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Im Schützengraben

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06.05.2004
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Im Schützengraben

Wieder ein dumpfer lauter Knall – Erde und Steine rieselten auf den Soldaten nieder. Immer näher kamen die Einschläge der feindlichen Artillerie. Grelle Blitze zerrissen das Dunkel der Nacht. Bis auf die Einschläge der Granaten herrschte Totenstille in der Umgebung, der Feind hatte wohl seine Taktik geändert und versucht aus der Ferne die Verteidiger zu zermürben. Noch bis vor zehn Minuten war der peitschende Lärm der Maschinengewehre beider Seiten zu hören...

„Sie kommen!“
„Ich kann nichts sehen! Es ist zu dunkel!“
„Wir brauchen Beleuchtung!“
„Schießt einfach! SCHIESST!“
Ratternd setzte das Feuer der MGs ein. Beinahe zeitgleich schlugen auch die ersten Granaten ein. Schemenhaft konnte er die durch die Explosionen erhellten Umrisse der heranstürmenden Horde erkennen...
„Hier sind sie!“
Gnadenlos hämmerte er mit seinem MG in die Dunkelheit – hoffend wenigstens irgendjemanden zu treffen. Jeder der ihm zu nah kam, könnte ihm den Tod bringen, das zischende Geräusch vorbeifliegender Projektile bekräftigte nur sein handeln.
„Nachladen! Nachladen!“ rief er seinem Kameraden zu, ohne sich auch nur einen Blick auf ihn zu werfen. „Wir müssen den Lauf wechseln! Verdammt! Der glüht ja schon!! Schnell gib mir den andren!“
Doch seine Zurufe blieben unbeantwortet – nichts geschah. Er wandte seinen Kopf nach seinem Kameraden, doch der lag bewegungslos am Boden. Eine Kugel hatte seine Brust getroffen. Sein nach Erlösung flehender Blick durchbohrte ihn. Zitternd hob er seine Hand um sie seinem Kameraden zu reichen, doch seine Kräfte versagten. Mit schmerzverzerrtem Gesicht ließ er seinen Arm wieder sinken und drehte seinen Kopf zur Seite – immer langsamer wurden die Bewegungen seines Brustkorbes, bis er schließlich vollends regungslos am Boden lag. Das war der Moment von dem an auch er nur noch den Kopf einzog. Scheinbar eine Ewigkeit dauerte die Schlacht noch, bis sich der Feind vorerst zurückzog.

Die Knie an sich gezogen saß er weinend neben seinem toten Kameraden, viel hatten sie zusammen durchgestanden in diesem furchtbaren Krieg – doch nun? Verzweifelt sah er seinen Freund ins Gesicht, wissend, dass ihn das selbe Schicksal ereilen könnte.
„Warum nur...“ Schluchzte er und berührte sanft das Gesicht des Gefallenen, um es von all dem Staub und Dreck zu befreien, einmal noch wollte er seinen Freund so sehen, wie er ihn kennen gelernt hatte. Sie kannten sich schon seit der Grundschule und waren immer gute Freunde gewesen, eigentlich war es purer Zufall, dass sie in der selben Einheit gedient hatten.
Ein lauter Knall riss ihn wieder aus seinen Gedanken, eine dichte Staubwolke legte sich über den Graben.
„Warum nur!!“ Schrie er vor Wut. Er war nur ein einfacher Soldat in diesem Krieg, es war nicht sein Krieg. Eigentlich wusste er gar nicht, worum es in diesem Krieg ging. Das einzige was er wusste war, dass er seine Feinde töten musste, damit sie ihn nicht töten. Und das selbe wussten auch die anderen. „Ein Teufelskreis...“ dachte er, „jeder muss den andren töten, damit er selbst am Leben bleiben kann. Absurd...“
Rings um ihn tobte nur noch das Inferno, alle paar Sekunden war eine laute Explosion zu hören, gefolgt von einem Staub- und Schuttregen. Immer dichter drängte er sich an die Wand des Grabens, die Hände fest über seinem Kopf verschränkt.
Krampfhaft versuchte er sich an die letzten schönen Dinge seines Lebens zu erinnern, als ob er wüsste, dass er nicht mehr lange zu leben hat. Er dachte an seine wunderschöne Frau und seine zwei süßen Kinder – „was sie jetzt wohl machen...“ Er dachte an seinen Beruf als Gärtner, den er immer so geliebt hatte. Er dachte an all seine Freunde, mit denen er so viel erlebt hatte. Er dachte an alles, nur nicht mehr an diesen unsinnigen Krieg. Hier konnte er anscheinend sowieso nicht mehr lebend raus.
„RÜCKZUUUUUG!! Wir ziehen uns zurück!!!“ hörte er plötzlich die erlösenden Worte seines Kommandanten. „Wir müssen hier weg!“
Ein letzter Hoffungsschimmer baute sich in ihm auf. „Vielleicht schaffen wir es doch...“
Er richtete sich auf und begann zu laufen. Er lief und lief und lief. Die Zeit verging immer langsamer. Links von ihm wurde ein Soldat von einer Druckwelle meterhoch in die Luft geschleudert. Rechts schien die Schlacht wieder voll zu in Gang zu kommen. Ratternd setzten die MGs wieder ein. Doch das kümmerte ihn nicht mehr – er wollte nur noch weg...
Ein stechender Schmerz durchbohrte seinen Hals – wie vom Blitz getroffen blieb er stehen, auf seiner Brust wurde es warm, er konnte kaum noch atmen. Kraftlos sank er in die Knie und griff an seinen Hals. Er war getroffen. Seine Hand war blutrot und zitterte. Ein letztes mal blickte er auf, rund um ihn brachen seine Kameraden schreiend zusammen, andere rannten nur noch herum, keiner bemerkte ihn. Warum denn auch? Wer war er schon?
Ein namenloser Soldat in einem namenlosen Krieg...

 

Hallo Akamas!

Danke für diese Geschichte. Ich finde sie wirklich gelungen. Die Atmosphäre kommt gut rüber und die Moral die durch deinen letzten Satz angesprochen wird, entspricht wohl wahrhaftig dem wahren Gesicht des Krieges.

Schade nur, dass die guten Geschichten scheinbar immer ignoriert werden.

mfg Andy

 

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