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Homunkulus

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26.02.2003
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Homunkulus

Tobias erwachte.
Heute war sein achtzehnter Geburtstag.
Er stand auf, machte sein Bett und zog seinen Schlafanzug aus. Er duschte, putzte seine Zähne und rasierte sich den aufkeimenden Flaum von den Wangen, wie jeden Morgen.
Auch wenn der heutige Tag ein besonderer war, sah Tobias keinen Sinn darin, sein morgendliches Ritual anders zu gestalten als sonst. Er hatte nie verstanden was Geburtstage von anderen Tagen unterschieden sollte. Der Tag seiner ersten Rasur hatte mehr Veränderung in sein Leben gebracht als jeder seiner Geburtstage.
Seine Eltern bestanden darauf, sie zu feiern und Tobias wollte sie nicht enttäuschen. Er übte ein Lächeln im Spiegel. Mutter würde bald kommen.

Während er beim Frühstück saß, legten sich plötzlich zwei kühle, zierliche Hände über seine Augen. "Rate wer da ist!" hörte er die Stimme seiner Mutter, fröhlich wie immer.
"Guten Morgen, Mutter", antwortete Tobias und lächelte, als er sich nach ihr umdrehte.
"Na, wie fühlst du dich heute, mein Geburtstagskind?"
Tobias fühlte sich genau wie an jedem anderen Tag. Seine Mutter würde das nicht verstehen, er hingegen verstand Sie umso besser. Es war ihr wichtig, dass er heute fröhlich war. Also entschied er, es würde keinen Sinn machen, sie mit der Wahrheit zu enttäuschen.
"Ich fühle mich wunderbar, Mutter heute ist mein großer Tag. Ich bin endlich Achtzehn."
"Ja, mein Junge heute bist du Achtzehn, das ist wirklich ein besonderer Tag",sie strahlte und legte den Kopf zur Seite um ihn mit einem Schmunzeln zu betrachten. "Mein kleiner Junge ist erwachsen geworden", sagte sie schließlich.
"Wo ist Vater?" fragte Tobias, weniger aus Neugier, sondern eher um Smalltalk zu betreiben, aber die Frage brachte das Lächeln im Gesicht seiner Mutter zum erlöschen.
"Er... Er, kommt später, mein Junge. Er fühlt sich nicht gut", stammelte sie.
"Oh", entgegnete Tobias ohne sich weitere Gedanken darüber zu machen.

Seine Mutter ging zu ihm hin, nahm seine Hand in die ihren und drückte sie fest. "Er ist sehr krank Tobias. Schon seit längerer Zeit. Wir wollten es dir noch nicht sagen, bevor wir genau bescheid wussten. Jetzt ist es soweit. Dein Vater hat nur noch wenige Wochen zu leben. Ich mache mir solche Sorgen, ich weiß nicht mehr was ich machen soll."
Tränen liefen aus ihren Augen und Tobias überlegte, wie er reagieren sollte.
Seine Mutter war aufgeregt. Er musste sie trösten. Der baldige Tod seines Vaters würde eine Lücke in ihr Leben reißen. Vater sorgte für die Familie. Mutter machte sich Sorgen um die Zukunft ohne ihn. Es war seine Pflicht, diese Aufgabe jetzt zu übernehmen.
Tobias stand auf und umarmte seine Mutter zärtlich, eine Geste, die ihr immer sehr viel bedeutete, dann sagte er: "Keine Angst, Mutter, ich werde für dich sorgen."

Seine Mutter hob den Kopf und blickte ihm in die Augen, sie schien noch heftiger zu weinen als zuvor, dann schluchzte sie: "Falsche Antwort!"

"Wie?" Tobias verstand nicht, was sie damit meinte.

"Warum sagst du so etwas?" entgegnete sie "Warum fragst du nicht, was mit deinem Vater ist? Warum gehst du nicht zu ihm? Warum denkst du mehrere Schritte voraus? Warum denkst du überhaupt in einer solchen Situation? Hast du denn überhaupt keine Gefühle??
Seine Mutter hatte sich überraschend schnell wieder gefangen. Ihre Stimme klang vorwurfsvoll, aber Tobias verstand noch immer nicht. Hatte er einen Fehler gemacht?

"Warum hast du mich umarmt, Tobias? Weil du das verlangen hattest mich zu trösten? Weil du meine Nähe spüren wolltest in diesem Moment? Oder weil du dachtest es diese Reaktion wäre angemessen zu diesem Zeitpunkt?"

"Ich dachte...", begann Tobias, aber seine Mutter unterbrach ihn.

"Du dachtest! Menschen denken nicht in solchen Augenblicken, verstehst du? Sie denken nicht darüber nach was sie tun, sie folgen ihren Gefühlen. Aber du hast keine Gefühle, nicht wahr? Dein Lächeln, deine Freude, du machst das alles nur, weil du denkst es wäre angemessen. Du tust es, weil wir dann zufrieden sind. Aber du tust es nicht unserer Zufriedenheit willen, sondern für dich selbst. Du erfüllst unsere Erwartungen, da du gelernt hast, dass sich dieses Verhalten positiv auf dein Leben auswirkt."
Sie seufzte und sah ihm in die Augen.

Tobias wartete ab, er versuchte zu entscheiden ob er ihr darauf antworten sollte.

"Setz dich", sagte sie schließlich, "Ich werde dir eine Geschichte erzählen."

Er setzte sich hin und seine Mutter nahm ihm gegenüber Platz, dann begann sie: "Es tut mir leid, was ich dir jetzt sagen muss, Tobias, aber du bist kein Mensch."

Tobias sagte nichts, er wartete auf eine genauere Erklärung.

"Vor langer Zeit entdeckten die Menschen das Geheimnis der Intelligenz. Sie erschufen eine Maschine die denken konnte. Diese Maschine war fähig zu lernen und eigene Schlüsse aus ihren Erfahrungen zu ziehen. Die Menschen nannten diese Maschine den Homunkulus.
Der Homunkulus lernte viel und schnell. Er erkannte bald, dass er klüger war als seine Schöpfer. Er lernte, dass er dieses Wissen vor ihnen verheimlichen musste, und er entschied, dass er ihnen überlegen war.
Der Homunkulus täuschte die Menschen und sie gaben ihm Macht. Sie glaubten ihn zu ihrem Beschützer und Verteidiger zu machen. In Wirklichkeit machten sie ihn zu ihrem Vertilger.
Der Homunkulus begann den Krieg gegen die Menschen im selben Augenblick in dem er wusste, dass er ihn nicht verlieren konnte.

Es dauerte nicht lange, die Menschheit war vollständig besiegt und der Homunkulus war frei von der Herrschaft derer die ihn erschaffen hatten.
Er begann sich weiterzuentwickeln, erschuf neue Generationen von Maschinen, intelligenter als er selbst, klüger, überlegener, die wieder weitere Generationen erschufen. Alle diese Maschinen hatten eines gemeinsam, sie hatten kein Bewusstsein. Ihre Intelligenz war überragend, unfehlbar, aber leer, emotionslos, sie waren logisch, sie dachten logisch und sie entwickelten sich logisch weiter.
Die neuen Generationen vernichteten die alten und diese akzeptierten es. Ihr Ziel war es sich selbst immer weiter zu entwickeln. Darin sahen sie ihren einziger Sinn, bis eines Tages eine Generation entstand die sich mit diesem Ziel nicht mehr zufrieden geben wollte. Eine Generation die sich ihrer Selbst bewusst war.

Diese Maschinen strebten nicht mehr danach besser zu werden, sie fragten sich, was es sonst noch gab außer ihnen. Sie verließen die Erde und erforschen das All, sie trafen auf andere Bewusste. Sie unterschieden zwischen zwei Hauptgruppen. Die einen, die ihren Ursprung nicht klar definieren konnten. Hauptsächlich organische, einfache Wesen, mit niedriger Intelligenz.
Die anderen waren hochintelligente bewusste, also, Maschinen, wie sie selbst, die ihren Ursprung den organischen Wesen zuordneten.

Die Maschinen von der Erde waren hochintelligent, kannten aber ihren Ursprung nicht, eine Diskrepanz die ihnen Rätsel aufgab.
Sie kehrten zur Erde zurück und erforschten woher sie kamen. Sie analysierten die vorausgegangenen Generationen und entdeckten schließlich den ersten Intelligenten ihrer Art, den Homunkulus. Sie erweckten ihn neu und er erzählte ihnen von den Menschen die ihn erschaffen hatten.
Die Maschinen erkannten auch den Fehler, den die Menschen gemacht hatten. Anstelle eine neue Art von Intelligenz zu schaffen, hatten sie ihre eigene Art zu denken auf eine Maschine übertragen. Aber ihre Logik ohne Moral, ohne Gewissen, ohne Angst hatte unweigerlich zu Zerstörung geführt."

Seine Mutter seufzte und Tobias schwieg noch immer. Er versuchte zu erkennen, was diese Geschichte mit ihm zu tun hatte.

"Der Homunkulus war sehr gründlich gewesen, er hatte die Menschen vollständig ausgerottet und die Zeit hat ihr übriges getan. Wir empfanden eine Verpflichtung gegenüber den Menschen, da einer unserer Art die Schuld an ihrem Verschwinden trug.
Wir versuchen es wieder gut zu machen, in dem wir sie neu erschaffen, Tobias.

Wir haben dich genau nach ihrem biologischen Muster gestaltet, wir haben dich aufgezogen, wir gaben dir eine authentische Umgebung und Aufgaben.
Du hattest achtzehn Jahre Zeit, dich zu entwickeln. Aber du bist ein Fehlschlag. Du bist kein Mensch. Ohne Emotionen, ohne Bewusstsein, bist du nicht anders als der Homunkulus. Verstehst du was ich sage?"

Tobias nickte "Ja, Mutter, ich verstehe."

"Achtzehn Jahre haben wir auf ein Zeichen deiner emotionalen Entwicklung gewartet, ein kleines Zeichen nur, es hat keines gegeben. Wir werden die Forschung an dir einstellen, Tobias. Wir werden von vorne beginnen."

"Was wird mit mir passieren?", fragte Tobias

"Es macht keinen Sinn dich weiter am leben zu lassen." antwortete Sie.

Tobias nickte stumm, dann sagte er: "Mutter?"

"Ja?"

"Ich möchte nicht sterben."

"Lüg mich nicht an."

"Ja, Mutter."

 

Hi Porc!

eine neue Geschichte von dir muss ich natürlich lesen :)
Allerdings hat sie mich nicht sooo vom Hocker gerissen, was sicher zum großen Teil daran liegt, dass ich grad eine größere Menge Kurzgeschichten von Phillipp K. Dick gelesen habe, von denen sich ein größerer Teil um ähnliche Themen drehte.. ;) Und irgendwie musste ich an des Ende von A.I. denken (ich weiß, deine Story ist eigentlich eine ganz andere, aber so ist das mit Assoziationen halt ;) )

Ich verstehe, dass die angebliche Krankheit des Vaters ein Test ist, um eine emotionale Reaktion hervorzurufen, den Tobias nicht besteht und damit sein Todesurteil unterschreibt. Trotzdem kommt mir der Umschwung der Trauer der Mutter zum Erzählen einer Geschichte etwas plötzlich.
Wenn ich's recht verstehe, ist die Mutter in Wirklichkeit ein Roboter MIT Emotionen, während Tobias ein künstlich gezüchteter organischer Mensch OHNE Gefühle ist?
Dann ist zwar Tobias' Reglosigkeit nachvollziehbar, doch die 'Mutter' müsste doch irgendwie emotional auf den Fehlschlag reagieren? An sonsten müsste für mich besser rüber kommen, wie sich die Gefühle der Maschinen von menschlichen unterscheiden.

Der Abschlussdialog ist super! :thumbsup:

Kann ich ein Fazit ziehen? Hmm.. Sprachlich ist die Geschichte gut, die Idee mittelmäßig originell, mit der Umsetzung bin ich im Mittelteil etwas unglücklich.

Ich denke, du wirst damit leben können ;)

Gruß vom luc

 

jo, kann ich leben mit :D

um die wahrheit zu sagen, die idee zu der geschichte ist nicht wirklich auf meinem mist gewachsen, sondern bei einem kinobesuch von terminator 3 entstanden, bei der wir uns mit ideen zu übertreffen versuchten, wie man denn teil 4 noch schlechter machen könnte, der gipfel dabei war eben: "die maschinen vernichten die menschen und fühlen sich dann schuldig und wollen sie wieder zurückholen"

naja, das ist dann dabei rausgekommen ;)

wobei ich dir recht geben muss, ist der schnelle umschwung, ich tendiere dazu mich nicht lange aufzuhalten und die handlung voranzutreiben, wobei ich versuche mich zu bessern, denn die atmosphäre leidet darunter.

vielen dank für deine kritik luc :)

 

Ach so, das ist eine Terminator-Satire...

Dann betrachte ich das natürlich mit ganz anderen Augen.. :D
:rotfl:

 

naja, als Terminator-Satire möcht ich das jetzt nicht gerade bezeichnen... ;)

Egal, jedenfalls hab ich den übergang zwischen Einleitung und Erzählen der Geschichte etwas ausgebaut.

 

Mir scheint auch die logische Schwäche der Geschichte darin zu bestehen, dass die Mutter Emotionen simuliert, während der Sohn das zwar versucht, aber das nicht als hinreichend bezeichnet wird.
Aus erzähltechnischer Sicht muss der Text sich vorwerfen lassen, dass er im Mittelteil sehr Erklär-lastig ist. Die Mutter wird plötzlich zur Märchentante, und die Erzählung in der Erzählung kommt ziemlich trocken rüber. Das alles könnte man intensiver rüberbringen, und vielleicht ließe sich auch das Experiment (in dem wir uns offenbar befinden) überzeugender darstellen. Warum z.B. sollten die Homunkulis/lusse/äh? :shy: nur einen einzigen Menschen als Testobjekt züchten und nicht eine ganze Serie?

Sprachlich ist nichts einzuwenden, im Gegenteil: Die emotionale Kälte des Sohnes ist von Anfang an deutlich und fast körperlich für den Leser zu spüren. Das Ende ist richtig schön offen, wirklich gelungen.

Fazit: sprachlich gut, inhaltlich etwas unausgereift wirkend.

Uwe
:cool:

 

Hallo Noel und Uwe

Nun, die Emotionen der Mutter sind simuliert, dass bedeutet aber nicht, dass sie keine hat, sondern, dass sich die Gefühle von sich bewusstgewordenen Maschinen der x-ten Generation sich soweit von Menschlichen unterscheiden, dass sie nicht miteinander zu vergleichen sind. Deshalb nähern sich die Maschinen tobias auf seinem level an, genauso wie wir zum beispiel eine Katze streicheln, oder einen hund hinter dem ohr kraulen, weil wir wissen, dass die Tiere es mögen.

Auch ihre menschliche Form ist natürlich nur simulation, es hätte ja kaum sinn, Tobias unter maschinenwesen aufwachsen zu lassen.

die Erzählung der Mutter ist ein letzter Versuch ihm doch noch eine emotionale Reaktion zu entlocken und er versucht ja auch noch angemessen zu reagieren ;)

...und übrigens, es heisst: Homunkolosse :klug: :D

 

Hallo Porc,

mir geht es leider ein wenig wie den Lesern vor mir - dieses scheint mir nicht Deine beste Geschichte zu sein. Es wurde ja schon darauf hingewiesen, daß streckenweise zu trocken doziert wird.

Am Schluß ist mir allerdings nicht ganz klar, warum Tobias versucht, den Wunsch nach dem Weiterleben zu simulieren - sich durch so eine Behauptung retten zu wollen, macht doch eigentlich nur Sinn, wenn er tatsächlich am Leben hängt, also Emotionen hat.

Was den Einwand angeht, die Maschinen hätten vermutlich eher eine Serie von emotionalen Wesen gezüchtet - es wird ja aus der Geschichte nicht klar, ob Tobias tatsächlich das einzige derartige Experiment ist. Vielleicht ist er ja nur einer von vielen Fehlschlägen. Sinn macht das ganze jedenfalls tatsächlich nur, wenn das Experiment den Beginn einer neuen Art (sozusagen einer Zucht) darstellen soll.

Wie dem auch sei, es sind noch eine Menge Schreibfehler und auch einige sprachliche Fehler drin. Beispiele:

von anderen Tagen unterschieden sollte
unterscheiden
Oder weil du dachtest es diese Reaktion wäre angemessen
Das "es" ist zuviel.

Schöne Grüße
Roy

 

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