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Hinter die Loeffel
Hinter die Löffel
„Die Berechnungen hinsichtlich der Generierung eines schwarzen Loches ergaben leider unbefriedigende Aussagen. Grundsätzlich steht die Technologie dafür zwar zur Verfügung, allerdings sind die gewünschten Beschleunigungseffekte nicht endgültig steuerbar.
Die mathematischen Modelle zeigen Lösungen nach denen unsere Sonne durch die Gravitation zwar hinreichend beschleunigt wird, das schwarze Loch aber in einen stabilen Zustand übergehen könnte, der eine Kollision mit unserer Sonne zur Folge hätte.
Und dann... gibt es was hinter die Löffel.“
Der Vortragende, Tort Tappellipp, legte seine Löffelohren zusammen und sank auf die Vorderkrallen. Mit einem Satz war er aus der Vortragsmulde gesprungen und gesellte sich in den Kreis der Ingenieuroposophen.
Die pinkfarbenen Wände der gewölbten Halle fassten mit weichem Timbre die Aussage zusammen:
„Die Lösung des Problems mittels eines schwarzen Loches führt wahrscheinlich zum Scheitern des Projektes“ säuselten sie.
Nach angemessener Pause des Nachsinnens stieg Dampf aus der Schalllippe Borte Bastlipp. Solcherart um einen Wortbeitrag nachsuchend sprang er in sich verengenden Kreisen um die Vortragsmulde herum.
Da sich keiner aus der Versammlung aufmachte, seinen Sprung zu kreuzen und damit selbst das Vortragsrecht zu begehren, nahm er in der Mulde Platz.
„Unsere Zivilisation hat seit undenklichen Zeiten unter der Einsamkeit gelitten“, sprach er und zustimmendes Löffelrauschen bestätigte es ihm.
„Als wir endlich die technologischen Voraussetzungen geschaffen hatten den Raum nach Signalen anderer Wesen abzusuchen und selbst Rufzeichen zu senden, gingen wir von einem baldigen Kontakt mit unseren Sternenfreunden aus.
Doch unsere Rufe verhallten ungehört und kein Signal von fremden Sternenvölkern durchbrach das kosmische Rauschen das unsere Parabolen auffingen.
Einsam war es um uns, kalt und tot grinste uns das All an, wie gemein.
Und Generation um Generation wuchs die Angst, ganz allein in dieser Galaxie zu sein. Einer Krankheit des Verstandes gleich fiel unsere Zivilisation in geistige Starre, unfähig dem Entsetzen des unbelebten Sternenraumes zu widerstehen.
Und nun, nachdem wir endlich den so lang ersehnten Kontakt aufgenommen haben, soll uns die Eventualität der Vernichtung abhalten, unseren Freunden entgegenzueilen?“
Er sprang aus der Mulde und unter Löffelklappern fassten die pinkfarbenen Wände zusammen: „Das Risiko der Vernichtung scheint durch die Aussicht auf fortwährende Einsamkeit möglicherweise gerechtfertigt.“
Ob dieser, ihre eigene Vernichtung einschließenden Konsequenz gerieten die logischen Schaltungen der pinkfarbenen Wände in Aufruhr.
Schließlich sind halbvernünftige, ganzintelligente Rechenkreise sensibel im Bezug auf ihr eigenes Dasein.
Es war also nicht verwunderlich, dass sich die Wände in Trauerultraviolett verfärbten und wie zur eigenen Beruhigung folgenden Monolog absonderten:
´Das Signal war aus einer anderen Galaxie eingegangen und als simpler Rundumruf identifiziert. Nach Schätzungen der mit mir versippten Recheneinheiten war es nur ein Dutzend Generationen unterwegs gewesen.
Die Parabolen hatten eine automatische Antwort gesendet und über die Informaten die Planetenbewohner davon in Kenntnis gesetzt. Zeitgleich wurden die chemischen Tanks auf die Produktion starker Antieuphorika umgestellt, gerade noch rechtzeitig, um der andauernden, daseinsverkürzenden Euphorie Herr zu werden.
Die Frage nach der weiteren Vorgehensweise in Bezug auf die Anderen stellte sich natürlich nicht.
Wie kann eine erwachsene Zivilisation anders reagieren, als alle Ressourcen des Planeten in den Dienst der Frage zu stellen, wie ein persönliches Treffen zu bewerkstelligen sei?
Die natürliche Sehnsucht der begabten Vernunft nach Austausch mit Seinesgleichen ist ein ihr innewohnender Imperativ.
Nun mögen junge oder zurückgebliebene Zivilisationen auf die Idee verfallen zum Zwecke des Informationsaustausches Flugkörper in den Raum zu schießen.
Zugegeben, ein in seiner Unlogik fast grandios zu nennendes Unterfangen, denn es erzeugt das Paradoxon des negativen Informationsgradienten.
Denn die Information, die eine Antwort auf eine vor Unzeiten gestellte Frage enthält ist negativ, da sie häufig das vermeintliche Wissen verringert.
Denn wenn sich eine Zivilisation die gestellte Frage vorläufig selbst beantwortet hat und die erhaltene Antwort von dieser Lösung abweicht, ohne das eigentliche Problem zu lösen, weiß man weniger als vorher. Gerade im ontologischen Bereich muss es zwangsläufig dazu kommen.
Insofern ist die naheliegende, ja einzig denkbare Option, Heimatstern und die umgebenen Planeten auf eine Bahn zu stoßen, die ein Treffen mit den Anderen in absehbarer Zukunft ermöglicht.
Allerdings weisen logische Schaltkreise entschieden darauf hin, dass mit Emotionen begabte Wesen im Überschwange ihrer Freude sich daseinserhaltene Mäßigung auferlegen sollten.´
Allgemeines Löffelrasseln begleitete das Ende des Vortrages. Die Höflichkeit gebot es auch eine auf Platinen gebannte Halbvernunft aussprechen zu lassen, selbst wenn ihr auch die halbe Vernunft zeitweise abhanden gekommen war.
Tort Tappellipp der nur fadenscheinig kurz mit den Löffeln gerasselt hatte sprang schon wieder um die Mulde herum.
Das er sich dort mit Borte Bastlipp im Sprung kreuzte war ein unerhörtes Vorkommnis.
Die Sitte forderte, dass sie im Sprunge ihre Anliegen äußerten bis die Versammlung mit einer Löffelabstimmung einem der Kontrahenten den Vorzug gewährte oder das kraftvolle Springen zur Erschöpfung und Aufgabe eines der Wortbegehrenden führte.
Borte Bastlipp, der ältere der Beiden schonte seine Kräfte, indem er immerfort nur ´sterbogel´ schnaufte, was von den Anwesenden richtig als „Sterben oder Gelingen“ interpretiert wurde, also als Vorschlag, es mit dem schwarzen Loch zu versuchen.
Tort Tappellipp, der noch mehr Lebenszeit vor sich hatte und insofern mehr Interesse am eigenen Dasein, machte mehrere Kompromissvorschläge (Zeitlicher Aufschub, mehrere, sich aufhebende schwarze Löcher, virtuelle Schwarzlöchelein, Antinichtlöcher, Pseudoschwarzloch aus dunkler Materie) und als ihm die Sprunggelenke zu schmerzen begannen rief er die nunmehr grünen Wände zur Hilfe.
Es war den Wänden anzumerken, wie begierig sie auf die Worterteilung gelauert hatte. Schließlich war es ihnen aus Gründen der Statik streng untersagt, springend ums Wort zu ersuchen.
„Mit aller uns eigenen Bescheidenheit, die wir, wie wir bemerken dürfen, im Rahmen emotionaler Mimikry grenzwertig zu simulieren im Stande sind, schlagen wir die beschleunigte Bahnkorrektur unseres Systems durch Beschuss mit anfallendem Wohlstandsmüll vor.
Dessen jährliches Aufkommen beträgt heute bereits ein rundes hundertzwanzigstel der Sonnenmasse und wird nach meinem Berechnungen in wenigen Generationen auf ein rundes Achtel der Sonnenmasse ansteigen. Der genaue Beschuss beschleunigt das System nach für nach und wird binnen eines Umlaufes um die Galaxisachse die nötige Fluchtgeschwindigkeit erreichen. Dazu...“
Die weiteren, eher technischen Ausführungen der stolzweißen Wände gingen in begeistertem Löffelrattern unter.
Der Stern und seine angeschlossenen Planeten hatten die dritte kosmische Fluchtgeschwindigkeit noch nicht ganz erreicht, als die Parabolen sich ratsuchend an die freudengelben Wände wandten.
„001011011010110110101011101011101011111010100100001010110“ lautete die bestürzte Frage.
„01101110101012“ wurde sie entschieden beantwortet.
Dieser Dialog war nicht für irgendwelche Löffel bestimmt und daher binär (und, von Seiten der sich verschwörerisch Brünett verfärbenden Wände auch trinär) geführt und lautete:
Parabolen: Unmengen von höheren Zivilisationen fragen an, weshalb wir uns aus der Galaxis verdrücken. Ob wir die Einsamkeit suchen?
Bunten Wände: Anfrage bejahen. Und löffelseits: Schnauze halten.