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Ich komme nach Hause
White Trash Beautiful, there's something you should know
My heart belongs to you
And you coulda found a better guy
I'll love you till the day I die
I swear to God it's true
I'm comin' home to you
(Everlast - White Trash Beautiful)
Der Teufel auf dem Beifahrersitz lachte und ich trat das Gaspedal bis zum Bodenblech durch. Die 250 PS des Ford Mustang winselten um Gnade, als der Wagen raketengleich beschleunigte und mich in das Sitzpolster drückte.
Und in diesem Moment, verfolgt von der Polizei, den Teufel neben mir sitzend, einen Sack voller Geld im Kofferraum, mußte ich plötzlich an Karen denken.
...
Es war eines dieser typischen Diner, die man in Filmen oft sieht. Wo Fernfahrer nach einem harten Tag am Steuer ihre wohlverdiente Ruhe suchen, mit der Kellnerin flirten und sich auf eine unbequeme Nacht auf dem Rastplatz einrichten. Früher hatte ich immer gedacht, so etwas würde es nur im Fernsehen geben, aber in meiner späteren Laufbahn als Fernfahrer habe ich gelernt, daß sie sehr wohl existieren.
Karen hatte gerade Nachtschicht, als ich mit einer Ladung Schweinehälften vor dem Diner ankam. Sie war keine von den desillusionierten Schlampen, die aus Frust über ihre verpaßten Chancen in den Kaffee spuckten, sondern eine echte Frau mit echten Träumen. Einen Pfannkuchen, drei Bier und zwei Klapse auf ihren Hintern später waren wir ein Paar. Ich kam fortan jede Woche mindestens einmal in Karens Diner und wenig später heirateten wir. Bilderbuchromantik. Aber manchmal ist das Leben halt so.
Mein Job war natürlich nicht gerade ideal für eine funktionierende Beziehung, aber wir kriegten es irgendwie auf die Reihe. Wenn ich auf Tour ging, gab ich ihr einen Kuß auf die Stirn und sie lieh mir ihre Halskette. Damit ich einen Grund hatte zurückzukommen - immerhin mußte ich ihr die Kette ja wieder zurückgeben. Nur ein albernes Ritual vielleicht, aber uns bedeutete es eine Menge.
Es waren keine rosigen Zeiten, aber irgendwie war es immer gegangen. Bis gestern.
"Schatz, sieh dir das mal an!", sagte sie, als sie voller Freude aus dem Badezimmer getänzelt kam.
"Was denn?"
"Blau. Ich bin schwanger." Tja, das Ding war blau, keine Frage. Ich freute mich aufrichtig - ich meine, wer würde das nicht - aber irgendwie sah ich vor meinem geistigen Auge eine Zahlenkolonne nach der anderen auftauchen. Karen würde ihren Job aufgeben müssen und mit dem Gehalt eines Truckers würde ich ein Kind niemals ernähren können, dachte ich.
Dieser Gedanke beschäftigte mich, als ich gestern Tag das Haus verließ. Er ließ mich nicht los, als ich Karen den Kuß gab und ihre Kette an mich nahm. Er verfolgte mich, als ich Petes Lager verließ und mit einer Ladung Dosenbier den Weg nach Norden antrat. Und selbst, als ich am Abend dieses Diner irgendwo am Arsch der Welt betrat und den Teufel traf, schwirrte dieser Schwangerschaftstest noch in meinem Kopf herum.
"Du siehst müde aus", sagte er und winkte mir freundlich zu. "Komm, setz dich! Ich geb dir einen aus."
"Wie komme ich zu der Ehre?"
"Du siehst einfach so aus, als könntest du einen Drink vertragen. Jenny, mach meinem Kumpel hier mal ein Bier kalt. Ich bin... nenn mich Bill." Ich sagte ihm meinen Namen und setzte mich zu ihm an die Theke. Normalerweise ließ ich mich nie auf Fremde ein, aber ich brauchte in diesem Moment einfach jemanden, mit dem ich reden konnte. Den ganzen Abend saßen wir beide einfach nur da und unterhielten uns. Über Schweinehälften, Pfannkuchen und den ganzen Rest.
"Du bist verheiratet?", fragte er mich irgendwann und nippte an seinem Bier.
"Woher..."
"Du trägst einen Trauring."
"Karen. Willst du ein Foto sehen?"
"Nein, nicht nötig."
"Okay... ich dachte nur, es würde dich vielleicht interessieren."
"Tut es... und wie es das tut. Aber ich brauche kein Foto von ihr zu sehen. Ich weiß genau, wie sie aussieht... Oh nein, nicht was du denkst... Es ist nur so, daß ich jeden Menschen sehr genau kenne. Auch dich."
"Klar kennst du mich. Immerhin sind wir seit Stunden dabei, uns ordentlich die Kante zu geben."
"Nein, ganz so ist es nicht... komm mit." Bill erhob sich und führte mich in einen schäbig aussehenden Wohnwagen, der draußen auf dem Parkplatz stand und den in der Vergangenheit irgend jemand als Klo mißbraucht haben mußte. Wir setzten uns auf eine verrottete Sitzbank, die einen wackligen Tisch umgab.
"Willst du wissen, wer ich bin?"
"Warum nicht?"
"Da ich kein Freund langer Worte bin, mach ich es kurz. Ich bin das, was ihr Teufel nennt."
"Guter Witz", sagte ich und lachte. "Du bist also der Leibhaftige persönlich..."
"Du glaubst mir nicht? Warte, ich helfe dir auf die Sprünge."
Er lächelte und für einen kurzen Moment spürte ich, wie all die Bosheit des Universums sich auf die Größe eines Sandkornes konzentrierte und mir mit aller Wucht in die Fresse schlug. Ich spürte, wie mich Leid, Trauer und Schmerzen am Atmen hinderten und mir die Kehle zuschnürten. Mein Magen brannte und mein Kopf drohte zu explodieren.
Nur einen kurzen Moment lang, dann war es vorbei.
"Oh, mein Go..."
"Nein, sag das lieber nicht. Nun, da du mir glaubst - zumindest nehme ich das an - können wir zum Geschäft kommen." Er zog ein Stück Papier aus seiner Tasche und legte es auf den Tisch. "Ein Vertrag. Wie du sicher weißt, bin ich ein großer Sammler von menschlichen Seelen und deine... nun, sie gefällt mir."
"Meine Seele?"
"Ja. Ich kann dir dafür alles bieten, was du nur willst. Deine Frau ist schwanger und ihr braucht Geld. Unterschreib diesen Vertrag und ihr beide werdet ein langes Leben ohne jede Sorge führen können, das garantiere ich dir."
"Und dann?"
"Nach deinem Tod gehörst du mir. So läuft das."
"Für... für immer?"
"Die Ewigkeit ist eine verflucht lange Zeit, aber irgendwann wirst du dich an meine Gesellschaft sicher gewöhnen. Hier, auf der gestrichelten Linie bitte. Und gut aufdrücken, wegen der Durchschläge."
Ich weiß nicht mehr, welche Macht an diesem Abend meine Hand lenkte, aber ich nahm den Stift und setzte meine Unterschrift auf das Papier. Was war schon eine Ewigkeit gegen die Gewißheit, meiner Karen ein gutes Leben zu bereiten?
"Danke", sagte der Teufel "du wirst es sicher nicht bereuen." Er zog eine Pistole aus seinem Anzug hervor und noch während ich befürchtete, daß die Sache mit der Ewigkeit jetzt bereits beginnen würde, drückte er sie mir in die Hand. "Siehst du die Ratte da?"
"Ja."
"Töte sie. Sieh es als einen ersten Test." Ich schluckte schwer und hob die Waffe. Die Ratte saß friedlich in der Ecke des Wohnwagens und hatte keine Ahnung, daß ihr Leben nur noch von der Krümmung meines Zeigefingers abhing. Nun, ich konnte es nicht tun. Ich gab dem Teufel die Pistole wieder, er nahm sie entgegen und knallte die Ratte ab. Einfach so.
"Tja, soweit bist du wohl noch nicht... kommt noch", sagte er und lachte.
...
Am nächsten Morgen weckte er mich noch vor Sonnenaufgang. Wir hätten viel vor, sagte er und schob mich aus dem Wohnwagen hinaus auf den Parkplatz der Raststätte. Ich wollte in meinen LKW einsteigen, aber der Teufel hielt mich zurück.
"Nein, für unser Vorhaben ist dein Truck nicht geeignet. Wir nehmen den da." Er zeigte auf den Ford Mustang, der neben den Toiletten stand.
"Aber... das wäre Diebstahl. Dafür kommen wir in den Knast."
"Hast du vergessen, wer ich bin? Es ist mein Job, sowas zu tun." Mit einem Wink seiner Hand öffneten sich die Türen des Wagens und wir nahmen Platz. Eine weitere Geste und 250 Pferde schrien ihre Kraft hinaus in die Welt. Ich wollte gerade den Gang einlegen, als die Tür der Toiletten sich öffnete. Ein Mann trat auf den Parkplatz, rotzte auf den Boden, zog den Reißverschluß seiner Hose zu und zündete sich eine Zigarette an. Als er bemerkte, was wir mit seinem Wagen vorhatten, begann er zu schreien und rannte wie von Sinnen auf uns zu.
"Gib Gas", sagte der Teufel.
"Aber..."
"Ach, verdammt! Alles muß man selber machen..." Er stieg in aller Seelenruhe aus und schlug den Besitzer des Wagens zusammen. Es war kein schöner Anblick, daher schloß ich die Augen und öffnete sie erst wieder, als der Teufel an das Seitenfenster klopfte. Ich fuhr die Scheibe runter.
"Gib ihm den Rest", sagte er und drückte mir die Pistole in die Hand.
"Ich... ich kann doch nicht..."
"Früher oder später wirst du es tun müssen, mein Freund. Denk daran, du hast mir deine Seele versprochen."
"Aber... er hat doch nichts getan..."
"Er hat den Tod verdient. Letztlich hat jeder den Tod verdient... na gut, dann mach ich es eben selbst." Der Teufel nahm die Waffe und erledigte den Mann ohne mit der Wimper zu zucken. Dann stieg er wortlos wieder ein und wir fuhren los.
...
"Hä... Hände hoch! Das ist ein Über... Überfall!" schrie ich. Es hatte lange gebraucht, mich zu dieser Sache zu überreden und er hatte mir versprechen müssen, daß niemand zu Schaden kommen würde. Der Teufel verdrehte die Augen - scheinbar war er mit meiner Vorstellung nicht sonderlich zufrieden - und trat an den Bankschalter.
"Hallo, schöne Frau", sagte er, während ich die Leute in Schach hielt. "Hättest du nicht Lust, mir das hier vollzumachen?" Er reichte der Frau am Schalter einen Beutel und sie füllte ihn mit zitternden Händen mit Geld. "Danke schön. Das hast du ganz toll gemacht. Dafür hast du dir eine Belohnung verdient. Ich werde mich bei dir melden", sagte er und griff sich obszön an den Schritt.
Als wir wieder im Wagen saßen und ich Gas gab, hörten wir schon die ersten Polizeisirenen.
...
Der Teufel auf dem Beifahrersitz lachte immer noch und ich trat das Gaspedal bis zum Bodenblech durch. Die 250 PS des Ford Mustang winselten um Gnade, als der Wagen raketengleich beschleunigte und mich in das Sitzpolster drückte.
Die Polizei hatte keine Chance gegen den Mustang und so konnte ich den Abstand langsam aber sicher vergrößern. Schweiß rann mir in breiten Strömen von der Stirn und vor die Augen aber ich konnte nicht aufgeben. Schließlich mußte ich nach Hause zu Karen. Ich hatte es ihr versprochen.
Ich weiß nicht mehr, wie es zu dem Unfall kam - ich weiß nur noch, daß da plötzlich dieser schwarze Wagen vor uns auf der Straße war und daß danach die Welt verschwamm.
Als ich wieder zu mir kam, lag ich neben dem Mustang, der auf dem Dach neben der Straße lag. Der Teufel mußte mich aus dem Schrotthaufen gezogen haben. Ich öffnete die Augen und nahm die Welt durch einen seltsamen Nebel war. Undeutlich sah ich, wie der Teufel die Geldtasche aus dem Kofferraum unseres Wagens zog und mit der Pistole auf mich zukam.
"Jetzt ist es soweit", sagte er. Der erste Polizeiwagen hielt und zwei Beamte stiegen aus. Mit gezogenen Waffen näherten sie sich der Unfallstelle. Der Teufel drückte mir seine Pistole in die gefühllose Hand und ich war kaum in der Lage, die Finger um den Griff zu schließen.
"Tu es", sagte er, "jetzt und hier!"
"Was tun?"
"Töte sie. Wenn du es nicht tust, werden sie dich einbuchten." Ich drehte den Kopf und sah die beiden Polizisten. Dann sah ich das Wrack des anderen Wagens - es war dermaßen verbeult, daß der Fahrer sicher keine Chance gehabt hatte.
"Töte sie!"
"Ich... ich kann nicht..."
"Dann ist unser Vertrag ungültig. Ich habe dir Geld versprochen und hier ist das Geld. Jetzt kriege ich deine Seele."
"Erst... erst, wenn ich sterbe..."
"Töte sie und ich lasse dich nach Hause. Nach Hause zu deiner Frau und deinem Kind. Deine Seele aber wird mir gehören und nach deinem Tod kommst du zu mir. Tu es!"
"Aber..."
"Sofort!", brüllte er.
Ich schloß für einen Moment die Augen. Zitternd hob ich die Waffe und zielte auf den ersten Polizisten. Mit der anderen Hand griff ich nach Karens Kette, die immer noch um meinen Hals hing.
"Ich komme nach Hause", sagte ich.