Im Bad
Im Bad
„Ich mag aber auf meiner Seite stehen. Hat sich ja immerhin noch nicht alles verändert zwischen uns.“ sagt er zu mir, während wir uns die Zähne putzen. Wir tauschen die Plätze vor dem Waschbecken in unserem kleinen Badezimmer, so dass jeder wieder an seinen angestammten Platz steht. Auf dem Spiegel vor uns ist „ogni talento matta“ mit weißem Kajalstift geschrieben. Ich hatte das einmal aufgeschnappt. Ogni talento matta – jeder Talentierte ist ein Verrückter. Ich fand es wundervoll und er auch.
Wir haben uns getrennt. Nach fast zwei Jahren. Getrennt, nachdem wir beschlossen hatten unsere Zukunft miteinander zu verbringen. So schnell kommt das manchmal. So einfach kann es sein. Ganz plötzlich sind die Gefühle nicht mehr dieselben. Irgendwann empfindet man nur noch absolut reine und tiefe Freundschaft und keine oberflächliche Liebe füreinander. Man fragt sich verzweifelt nach dem warum und weshalb. Fragt sich, wann das Blatt sich gedreht hat und wundert sich über sich selbst. „Ich liebe dich nicht mehr.“ Ein Satz der es in sich hat, nicht nur für denjenigen für den er bestimmt ist. Der nicht mehr zurückgenommen werden kann. No return. Keine Chance. Einmal ausgesprochen hängt er in der Luft. Macht sie trübe. Schwer. Man glaubt, dass man nicht mehr atmen kann, spürt wie jedes einzelne Lungenbläschen nach Sauerstoff schnappt, wie der Boden langsam unter den Füßen verschwindet und die einzige Wahrnehmung dieser gewaltige Satz zu sein scheint, welcher sich immer wieder gnadenlos schneller und schneller wiederholt: „Ich liebe dich nicht mehr...ich liebe dich nicht mehr...ich liebe dich nicht mehr...ich liebe dich...nicht mehr....
Zack.
Mit einem Schlag verliert man nicht nur seinen Partner, sondern auch seinen besten Freund, seinen engsten Vertrauten, seinen Mitbewohner und seine Familie. Und genau das alles möchte man nicht verlieren. Ohne diesen Menschen kann man sich nicht vorstellen zu sein. Aber deshalb eine Beziehung aufrechterhalten? Mit all den Streitereien, Eifersüchteleien, und Krisen? Soll man das Risiko eingehen einen Menschen, den man eigentlich liebt, zu verletzen, weil man ihn doch nicht mehr, körperlich gesehen, liebt, nur um all die anderen faszinierenden Eigenarten nicht zu verlieren. Nur um diesen Menschen nicht zu verlieren. Um sich selbst nicht zu verlieren. Weil man ohne ihn keinen Spass mehr hätte. Wie lange könnte man ihn dann noch in die Augen schauen?
Man muss davon ausgehen, dass dieser Satz ihn noch härter und vor allem unvorbereiteter trifft, als er einem selbst während des Ausspruchs getroffen hat. Man selbst hatte zuvor etwas Zeit, konnte darüber nachdenken, noch mal alles versuchen nur um letztendlich doch an sich selbst zu scheitern. Diese Zeit wurde ihm nicht gegeben. Die Beziehung, die eben noch durch Krisen ging und den Anspruch hatte allem und jedem zu trotzen liegt nun als Scherbenhaufen direkt vor uns auf den Kacheln des kleinen Badezimmers. Und wir haben den Klebstoff verlegt.