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Graues Ende

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04.02.2003
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Graues Ende

Alles war so schnell gegangen. Nicht mal eine halbe Stunde hatte es gedauert und ihre 10-Jährige Beziehung war beendet.
Jetzt saß Carla schon eine Stunde zu Hause und weinte. Sie hatte es so gewollt, hatte ihm gesagt, sie wäre nicht mehr glücklich. Immer wieder durchlebte sie den Moment, als sie ihm ihre Entscheidung mitgeteilt hatte. Seine Reaktion war genau die gewesen, die sie erwartet hatte.
„Dann geh doch.“
Sein Gesicht strafte seine gleichgültig klingenden Worte Lügen. Er war verletzt. Oder war es nur einfach gekränkte Eitelkeit? Warum hatte er nicht einmal versucht sie aufzuhalten?
Es war richtig so. Sie wusste, dass ihre Entscheidung die richtige war. All die Jahre, in denen sie diejenige gewesen war, die um die Beziehung gekämpft hatte. Wie oft hatte sie vor Verzweiflung und Wut geheult. Noch immer schmerzte sie der Gedanke daran, wie oft er sie verletzt hatte – mit Worten und den Dingen, die er eben nicht getan hatte.
Ihr Kopf und ihr Herz sagten ihr, dass sie glücklich sein würde in der Zukunft. Sie hatte keine Ahnung, woher diese Gewissheit kam, aber sie vertraute ihrem Gefühl, ihrem Verstand.
Dennoch hatte sich in ihrem Kopf ein Nebel ausgebreitet, der sich um all die Gedanken legte, die ihr Hoffnung geben sollten. Der dumpfe Schmerz des Verlustes drückte auf ihrer Seele. Wenn sie daran dachte, dass er sie nie wieder sehen wollte, war es, als griff eine große Hand nach ihrem Herzen und fing an es zu zerquetschen.
Wieder fing Carla an zu schluchzen. Sie hatte ihm nie weh tun wollen, sie hatte nur einfach keine Kraft mehr zu kämpfen. Warum fühlte sie sich so schuldig? Hatte sie ihm nicht genügend Chancen gegeben?
Aber hatte nicht auch sie ein Recht darauf glücklich zu sein? Alles, was sie gewollt hatte, war ein wenig Zuneigung, sehen, dass sie ihm wichtig war, er sie liebte. War das wirklich zu viel verlangt?
Um sie herum war es grau, sie fühlte grau. Da war keine Freude, „frei“ zu sein. Einfach nur grau – überall.
Wenn doch ihre Entscheidung richtig war, warum tat es dann so weh?

 

Hallo die-magd,

dein kurzer Text hat mir gut gefallen. Du beschreibst sehr schön die zwiespaltigen Gefühle der jungen Frau, die ihre langjährige Beziehung beendet hat, aber noch lange nicht damit abgeschlossen hat. Auf mich wirkt es so, als ob sie sich vor sich selbst zu rechtfertigen versucht, dass sie Schluss gemacht hat. Sie versucht Gründe zu finden, dass es so besser für sie ist.

Zwei Kleinigkeiten noch:
„Dann geh doch.“
Hier würde ich ein Ausrufezeichen setzen. Ist ausdruckskräftiger.

All die Jahre, in denen sie die jenige gewesen war, die um die Beziehung gekämpft hatte.
Diejenige wird meiner Ansicht nach zusammengeschrieben.

LG
Blanca :)

 

Hi die-Magd!

Trotz der Kürze ist deine Geschichte ziemlich gut. Diese kurzen Geschichten mag ich eigentlich nicht so, weil sie meistens realtiv aussagelos sind (gibt es dieses Wort eigentlich? Aussagelos? Naja...)
Und auch deine Geschichte hier ist eigentlich nur die x-te Nacherzählung einer sehr bekannten Grundidee.
Du machst das aber stilistisch und sprachlich sehr gelungen. Nur leider werde ich diese Geschichte schon wenige Minuten später wieder vergessen haben. Das liegt aber nicht daran, dass sie schlecht geschrieben ist, sondern daran, dass sie nichts Neues bietet. War aber nicht deine Absicht, oder?
Ich hoffe, du verstehst, was ich ausdrücken will.

In diesem Sinne
c

 

Hallo Ihr zwei,

schön, wenn meine Geschichte trotz der Kürze relativ gut ankam. Im Grunde ist es eine Momentaufnahme. Der Augenblick kurz nachdem eine langjährige Beziehung beendet wurde, die Gefühle danach.

@ Blanca
Ja, natürlich versucht sie sich vor sich selber zu rechtfertigen, denn egal wie richtig eine Entscheidung ist, es gibt Menschen, die sich trotzdem schuldig fühlen.
Das Ausrufezeichen an der von Dir gewünschten Stelle, werde ich nicht setzen, dafür das Wort "gleichgültig" einbauen, denn so klingt seine Antwort.

@ Chazar
Sicher hast Du recht, wenn Du schreibst, dass das Thema nicht neu ist. (Aber es musste eben mal raus... ;) )
Meiner Meinung nach hätte aber auch ein Ausbau der Geschichte (in die Länge) daran nichts geändert, denn das Thema ist nun einmal vielfach bearbeitet worden und wird es weiter werden. Somit würdest Du vermutlich auch eine längere Geschichte schnell vergessen. ;)
Und richtig, ich wollte hiermit nicht das Rad neu erfinden, sondern ein wenig auf die Zwiespaltigkeit der Gefühle bei einer Trennung nach so langer Zeit hinweisen.

Ich danke fürs Lesen und freue mich, wenn ich sprachlich und stilistisch "Spaß mache" :)

Liebe Grüße
Bea

 

Hallo die-Magd,


Mir hat Deine Geschichte auch gut gefallen. Ich denke, genauso können die Gefühle einer Frau in solcher Situation sein. Es ist wie bei jeder Entscheidung, die schwerwiegende Veränderungen im Leben nach sich zieht: Was man hatte, kannte man, es machte nicht glücklich, das hat man in langer Zeit herausgefunden. Was man bekommen wird, weiß man noch nicht, die "Vorteile", das Wissen, dass es besser zum eigenen Leben und Wesen passt, wenn man nicht länger in der beengenden Situation verharrt, hat man ja noch nicht, daher die Angst, dass es ein Fehler sein könnte.
Dann auch die Erwartung, dass es nun plötzlich ganz anders und besser sein müsse, da die Entscheidung sich ja richtig anfühlt. Keine Ahnung, woher das kommt, dass man immer erwartet, alles würde leicht sein.
Ich denke, er hat - wenn überhaupt noch mal - JETZT seine Chance. Sie hat eine Veränderung im Status der Beziehung eingeführt. Sie hat gezeigt, dass sie es, so wie es war, nicht mehr ertragen konnte. Keine Ahnung, wieviele Chancen er verpasst hat, wie deutlich sie ihm gezeigt hat, was sie sich wünscht. Vielleicht haben sie auch nie geredet in ihrer Beziehung. Vielleicht hat sie ihm auch nicht genug Chancen gegeben, in dem sie es ihm zeigte, was sie sich wünschte. Möglicherweise ist es jetzt auch zu spät, sie will ihn selbst dann nicht mehr, wenn er sich nun anders zeigte (vermutlich, weil klar ist, dass sich niemand über Nacht so gravierend ändern wird).
Später wird sie wissen, warum sie die Entscheidung fällen musste, warum es besser für sie war.
Da sie in der Beziehung immer alles "getan" zu haben scheint und er immer nur hinnahm (kommt mir so vor), hat sie nun auch die Entscheidung zur Trennung gefällt, sie hat gehandelt. Vermutlich daher die Schuldgefühle.
Der Passive steht ja immer als der da, mit dem was gemacht wurde **, der kann sich unschuldig geben. Wenn er wirklich die Haltung "Dann geh doch." vertritt, dann wird es höchste Zeit, dass sie es tut. Es sieht dann auch wirklich so aus, dass er die Beziehung nur noch hinnahm und sie längst nicht mehr bestünde, wenn sie nicht so viel getan hätte.

"grau" passt sehr gut, finde ich. Noch ist nicht positiv oder negativ erkennbar. Sie fühlt sich "grau", da es noch nicht klar ist, dass es richtig war, interpretier ich jetzt mal.

(** interessanterweise ist das manchmal bei Sachen wie Vergewaltigung ganz anders ausgelegt, da wird sehr wohl mit der Prämisse herumhantiert, dass die Frau zum Handeln provozieren wollte. In Fällen, wie Du in Deiner Geschichte schilderst, ist der Verlasser meist der Böse, obwohl der andere eigentlich durch Passivität und Gleichgültigkeit in der Beziehung diesen gerade zum Verlassen "getrieben" hat. (Soll jetzt nicht heißen, dass es immer so ist, allgemein gültig ist und überhaupt, dass Beziehungen so einfach sind.))

 

Hallo Vio,
das hast Du aber schön geschrieben. :)
Du hast die Geschichte in jedem Punkt so verstanden, wie sie gemeint war. Auch die Sache mit dem Grau - es ist diese Leere in ihr, der noch nicht aufgezeigte Weg, die ungewisse Zukunft.

Danke. :)

Bea

 

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