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Ich kann, ich sollte, ich will fliegen
Ich kann, ich sollte, ich will, fliegen
Verloren sitze ich auf dieser Bank. Vor zwei Minuten hab ich noch gewusst, auf was ich gewartet hatte. Vielleicht auf den Bus, auf einen Sommerhauch; vielleicht auch auf die Liebe. Ich denke, die Liebe hat mich nicht mal annähernd gestreift. Und wenn doch, dann ist es schade, dass ich es nicht mitbekommen habe. Die Liebe. Hier auf meinen Blatt Papier nur ein Wort, ein paar aneinander gereihte Buchstaben. Ein Seufzer entkommt mir und bildet Fragezeichen über meinem Kopf.
Wohin wollte ich eigentlich? Ich halte meine Schultasche, als ob sie meine ganze Identität beinhalten würde. Aber eigentlich liegt da nur mein Handy, Stifte und mein schulisches Wissen.
Ich schließe meine Augen und versuche, eine von diesen Personen zu sein, die wissen was sie wollen und nie auf so einer Bank sitzen. Nein, sie steigen mit gehetztem Schritt von einem Bus in den anderen. Von einem Zug zum nächsten. Von A nach B.
Ich tu mich schwer in meiner Vorstellung, einer von diesen Menschen zu sein, die schnell und zügig leben. Ich bin eher so ein Typ, na ja, einer der gerne aus dem Bus aussteigt und sich zuerst gemütlich eine Zigarette anzündet. Menschen beobachtet, feststellt, analysiert, zu lang überlegt, bis er dann auch den letzten Bus verpasst hat.
Aber das ist nicht schlimm. Morgen fährt ja noch einer.
Ich denke an ein paar Worte von Wolkenkind, die er in seinen zu schönen Geschichten niedergeschrieben hat. Einige prasseln einfach so ab und einige bleiben auf meiner Zunge liegen. So oft erwähnt er den Sternenhimmel. Ob er von dort oben kommt? Interessant wäre es. Endlich jemanden kennen lernen, der von Wolke zu Wolke springt. Wahrscheinlich auch deshalb der Name. Ich schau meine Glieder an. Die fühlen sich viel zu schwer an, als dass ich einfach so abheben könnte. Sich von Normen losreißen oder einfach mal durchs Leben gleiten zu können. Das wäre schön. Ich denke, ich habe Flügel und würde auch fliegen können, aber ich habe keine Lizenz.
Gott sei Dank bin ich nicht der einzige der an der Erde fest hängt. Ich öffne meine Augen wieder und sehe all diese Leute die so wie ich, gebunden sind, an das Irdische, an das Normale. Sehe ihre Träume über ihnen auftauchen. Und Ketten die sie festhalten, all das zu verwirklichen. Auch sie dürfen nicht einfach so nach oben, zu ihren Träumen abschwirren.
Wahrscheinlich will das Mädchen dort, auf der anderen Straßenseite, die sich an der schützenden Hand der Mutter festhält, mal die Welt verändern. Die vielen Tierversuche will sie stoppen, hungerleidende Kinder will sie retten, und mal die ganze Welt pink anmalen. Sie würde es auch schaffen, wenn sie nicht diese Ketten angelegt bekommen würde, Ketten die ihre Träume verschließen. Von den Menschen die die grausame Realität zur Realität machen. Ja, sie könnte und würde fliegen, aber sie bekommt keine Lizenz.