Im Land der Amazonen
Albert blickte unruhig auf und trat näher zum Gitter, das seine Achtquadratmeter-Zelle umschloss. Da kamen sie wieder. Die Göttinnen des Schreckens. Gingen in ihren hellen Trikots lachend und scherzend den schmalen Korridor hinunter, der zwischen den Zellen lag.
Er blickte ihnen unbehaglich entgegen, und noch ehe sie ihn erreichten, hörte er wieder dieses leise Klimpern ihrer Folterinstrumente. Voller Grauen wandte er sich ab, und stellte sich zitternd, und ganz dicht an die hintere Wand. Gott, bitte nicht er. Sollen die wen anders nehmen, aber nicht wieder ihn.
Erst gestern hatten sie ihn erneut gequält. Training nannten das diese Amazonen, denen er auf Gedeih und Verderb ausgeliefert war. Er nannte so etwas Folter.
Eine etwas Dickliche hatte ihn wie immer erst gesäubert, ihn mit dem Lederzeug gequält, um ihn später dann in der großen Arena herum zu scheuchen. Dabei trat, brüllte und schlug sie die ganze Zeit auf ihn ein, dass ihm noch heute sein Körper schmerzte.
Er wurde langsam zu alt für diese grausamen Spiele.
Warum sie ihn und seinesgleichen so behandelten, hatte er nie heraus gefunden. Er wusste nur, das es ihr Los war, sie zu unterhalten.
Die jungen Frauen erreichten die kleine Kammer, blödelten immer noch miteinander herum, und entledigten sich dort vorerst ihrer Mitbringsel. Albert ließ sich davon nicht narren. Wusste er doch, das diese Lederriemen, Metallstangen und Peitschen noch zum Einsatz kämen. Vornehmlich auf ihre nackten Körper, die wohl anders für diese Frauen nicht zu bändigen waren. Doch statt ihn und die anderen einfach laufen zu lassen, wurden sie alle eingesperrt und von deren Lust gequält.
Sein Trakt bestand aus zehn Einzelzellen, und jede war derzeit belegt. Selten waren sie das alle, es herrschte hier immer ein kommen und gehen. Wohin seine Mitstreiter verschwanden, vermochte er nicht zu sagen, nur das es hier öfters die Insassen wechselte.
Kurt, seid einiger Zeit sein Nachbar, konnte es wie immer kaum erwarten.
Dieser junge Masochist hibbelte jeden Tag dieser Folter entgegen. Dabei machte er noch Faxen, ärgerte diese Göttinnen, zwickte und kniff, wo immer er zartes Fleisch erreichen konnte, und bekam das prompt mit barer Münze zurück. Wie oft war dieser Blödmann schon verprügelt worden. Doch dieser fieberte täglich diesem Wahnsinn entgegen, und Albert betrachtete ihn angewidert. Kranke Laus.
Dass er sich seine Prostitution selbst eingestehen würde, lag Albert fern.
Nein, er hatte andere Gründe, sich so benutzen zu lassen. Vielleicht lag es ja am schalen Geschmack der Freiheit, oder am Vergessen, das ihn da draußen immer heimsuchte. Er konnte es nicht mit Bestimmtheit sagen. Aber Kurt war anders, der genoss diese Vergewaltigung des Körpers förmlich. Fieberte dieser kranken Lust entgegen.
Auch jetzt drängelte der hinaus, als eine der jungen Frauen kam und seine Zelle öffnete. Und wie immer packte sie hart zu, schlug ihm kurz übers Gesicht, und kettete ihn ungnädig auf dem schmalen Gang an. Noch war keine Zeit für Lebenslust und animalischem Trieb.
Albert drückte sich noch dichter an die Wand, vielleicht bliebe er ja mal verschont.
Doch, wie um ihn zu verhöhnen, kam wieder die stark übergewichtige Frau von gestern. Musste er ihr heut wieder gefallen? Ihr mit seinem Leib wieder zu diensten sein, diesem nach Schweiß und Nahrung stinkendem Wesen?
Er musste.
Grinsend schloss sie seine Zelle auf und trat langsam ein. Packte gnadenlos den Gurt, den er um seinen Hals trug, und zog ihn ebenfalls auf den hellen Gang hinaus. Er ergab sich seinem Schicksal. Was sollte er auch anderes tun. Sie waren einfach stärker, brutaler in ihrer Macht.
Einfach göttlich, einfach Amazone.
Metallisch klirrte die dicke Kette, mit der sie ihn sicherte. Einen Fluchtgedanken der Lächerlichkeit preisgebend. Unbarmherzig säuberte sie ihn wieder, denn er sollte ja gut aussehen, wenn sie ihn für ihre Zwecke benutzte. Aber wenn sie mit ihm für heut fertig war, würde er seinerseits stinkend und von ihr besudelt, wieder in seine Zelle gesperrt werden. Albert zwang sich zur Ruhe, und nur hin und wieder wich er ihrer harten Hand aus, die ohne Zärtlichkeit an ihm herum rieb. Als sich seine Blase der Anspannung wegen plötzlich meldete, bekam er leichte Panik. Auf den Gang zu urinieren bedeutete Ärger, und das noch bevor es überhaupt los ginge.
Er konzentrierte sich. Versuchte sich zu beruhigen, doch es half nichts, und so schoss sein warmer Strahl zu Boden. Dass er dabei die Dicke leicht bespritzte, amüsierte ihn nur am Rande, denn grade dieses bedeutete noch weit schlimmeren Ärger.
Und gleich ging es wieder los.
„Du alter Arsch“, fauchte sie und trat ihn dabei so hart in den Bauch, das er grunzte, „was soll dieser Scheiß? Machst mir noch mehr Arbeit, als ich eh schon habe, du alter Mistbock!“
Albert blickte beschämt zu Boden, doch die korpulente Göttin schien das nicht zu bemerken, und beschimpfte ihn weiter.
Dann hörte er wieder dieses fröhliche Klirren, das sein Martyrium jedes Mal aufs Neue beginnen ließ. Leder wurde ihm um den Körper gezurrt, wie immer viel zu fest, um angenehm zu sein. Hals, Brust wie Genitalien wurden fest verschnürt. Sogar sein Schwanz wurde künstlich angehoben. Die Bedeutung dessen hatte er noch nicht heraus gefunden, und dies gehörte wohl zu den Mysterien seines Lebens. Sein Kopf verschwand hinter der bekannten Halbmaske, die nur seine untere Gesichtspartie frei ließ. Mit ihr spürte er auch den harten Druck auf Nase und Kiefer, der nachher noch um soviel schlimmer werden sollte.
Albert begann wieder zu zittern, doch nun nicht mehr vor Angst. Leichte Erregung beschlich ihn, und er trat unruhig auf der Stelle herum, was ihm neue Tritte und Beschimpfungen einbrachten.
„Steh still, du Hammel“, pöbelte die Dicke, und schlug ihm mit einer Peitsche so hart, das sein Rücken gequält aufjammerte. Er zuckte zusammen und wusste, besser stillhalten und tun, was sie sagte. Nachher, wenn er zitternd, und körperlich total erledigt, wieder in seine Zelle taumeln würde, hätte er es doch hinter sich. Zumindest für heute.
Mühsam beherrschte er seine Aufregung, seine Lust.
Kurt, vor ihm, lieferte sich grade wieder einen Kampf mit seiner Amazone, und musste dann noch mehr einstecken als er. Trottel, dachte Albert.
Zehn Minuten später ging es dann endlich hinaus. Er wusste, das die Dicke immer hinter ihm bleiben würde. Unnachgiebig und erbarmungslos. Doch als er die Sonne spürte, stahl sich etwas Versöhnung in sein gequältes Herz. Heute würde er sich richtig bemühen. Sich richtig anstrengen und alles geben. Kämpfen, für sich, wie für sie gleichermaßen. Vielleicht änderte dies ja etwas. Seine Erregung wuchs.
Er hörte die Musik der Maske wegen nur gedämpft, wusste aber, dass sie die Arena erreichten. Bevor es nun los ginge, mussten er und seine kraftvollen Mitstreiter sich, Gladiatoren gleich, erst feiern lassen. Dies geschah wie immer in Form einer Ehrengarde, die vor der Tribüne entlang zog. Jubel erklang und wärmte sein Herz.
Geräusche wie Gerüche übten die alte Faszination auf ihn aus, und obwohl er kaum etwas sah, berauschte es ihn erneut. Das Gewicht der Korpulenten nahm wie üblich zu, und seine Muskeln spannten sich in Erwartung der alten bitteren Freuden. Nur hier, in mitten seiner Gesellen, verspürte er so etwas wie Freiheit. So absurd ihm dieser Wettkampf auch erschien, brachte nur dieser ihm Befriedigung. Körperlich wie seelisch. Sein Schwanz zuckte.
„So“, brüllte sie ihm nun zu, und sank dabei noch etwas tiefer, „jetzt streng dich an. Wir wollen es denen noch mal richtig zeigen, was?“
Albert biss die Zähne zusammen, und seine unbändige Lust schwappte fast über. Er zuckte und zitterte, und nur ihr Gewicht hinderte ihn noch, sich jetzt schon vor Erregung aufzubäumen. Wie alle Amazonen saß sie anfänglich ruhig, und bremste seine lustvolle Wildheit mit eiserner Hand. Albert flippte fast aus, der Spannung wegen, und dann, endlich, ging es los.
Seine Bewegungen durften langsam immer schneller werden, und beglückt kam er diesem nach. Jeder Muskel seines Körpers übernahm die rhythmischen Bewegungen und sein Herz raste irgendwann so sehr, dass ihm schwindelte. Seine dicke Amazone behielt dennoch immer die Kontrolle. Bremste oder ermunterte ihn, je nachdem, wie sie es für richtig hielt. Und er schwitze, keuchte und schnaufte, voller Glücksgefühl und halb wahnsinnig eben darum. Er gab ihr einfach alles.
Immer lauterer Jubel brandete von der Tribüne, und mit ihr floss sein letzter Widerstand dahin. Er kämpfte um immer mehr Tempo, und schließlich ließ sogar seine dicke Göttin ihrer Erregung freie Bahn. Auf seinem Hochgefühl angelangt, vergaß er jede Furcht, und seine Glieder brüllten vor Verlangen wie Schmerz. Fieberten mit Sehnsucht dem Ende entgegen.
Dann spürte er seinen Höhepunkt, und trotz leichtem Zweifel, schließlich war er noch nie soweit gegangen, gab er sich dem Strudel in ihm entgültig hin. Ließ sich von der Euphorie, die ihn erfasste, tragen. Albert versank einfach im brennend heißem Licht, das plötzlich durch seinen Geist flammte. Noch ein letztes, schwitzendes Aufbäumen und er brach, unter dem brüllenden Jubel der Massen, zusammen.
Von dem Tumult, den er durch seinen Tod auslöste, bekam er nichts mehr mit.
Er hatte ihr sein Leben gegeben. Hatte es seiner Amazone, und allen Zuschauern zu Füßen gelegt. Doch mitleidlos schafften sie ihn weg. Als seine Trainerin sich später mit einem Arzt über ihn beugte, war von Trauer oder Ehrfurcht nichts zu spüren.
„Der alte Mistbock hat ganze Arbeit geleistet“, fluchte sie, rieb sich den schmerzenden Arm und trat nach seinem Leichnam. Der zerbrochene Sulky lag neben ihm.
„Na ja“, erwiderte der Arzt unbeteiligt, „den hätte man aber auch nicht mehr laufen lassen dürfen. So alte Traber haben auf einer Rennbahn nichts mehr verloren.“