzverschiebung, von der ich oben sprach. Bezahlen muss man im schlimmsten Falle in Form von Ausgrenzung, Anfeindungen usw.
Das hängt mit den Selbstschutzmechanismen einer Gruppe/Gemeinschaft/Gesellschaft zusammen. So unschön das im individuellen Fall auch ist, so ist dieser Selbstschutz doch maßgeblich dafür verantwortlich, dass eine solche Gemeinschaft überhaupt funktioniert.
Dabei ist es nichtmal wichtig, wieviele Grenzgänger es gibt, es kommt auf die Wirkung dessen an, was sie verbreiten.
Und ja, danach ergeben sich neue Grenzen, weil es ohne überhaupt nicht gehen kann. Eine Grenze, die wir bspw. haben, wenn wir über Sex reden, ist Sex mit Minderjährigen und Kindern. Auch diese Grenze ist nicht selbstverständlich, wenn wir einen Blick in die Geschichte werfen. Aber diese Grenze umzuwerfen, käme keinem von uns in den Sinn.
Auch die Formen der sog. Knabenliebe, die wir aus der Antike und dem feudalen Japan kennen, befinden sich für uns hinter einer solchen Grenze.
Du siehst also, es gibt immer Grenzen in irgendeiner Form. Welche Grenzen es gibt und wie diese ausgeprägt sind, das ist Bestandteil einer gesellschaftlichen Dynamik.
Übrigens: Wenn ein System sich gegen jedwede Form der Veränderung sperrt, dann entsteht die von mir oben beschriebene Spannung, die sich ab einem gewissen Punkt entladen muss und kurzfristige Veränderung von Grenzen mit sich bringt.
Plastisch vorstellen kann man sich das, wenn man 20 Jahre zurückdenkt, als eine Grenze wortwörtlich umgewälzt und plattgemacht wurde. Auch der Situation in der ehemaligen DDR ging ein Zustand voraus, in dem sich eine zunehmende Spannung entladen musste. Zum Glück, verlief diese Entladung zur Abwechslung mal friedlich.
Ja, ich weiß, ich schweife gerne ab, das macht es schwer mir zu folgen. Ich entschuldige mich dafür. Aber da kannst Du mal sehen, was passiert, wenn man seinen eigenen Gedanken keine Grenzen auferlegt.;-)
Auf bald!
Theryn