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Im Bad

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27.06.2003
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Im Bad

Im Bad
„Ich mag aber auf meiner Seite stehen. Hat sich ja immerhin noch nicht alles verändert zwischen uns.“ sagt er zu mir, während wir uns die Zähne putzen. Wir tauschen die Plätze vor dem Waschbecken in unserem kleinen Badezimmer, so dass jeder wieder an seinen angestammten Platz steht. Auf dem Spiegel vor uns ist „ogni talento matta“ mit weißem Kajalstift geschrieben. Ich hatte das einmal aufgeschnappt. Ogni talento matta – jeder Talentierte ist ein Verrückter. Ich fand es wundervoll und er auch.
Wir haben uns getrennt. Nach fast zwei Jahren. Getrennt, nachdem wir beschlossen hatten unsere Zukunft miteinander zu verbringen. So schnell kommt das manchmal. So einfach kann es sein. Ganz plötzlich sind die Gefühle nicht mehr dieselben. Irgendwann empfindet man nur noch absolut reine und tiefe Freundschaft und keine oberflächliche Liebe füreinander. Man fragt sich verzweifelt nach dem warum und weshalb. Fragt sich, wann das Blatt sich gedreht hat und wundert sich über sich selbst. „Ich liebe dich nicht mehr.“ Ein Satz der es in sich hat, nicht nur für denjenigen für den er bestimmt ist. Der nicht mehr zurückgenommen werden kann. No return. Keine Chance. Einmal ausgesprochen hängt er in der Luft. Macht sie trübe. Schwer. Man glaubt, dass man nicht mehr atmen kann, spürt wie jedes einzelne Lungenbläschen nach Sauerstoff schnappt, wie der Boden langsam unter den Füßen verschwindet und die einzige Wahrnehmung dieser gewaltige Satz zu sein scheint, welcher sich immer wieder gnadenlos schneller und schneller wiederholt: „Ich liebe dich nicht mehr...ich liebe dich nicht mehr...ich liebe dich nicht mehr...ich liebe dich...nicht mehr....
Zack.
Mit einem Schlag verliert man nicht nur seinen Partner, sondern auch seinen besten Freund, seinen engsten Vertrauten, seinen Mitbewohner und seine Familie. Und genau das alles möchte man nicht verlieren. Ohne diesen Menschen kann man sich nicht vorstellen zu sein. Aber deshalb eine Beziehung aufrechterhalten? Mit all den Streitereien, Eifersüchteleien, und Krisen? Soll man das Risiko eingehen einen Menschen, den man eigentlich liebt, zu verletzen, weil man ihn doch nicht mehr, körperlich gesehen, liebt, nur um all die anderen faszinierenden Eigenarten nicht zu verlieren. Nur um diesen Menschen nicht zu verlieren. Um sich selbst nicht zu verlieren. Weil man ohne ihn keinen Spass mehr hätte. Wie lange könnte man ihn dann noch in die Augen schauen?
Man muss davon ausgehen, dass dieser Satz ihn noch härter und vor allem unvorbereiteter trifft, als er einem selbst während des Ausspruchs getroffen hat. Man selbst hatte zuvor etwas Zeit, konnte darüber nachdenken, noch mal alles versuchen nur um letztendlich doch an sich selbst zu scheitern. Diese Zeit wurde ihm nicht gegeben. Die Beziehung, die eben noch durch Krisen ging und den Anspruch hatte allem und jedem zu trotzen liegt nun als Scherbenhaufen direkt vor uns auf den Kacheln des kleinen Badezimmers. Und wir haben den Klebstoff verlegt.

 

Hallo..

Die Geschichte gefällt mir. Ich kann mich damit idendifizieren und fühle mich abgeholt.
Der Schluss gefällt mir auch (wir haben den Klebstoff verlegt..)
Nur was ich mich gefragt habe, wo ist der Zusammenhang zwischen dem Satz am Spiegel und der Beziehung, die nicht mehr funktioniert?

 

Tja,
also mir gings ähnlich, was die Verknüpfung des Eingangssatzes mit der Beschreibung der Folgesituation angeht.

Ich empfinde allerdings auch den Gedanken befremdlich mit dem Ex-Partner zähneputzenderweise vorm Spiegel zu stehen und sich über rechts und links auseinanderzusetzen, wobei dieses dann anscheinend benötigt wird, um wehmütig verklärten Austausch über letzte verbliebene Gemeinsamkeiten und Rituale zu betreiben.
Zumindest, wenn diese Kiste von beiden Seiten nicht schon ewig verarbeitet, inventarisiert und auf nimmer Wiedersehen verschickt und wirklich reine Freundschaft daraus geworden ist!
Ist sie das in deiner Geschichte??

Und vor allen Dingen suche ich ein wenig nach dem philosophischen Grundmotiv...

Ist es der kurze Anriss der Unwägbarkeit von Gefühlen, die sich in

nur noch absolut reine und tiefe Freundschaft und keine oberflächliche Liebe füreinander

verwandeln? Das besagte Entlieben voneinander?

Ist es der Versuch, das gängige Bild von wahrer Liebe als tiefstes und reinstes Gefühl in sein Gegenteil zu verkehren, und an seine Stelle den Begriff Freundschaft zu setzen, die für wahr, durchaus mindestens ebenso rein sein kann, jedoch niemals in der Lage ist, die Empfindung der bedingungslosen Liebe zu jemandem auf ein oberflächliches Gefühl zu reduzieren?

Versteh ich einfach deinen Text nur nicht richtig?!
Could be possible!! :hmm:

Aber, um dir die Frage zu beantworten, ob es richtig ist, sich und dem anderen etwas vorzumachen, um die schönen Begleiterscheinungen einer anscheinend einseitig zerrütteten Beziehung :confused: noch erleben zu dürfen:

Nein!!! Nein!!! Nein!!! Im Namen der Freundschaft.... niemals!

Und da kommen wir zum Kasus knacktus in deiner Geschichte in meinen Augen:

Der Name der Liebe zeigt sich in der Entscheidung es eben um der Dinge Willen zu tun, die du unter anderem auch angesprochen hast:

Mit einem Schlag verliert man nicht nur seinen Partner, sondern auch seinen besten Freund, seinen engsten Vertrauten, seinen Mitbewohner und seine Familie

Und genau das alles möchte man nicht verlieren. Ohne diesen Menschen kann man sich nicht vorstellen zu sein.

um all die anderen faszinierenden Eigenarten nicht zu verlieren. Nur um diesen Menschen nicht zu verlieren. Um sich selbst nicht zu verlieren. Weil man ohne ihn keinen Spass mehr hätte

wow, wahr empfunden, wirklich überzeugende Argumente es zu versuchen mE!

Bis dahin... hmm,... ist Liebe eben eine, auf diesen "Resten" basierende, durchaus noch funktionstüchte Sache, die es zu erhalten/wiederzuentdecken gilt, vielleicht gerade weil sie keine Freundschaft ist und an einem seidenen Faden hängt!

Naja,
migrant bird und seine eremitären Ansichten über die Liebe zur Wahrheit...

Nix für ungut!!
Gruß
s.o.

 

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