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Hallo und Lebwohl

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02.01.2002
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Hallo und Lebwohl

Noch bevor die Frauenärztin ihren Mund öffnete, wusste Anja bereits Bescheid.

"Ich bin wirklich schwanger, ja?"

Die Ärztin seufzte.

"Normalerweise gratuliere ich meinen Patientinnen bei dieser Nachricht. Bei Ihnen jedoch ..." Sie zögerte. "Sie gehen noch zur Schule?", fragte sie dann.
Anja nickte. "Zwölfte Klasse", hauchte sie. Im Blick der Ärztin lag Mitgefühl.
"Ist der Vater informiert?"
Das Mädchen verneinte.
"Wir haben uns vor kurzem getrennt." Ihre Lippen begannen zu beben. Mit erstickter Stimme sprach sie weiter. "Er ... er ahnt nichts davon, ich muss es ihm noch sagen."
"Was ist mit Ihren Eltern?"
Anja schluckte. "Die ... die sollen erstmal nichts davon erfahren", flüsterte sie.

Die Gynäkologin seufzte abermals.

"Ich gebe Ihnen diese Info-Materialien mit. Bitte lesen Sie sie aufmerksam durch. Dort finden Sie auch weitere Adressen und Anlaufstellen. Wenn Sie Fragen haben oder wissen ob Sie abtreiben lassen wollen oder nicht, rufen Sie mich an und machen Sie einen Termin aus." Erstmals in dieser Sitzung lächelte sie. "Ich wünsche Ihnen alles Gute."

*

Noch eine Minute
Das ist schon das fünfte Mal, dass ich mir das denke, dachte Anja verdrossen. Mehrmals bereits hatte sie den Finger zum Klingelknopf erhoben, doch jedes Mal hatte sie kurz vor der Berührung der Mut verlassen.
Vielleicht ist Florian sowieso nicht da. Klingel einfach und wenn er nicht aufmacht gehst du sofort wieder.

"Okay, das mache ich", sagte Anja zu sich selbst. Aber ihr Finger rührte sich nicht.

"Kann ich Ihnen helfen, junge Frau?"

Die unangenehme Stimme ließ das Mädchen zusammenfahren.

"Neinein, ich muss hier nur mal eben rein", stotterte sie mit hochrotem Kopf, als sie endlich auf die Klingel drückte. Der alte Mann hinter dem Nachbarzaun beobachtete sie noch kurz und zog sich dann wieder in sein Haus zurück.
Anjas Herz klopfte zum Zerspringen. Worauf sollte sie hoffen - dass Florian nicht zuhause war? Aber um eine Aussprache kam sie dadurch nicht herum. Sie musste mit ihm reden, er musste erfahren was geschehen war, er musste...-
Die Tür öffnete sich.

"Anja ..." Der Junge räusperte sich.

Ja, ich. Enttäuscht, wie?
Laut sagte das Mädchen jedoch: "Hi Flori ... Florian. Tut mir Leid, dass ich so vorbeischneie, aber ich muss dich mal kurz sprechen."

Florian runzelte die Stirn.

"Das kommt etwas überraschend jetzt", antwortete er gedehnt.
Anja blickte ihm geradewegs in die Augen.
"Bitte."

Florian zuckte die Achseln.
"Na schön. Komm rein."

*

Florian goss zwei Gläser Saft ein.

"Jetzt sag aber mal, was los ist", forderte er. Während er trank, schaute er auf seine Armbanduhr. Das Mädchen atmete tief durch.

"Es ist etwas passiert, worüber ich mit dir sprechen muss, es ... " Anja wurde schwindelig. Die Küche, der Stuhl, alles schien sich zu drehen.
"Ich bin schwanger!", presste sie schließlich hervor.

Florian verschluckte sich und hustete. Er starrte das Mädchen an.
"Du bist was?"

"Ich bin schwanger", wiederholte Anja mit leiser, aber fester Stimme. "Von dir", ergänzte sie hastig.

Ein paar Sekunden lang rührte Florian sich nicht. Dann jedoch sprang er auf und tigerte in der Küche umher. Immer wieder schüttelte er den Kopf und fixierte dabei den Boden. Seine Finger krampften sich ineinander. Anja schwieg und wartete. Endlich stoppte Florian. Er verharrte einen Moment lang vor dem Fenster und drehte sich dann zu dem Mädchen um.
"Wann hast du es erfahren?"

"Ich war erst gestern bei der Ärztin. Sie hat meinen Test von Montag bestätigt." Sie machte eine kurze Pause. "Meine Eltern wissen noch nichts."

Beide schwiegen. In Florians Kopf schien es zu arbeiteten.

"Anja", begann er dann. Seine Stimme klang seltsam dunkel. Er setzte an um weiterzusprechen und brach ab. Florian schloss seine Augen und holte Luft.
"Anja, wir müssen darüber sprechen, was wir jetzt machen."

Dem Mädchen lief ein Schauer über den Rücken.

"Was wir jetzt machen?", wiederholte sie tonlos. Florian nickte. "Anja, wir wissen beide, was für eine verdammt bescheuerte Lage das ist. Schlimmer könnte es gar nicht kommen! - Am besten ist, du machst schnell wieder einen Termin mit der Frauenärztin aus. Wenn du möchtest, dann ..." Er kämpfte mit sich. "... dann komme ich mit."

*

Als Anja aus Florians Garten trat, wirbelten ihre Gedanken umher. Was hatte sie sich von ihrem Ex-Freund erwartet? Dass er sie freudestrahlend in den Arm nehmen und Kinderlieder mit ihr singen würde? Sie schluchzte. Wie konnte sie nur so etwas denken, wo sie doch selbst keine Sekunde daran geglaubt hatte, das Kind zu kriegen?
Sie beschleunigte ihren Schritt.

*

Wenn der männliche Samen auf die Eizelle trifft und beide miteinander verschmelzen, entsteht die erste Zelle Ihres Babys: die Zygote. Sie enthält bereits alle Anlagen Ihres Kindes: die Augenfarbe, die Länge der Nase, die Größe der Füße und das Geschlecht!

Anja blätterte durch den Schwangerschaftskalender, den ihr die Ärztin mitgegeben hatte. Die meisten Informationen kannte sie natürlich schon aus dem Biologieunterricht, aber sie hielt es trotzdem für ihre Pflicht, die Seiten wenigstens einmal überflogen zu haben.

In der sechsten Woche ist Ihr Baby ungefähr sechs Millimeter groß und hat das Aussehen einer kleinen Bohne. Sein Wachstum ist rasant: Innerhalb einer Woche verdoppelt es seine Größe. Wesentliche Organe entwickeln sich bereits: Das Herz schlägt kräftig, Leber, Magen, Darm und Eingeweide formen sich, der Grundstein für das Gehirn wird gelegt, das Rückenmark ist vorhanden. Und: Arme und Beine zeigen sich als feine Gliederknospen!

Unwillkürlich bewegte sich Anjas Hand zu ihrem Bauch. Doch er war flach wie immer und das einzige, was sie in ihrem Körper spürte, waren Atmung und Herzschlag.
Die Vorstellung, dass sich in wenigen Wochen schon ein richtiges Lebewesen in ihr entwickeln könnte, verwirrte sie. Und obwohl sie sich albern dabei vorkam, fühlte sie auch ein kleines bisschen Stolz.
Wieviele Frauen gab es, die trotz wiederholter Versuche nicht schwanger wurden und daran verzweifelten? Die nie die Chance hatten, ein heranwachsendes Leben in sich zu spüren?
Diese Eingebung versetzte dem Mädchen gleichzeitig einen Stich.

Du wirst auch kein Leben in dir heranwachsen spüren. Noch bevor es dazu kommt, wirst du diesen Zustand beendet haben.

Anja wagte nicht zu widersprechen. Trotzdem ließ sie ihre Hand auf ihrem Bauch ruhen.
Sie las weiter:

Auch Schlafstörungen können auftreten und zu allem Überfluss plagen Sie Zweifel, ob Sie der neuen Situation gewachsen sind, ja, ob jene überhaupt erwünscht ist.

*

Das ist Wahnsinn, dachte sich Anja abends beim Zähneputzen. Oder war es normal, dass sie darüber nachdachte, wie es wäre das Kind zu behalten?
Von Behalten kann noch gar keine Rede sein, wiegelte sie sofort ab, es ging ihr nur darum ihren Exfreund einmal mit dieser Möglichkeit zu konfrontieren.
Sie kam nicht umhin sich an die früheren Gespräche mit ihm zu erinnern, als sie einmal spaßeshalber eine solche Situation konstruiert hatten. Damals hatte Florian befürchtet, dass er es nie über das Herz bringen würde, sein Kind abtreiben zu lassen.

Damals wart Ihr aber auch noch zusammen, stichelte es in ihrem Kopf.

Ja, damals waren wir noch zusammen. Damals war alles anders.
Anja spülte den Mund aus und löschte das Licht.

*

Anja schluckte, als sich die Sprechstundenhilfe näherte.
"Frau Doktor erwartet Sie bereits", sagte diese und das Mädchen folgte ihr.

Die Ärztin begrüßte sie herzlich und wies sie an sich zu setzen. Nach ein paar routinemäßigen Fragen über Anjas Gesundheitszustand und ihr Empfinden wurde sie ernst.
"Ich nehme an, Sie sind noch zu keiner endgültigen Entscheidung gekommen, oder?"

Anja räusperte sich.
"Sie haben Recht. Eigentlich war es zunächst keine Frage für mich, was geschehen würde, aber jetzt ..." Ihr Blick glitt ins Leere. "Jetzt weiß ich nicht, was ich tun soll", flüsterte sie. Die Ärztin tätschelte ihre Hand auf dem Tisch.

"Das ist völlig normal. Eine Abtreibung ist eine schwerwiegende Entscheidung und fast jede Patientin plagt sich zuvor mit diesen Gedanken herum. Haben Sie Ihren Exfreund und ihre Eltern mittlerweile eingeweiht?"
"Nur Flori", murmelte Anja und gab der Frau einen kurzen Überblick über ihre Reaktion.
De Ärtzin betrachtete das Mädchen, das dort so verloren auf dem Stuhl vor ihr saß.
"Ich bin sicher, dass Sie das Richtige tun werden."

Anja bemühte sich das Lächeln zu erwidern, doch es gelang ihr nicht.

*

Zwischen der neunten und der zwölfte Woche findet gewöhnlich die erste Ultraschalluntersuchung statt. Das Baby ist zwischen 17 und 22 Millimeter groß, sein Kopf nimmt dabei den meisten Platz ein. Ungefähr ab dieser Zeit ist festzustellen, ob es sich um einen Jungen oder ein Mädchen handelt.

Junge oder Mädchen ... Anja lehnte sich an die Wand der Bushaltestelle. Eine Frau mit einem Kinderwagen hielt neben ihr. Ohne es zu wollen drehte sich Anjas Kopf langsam nach links. Zwischen dem hellblauem Plüsch erhaschte sie einen flüchtigen Blick auf ein winziges Bündel, das sich ab und zu regte. Das Baby griff nach einem Bällchen das über seinem Kopf schwebte und quäkte.
"Na, was hast du denn, Kevin", sagte die junge Mutter und beugte sich über den Kinderwagen.
Junge oder Mädchen, dachte Anja, als sie ihre Hand auf den Bauch legte. Bestimmt ein Mädchen.


In der Nacht wälzte Anja sich lange hin und her. Bis in den späten Abend hinein hatte sie immer wieder in ihrem Kalender und in den Info-Materialien geblättert. Manche Abschnitte konnte sie bereits auswendig hersagen. Ihr Biologielehrer hätte sie sicher gelobt.
Anja warf sich auf die andere Seite. Hätte sie sich lieber mehr der Literatur über Abtreibungen widmen sollen? Würde es ihr dann leichter fallen, einen Termin auszumachen und es einfach durchzuziehen?
"Ach, verdammt", murmelte sie in ihr Kissen. Tränen liefen über ihr Gesicht und tränkten den dünnen Stoff. Ihr Kopf schmerzte. Ihre Augen brannten. Es würde eine lange Nacht werden.

*

Am nächsten Morgen hatte Anja keinen Appetit. Stattdessen fühlte sie sich müde und krank. Noch in der Nacht hatte sie einen Entschluss gefasst: Heute würde sie Florian sagen, dass sie vorerst nicht abtreiben würde. Zumindest nicht sofort.
Ihre Hand wanderte wieder zu ihrem Bauch, wo sie oft in den letzten Tagen verweilte.
Nicht sofort.
Mit einem Stechen in der Magengrube machte sie sich ein Marmeladenbrot zurecht. Missmutig kaute sie darauf herum.
Bald wirst du dich jeden Morgen übergeben müssen, höhnte die Stimme in ihr. Anja ignorierte sie.

*

Samantha war eigentlich ein schöner Name. Als Kind hatte sie sich oft gewünscht so zu heißen. "Sam" war eine witzige Abkürzung und als Ganzes wirkte es schon wieder edel.
Während sie die Straße zu Florians Haus entlanging, schossen ihr immer verrücktere Ideen durch den Kopf. Ob sie wohl wirklich Recht behalten und ein Mädchen zur Welt bringen würde? Eine kleine Samantha? Oder doch einen kleinen Flori? Sie schüttelte den Kopf. Selbst wenn es ein Junge wäre, Florian hätte es nicht verdient, der Namensgeber zu sein. Auch wenn er sich jetzt anders verhalten und sie unterstützen sollte - sie fühlte keine Liebe mehr für ihn. Aber sie würde einen guten Freund brauchen können.

Das Stechen in ihrem Magen wurde stärker. Ob Marmelade in der Schwangerschaft schädlich war? Das konnte doch nicht sein, wo man überall las, dass schwangere Frauen zu allen möglichen Nahrungsmitteln griffen und sich nicht zurückhalten sollten.
Mit der Hand massierte Anja sanft die schmerzende Stelle. Sollte die morgendliche Übelkeit etwa jetzt schon einsetzen?
Das Mädchen humpelte auf eine Bank zu, um sich einen Moment lang auszuruhen. Eine ältere Frau rutschte nur widerwillig beiseite.
Wenn man mir erstmal meine Schwangerschaft ansieht, dann macht mir jeder Platz, dachte Anja amüsiert. Ein heftiges Ziehen verwandelte ihr Lachen in ein Stöhnen. Hatte sie etwas Falsches gegessen?
Das Mädchen geriet ins Schwanken. Eine Schmerzwelle jagte durch ihren Körper, helle Lichter tanzten vor ihren Augen. Anja öffnete den Mund um etwas zu sagen, doch nur ein Krächzen entrang ihrer Kehle. Undeutlich meinte sie Stimmen um sich zu hören.

"... schlecht? ... hinlegen ... Arzt!"

Kein Arzt, versuchte das Mädchen zu rufen, ich muss doch gleich zu Florian!
Eine Sekunde später kippte es von der Bank.

Blaulicht. Sirenen. Schritte. Stimmen. Türengeklapper. Schmerz.
Wo bringen Sie mich hin? wollte Anja fragen, aber sie brachte keinen Ton heraus. Ihre Lippen klebten aufeinander fest. Schemenhafte Gestalten rannten an ihr vorbei, gesichtslose Wesen in weißen Kitteln. Anja fühlte eine Nässe zwischen ihre Beinen.
Oh scheiße, ich muss mir in die Hose gemacht haben, war ihr letzter Gedanke, bevor sie das Bewusstsein verlor.

*

"Anja? Anja, können Sie mich hören?" Der Arzt beugte sich tief zu seiner Patientin hinunter.
"Wenn Sie mich verstehen können, geben Sie bitte ein Zeichen."

Anja hob die Hand. Verschwommen nahm sie die Infusionsnadel in ihrer Haut wahr.

Der Arzt lächelte und sprach ein paar tröstende Worte zu ihr. Anja fühlte, dass er es gut meinte, doch der Inhalt ging an ihr vorüber. Sie starrte zum Fenster hinaus.

Leb wohl, Samantha.

 

Die Geschichte war irgendwie gut. Vor allem der letzte Satz war... - hm, "genial" trifft es nicht; "rührend" klingt zu rührselig... - aber auf jeden Fall war das ganz großes Kino!

Gut, daß du so stilsicher bist, ich hab nämlich sowieso gerade keine Zeit für Detailanmerkungen, hehe.

r

 

Hi Ginny,

eine wirklich gelungene Geschichte :thumbsup:

Die ersten zwei Zeilen haben mich wie ein Strudel in die Story hineingezogen. Gut, das hat sehr individuelle Gründe, aber das, was dann folgte, hat mir sehr gut gefallen.

Stilistisch kann ich kaum rumnörgeln; ein paar kleine subjektive Brosamen der Kritik werde ich gleich noch ausstreuen.

Dir ist eine atmosphärisch sehr dichte Story gelungen. Die Thematik ist zwar nicht mehr gaaanz sooo neu, gerade deshalb umso bemerkenswerter, daß du mich mit dem Text fesseln konntest. Was mir in diesem Zusammenhang am meisten gefallen hat, waren die Passagen über die Informationen aus dem Geburtskalender. Zunächst nur eine Zelle, wächst das Baby schnell heran und bald schon kann man das Geschlecht erkennen... Dadurch hast du es zumindest bei mir geschafft, daß ich den Konflikt des Mädchens sehr gut nachvollziehen konnte – ihr wird klar, daß in ihrem Bauch ein Mensch heranwächst, und die spontane Entscheidung zur Abtreibung gerät immer stärker ins Wanken.

Bei dem Ende bin ich ein wenig zwiegespalten. Ich hatte „gehofft“, daß die Entscheidung für oder gegen das Baby aktiv entschieden würde – ganz einfach deshalb, weil ich gespannt darauf war, wie die Prot mit dieser psychischen Extremsituation umgeht, welche Gedanken sie noch hat und aus welchem Grund sie sich letztlich für die eine oder andere Variante entscheidet – ihr innerer Konflikt, die Reaktionen der Umwelt... na ja, höchst subjektiv, schon klar.

Detailanmerkungen/Vorschläge:

"Normalerweise gratuliere ich meinen Patientinnen bei dieser Nachricht. Bei Ihnen jedoch ..." Sie zögerte. "Sie gehen noch zur Schule?", fragte sie dann.

Für mein Empfinden ist „fragte sie dann.“ überflüssig.

"Neinein, ich muss hier nur kurz läuten", stotterte sie mit hochrotem Kopf,

Sicher ´ne Auslegungssache, aber darunter verstehe ich, daß Anja Schellemännekes macht. Sie muß ja nicht nur ausschließlich klingeln.
Bei mir im Villenviertel würde man wohl sagen:
„...ich muß hier nur kurz rein.“

Ja, ich. Enttäuscht, wie?
Laut sagte das Mädchen jedoch: "Hi Flori ... Florian. Tut mir Leid, dass ich so vorbeischneie, aber ich muss dich mal kurz sprechen."

Kursivstellung bedeutet bei dir ja unter anderem auch Gedankengang. Insofern finde ich „Laut sagte das Mädchen jedoch:“ überflüssig. Durch die Textauszeichnung sind Gedanken und Rede eindeutig unterscheidbar, das Streichen führt auch zu keinem Informationsverlust.

"Es ist etwas passiert, worüber ich mit dir sprechen muss, es ... " Anja schwindelte. Die Küche, der Stuhl, alles schien sich zu drehen.
"Ich bin schwanger!", presste sie schließlich hervor.

Hm, ich fände es ohne das „presste sie schließlich hervor“ dichter, packender... Zack Bumm... ich bin schwanger!

"Ich bin schwanger", wiederholte Anja mit leiser, aber fester Stimme. "Von dir", ergänzte sie hastig.

Hab ich´s oben schon erwähnt? Wenn nicht... sehr gute Dialoge. Dieses hastig ergänzte „Von dir“ macht es real. So könnte das Gespräch wirklich ablaufen.

"Wann?"
"Was, wann?", entgegnete Anja und rutschte auf ihrem Stuhl hin und her. Die Frage ängstigte sie. Dachte er etwa ...
"Wann hast du es erfahren?"

Gleiche Kerbe... Dialoggestaltung gefällt mir sehr gut. Grundsätzlich hätte (zur Vermittlung der Information) ja ausgereicht:
„Wann hast du es erfahren?“
„Gestern.“

Aber so emotionslos und gradlinig würden in einer solchen Situation wohl nur Soap-Darsteller quasseln.


So, soll mal reichen. Außer dem bißchen Fliegenschiß auf der literarischen Windschutzscheibe hab ich also nix zu nörgeln.

Mach weiter so! :)

Gruß,
Somebody

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Ihr Beiden :-)

@relysium: Da Du gewöhnlich relativ sparsam mit Lob umgehst, freu ich mich, dass Dir die Geschichte gefallen hat ... auch wenn "irgendwie gut" eine Menge Interpretationsspielraum lässt. ;-)
Schade dass Du keine Zeit mehr hattest, sonst nimmst Du andere Texte nämlich regelrecht auseinander. *quengel*

@Somebody: Prima, dass die Story Dich unterhalten hat, so soll's auch sein. :-)
Deine Detailanmerkungen werde ich mir im Laufe des Tages alle mal durch den Kopf gehen lassen; ich werde auf jeden Fall noch an dem Text feilen und bin für jeden Hinweis dankbar.

Ich bin mir absolut unsicher wie ich diese Geschichte selbst beurteilen soll, aber Mühe gegeben hab ich mir, auch wenn ich da sicher noch mehr dran arbeiten kann. Ich wollte mal ein bisschen was längeres schreiben was nicht nur auf die Pointe ausgelegt ist - die kommt hier zwar auch, aber ich habe ebenso versucht Wert auf die Handlung, die Atmosphäre und die Charakterisierung zu legen. Man will sich ja weiterentwickeln beim Schreiben. :D

Was das Ende betrifft ... ich kann Deinen Einwand gut verstehen. Zwar wird angedeutet dass Anja ihr Baby behalten will, aber sicher ist sie noch nicht, die Aussprache mit ihrem Freund fehlt. Verständlich, dass der Leser sich eine eindeutige Entscheidung - so oder so - wünscht.

Mein Hauptaugenmerk lag jedoch gerade auf dieser gemeinen Schicksalswendung, dass Anja diese Möglichkeit genommen wurde.
So schwer es auch manchmal ist eine Entscheidung fällen zu müssen, nach meiner Erfahrung ist es _mindestens_ ebenso schlimm, wenn man dieser Chance beraubt wird und nur hilflos zusehen kann, wie etwas passiert. Ich hasse so etwas - lieber bin ich für meine schlechte Lage selbst verantwortlich und kann sauer auf mich sein und daraus lernen, als dass mir jede Beeinflussung verhindert wird.
Ich hoffe nicht, dass der Leser dadurch zu wenig auf seine Kosten kommt. :-/

Allerdings bastele ich im Geiste seit längerem an einer Horrorstory, in der die Protagonistin in einer ähnlichen Situation steckt und wo sie selber aktiv wird und entscheidet - vielleicht versöhnt das dann etwas. :D

Thx für's Lesen und Dein ausführliches Statement - wenn die Story nicht gelangweilt sondern unterhalten hat, hab ich schonmal den Hauptteil meines Anliegens erfüllt.

Ginny

 

Na dann wage ich als Neuling doch auch mal einen Kommentar ;) ...

Ich mochte die Geschichte. Beim Lesen war ich erst etwas irritiert von den sprunghaften Wechseln von Szene zu Szene, aber nachdem ich mich daran gewöhnt hatte, trug gerade das sehr zur Atmosphäre bei - und davon hat sie reichlich.

Die von Somebody angesprochenen Details fand ich eigentlich nicht störend. Den ursprünglichen Text finde ich an den Stellen größtenteils entschieden schöner ohne die Änderungen.

Ich muss Somebody aber zustimmen, dass du sehr lebhafte Dialoge schreibst :) . Und die Szene mit dem Geburtskalender fand ich ebenfalls sehr gelungen.

Ach ja, und schöner Titel ;)

Etwas irritiert hat mich diese Stelle:

"Anja", begann er dann. Seine Stimme klang seltsam dunkel. Er setzte an um weiterzusprechen und brach ab. Florian schloss seine Augen und holte Luft.
"Anja, wir müssen darüber sprechen, was wir jetzt machen."

Dem Mädchen lief ein Schauer über den Rücken.

"Was wir jetzt machen?", wiederholte es tonlos. Florian nickte. "Anja, wir wissen beide, was für eine verdammt bescheuerte Lage das ist. Schlimmer könnte es gar nicht kommen! - Am besten ist, du machst schnell wieder einen Termin mit der Frauenärztin aus. Wenn du möchtest, dann ..." Er kämpfte mit sich. "... dann komme ich mit."


Anja macht die Reaktion von Florian sehr traurig, aber dazu sehe ich rein gar keinen Grund. Ist doch toll, diese Reaktion - er will in die Entscheidung mit einbezogen werden, will Verantwortung übernehmen (ob er eine Abtreibung will, geht aus der Stelle nicht eindeutig hervor) und Anjas Schauern habe ich im ersten Moment als Erleichterung eingestuft. Immerhin hätte er sie auslachen können, behaupten, das Kind sei nicht von ihm, jede Schuld von sich weisen, etc...

Was das Ende angeht, verstehe ich deine Absicht, hm, aber ich finde, sie kommt nicht so gut rüber. Ich habe als Leser eine Entscheidung erwartet (immerhin beinhaltet Anjas Entscheidung auch eine klare Aussage, eine Art Urteil) und fand es... feige wäre vielleicht ein passendes Wort, dass ihr die abgenommen wurde. Nach der Fehlgeburt ist es ja klar, dass sie trauert, es ist das einzige Gefühl, das ich als Leser akzeptieren kann, und daher enthält es für mich weder eine Überraschung, noch ein Statement. So wurde meine Erwartungshaltung nicht erfüllt, und das ist immer etwas schade.

Wenn es in einer Geschichte um beraubte Chancen geben soll, würde ich selbst sie so anlegen, dass die Chance dem Protagonisten schon am Anfang der Geschichte genommen wird - dann ist die Lage sozusagen gleich klar und der Leser weiß sofort, was Sache ist... nur so als Denkanstoß.

Baba

Phelia

 

Hallo Ginny!

Ich muss zugeben, als ich die ersten Zeilen Deiner Geschichte las, war ich zunächst enttäuscht, ein allzuoft durchgehecheltes, zu alltägliches Thema vorzufinden.

Dein sicherer und kurzweiliger Stil ließ mich jedoch nicht aufhören, und ich wurde sehr angenehm überrascht.

Bemerkenswert waren für mich nicht nur die sehr lebendigen, nachvollziehbaren Dialoge (an denen sich mancher Drehbuchautor ein Beispiel nehmen könnte), sondern auch die gekonnte Konfliktschilderung: Abtreibung vs. die eingestreuten Sätze aus dem Infoblatt. Der sich kontinuierlich steigernde Konflikt wird unmissverständlich.

Die "Lösung" in Form einer Fehlgeburt herbeizuführen, enttäuschte mich nicht - in gewisser Hinsicht ist sie für das Mädchen ein "Happy-End", wenn auch mit sehr bitterem Beigeschmack. Und der letzte Satz stellt einen genialen Schluss dar.

Sprachlich habe selbst ich Erbsenzähler nichts anzumerken.

Liebe Grüße,
Aragorn

 

Hallo Ginny-Rose!
Deine Geschichte kam mir so "lebensnah" vor, das ich am Schluß hätte heulen können.
Die Gefühle des Mädchens und das Erschrecken des Jungen hast du sehr gut rübergebracht.
Was auch gut ist, war der Schwangerschaftskalender-so konnte man sich der Vorstellung des Babys nicht entziehen und somit das "Problem" unbeachtet lassen.

LG Ulrike

 

Okay, kleine quengelnde Ginny, du hast es ja nicht anders gewollt... :baddevil:

Global: Wieso verwendest du so viele Leerzeilen? Der Text wird dadurch völlig zerrissen. Wie so ne Zirrhuswolke.

>"Ich bin wirklich schwanger, ja?" Die Ärztin seufzte.
Die Ärztin sagt das? Wohl kaum.

>"Sie gehen noch zur Schule?", fragte sie dann.
Das "fragte sie dann" kann weg.

>Das Mädchen verneinte.
Danach kommt gleich sowieso wörtliche Rede. Da könnte man ein "Nein, " voranstellen und obigen Satz streichen.

>er musste-
Was ist das für ein Bindestrich?

>"Anja ..."
Ja, und? Was für ein Tonfall, was für ein Gesicht macht er dabei? Das ist doch wichtig!

>"Jetzt möchte ich aber wissen, was los ist", drängte
>er.
Möchte! Klingt irgendwie zu geschwollen für die Situation. Besser: "Sagst du jetzt mal, was los ist?"

>Anja schwindelte.
Da hab ich zuerst gedacht, sie lügt.

>Florian prustete seinen Saft durch den Raum.
American slapstick läßt grüßen.

>und tigerte in der Küche umher
Ähem... - er tat WAS?

>Dachte er etwa ...
Dachte er WAS? Ich bin nicht drauf gekommen, sorry. Spontan hätte ich die Frage so verstanden, wann sie schwanger geworden war. Ich denke aber aufgrund des Zusammenhangs, daß sie es vieleilcht so versteht, wann sie zur Abtreibungsklinik fahren wollen.

>"Meine Eltern wissen noch nichts", fügte sie hinzu.
Das "fügte sie hinzu" kann weg.

>In Florians Kopf arbeitete es.
Perspektivenfehler.

>wiederholte es tonlos
Grammatisch korrekt, dennoch ist es komisch, von der Prot. plötzlich als "es" zu lesen. (Schweigen der Lämmer: "Es reibt sich jetzt mit der Lotion ein!")
Bin ohnehin dagegen, die Prot. immer wieder "das Mädchen" zu nennen. Klingt so "drüberstehend". Immerhin ist die Story aus ihrer Perspektive erzählt.

>Sie schritt schneller aus.
Brr, eine Formulierung aus der Vorkriegszeit.

>Du wirst auch kein Leben in dir heranwachsen spüren,
>raunte eine Stimme in ihr. Noch bevor es dazu kommt,
>wirst du diesen Zustand beendet haben.
Nicht, daß ich mich in der Psyche ungewollt schwangerer Teenager auskennen würde, aber solche Stimmenflüstereien lassen mich immer an einen Zeichentrickfilm denken, wo Engelchen und Teufelchen aufpoppen und den Prot. davon überzeugen wollen, das eine oder andere zu tun.
Das würde ich anders schreiben.

>Zwischen der neunten und der zwölfte Woche findet
>gewöhnlich die erste Ultraschalluntersuchung statt.
Diese biologischen Faktoid-Einstreusel wären noch besser, wenn der nachfolgende Abschnitt z.B. tatsächlich diese Ultraschallluntersuchung oder der Tag danach wäre.

>Bald wirst du dich jeden Morgen übergeben müssen,
>höhnte die Stimme in ihr.
Schon wieder Stimmenhörerei. Stimmen, die einen verhöhnen oder Befehle erteilen, sind übrigens Symptome der Schizophrenie.

>Samantha war eigentlich ein schöner Name, fand sie.
Das "fand sie" kann weg.

>und als Ganzes (genommen) wirkte es (schon wieder)
>edel.
Füllworteritis.

Noch zum Schluß: Es geht zwar letztlich aus dem Schlußsatz hervor, daß sie den Fötus verloren haben muß, aber so richtig eindeutig ist es nicht. Irgendwo müßte das schon gesagt werden.
Es sei denn, du willst die Doppeldeutigkeit des Schlußsatzes beibehalten...

@Phelia:
Florian mag zwar nicht gleich getobt, haben, daß Anja das Kind wegmachen soll, aber sehr optimistisch hätte mich seine Reaktion auch nicht gerade gestimmt. Es kommt auch wohl sehr auf die Erwartungshaltung an, welche die Prot. unbewußt hatte.

r

 

Hallöchen ...

@Phelia: Danke für's Lesen und Deine ausführliche Kritik.
Es ist schade, dass Deine Erwartungshaltung nicht erfüllt wurde und Du am Ende etwas enttäuscht zurückgeblieben bist. Das wurmt natürlich als Autor.
Ich schätze, wir kommen da aber einfach auf keinen gemeinsamen Nenner. Ich kann Deinen Einwand verstehen, ihn aber nicht auf meine Geschichte ummünzen, weil es nach meinem Empfinden für die Protagonistin schlimmer ist, wenn ihr die Möglichkeit zur Entscheidung genommen wird und zwar gerade dann wenn sie schon in die Richtung tendiert, dass die das Kind behält. Eine Geschichte, in der das Mädchen abtreibt oder sich für das Baby entscheidet, wollte ich nicht schreiben, sondern eine, in der die Protagonistin zwischen den Möglichkeiten schwankt und kurz vor einer entgültigen Entscheidung daran gehindert wird.
Vermutlich muss ich akzeptieren, dass manch ein Leser da nicht auf meiner Schiene fährt. :-)
Den angesprochenen Absatz im Gespräch zwischen Anja und Florian sehe ich mir nochmal genauer an - stimmt schon, er verhält sich eigentlich ganz in Ordnung, schließlich sind sie kein Paar mehr. Vielleicht muss ich die Stelle danach als Anja darüber nachdenkt überarbeiten ... da soll ihr eigentlich klar werden, wie schmerzhaft der Gedanke daran ist das Kind herzugeben ... kommt noch nicht so raus.

@Aragorn: Dir hat das Ende anscheinend eher zugesagt, das freut mich. :-) Ich bin nämlich gerne bereit die Geschichte noch zig-mal zu überarbeiten, nur die Pointe, die muss so bleiben, schätze ich.
Und, klar, das Thema ist natürlich nichts Neues - auch deswegen wollte ich das Ende ein bisschen ungewöhnlich gestalten.

@Joker: Danke Dir für's Lesen und schön, dass Du Dich in die Story reinversetzen konntest.

@relysium: Oje, was hab ich da nur herausgefordert ... :dozey:
Hehe, Scherz, danke für Deine sehr hilfreichen Anmerkungen.
Diese ganzen Füllwörter - mein leidiges Problem; das meiste habe ich eliminiert, bei anderen Stellen überlege ich noch.

Ähem... - er tat WAS?
Umhertigern. :-)
Hm - passt das nicht? Mir gefällt der Ausdruck zugegebenermaßen recht gut. Soll schlichtweg heißen, Florian geht unruhig in der Küche umher, nur ist "umhertigern" kürzer und prägnanter.
Dachte er WAS? Ich bin nicht drauf gekommen, sorry. Spontan hätte ich die Frage so verstanden, wann sie schwanger geworden war. Ich denke aber aufgrund des Zusammenhangs, daß sie es vielleicht so versteht, wann sie zur Abtreibungsklinik fahren wollen.
Ja, genau, sie befürchtet, dass er sofort an den Termin für die Abtreibung denkt. Ich habe jetzt mal ein "schon" eingefügt: "Dachte er etwa schon...-"
Vielleicht lasse ich mich noch dazu hinreißen ein "an" dranzuhängen - gemeinsam mit der nachfolgenden Stelle wo sie von der aufgeschobeneen "Entscheidung" spricht, müsste es dann wirklich klar sein.
Brr, eine Formulierung aus der Vorkriegszeit.
<g> Ist geändert.
Stimmen, die einen verhöhnen oder Befehle erteilen, sind übrigens Symptome der Schizophrenie.
Ja. Allerdings nur ein Symptom. Ich selbst höre auch öfters Stimmen, bin aber nicht schizophren, höchstens phasenweise ein bisserl depressiv.
Diese "Stimmenhörerei" kommt ehrlich gesagt öfters in meinen Geschichten vor ... wohl ein Nachgeschmack aus meiner King'schen Lesezeit. Dessen Protagonisten sind allerdings tatsächlich manchmal nicht ganz sauber dabei. ;-)

Zum Schluss: Hm. Er ist so gedacht, dass der Leser schon checken soll, dass sie das Kind verloren hat - und wenn er es aus dem letzten Satz schließt. Der Leser hört nicht was der Arzt zu Anja sagt, sie aber schon und sie weiß daher was passiert ist und naja, durch ihren letzten Satz dann auch der Leser.
Ich gehe aber die ganze Geschichte nochmal in Ruhe durch, vielleicht tut sich für mich eine Möglichkeit auf es noch ein bisschen zu optmieren.

Ginny

 

>Vielleicht lasse ich mich noch dazu hinreißen ein
>"an" dranzuhängen - gemeinsam mit der nachfolgenden
>Stelle wo sie von der aufgeschobeneen "Entscheidung"
>spricht, müsste es dann wirklich klar sein.
Vielleicht läßt du dich dazu hinreißen, diese nervende Andeutungstum ganz zu lassen und den Gedanken komplett hinzuschreiben:
"Ihn interessiert nur, es wegmachen zu lassen, dachte sie schockiert."

>Ich selbst höre auch öfters Stimmen, bin aber nicht
>schizophren
Das kann jeder sagen. :p
(Hm, wenn ich genau darüber nachdenke, macht mir dieses Statement Angst...)

>Dessen Protagonisten sind allerdings tatsächlich
>manchmal nicht ganz sauber dabei.
Ich sag nur: Jesus lebt! :D

>Zum Schluss: Hm. Er ist so gedacht, dass der Leser
>schon checken soll, dass sie das Kind verloren hat -
>und wenn er es aus dem letzten Satz schließt. Der
>Leser hört nicht was der Arzt zu Anja sagt, sie aber
>schon und sie weiß daher was passiert ist und naja,
>durch ihren letzten Satz dann auch der Leser.
Da es aber nicht explizit gesagt wird, bleibt die Interpretation möglich, daß der Schlußsatz eine Entscheidung darstellt.

r

 

Vielleicht läßt du dich dazu hinreißen, diese nervende Andeutungstum ganz zu lassen und den Gedanken komplett hinzuschreiben:
"Ihn interessiert nur, es wegmachen zu lassen, dachte sie schockiert."
<hüstel> Ich mag Andeutungen doch so! :p
Ich überleg's mir im Laufe des Tages mal, vielleicht hast Du Recht und Klartext ist an der Stelle am besten.

Da es aber nicht explizit gesagt wird, bleibt die Interpretation möglich, daß der Schlußsatz eine Entscheidung darstellt.
Meinst Du wirklich? Hm ... Für sich genommen ist das beim letzten Abschnitt drin, ja, aber gemeinsam mit ihrem Zusammenbruch und der "Nässe zwischen den Beinen" sollte eigentlich alles auf Fehlgeburt hindeuten.
Ich hab jetzt aus den "beruhigende(n) Worte(n)" des Arztes "tröstende" gemacht, was mM nach noch ein bisschen mehr darauf hindeutet, dass etwas geschehen ist was Anja nicht wollte, aber natürlich kann er auch nach einer Abtreibung trösten, klar.
Mal sehen ...

 

In beiden Fällen ist die Andeuterei die Wurzel allen Übels.
Warum magst du dieses Stilmittel eigentlich so?
Ich meine, Andeutungen können ganz spannend sein, aber wenn sie darin bestehen, dem Leser Informationen vorzuenthalten, die den Charakteren jedoch selbstverständlich zugänglich sind, finde ich sie - schlecht.

r

 

Warum magst du dieses Stilmittel eigentlich so?
Vermutlich weil ich eine Frau bin. ;-)

Meine Angst ist immer in einer Geschichte nicht subtil genug vorzugehen, dem Leser etwas vorzukauen was ihn unmündig erscheinen lässt. Ich mag so etwas nicht und wahrscheinlich passiert es mir dadurch öfters mal das ich zu wenig preisgebe.

Beim Dialog zwischen Florian und Anja gebe ich Dir Recht, das ist missverständlich.
Beim Ende fällt es mir dagegen eher schwer mir vorzustellen, dass ein Leser annehmen könnte sie habe einen Eingriff vornehmen lassen um sich vom Kind zu trennen - nicht umsonst ist sie mit Schmerzen zusammengekippt und hat das Bewusstsein verloren.
Vielleicht findet sich ja noch ein Leser, der eine Meinung dazu hat. :-)

 

Ich persönlich würde den Schluss lassen, wie er ist.

Für mich war beim ersten Lesen klar, dass sie das Kind verloren hat, es deutet auch alles darauf hin.
Und selbst, wenn jemand überlegen sollte, ob der letzte Satz die noch ausstehende Entscheidung sein sollte: Warum nicht, das wäre doch auch in Ordnung!

Aragorn

 

Hallo Ginny,
es ist ja jetzt schon eine ganze Menge zu Deiner Geschichte gesagt worden, deswegen wird jetzt von mir nicht mehr viel neues kommen. Wollte Dir aber trotzdem ein paar Worte schreiben.
Also, mich hat die Geschichte sehr gefesselt, man kann den Zwiespalt, indem sich das Mädchen befindet gut nachvollziehen. Mir haben auch die gedanklichen Einschübe, sprich die innere Stimme, die das Mädchen immer wieder hört gut gefallen. Auch die Einschübe, die die Entwicklung des Babys beschreiben und durch die sie ja letzendlich auch etwas von dem Abtreibungsgedanken abkommt.
Der Schluss ist auch super, weil man wahrscheinlich eher damit gerechnet hätte, dass sie entweder abtreibt oder das Kind behält. So wird ihr auf traurige Weise die Entscheidung abgenommen.
Warum hast Du so viele Absätze und Leerzeilen gemacht? Hat das eine besondere Bedeutung? Ich hätte glaube ich eher den letzten Satz für sich alleine stehen lassen, um dessen Stärke noch mehr hervorzuheben.

Auf jeden Fall würde ich auch den Schluss so lassen, ich finde schon, dass einem als Leser klar wird, dass sie das Baby verloren hat.

LG
Blanca

 

Hi Ginny,

auch von mir noch mal eine kurze Bemerkung zum Schluß der Geschichte:

Ich finde ihn nicht mißverständlich. Daß es sich um eine Fehlgeburt handelt, war für mich sonnenklar. Würde ich auf jeden Fall so lassen.

Grüßkes,
Somebody

 

Hallo Blanca,

danke fürs Lesen und Deine Kommentare. :-)
Zu den vielen Absätzen und den Leerzeilen: Ich halte es normalerweise grundsätzlich so, dass jede wörtliche Rede für sich alleine steht, der Übersichtlichkeit wegen. Es gefällt mir besser so. Hab hier allerdings jetzt mal ein bisschen was wegeditiert.
Mit dem letzten Satz hast Du Recht, habe ich angesetzt.

@Some: Thx! :-)
Dann lass ich den Schluss mal so ...

Ginny

 

Liebe Ginny!

Die Gefühlslage Anjas beschreibst Du meiner Ansicht nach sehr gut, und auch stilistisch ist Deine Geschichte, wie immer, sehr schön.
Für mich kam es schon so rüber, daß Anja sich am Schluß für das Kind entschieden hat, bevor die Fehlgeburt passierte. Gefühlsmäßig tat sie mir auch Leid, vernunftmäßig muß ich auch sagen, daß es so vermutlich die beste „Lösung“ war…

Was mir an der Ärztin seltsam vorkommt, ist, wie sie mit Anja über „das Kind“ spricht. Meiner Erfahrung nach vermeiden Gynäkologen Ausdrücke wie „Baby“ oder „Kind“, wenn sie aufgrund der Situation der Patientin damit rechnen, daß es zu einer Abtreibung kommen wird – um es den meist recht jungen Frauen nicht unnötig schwer zu machen.

Die Fehlgeburt – Du schreibst zwar nicht, wie weit fortgeschritten die Schwangerschaft schon ist, aber da Anja noch Zeit zum Überlegen hat (»dass sie vorerst nicht abtreiben würde. Zumindest nicht sofort.«), nehme ich an, daß es sich hier eher um ein sehr frühes Stadium handelt. – Da gehen Fehlgeburten oft ab, ohne daß die Frau es merkt, deshalb nehme ich mal an, daß sie davon auch nicht so naß wird, daß sie meinen könnte, in die Hose gemacht zu haben – das wäre erst später, denke ich, ist ja noch nicht so viel Fruchtwasser da... Aber so genau bin ich da auch nicht informiert, eine Fehlgeburt hatte ich zum Glück nie. ;)

Was mir sonst noch aufgefallen ist, der Reihe nach:

»Florian goss Anja und sich selbst zwei Gläser Saft ein.«
– theoretisch könntest Du Dir „Anja und sich selbst“ sparen, für wen die zwei Gläser sind, ist klar. :)

»"Jetzt sag aber mal, was los ist", drängte er. Während er trank schaute er auf seine Armbanduhr.«
– in meinem Kopf klang „drängte“ und „trank“ irgendwie als Wortwiederholung nach, auch wenn es in Wirklichkeit keine ist. Ich schlage Dir einfach mal „forderte er ungeduldig“ statt „drängte er“ vor, zur freien Entnahme... ;)

»Dann jedoch sprang er auf und tigerte in der Küche umher.«
– ich kenn den Ausdruck zwar, würde ihn aber in einer Geschichte auch nicht unbedingt verwenden, ist schon seeehr umgangsprachlich. Eventuell „ging nervös in der Küche umher (oder auf und ab oder hin und her)“?

»und drehte sich dann zu dem Mädchen um.«
– die Verwendung von „Mädchen“ find ich auch nicht so gut, zumal sie eigentlich ja schon als Frau zu bezeichnen ist, oder halt als „junge Frau“… – Ich hab auch bei zwei oder drei (so genau weiß ich das nicht) Anna Irene-Folgen „Mädchen“ verwendet, und da wurde das ebenso kritisiert, allerdings war A. I. da tatsächlich noch ein Mädchen. Hat schon was mit der Perspektive zu tun... ;)

»"Wann hast du es erfahren?"«
– Ich finde die Frage irgendwie deplatziert. Würde er nicht zuerst fragen, seit wann sie schwanger ist? Oder vielleicht „Bist du dir schon sicher?“, „Warst du schon beim Gynäkologen?“

»Sie hat den Test von Montag bestätigt.«
– üblicherweise erfährt man das gleich, ob der Test positiv oder negativ ist, so lange dauert das nicht. Ich würde sie also nur bei einem Termin gewesen sein lassen, wo sie den Test gemacht und das Ergebnis erfahren hat.

»Du wirst auch kein Leben in dir heranwachsen spüren, raunte eine Stimme in ihr. Noch bevor es dazu kommt, wirst du diesen Zustand beendet haben.«
– „raunte eine Stimme in ihr“ finde ich auch nicht so toll, vielleicht eher „sprach ihre Vernunft zu ihr“ oder „glaubte sie, ihre Mutter zu hören“ oder sowas in der Art?

»"Ich nehme an, Sie sind noch zu keiner entgültigen Entscheidung gekommen, oder?"«
– endgültigen

»Hätte sei sich lieber mehr der Literatur über Abtreibungen widmen sollen?«
– sie

»Die Nacht war lang und dunkel.«
– ein bisschen mußte ich schmunzeln bei Deiner Feststellung... Vielleicht eher „Es lag eine lange Nacht vor ihr“ oder so ähnlich?

»Bald wirst du dich jeden Morgen übergeben müssen, höhnte die Stimme in ihr. Anja ignorierte sie.«
– Vielleicht besser „Bald werde ich mich jeden Morgen übergeben müssen. Anja verdrängte ihre Angst.“


Liebe Grüße,
Susi :)

 

Hallo Häferl,

danke für Deine ausführliche Antwort. Deine Anmerkungen/Verbesserungsvorschläge werde ich fast alle einarbeiten, bei manchen bin ich mir noch nicht ganz sicher.

Was mir an der Ärztin seltsam vorkommt, ist, wie sie mit Anja über „das Kind“ spricht.
Da die Geschicte vollkommen fiktiv ist habe ich da keine praktischen Erfahrungen ... aber ich hätte es mir denken können. Wird geändert.
üblicherweise erfährt man das gleich, ob der Test positiv oder negativ ist, so lange dauert das nicht.
Da habe ich wohl missverständlich formuliert, ich meinte nämlich zwei verschiedene Tests - es soll darauf hinweisen, dass Anja am Montag bereits selbst einen Test durchführte, der dann durch die Untersuchung offiziell bestätigt wurde. Werde ich auch noch klarstellen.

Wenn die Gefühlslage der Protagonistin bei Dir gut rüberkam, dann ist das schon was, darauf kam es mir ja hauptächlich an. :-)

Ginny

 

Hi Ginny!

So, nun hab ich endlich auch mal eine Deiner Geschichten gelesen und bereue es kein Bisschen!

Sehr lebendig geschrieben, ich war sofort in der Story drin und konnte mit Anja mitfühlen.

Zu Häferls Einwand mit dem Fruchtwasser: In einem solch frühen Stadium ist tatsächlich noch fast kein Fruchtwasser vorhanden, allerdings sehr viel Mutterkuchen, sie würde also eine starke Blutung haben, wenn das Kind abgeht (ich hasse Fachtermini, die so kalt klingen wie dieser...). Wenn man fast bewusstlos ist, bemerkt man den Unterschied vermutlich nicht.

Mir war sofort klar, dass Anja das Kind verloren hat, und auch Deine Intention, ihr die Entscheidung abzunehmen und sie so mit vollendeten Tatsachen leben zu lassen, hat mir sehr gut gefallen.

Fazit: eine sehr gute, nachdenklich stimmende Geschichte!

Lieben Gruß

chaosqueen

 

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