Was ist neu

Im Sudhof

Seniors
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28.12.2009
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Anmerkungen zum Text

Dieser Text war vor einiger Zeit bereits schon einmal hochgeladen, damals unter dem Maskenballthread, ich habe diesen aber aus diversen Gründen löschen lassen. Nun ist er überarbeitet worden und ich unternehme einen neuen Versuche. Thanks!

Im Sudhof

Es beginnt in den Unhöhen. Der Riss im ewigen Eis des Bergs wird länger und tiefer, es ist ein langsames Ablösen, das Kriege und Kaiser, Könige und Regierungen überdauert, bis die Kante schließlich bricht - ein Knirschen, ein Knacken, danach die Bewegung zum Tal hin, die Elemente beugen sich den Kräften, werden als Quellwasser ins Dunkel des menschlichen Tuns und Seins gezogen, in die engen Gassen und mit Dampf gefüllten Bäder, in die stinkenden Aborte unter den Backsteinhäusern; in einem Gefälle von mehr als tausend Metern rauscht es durch sonnentrockenen Flussbetten, an stillen Hainen und Weizenfeldern vorbei, in denen der Wind leise durch die Ähren streicht; es macht aus harmlosen Bächen reißende Ströme, nimmt Staub und Moos und Schlick in sich auf, füllt die Kiemen von Neunauge, Döbel und Brachse; durch die Sedimente fließt das Süße, stets der Schwerkraft folgend, um sich dann in einer großen, hohlen Hand wieder zu vereinen, im Kühlbecken vor dem Sudhof, in dieser uralten Vertiefung, wo sich alles Wasser sammelt, um schlussendlich in den Läuterbottichen der Suder zerkocht zu werden.

Die Suder sind eine eigene Sippe; man sagt, zuerst sei ihr Blut dagewesen, geronnen auf dem Boden eines von den Göttern vergessenen Kessels, ihre Körper aus Kupferdämpfen und gestochenem Torf erst über Jahrmillionen um das Blut herum gewachsen, die Haut ein bronzefarbenes Amalgam aus Salz und Staub. Ihre Gesichter wie Furchen in der lehmigen Erde - die Knochen breit und groß, die eng zusammenstehenden Augen dunkel und feucht. Sie leben im blinden Fleck, im Verborgenen, Gestalten der Unform und des Unheils, dessen Schicksal niemand teilen mag und vor dem man den Blick abwendet. Kreaturen der linken Hand, gehasst von Beichtvätern und molligen Ammen, diesseitige Paria, denen Unterpfand und Glückseligkeit verwehrt bleiben wird. Es sind gefürchtete Kreaturen, weil ihre Kräfte roh und unmäßig sind; manchen vom gewöhnlichen Volk haben sie schon die Hand beim Gruße zermalmt. Die Suder sieht man nur selten in den Gassen und auf den Märkten, ihre Welt sind die Rauch-geschwängerten Hallen, wo es nach Kien und Harz und lodernden Holzscheiten duftet, wo Kohlen unter Bottichen weißglühen und die Sude anheizen. Sie sind ein mythisches Adelsgeschlecht, Wesen aus längst vergessenen Sagen, die in ihrem eigenen Hades sich und ihre Kräfte verzehren um wiederaufzuerstehen, ein ewiger Zyklus zwischen Tag und Nacht, Licht und Schatten, der Hof eine Unterwelt aus Blut und Destillat.

Tonnen von Korn und Kräutern werden täglich aufs Neue angebracht, die Karren gezogen von schweren Warmblütern, denen es den Schaum ums Maul treibt und deren Flanken von der Last beben, ihr Atem so dicht wie Sprühnebel. Ein nie enden wollender, ein nie versiegender Strom aus Karren zieht durch die Höfe. Nur die allerjüngsten Suder tilgen die Ladungen, denn die Älteren und Alten beobachten mit gestochen scharfem Blick die Brennlose in den aus Edelmetall gedengelten Blasen, ein Auge auf die hoch kochenden Säfte, das andere auf den tröpfelnden Vorlauf, ihre Erfahrung aus den Jahren im Sudhof zu kostbar für derlei stupide Tätigkeit.

Im Sudhof gibt es keine Pausen. Die Suder braten ihre groben Würste auf den Randsteinen der Feuer, wässern Bries in gusseisernen Töpfen und backen ihn mit grünem Pfeffer und Rosmarin aus, pellen faustgroße Kartoffeln mit den geschliffenen Klingen ihrer Nicker und trinken dazu bernsteinfarbenes Bier. Ihre Arbeit ruht dennoch nie. Die Sude fließen immerzu aus den Bottichen in die Abläufe, durch Filtration und Trennung, die Luft geschwängert von Rauch und Aromen, die beißende Schärfe der Maischen und Brände, die schwindelerregende Blumigkeit der Hydrolate, betörend, betäubend, die Sinne benebelnd, doch das alles ficht die Suder nicht an, ihre Lungen sind dem gefeit. Niemand hat sie je schlafen sehen. Manchmal lehnen sie in leichtem Dämmer an einer Wand, den Kopf auf die Brust gelegt, die Arme verschränkt, eine Zigarette aus Maispapier zwischen den Lippen. Ein dumpfes Summen lässt ihre Kehlen erzittern, bis sie die Augen wieder aufschlagen, ihre Gliedmaßen ausstrecken und die Handflächen aneinander reiben. Flugs zurück zu den Kesseln!

An den Freitagen gehen sie geschlossen zur alten Abdeckerei, wo Händler aus dem Osten ihre Hähne gegeneinander kämpfen lassen; die Hornfüße amputiert und ersetzt durch blank geschliffene Sporne, scharf und lang wie Messer. Die Kehllappen werden in den Käfigen mit Vorlauf aus dem Sudhof eingerieben; die Fuselöle stacheln die Tiere an; die Kämpfe sind kurz und blutig und enden mit dem Tod. Die Suder wetten nie mehr als den Zehnt ihres Lohnes und trinken das Blut des Verlierers aus rostigen Blechtassen. Es sind die Tassen ihrer Väter und Vorväter, die es ihnen gleichtaten, die vor dem Schabbes ihre Wetten platzieren und die ebenfalls das Blut der Verlierer tranken. Die Suder gehorchen keinem Herrn. Sie haben ihre eigenen Gesetze; zwischen Kesseln und Bottichen wird zu keinem Gott gebetet; die Suder glauben nur an die Geister, die sie selbst in den Steigrohren aus Rotguss freisetzen. Manchmal gibt ein Wort das andere und es gilt Recht zu sprechen. Dann werden die verfehdeten Suder mit langfaserigem Hanf aneinandergebunden, linke Hand an linke Hand, das Seil verknotet als doppelte Acht, den Knüppel aus gehärtetem Holz in der Rechten. Ein Umkreisen in der Mitte des Hofs, im schäbigen, schummrigen Halblicht der Erker, umringt von all den anderen Sudern, langsam und behäbig schaut es aus, doch es ist nichts als unbändige Wucht, die darauf wartet, sich im rechten Moment Bann zu brechen. Ein Schrei, ein Schlag, die straffen Muskeln erheben sich, Knüppel auf Knochen, hartes auf Hartes, das Blut spritzt glutheiß und sprudelt wild aus den Wunden im Fleisch.
Es geht bis einer auf dem rußgeschwärzten Boden liegen bleibt und sich nicht mehr rührt. Dann wird kurz innegehalten, ein jeder gedenkt für sich, der noch warme Leib wird aufgebahrt und im Ofen des Sudhofs verbrannt.

Einmal im Jahr legen die Suder die Hälfte ihrer Löhne zusammen und kaufen sich eine Maid, die sie in der kleinen Stadt am Rand des Tals gemeinsam aussuchen. In den finstersten Ecken, hinter den Kloaken und in den Latrinen der abtrünnigen Viertel werden sie fündig. Es sind Töchter einer Mutter, die nur selten das Tageslicht sah, mit schlechten Mäusezähnen und stumpfem Haar, mit heller Haut und dichten Augenbrauen. Das Tal ist eng und leer und die großen Städte mit den bunten Lichtern weit, weit entfernt, nur ein schwaches Blinken am Horizont hinter grauem Rauch - für ein Jahr im Sudhof schuften und danach mit den Taschen voller Münzen in die Freiheit mag wie ein Wohlklang in ihren Ohren sein, ein gutes Geschäft zumindest ist es, so sagen die Suder, und abgemacht ist abgemacht, ein Handschlag reicht, man steht zu seinem Wort. Die Maid wird fein zurecht gemacht; es fehlt ihr an nichts, Cremes und Parfüms und Düfte bis die Haut so fein ist wie geschliffener Marmor und das Haar fließt wie reinste Seide. Niemals zuvor war sie so schön, so begehrenswert, aus einem blassen Dorfmädchen wird eine stattliche Frau, eine Dame von Welt. Eine letzte Nacht noch auf den gottvertrauten Pfaden folgt, die Augen schließen im eigenen Bette, den Duft der Heimat in der Nase, ein Wandeln wie im Traum in dieser einen letzten Nacht. Im Sudhof werden der Maid am nächsten Morgen dünnste Silberketten um die Fesseln gelegt, dann muss sie auf einem Podest aus Holz und Stein stehen, wo sie den Tag bis in die Nacht tut, wie die Suder ihr geheißen, wo sie tanzt und singt und lacht und Küsse hinwirft mit Hand und Mund und Schultern zeigt und zu dem die Suder hinaufsehen wie zu einem Blutmond während sie weiterhin Moste von der Hefe ziehen, Gärspunde mit Geklärtem nachfüllen und Maischereste aus den Kochböden der Kolonnen spülen. Sie verlässt den Sudhof nie; sie schläft auf dem Podest und wacht auf dem Podest und verrichtet ihr Geschäft auf dem Podest. Sie isst die gleichen Würste und den gleichen Bries wie die Suder, sie trinkt ihr Bier und atmet die gleiche rauchige Luft. Kaum eine überlebt das volle Jahr. Ihre Gesichtchen werden grau und das Haar fällt ihnen aus und in ihren Augen fehlt bald jeglicher Glanz, nicht der kleinste Schimmer ist da mehr, nur mattes Rabenschwarz. Bald ist sie so mager wie ein armes Kind nach einem langen Winter, und unter der Haut ihrer eingefallenen Brust sieht man dann das Herz schlagen, schwach, schwächer, bis es schließlich verstummt, ein kraftloser, ausgezehrter Muskel, der zuletzt nur noch das aller dünnste Blut durch den Leib pumpt. Die erschlafften Körper werden vom Podest gehoben und über die Köpfe der Suder hinweg getragen - ein jeder möchte die Maid noch ein letztes Mal mit seiner eigenen Hand berühren, den gefallenen Engel. Stumpf wird der Blick der Suder, wenn die Flammen das einst so schöne Weib umfangen und sie erglühen lässt wie Eisen in der Schmiede. Die Asche der Maid weht durch die Hallen, über Bottiche und Kessel hinweg, wird eingeatmet von den Sudern, während sie Zucker aus dem Holz der Fässer brennen und giftiges Ethanol durch Trichter abgießen. In diesen Nächten trinken die Suder selbst von ihren Schätzen, Kostbarstes fließt in ihre Bäuche hinab, Flüssigkeiten in den Farben von prächtigen Kastanien und edelstem Mahagoni, aus gut gehegten Fässern gezapft, dessen wahren Inhalt nur die Ältesten kennen. Ein Schluck und noch einen zweiten, und schon ist das Antlitz der Maid eine schnell verblassende Erinnerung. Bis ins nächste Jahr, auf die nächste Maid, die auf dem Podest in schwindelnder Höhe singt und tanzt und lacht für die Suder, durch deren Adern schon lange Trester rinnt.

Nie werden sie die Welten außerhalb des Tals sehen, nie die bunten Lichter der großen Städte. Immerzu werden sie das Blut der Verlierer trinken und sich die Maid fürs neue Jahr suchen, weiter und weiter werden sie trennen und filtrieren und die Wahrheit in den Brennblasen und Maischen suchen, die Nektare des Dionysos erschaffen, nach denen es uns so sehr gelüstet. Auf ewig werden sie sein zwischen Kupfer und Holz, Glut und Flamme.

 

Moin @jimmysalaryman,

danke für Deine Geschichte.

Ich konnte dank der konsequenten Bildsprache gut eintauchen in diesen fantastischen Kosmos aus Düsternis, Rohheit und dreckiger Brutalität. Ein paar Mal sind es mir wenige Umschreibungen zu viel, aber in Gänze habe ich das sehr gerne gelesen.

Mir sind zwei „eventuelle Logiklöcher“ aufgefallen, wobei ich mir bei diesem Setting gar nicht sicher bin, ob ich da überhaupt mit Logik kommen brauche. Ich bringe sie trotzdem mal an:

#1:

Die Suder sind eine eigene Sippe; man sagt, zuerst sei ihr Blut dagewesen, geronnen auf dem Boden eines von den Göttern vergessenen Kessels, ihre Körper aus Kupferdämpfen und gestochenem Torf erst über Jahrmillionen um das Blut herum gewachsen, die Haut ein bronzefarbenes Amalgam aus Salz und Staub.
Starkes Bild von der Legende um die Entstehung der Suder. Doch der gestochene Torf hat mich doch straucheln lassen. Bei „geronnenem Blut auf dem Boden eines Kessels“ und den „Kupferdämpfen“ ist in meinem Kopfkino der Kessel leer. Wie kommt der Torf denn da jetzt rein, fragte ich mich.

#2:

Das Tal ist eng und leer und die großen Städte mit den bunten Lichtern weit, weit entfernt, nur ein schwaches Blinken am Horizont hinter grauem Rauch - für ein Jahr im Sudhof schuften und danach mit den Taschen voller Münzen in die Freiheit mag wie ein Wohlklang in ihren Ohren sein, ein gutes Geschäft zumindest ist es, so sagen die Suder, und abgemacht ist abgemacht, ein Handschlag reicht, man steht zu seinem Wort.
Sie kaufen sich die Maid ein jedes Jahr. Und nie kommt eine von denen lebendig zurück. Würden die Mütter, egal, wie es denen geht und woher sie kommen, nicht ihresgleichen berichten, dass ihre Töchter nach einem Jahr nie zurückkehren, keine Kunde ihres weiteren Lebens schicken, etc.? Dann hätten die Suder ein Problem, wenn sie das nächste Jahr erneut erscheinen und die Menschen ihnen sagen: "Unsere Töchter bekommt ihr nicht, die kommen nämlich seltsamerweise nicht mehr zurück, und lassen von sich hören?" ;)

Kleinigkeiten:

in einem Gefälle von mehr als tausend Metern rauscht es durch sonnentrockenen Flussbetten
sonnentrockene (bin mir nicht sicher)

Es sind gefürchtete Kreaturen, weil ihre Kräfte roh und unmäßig sind; manchen vom gewöhnlichen Volk haben sie schon die Hand beim Gruße zermalmt.
Das "weil" hat mich gestört, es sticht so weltlich erklärend aus dem ganz eigenen Duktus heraus.
Es sind gefürchtete Kreaturen, ihre Kräfte roh und unmäßig; manchem... liest sich für mich runder.

Manchmal lehnen sie in leichtem Dämmer an einer Wand, den Kopf auf die Brust gelegt, die Arme verschränkt, eine Zigarette aus Maispapier zwischen den Lippen.
Hier gleiches mit der Zigarette. Da halte ich "Stumpen" oder so für passender. Denkst Du nicht?

Ein Schrei, ein Schlag, die straffen Muskeln erheben sich, Knüppel auf Knochen, hartes auf Hartes, das Blut spritzt glutheiß und sprudelt wild aus den Wunden im Fleisch.
Würde ich streichen für mehr (schnelleren) Punch. Schrei, Schlag, Knüppel auf Knochen. Aus die Maus.

An den Freitagen gehen sie geschlossen zur alten Abdeckerei, wo Händler aus dem Osten ihre Hähne gegeneinander kämpfen lassen; die Hornfüße amputiert und ersetzt durch blank geschliffene Sporne, scharf und lang wie Messer. Die Kehllappen werden in den Käfigen mit Vorlauf aus dem Sudhof eingerieben; die Fuselöle stacheln die Tiere an; die Kämpfe sind kurz und blutig und enden mit dem Tod.
Der für mich beste Absatz. Da lief mein Kopfkino auf Hochtouren. Richtig gut!

Wenige letzte Fragen drängen sich mir auf: Wer bezahlt die Suder für ihr Tun, wer bildet den Anschluss zur "echten" Welt, indem er ihre fertigen Destillate kauft? Und wie sieht dieser Jemand diese Wesen?

Sehr gerne gelesen.
Beste Grüße
Seth

 
Zuletzt bearbeitet:

Starkes Bild von der Legende um die Entstehung der Suder. Doch der gestochene Torf hat mich doch straucheln lassen. Bei „geronnenem Blut auf dem Boden eines Kessels“ und den „Kupferdämpfen“ ist in meinem Kopfkino der Kessel leer. Wie kommt der Torf denn da jetzt rein, fragte ich mich

Moin,

stimmt, klingt bekloppt, nehme ich raus.

Und nie kommt eine von denen lebendig zurück. Würden die Mütter, egal, wie es denen geht und woher sie kommen, nicht ihresgleichen berichten, dass ihre Töchter nach einem Jahr nie zurückkehren, keine Kunde ihres weiteren Lebens schicken, etc.?
Ich denke, in dieser Welt ist das der Deal: schaffen sie es, sehen sie die Städte mit den bunten Lichtern. Natürlich dachte ich dabei an eine Symbolik a la Roland Barthes ode Lyotard, von wegen die Unerreichbarkeit der höheren Klasse, die soziale Barriere, die Unmöglichkeit des sozialen Aufstiegs - eh, klar, alles Unsinn, es ist einfach in der Welt integer. Es ist ein Versprechen, dass offensichtlich nie eingelöst wird, aber trotzdem immer wieder begangen wird; Schicksal würde man es nennen?
Wenige letzte Fragen drängen sich mir auf: Wer bezahlt die Suder für ihr Tun, wer bildet den Anschluss zur "echten" Welt, indem er ihre fertigen Destillate kauft? Und wie sieht dieser Jemand diese Wesen?
Das ist ja eine Fabelwelt. Irgendwie, irgendwo, irgendwann gibt es sicher diese Leute, aber das ist nicht die Perspektive dieser Geschichte; das ist der Ausschnitt eines auktorialen Erzählers, der eine orbitale Sicht liefert, der sieht drauf und ist am Rest nicht so sehr interessiert; das mindert nicht die Richtig- und Wichtigkeit deiner Fragen, jedoch drängen sie hier, in meiner Sichtweise der Geschichte, nicht so sehr in den Vordergrund. Hier geht es vordergründig nur um die Präsentation dieser fast märchenhaften Wesen und ihrer bizarren Welt.
Sehr gerne gelesen.
Danke dir für deine Zeit und deinen Kommentar.

Gruss, Jimmy

 

Für mich ist ja die größte Frage, wie sich das Geschlecht fortpflanzt.
Moin und danke für deinen Kommentar.

Ist interessant, wie man Logik doch an solche ganz offensichtlich alternative Realitäten anlegt. Ich denke, ich würde das auch machen, wenn das nicht mein Text wäre. Rein vom Schreiben ist das ein Experiment, und klar ist das keine echte Story, sondern eher ein Prolog. Diese Fragen, was kommt nach A, und wie kommt B zu C, also Fragen, die ich mir bei jedem anderen realistischen Text stellen würde, stelle ich mir hier selbst nicht. Ich weiß auch nicht, warum genau, ich denke, ich nehme das als eine Art Sittenbild, was nicht nach Logik verlangt. Klingt natürlich etwas aus den Fingern gesogen und auch wie eine Entschuldigung, so ist es aber nicht gemeint: die Suder könnten auch ewig leben, sie könnten tatsächlich aus Kupferdampf entstehen, oder man weiß es nicht. Das sind Fakten, die der Text nicht liefern. Man könnte das natürlich als Schwäche auslegen, und das würde ich glaube ich auch selbst tun; ich stelle mir aber in letzter Zeit die Frage, ob man manche Texte und deren Welten nicht einfach auch mal so kaufen sollte, wie sie da stehen. Diese Geschichte spielt für mich in einer alternativen Realität, das ist ein Nebenprodukt meiner Stechgroschen-Reihe, die offensichtlich ja auch alternativ ist - da gibt es zighunderte kleine Königreiche und auch Waffen, die es niemals gegeben hat. Insofern gar nicht verkehrt, das als Vorarbeit zu betrachten. Mehr kann ich erstmal nicht dazu sagen! Ich lass das mal sacken. Sind so kleine Experimente, die ich mache, die einfach den Resonanzraum erweitern sollen, mal keine Dialoge, mal kein Realismus, mal etwas Überhöhung, mal etwas sprachlich auktorialer, etwas mehr ausreizen.

Gruss, Jimmy

 

Hey @jimmysalaryman

Ich habe ja damals schon die Version im Maskenball kommentiert und ich weiss nicht, was sich doppelt. Damals hatte ich den Eindruck gewonnen, du meinst es nicht ernst mit dem Text, was mich als Kommentator, der es ernst meint, nicht so gefreut hat. Das haben wir geklärt. Die Thematik gefällt mir weiterhin sehr, diese seltsame Welt, diese seltsamen Rituale, auf die ich mich gut einlassen kann, ohne allzu viele Fragen zu stellen. An einigen Stellen ist der Text hart an der Grenze, was Begriffe wie roh, finster, rostig, Blut und wieder Blut anbelangt, auf der anderen Seite erzeugt gerade das auch einen gewissen Sog und einen Rhythmus, den ich bereits im Kontext des Maskenballs als sehr gut gemacht empfunden habe. Denselben Rhythmus, dieselbe Wucht mit etwas weniger sprachlichem Aufwand, das wäre für mich so eine Zielvorgabe. Auf alle Fälle das Gegenteil eines blutleeren Textes, würde ich mal sagen, mit allen Chancen und Risiken, wobei ich die Chancen eben als höher einstufen würde als die Risiken. Bin gespannt, wohin dich dieser experimentelle Weg führt.

das Kriege und Kaiser, Könige und Regierungen überdauert
Die Aufzählung empfinde ich als eindimensional. Was unterscheidet Kaiser von Königen in im Text relevanter Hinsicht? Kriege und Hungersnöte, Kaiser und Parlamente vielleicht?
die Elemente beugen sich den Kräften, werden als Quellwasser ins Dunkel
Welche Elemente genau werden "als Quellwasser" ins Dunkel gezogen? Wasser ist ja - gemäss dem Sprachregister, das hier eingesetzt wird - selbst ein Element.
in einem Gefälle von mehr als tausend Metern
Hat mich irritiert. Gefälle werden in Grad oder Prozent ausgedrückt, dachte ich.
durch sonnentrockenen Flussbetten
um sich dann in einer großen, hohlen Hand wieder zu vereinen, im Kühlbecken vor dem Sudhof
Also auch dasjenige Wasser, das zuvor durch die engen Gassen und die stinkenden Aborte geflossen ist? Mir scheint der ganze erste Absatz wenig eingängig zu sein, zum einen wegen den Sprüngen (zunächst gehe ich mit dem Wasser in die engen Gassen, danach wieder hoch zu den Feldern), zum anderen, weil ich dem Lauf des Wassers nicht so recht folgen kann. Zunächst werden die Stätten des menschlichen Seins und Tuns genannt, aber nur diejenigen des Seins (Bäder, Aborte) ausgeführt. Am Ende dann nur eine Stätte des menschlichen Tuns (Suder).
Sie leben im blinden Fleck, im Verborgenen, Gestalten der Unform und des Unheils, dessen Schicksal niemand teilen mag und vor dem man den Blick abwendet.
deren / vor denen
und molligen Ammen
und die schlanken Ammen nicht? Der Text ist adjektivlastig und das macht ihn prall und interessant. Hier und an anderen Stellen (z.B. beim Braun prächtiger Kastanien) würde ich aber doch den Rotstift ansetzen wollen.
Sie sind ein mythisches Adelsgeschlecht, Wesen aus längst vergessenen Sagen, die in ihrem eigenen Hades sich und ihre Kräfte verzehren um wiederaufzuerstehen, ein ewiger Zyklus zwischen Tag und Nacht, Licht und Schatten, der Hof eine Unterwelt aus Blut und Destillat.
Komma vor "um" ist zwingend. Ich würde den Absatz aber eh kicken, der ist mir zu distanziert und erklärend (Mythisches Adelsgeschlecht, längst vergessene Sagen) am Ende auch zu drüber (Tag, Nacht, Licht, Schatten, Blut)
Ein nie enden wollender, ein nie versiegender Strom
Was ist der Unterschied? Würde eines davon streichen.
hoch kochenden
hochkochenden
pellen faustgroße Kartoffeln mit den geschliffenen Klingen ihrer Nicker
Na hoffentlich, alles andere wäre sehr überraschend. Würde ich auch kicken.
wo sie den Tag bis in die Nacht tut, wie die Suder ihr geheißen, wo sie tanzt und singt und lacht und Küsse hinwirft mit Hand und Mund und Schultern zeigt und zu dem die Suder hinaufsehen
Komma nach "zeigt", weil hier ein eingeschobener Nebensatz aufhört.
Ihre Gesichtchen werden grau und das Haar fällt ihnen aus und in ihren Augen fehlt bald jeglicher Glanz, nicht der kleinste Schimmer ist da mehr, nur mattes Rabenschwarz.
Hier wechselst du in den Plural, das hat mich rausgeworfen. Ich wäre da sprachlich konsequent, es ist ja immer klar, dass es mehrere sind, jedes Jahr eine neue.
Die erschlafften Körper werden vom Podest gehoben und über die Köpfe der Suder hinweg getragen
Auch hier.
Moment Bann zu brechen
Bahn zu brechen
Knüppel auf Knochen, hartes auf Hartes
Hartes
Es geht bis einer
Komma nach "geht".
die Nektare des Dionysos erschaffen, nach denen es uns so sehr gelüstet.
Das spannenste Wort im Text, da werde ich als Leser irgendwie mitverantwortlich gemacht. Was ist es denn, wonach uns gelüstet? Im Kontext eines Prologs wäre das ein guter Aufhänger, der zum Weiterlesen animiert.

Lieber Gruss
Peeperkorn

 

An einigen Stellen ist der Text hart an der Grenze, was Begriffe wie roh, finster, rostig, Blut und wieder Blut anbelangt, auf der anderen Seite erzeugt gerade das auch einen gewissen Sog und einen Rhythmus, den ich bereits im Kontext des Maskenballs als sehr gut gemacht empfunden habe.

Moin Peter,

danke dir für deinen Kommentar und deine Zeit.

Ja, das ist ein Text, der ist natürlich so oder so hart an der Grenze; bewusst. Ist ein Versuch, auch mal bewusst anders zu schreiben, mal die Grenzen auszuloten. Der Text ist entstanden, nachdem ich eine Geschichte von einem anderen Autoren, ich meine sogar ein Schweizer, gelesen habe, und da wollte ich mal an den Speck ran und testen, ob und wie ich das lösen würde.

Denselben Rhythmus, dieselbe Wucht mit etwas weniger sprachlichem Aufwand, das wäre für mich so eine Zielvorgabe. Auf alle Fälle das Gegenteil eines blutleeren Textes, würde ich mal sagen, mit allen Chancen und Risiken, wobei ich die Chancen eben als höher einstufen würde als die Risiken.
Ich verstehe. Ich denke, der ganze Text ist ein Risiko. Ich habe nicht gesagt, dass ich da nicht hinterstehe, hinter diesem Text, das ist vielleicht beim Maskenball etwas mißverständlich ausgedrückt gewesen, ich bin ja auch nur ein Mensch!, aber Fakt ist doch, dass Stile erkennbar sind, und man das ja auch eigentlich will, einen distinkten Stil, ein Alleinstellungsmerkmal. Mir ist aber aufgefallen, dass man da schnell sloppy wird, wenn man nicht auch mal aus seiner Komfortzone kommt, man wird sich selbst zu schnell sicher und findet das dann zu schnell zu gut, was man produziert, und wenn man mit einer gewissen Distanz, also stilistisch betrachtet, einen Text schreibt, der aus dem eigenen Rahmen fällt, dann schärft man seinen Blick wieder mehr, so geht es mir jedenfalls.

Ich denke, deswegen hat der Text auch etwas Unfertiges, verbleibt in diesem Status des Prologs, weil es eine erste Fingerübung ist, auktorial, keine Dialoge, die Draufsicht auf eine bizarre Welt ... und dann ist es mir versandet, nehme ich an. Ich denke auch, ich könnte keinen ganzen Roman so schreiben, oder auch nur einen längeren Text, aber es ist interessant, für sich selbst mal transparent zu machen, wie anders andere Stile funktionieren können, und was diese ausmacht.

Das spannenste Wort im Text, da werde ich als Leser irgendwie mitverantwortlich gemacht. Was ist es denn, wonach uns gelüstet? Im Kontext eines Prologs wäre das ein guter Aufhänger, der zum Weiterlesen animiert.
Uns gelüstet nach Rausch. So ist es jedenfalls gemeint. Ich denke, könnte man noch deutlicher machen. Sollte man das tun, was denkst du?

Nunja, abschließend kann ich sagen, der sprachliche Aufwand, der sonst ja nicht mein Ding ist, war hier etwas das Prinzip, dieses fast schon Barocke, Schwülstige, Geschwollene - ich wollte das einfach mal probieren. Ich denke, der Text hat sich von alleine entwickelt, es geht mir oft so bei Texten, die ähnlich gestrickt sind, dass man sich nachher fragt, worum es da überhaupt ging, und das lässt sich oft nicht so richtig zusammenfassen; es geht um alles und auch wieder um nichts. Ja, keine Ahnung, ich denke da nochmal drüber nach und melde mich erneut.

Sprachliche Schnitzer bügele ich die Tage aus!

Gruss, Jimmy

 

Uns gelüstet nach Rausch. So ist es jedenfalls gemeint. Ich denke, könnte man noch deutlicher machen. Sollte man das tun, was denkst du?
Nein, das wird schon klar. Das Produkt, das sie herstellen, und das Bedürfnis, das es erfüllt. Ist auch nicht wichtig, dass es genau benannt wird. Ich wollte nur darauf hinaus - ohne das deutlich gemacht zu haben - dass dieses "uns" die Haut des Textes einreisst und ihn ein Stück weit unabgeschlossen macht, oder noch unabgeschlossener.
1. Sie produzieren die Nektare des Dionysos, nach denen ihnen gelüstet.
2. Sie produzieren die Nektare des Dionysos, nach denen die Menschen gelüsten.
3. Sie produzieren die Nektare des Dionysos, nach denen uns gelüstet.
Satz 1 wäre seltsam, da die Suder offensichtlich für andere produzieren. Satz 2 wäre das, was ich erwartet hätte. Das bliebe in dieser Welt, da wird die Hülle nicht durchstochen, die haben halt Kunden. Bei Satz 3 hingegen schon. Das fühlt sich eher so an, als hätte ich einen Bericht über eine Kobaltmine gelesen und wäre am Ende darauf hingewiesen worden, dass Kobalt auch in meinem Smartphone steckt. Hier in deinem Text hat das eine seltsame Wirkung, weil ich die Suder die ganze Zeit über nicht als Teil meiner Welt wahrnehme, aber am Schluss wird behauptet, dass sie es doch sind. Daraufhin denke ich zunächst ganz profan: Ne. Ich kaufe mein Bier ja nicht von denen. Dann denke ich: Ah, es geht um Grundsätzlicheres, das ist eher metaphorisch gemeint, da gibt es eine tiefere Schicht: Unser aller Rausch wird erkauft mit Gewalt.
Aber vielleicht interpretiere ich in dieses "uns" auch einfach zu viel rein.

Lieber Gruss
Peeperkorn

 

Hallo jimmysalaryman,​

gerne gelesen und hast es auch gut geschrieben und doch erinnert es mich an eine Mischung aus Herr der Ringe, Schlafes Bruder und Netflix-Märchen. Wirklich eine bunte Mischung an Sätzen, manches sogar gekonnt formuliert und es fehlt mir doch die rechte Handlung. Vielleicht, wenn Du beschrieben hättest, wie sie sich zurecht machen, in die Armensiedlung pilgern, um die Maid zu holen. Als Handlung, nicht als Sittengemälde. Und um den ganzen Strang ihre Bräuche, Ihr Benehmen, Ihren Glauben, ihre Geschichte und Arbeitsweise drapieren. Ein kleines bisschen lugt die Analogie auf die heutige Zeit durch - weiß nicht, ob Du das beabsichtigt hast. Sklaven ihres ichs halten sich einen Tanzbären bis dieser fällt. Der stumpfe Befehl, seiner Illusion zu folgen, die sie sich für immer und ewig an die Wand gepinnt haben. Und jetzt noch die Sahne zum Schluss. Ich lese gerne so überzogene Texte, schwülstig, wüst, roh, archaisch - und auch ich mäkele an der Zigarette rum. Rauchkraut oder eine klobige Pfeife stünde dem Text besser, aber was weiß ich, wann das alles spielt. Märchen sind zeitlos. Begeisterung 8 auf der 10er Skala.
Beste Grüße
Detlev

 

Dann denke ich: Ah, es geht um Grundsätzlicheres, das ist eher metaphorisch gemeint, da gibt es eine tiefere Schicht: Unser aller Rausch wird erkauft mit Gewalt.
DAS nehme ich!, wenn mich einer fragt.

Um ehrlich zu sein, habe ich da gar nicht drüber nachgedacht, beim Schreiben. Das floss so raus. Das ist für mich auch der Sinn und Zweck solcher Texte, bei denen ich mit einer anderen Stimme, so will ich das mal nennen, experimentiere, da ist das nicht von vorneherein schon berechnend, nicht kalkuliert. Das ergibt dann andere, manchmal eben auch ungewollte, Effekte, wie hier bei diesem Beispiel. Das passiert einfach. Danke für deine nochmalige Rückmeldung.

Wirklich eine bunte Mischung an Sätzen, manches sogar gekonnt formuliert und es fehlt mir doch die rechte Handlung

Moin Detlev,

wenigstens ist manches gekonnt formuliert, das ist doch ein Anfang! Nein, ich gebe dir Recht, Handlung hat das Ding jetzt nicht so wirklich, ich weiß auch nicht, was da passiert ist.

Der stumpfe Befehl, seiner Illusion zu folgen, die sie sich für immer und ewig an die Wand gepinnt haben.
Ist vielleicht eine gute Zusammenfassung. Manchmal probiere ich, einen Text zu schreiben, der literarisch klingt; das hängt damit zusammen, dass ich ähnliche Stile in der Gegenwartsliteratur lese, die dann immer das Prädikat sprachmächtig erhalten, aber von denen ich stets das Gefühl habe, dass da irgendetwas nicht mit stimmt, dass das selbstzweckhaft ist, diese Sprache. Ich denke, auch die Sprache in dem Text ist etwas Selbstzweck, selbstverliebt vielleicht sogar, und ich nutze das Forum auch gerne als Labor für Feldversuche, einfach um zu sehen, wie so etwas wirkt, wie so ein Text, eine differente Sprache funktioniert beim Leser. Das ist wertvolles Feedback für mich, weil ich so natürlich erfahre, wie Stilistiken sich unterscheiden und wann sie wofür eingesetzt werden können.
Begeisterung 8 auf der 10er Skala.
Danke dir!

Gruss, Jimmy

 
Zuletzt bearbeitet:

Es beginnt in den Unhöhen.
Haha, sehr cooler Begriff. So ein 'Huch, Moment mal'-Wort.
Gewagt im ersten Satz ist sicher das in ... Un-, a) vom Klang her, aber b) auch: das müsste doch auf sein, oder? Klar, du gehst dann auch in die Erde, aber hier geht es doch noch um das Außenbild, sozusagen, den Überblick. Dann hättest du die gewollte Irritation mit den Unhöhen, aber nicht die doppelte durch das in.
- ein Knirschen, ein Knacken, danach die Bewegung zum Tal hin, die Elemente beugen sich den Kräften, werden als Quellwasser ins Dunkel des menschlichen Tuns und Seins gezogen, in die engen Gassen und mit Dampf gefüllten Bäder,
Was sagst du? ImA fällt das raus - der Erzähler beschreibt ja mehr frei, als dass er erklärt bzw. die Fakten interpretiert. Hier steht dann plötzlich so eine Ursache-Wirkung-Bemerkung.
Die Suder sind eine eigene Sippe; man sagt, zuerst sei ihr Blut dagewesen, geronnen auf dem Boden eines von den Göttern vergessenen Kessels, ihre Körper aus Kupferdämpfen und gestochenem Torf erst über Jahrmillionen um das Blut herum gewachsen, die Haut ein bronzefarbenes Amalgam aus Salz und Staub.
Ich weiß, du kommst nicht aus der Phantastik, aber von diesem Weltenbau hier können sich unzählige Genre-Autoren ne fette Scheibe abschneiden. Das ist best practice, weil du zwar alles Nötige sagst, aber dich nicht im Detail und Tausend persönlichen Quirks festrennst. Das ist natürlich auch der große Vorteil, wenn man so eher episch (im Sinne des Silmarillion: epochen- und völkerübergreifend) und nicht so sehr an einzelnen Protas mit ihren ganzen Macken und Vorlieben entlang erzählt. Ich bin ja ein riesen Fan von sowas: Protas und Setting werden im Grunde gleichwertig behandelt.
Sie leben im blinden Fleck,
Gaaaaah, LOVE!
Es sind gefürchtete Kreaturen, weil ihre Kräfte roh und unmäßig sind;
Irgendwie höre ich (siehe oben die andere Bemerkung) bei einem solchen extrem unabhängigen, extrem selbstbewussten auktorialen Erzähler - der ja im Grunde allwissend ist - keine Veranlassung, sich auf die Ebene des Zuhörers zu begeben und dem etwas zu erklären. Für mich sprechen solche Erzähler frei, an niemanden speziell gewendet (vielleicht sogar, wenn niemand zuhörte), und der Rezipient hat hier nix zu verlangen.
Wie wäre es mit Gedankenstrich? Es sind gefürchtete Kreaturen - ihre Kräfte (sind) roh und unmäßig / ... deren Kräfte roh und unmäßig sind? Irgendwie so?
Rauch-geschwängerten
rauchgeschwängert laut Duden.
Die Suder sieht man nur selten in den Gassen und auf den Märkten, ihre Welt sind die Rauch-geschwängerten Hallen, wo es nach Kien und Harz und lodernden Holzscheiten duftet, wo Kohlen unter Bottichen weißglühen und die Sude anheizen.
Ich weiß (oder glaube, haha), es ist nicht falsch, nach einem Ort mit wo anzusetzen. Aber irgendwie ist wo ja ein Fragewort und der Anschluss eigentlich: Hallen, in denen.
Ansonsten mag ich Wiederholungen bei so einem Sound, aber hier hakt die eh - Vorschlag: ... Hallen, in denen ... duftet, wo ...
Tonnen von Korn und Kräutern werden täglich aufs Neue angebracht, die Karren gezogen von schweren Warmblütern,
Schwere Warmblüter wären ja Kaltblüter ... Es ist eher so, dass viele Kalt- noch wie Warmblüter aussehen (z.B. die fast ausgestorbenen Mecklenburger Kaltblüter, in dieser 'leichteren' Variante immer noch einen Zentner schwer, meine Ex hatte so eins wie den braunen da, das ist schon ne Masse Pferd.:-))
Im Sudhof gibt es keine Pausen. Die Suder braten ihre groben Würste auf den Randsteinen der Feuer, wässern Bries in gusseisernen Töpfen und backen ihn mit grünem Pfeffer und Rosmarin aus, pellen faustgroße Kartoffeln mit den geschliffenen Klingen ihrer Nicker und trinken dazu bernsteinfarbenes Bier.
Das ist ein ganz tolles Detail, diese ganze Sensorik, das Leckere daran, das aber immer noch perfekt passt und nicht aus der Atmosphäre ausbricht. Ich finde das enorm wichtig und nicht zu unterschätzen, viele dieser 'dirty history' schreibenden Autoren (Jörg Fischer wäre ein Bsp., aber auch ein positives) konzentrieren sich stark auf rein abstoßende, 'harsche' Gerüche, und das kann bei allem Realismus auch schnell ermüden, sich im schlimmsten Fall abnutzen.

Ich finde super, wie die Maid so ein Teil der Gemeinschaft ist, bis sie quasi - wortwörtlich, wenn an man 'körperlichen Verfall' denkt - langsam, fast unmerklich wieder rausfällt, isoliert wird und wie eben die Blätter verwelken und abfallen, damit der Baum sich nicht vergiftet, und Nutzpflanzen untergegraben werden, damit der Boden fruchtbar bleibt, so wird sie eben auch 'welk und untergegraben'. Das alles erklärt sich wunderbar, ganz natürlich.
Wir leben in einer postmodernen Industrienation und es gibt darin Menschen, die für ihre imaginären Freunde (Götter) töten, und das wird noch in den Medien entschuldigt - sowas erklärt sich mir sehr, sehr viel weniger als dein Set-up hier.

eine Zigarette aus Maispapier zwischen den Lippen.
Ich weiß nicht wer die Zigarette bemängelt hatte, aber für mich muss die ganz, ganz dringend rein. Und zwar nicht als Pfeife o.ä.
Im Film und auf der Bühne wird sowas öfter gemacht als in der Literatur und dieser Epochenmix kann durchaus Relevanteres und Stimmigeres aussagen, als ein super authentischer Kostümfilm - ich denke da in erster Linie an Derek Jarmans Caravaggio (wo auch Zigaretten geraucht werden), aber auch wortgetreue Shakespeare-Tragödien in modernem Setting (teils von der RSC inszeniert): Titus Andronicus (Hopkins), Hamlet (Tennant / Stewart), Coriolanus (Finnes), Richard III (McKellen), Macbeth (Stewart) ...
Das ist ja auch der Witz an Transrealismus: dort zwar mehr auf die SF bezogen, aber: Es geht um den Eindruck beim Lesen und der ist: eine geplante Irritation - eine, die den Leser im Setting unsicher macht, ihm den Boden unter den Füßen wegzieht. Vgl. Definition des Erfinders Rudy Rucker. Brauchst du mal eine Einordnung für einen Pitch rate ich zu: Du erfindest den Transhistorismus. (Aus einem Mix aus Transrealismus, Parallel History, Alternative Universe, Historik, Weird und Dunkler Phantastik).

Mich hat eher der Mais irritiert, weil ich dachte, die arbeiten mit europäischem Getreide (muss noch mal gucken, ob du das überhaupt sagst, oder ich nur angenommen hab).

Einmal im Jahr legen die Suder die Hälfte ihrer Löhne zusammen und kaufen sich eine Maid, die sie in der kleinen Stadt am Rand des Tals gemeinsam aussuchen.
Das finde ich ganz wunderbar demokratisch und total klasse, weil ich durchaus erwartete, die entscheiden mit einem Faustkampf, wer die Maid aussuchen darf. Also klischeefrei und damit realitätsnah diese Welt umschrieben.
Rauch - für ein Jahr im Sudhof schuften und danach mit den Taschen voller Münzen in die Freiheit
Just saying: Du verwendest auch hier Minusse statt Gedankenstriche.
Im Sudhof werden der Maid am nächsten Morgen dünnste Silberketten um die Fesseln gelegt, dann muss sie auf einem Podest aus Holz und Stein stehen, wo sie den Tag bis in die Nacht tut, wie die Suder ihr geheißen, wo sie tanzt und singt und lacht und Küsse hinwirft mit Hand und Mund und Schultern zeigt und zu dem die Suder hinaufsehen wie zu einem Blutmond während sie weiterhin Moste von der Hefe ziehen, Gärspunde mit Geklärtem nachfüllen und Maischereste aus den Kochböden der Kolonnen spülen.
Ich bin an sich kein Freund von vielen unds, obwohl die bislang perfekt eingesetzt und mit tollem Klang verwendet wurden. Hier wird es mir aber doch zu viel, weil das plötzlich eine Gleichgewichtung unter imA nicht gleichen (oder vergleichbaren) Aussagen ergibt. Da zerfasert sich der Satz auch. Was dir oben bei einigen Monstern - nur positiv gemeint, im Sinne meiner Betonmonster :-) - nämlich an keiner Stelle passiert. Hab ich schon gesagt, wie geil ich gut gemachte lange Sätze finde?
Das Intro von Sullivans The Marigold *) hat auch so einen, ich feiere das total (solange der Autor das alles im Griff hat, und der Klang stimmt - das können nicht viele und auch das ist einer der Gründe, warum ich deinen hier Text liebe.)
Before everything that happened, before the towers, before the site plans, before the deeds, before the failing sports bar and twobedroom apartment above it that often operated like another, more financially successful, unlicensed sports bar until the police shut it down after that one Polish kid got strangled with a pair of pink stockings behind the abandoned Shoppers Drug Mart a block or two south, there were trees here.
Now there was only a hole. A crane perched on the edge, its lights barely illuminating the dirt below.

Nie werden sie die Welten außerhalb des Tals sehen, nie die bunten Lichter der großen Städte. Immerzu werden sie das Blut der Verlierer trinken und sich die Maid fürs neue Jahr suchen, weiter und weiter werden sie trennen und filtrieren und die Wahrheit in den Brennblasen und Maischen suchen, die Nektare des Dionysos erschaffen, nach denen es uns so sehr gelüstet. Auf ewig werden sie sein zwischen Kupfer und Holz, Glut und Flamme.
Den Satz sollte man imA nicht ändern. Also, kein Wort davon.
Zum einen schließt er wunderbar die Klammer zum Intro - sowohl vom Stil wie auch vor der Position her (rausgezommt, episch, zeitenübergreifend), zum anderen machst du das, wodurch Volodine zu meinem Lieblingsautor wurde: Der Erzähler verrät, dass er trotz der allwissend auktorialen Haltung auch Teil dieser Welt - dazu noch Teil der Gemeinschaft - ist. Hat eben auch einen Touch Metafiktion. Finde sehr gut, dass das so versteckt am Ende kommt, da aber eben eine neue Ebene aufmacht - ich denke, das macht die größte Spannung hier aus, noch vor dem 'gelüstet'.
Ich weiß auch nicht, warum genau, ich denke, ich nehme das als eine Art Sittenbild, was nicht nach Logik verlangt. Klingt natürlich etwas aus den Fingern gesogen und auch wie eine Entschuldigung, so ist es aber nicht gemeint: die Suder könnten auch ewig leben, sie könnten tatsächlich aus Kupferdampf entstehen, oder man weiß es nicht. Das sind Fakten, die der Text nicht liefern. Man könnte das natürlich als Schwäche auslegen, und das würde ich glaube ich auch selbst tun; ich stelle mir aber in letzter Zeit die Frage, ob man manche Texte und deren Welten nicht einfach auch mal so kaufen sollte, wie sie da stehen. Diese Geschichte spielt für mich in einer alternativen Realität,
Es gibt ja gar keine Veranlassung, sich da irgendwie zu entschuldigen, das sollten eher die tun, die 0815-Zeugs in eingefahrenen Gleisen verfassen. Zur Not erfindest du - wie Volodine und Rucker - dein eigenes Genre. Die Literatur - und da auch die Phantastik - benötigt freie Geister [no pun intended!], und sie benötigt die Transgression, nicht nur auf inhaltlicher, sondern auch auf stilistischer und auf meta-Ebene. Das hier ist doch der Idealfall.
Ich denke, deswegen hat der Text auch etwas Unfertiges, verbleibt in diesem Status des Prologs, weil es eine erste Fingerübung ist, auktorial, keine Dialoge, die Draufsicht auf eine bizarre Welt ...
Stimmt! Dass hier kein Dialog vorkommt, merke ich jetzt erst, als du das sagst. Haha. Das wirkt gar nicht so, ich hatte den Eindruck, die Figuren tatsächlich gehört zu habem.
Bin aber auch eh ein Liebhaber von dialogfreien oder -armen Erzählungen.
Ich denke auch, ich könnte keinen ganzen Roman so schreiben,
:sconf: Sicher?!
Für meine Vorlieben hoffe ich natürlich schon, dass du es kannst und willst ... :)

Ich finde, die Überarbeitung hat dem Text sehr gut getan, er wirkt klarer und sinnlich/sensorisch, ohne barock zu sein. Sehr sicher formuliert.

Ganz herzliche Grüße, danke für die Geschichte!
Katla

 

Der Erzähler verrät, dass er trotz der allwissend auktorialen Haltung auch Teil dieser Welt - dazu noch Teil der Gemeinschaft - ist. Hat eben auch einen Touch Metafiktion. Finde sehr gut, dass das so versteckt am Ende kommt, da aber eben eine neue Ebene aufmacht - ich denke, das macht die größte Spannung hier aus, noch vor dem 'gelüstet'.

Liebe katla,

das nehme ich nur mal raus: ich muss deinen krassen Kommentar erstmal verdauen! Das steckt so viel Wissen und Info drin, das mir gleich das Gehirn schmilzt. Geb mir ein paar Tage, um mich zu sammeln, ok? :D Erstmal vielen, vielen Dank für deine Zeit und deinen Kommentar.

Gruss, Jimmy

 

Ja, Jimmy - das kann ich nachfühlen, das Selbstverliebtsein in den Text, die Sprache, den Stil - also reiner Zweck noch vor der Geschichte - ich liebe auch oft diese Akrobatik der Sprache und mancher räuspert sich und sagt, das klinge zu geschwollen ... aber gut, es gibt für jeden Topf einen Deckel - schreib weiter, mir gefällt´s.
Gruß Detlev

 

Hallo @jimmysalaryman

Auch an dich ein herzliches Hallo von einem Neuling wie mir.

Ich finde die Funktion hier im Forum toll, dass beim scrollen gleich die ersten Sätze auftauchen. So habe ich mich ganz gefühlsmäßig in dieses Werk gekrallt, weil mich die surreale, alptraumhafte Stimmung gleich gefangen nahm. Ich bin halt generell ein Freund von düsteren Stoffen.

Hier wurde schon erwähnt, dass es teilweise an Herr der Ringe erinnert. Hmm, nimmt man alleine die sprachliche Kunst Tolkiens, würde ich da zustimmen. Aber von der Stimmung und der Metaphorik her erinnert mich da nichts an Pfeifchen paffende Halblinge.

Ich fühle eher eine starke Nähe zu den wahnhaften Geschichten eines H.P. Lovecraft. Hier natürlich ohne große Alte. Wobei man die Suder fast schon in diese Richtung schieben könnte.

Rein vom Schreiben ist das ein Experiment, und klar ist das keine echte Story, sondern eher ein Prolog.

Das Stück würde am Anfang eines Romans natürlich stärker wirken, weil viele Fragen aufgeworfen werden. Und ich könnte mir auch nicht vorstellen, dass man hunderte Seiten mit auktorialen Erzähler ohne Handlung und Dialoge bringen könnte. Das liest sich dann irgendwann auch zu anstrengend.

Dennoch verfehlt dein Experiment auch so seine Wirkung nicht.
Zur Interpretation haben sich ja schon @Peeperkorn und @Katla mit interessanten Gedanken gemeldet.
Ich würde es ähnlich sehen.

die Nektare des Dionysos erschaffen, nach denen es uns so sehr gelüstet.

Es ist meiner Ansicht nach nicht so wichtig, wer mit diesem "Uns" gemeint ist. Das "Volk" dass außerhalb der Hallen der Suder lebt? Menschen? Wir als Leser selbst? Mit letzterem hätten wir ja ein gemeines Durchbrechen der 4. Wand.

Aber wie gesagt: Zumindest für mich ist das egal. Weil meine Interpretation in jedem Fall die gleiche bleibt, nämlich:

Gedankenloser Konsum der Massen. Man hält immer mehr die Hände auf, nimmt und verlangt. Und dafür nimmt auch Gewalt, Perversion und das Trampeln auf menschlichen Grundrechten in Kauf. Das interessiert nicht, solange man nur den Kragen voll kriegt und (noch viel wichtiger) gar nicht sieht, unter welchen Bedingungen das "Produkt" überhaupt entsteht.

Das kann ja vieles sein: Billiges Fleisch aus Industrieschlachthöfen, Kobalt im Smartphone (hat ja auch @Peeperkorn angemerkt), Hemden aus Bangladesch usw.

So in der Art: Was kümmert es mich, wenn andere in ihrem eigenen Dreck krepieren. Solange sie mir meinen billigen Tand liefern, ist mir das scheißegal.

Aber auch die Suder haben (scheinbar?) kein Interesse daran, aus diesem perversen Kreislauf auszubrechen. Sie sind ja zufrieden, wenn sie einmal im Jahr ein neues Mädchen zum quälen auswählen dürfen, und gelegentlich ihr eigenes Gebräu saufen dürfen.

Wirklich eine pechschwarze Fantasie, aber dass meine ich absolut positiv.

Ganz gleich, ob es nur ein Experiment sein sollte: Du hast hier was geschrieben, was zumindest bei mir noch lange nachwirkt, und mich zum nachdenken bringt. Und dass ist doch schon mal ein großer Erfolg.

Und ein großes Lob für dass Durchhalten mit dieser Wortgewalt. Dazu gehört auch einiges. Fehler habe ich soweit auch keine gefunden. Aber vielleicht äußert sich noch jemand, der die kluge Grammatik mehr aufdröseln kann. Aufgrund meiner Unerfahrenheit bin ich da (noch) nicht der Richtige.

Ich freue mich schon auf deine anderen Texte! Bis bald und liebe Grüße

 

Den Satz sollte man imA nicht ändern. Also, kein Wort davon.
Zum einen schließt er wunderbar die Klammer zum Intro - sowohl vom Stil wie auch vor der Position her (rausgezommt, episch, zeitenübergreifend), zum anderen machst du das, wodurch Volodine zu meinem Lieblingsautor wurde: Der Erzähler verrät, dass er trotz der allwissend auktorialen Haltung auch Teil dieser Welt - dazu noch Teil der Gemeinschaft - ist. Hat eben auch einen Touch Metafiktion. Finde sehr gut, dass das so versteckt am Ende kommt, da aber eben eine neue Ebene aufmacht - ich denke, das macht die größte Spannung hier aus, noch vor dem 'gelüstet'.

Liebe @Katla,

ich habe über deinen Kommentar echt lange nachgedacht, da steckt viel drin. Das mit dem Satz oben habe ich so noch gar nicht gesehen: aber klar, es sagt aus, dass der Erzähler auch ein Teil dieser Welt ist, intradiegetisch wie der Germanist es nennen würde, denke ich. Ich müsste lügen, wenn ich sage, ich habe es bewusst so gemacht, denn das habe ich nicht, es ist einfach passiert, intuitiv.

Ich weiß, du kommst nicht aus der Phantastik, aber von diesem Weltenbau hier können sich unzählige Genre-Autoren ne fette Scheibe abschneiden. Das ist best practice, weil du zwar alles Nötige sagst, aber dich nicht im Detail und Tausend persönlichen Quirks festrennst
Ja, Hammer. Ich danke dir ja sowieso nochmals ausführlich bei dem neuen Stechgroschen-Text, wo du mir sehr geholfen hast; ich kenne mich in diesem Genre null aus, aber ich finde interessant, wie Welten, wenn sie gut gemacht sind, quasi alles erklären. Ich mag es dann, nicht alles auserzählt zu bekommen, sondern durch Aktion in die Welt eingeführt werden: hmmja, ist jetzt hier nicht so, merke ich gerade, haha, aber vielleicht so halb. Das ist ja eben die Kunst, eine Welt nicht erklären zu müssen, sondern sie mit Imagintion und Transfer auszufüllen, den Leser das erleben zu lassen, weil er es sich ein Stück weit selbst erschließen muss.

Es gibt ja gar keine Veranlassung, sich da irgendwie zu entschuldigen, das sollten eher die tun, die 0815-Zeugs in eingefahrenen Gleisen verfassen. Zur Not erfindest du - wie Volodine und Rucker - dein eigenes Genre.
Du hast natürlich Recht; manchmal ist es ja eben so, dass man etwas probiert, von dem man sich nicht ganz sicher ist, wie es ankommt, deswegen muss dann das Forum herhalten. Das ist vielleicht etwas ungerecht, aber man will sich ja auch nicht ständig wiederholen: kann dann nicht immer alles fruchten, manches geht daneben, aber genau das will man ja testen. Es ist eher ein verlängertes Dankeschön für die Leser, die den Text frisch lesen und kommentieren, auch wenn er etwas abseits meiner sonstigen Sujets liegt.

Sprachliches wird in der nächsten Überarbeitung alles eingepflegt und berücksichtigt, brauche ich etwas Zeit für.

Danke dir sehr für deinen Kommentar und deine Zeit!

Ja, Jimmy - das kann ich nachfühlen, das Selbstverliebtsein in den Text, die Sprache, den Stil - also reiner Zweck noch vor der Geschichte - ich liebe auch oft diese Akrobatik der Sprache und mancher räuspert sich und sagt, das klinge zu geschwollen ... aber gut, es gibt für jeden Topf einen Deckel - schreib weiter, mir gefällt´s.

Danke dir, Detlev. Ist ja auch immer Geschmackssache alles. Manchmal versuche ich, schön zu schreiben, sprachmächtig (obwohl ich das bei anderen IMMER ablehne!), einfach um geschmeidig zu bleiben. Toll, wenn es dir gefällt.

Ich fühle eher eine starke Nähe zu den wahnhaften Geschichten eines H.P. Lovecraft. Hier natürlich ohne große Alte. Wobei man die Suder fast schon in diese Richtung schieben könnte.
Hallo @Rainbow Runner und herzlich Willkommen hier im Forum.

Ja, Lovecraft, kenne ich mich nicht so mit aus. Ich gestehe, abends immer Hörspiele zu hören, vornehmlich Gruselkabinett, die haben auch Sachen von Lovecraft umgesetzt, das sind die einzigen Stories, die ich so kenne. Klassiker! Mochte ich, aber ich hab mal reingelesen, ist ja schon sehr adjektivlastig, aber wohl auch dem Erzähler geschuldet, da macht man das eben so.

Das Stück würde am Anfang eines Romans natürlich stärker wirken, weil viele Fragen aufgeworfen werden.
So sehe ich das auch. Das ist so ein Wurf, wie man das machen könnte, eine stringente Zusammenfassung einer fiktiven Welt, das wäre so das, was aus dem "Off" beim Film kommt.

Gedankenloser Konsum der Massen. Man hält immer mehr die Hände auf, nimmt und verlangt. Und dafür nimmt auch Gewalt, Perversion und das Trampeln auf menschlichen Grundrechten in Kauf. Das interessiert nicht, solange man nur den Kragen voll kriegt und (noch viel wichtiger) gar nicht sieht, unter welchen Bedingungen das "Produkt" überhaupt entsteht.
Ja, das ist krass. Man liest ja sowieso immer einen eigenen Text, man macht sich jeden Text zu eigen, deswegen verändern sich auch Texte mit dem Alter des Lesers: Kerouac mit 20 geil, mit 40 nicht mehr soooo geil. Weil man einen anderen Blick auf die Geschehnisse hat, verändert sich auch der Gehalt des Textes, denke ich. Also, ich habe das nicht intendiert, was du daraus interpretierst, es sollte einfach nur eine archaische Welt sein, in der diese Suder obsessiv rumarbeiten an ihrem Trank.
Aber auch die Suder haben (scheinbar?) kein Interesse daran, aus diesem perversen Kreislauf auszubrechen. Sie sind ja zufrieden, wenn sie einmal im Jahr ein neues Mädchen zum quälen auswählen dürfen, und gelegentlich ihr eigenes Gebräu saufen dürfen.

Das könnte und müsste man natürlich aufbrechen durch Handlung, dieser Text wäre ja nur der erste Schritt, Konflikt fehlt, Plot auch.

Ganz gleich, ob es nur ein Experiment sein sollte: Du hast hier was geschrieben, was zumindest bei mir noch lange nachwirkt, und mich zum nachdenken bringt. Und dass ist doch schon mal ein großer Erfolg.
Vielen Dank für deinen Kommentar und deine Zeit!

Gruss, Jimmy

 

Hallo Jimmy,

ich schleiche schon eine Weile um deine Geschichte herum, weil ich Schwierigkeiten habe, meine Eindrücke wiederzugeben.
Sprachlich hat mich der Text mitgerissen, das war schon fast wie ein Sog, der mich dann auch in diese andere Welt mitnahm. Auf jeden Fall war es eine besondere Erfahrung, ihn zu lesen.

Es beginnt in den Unhöhen.
Mit diesem Stolperwort kann ich nicht so viel anfangen - ich habe länger überlegt, was ich mir da vorstelle. Und es blieb doch nur bei Anhöhen, da ja das Wasser abwärts rauscht.
in einem Gefälle von mehr als tausend Metern rauscht es durch sonnentrockenen Flussbetten, an stillen Hainen und Weizenfeldern vorbei, in denen der Wind leise durch die Ähren streicht; es macht aus harmlosen Bächen reißende Ströme, nimmt Staub und Moos und Schlick in sich auf, füllt die Kiemen von Neunauge, Döbel und Brachse; durch die Sedimente fließt das Süße, stets der Schwerkraft folgend, um sich dann in einer großen, hohlen Hand wieder zu vereinen, im Kühlbecken vor dem Sudhof, in dieser uralten Vertiefung, wo sich alles Wasser sammelt, um schlussendlich in den Läuterbottichen der Suder zerkocht zu werden.
Sehr cool. Ich war übrigens dann doch sehr beruhigt, dass trotz des Weges, den das Wasser auch durch Aborte führt, hier nur ein Kühlbecken das Ziel war. Und nicht etwa der Braukessel :-).
Sie sind ein mythisches Adelsgeschlecht, Wesen aus längst vergessenen Sagen, die in ihrem eigenen Hades sich und ihre Kräfte verzehren um wiederaufzuerstehen, ein ewiger Zyklus zwischen Tag und Nacht, Licht und Schatten, der Hof eine Unterwelt aus Blut und Destillat.
Sehr eindrucksvoll formuliert. Nur über den Hades, das Totenreich, stolpere ich. Denn eine Lebens- und nicht Todesform sind sie doch, die Suder.

" ... ihre Körper aus Kupferdämpfen und gestochenem Torf erst über Jahrmillionen um das Blut herum gewachsen,"
Hat schon jemand angemerkt: der gestochene Torf passt da irgendwie nur farblich, ansonsten aber nicht rein.

die Karren gezogen von schweren Warmblütern
Schwere Warmblüter kann ich mir nicht vorstellen, schwere Kaltblüter schon.
Im Sudhof gibt es keine Pausen. Die Suder braten ihre groben Würste auf den Randsteinen der Feuer, wässern Bries in gusseisernen Töpfen und backen ihn mit grünem Pfeffer und Rosmarin aus, pellen faustgroße Kartoffeln mit den geschliffenen Klingen ihrer Nicker und trinken dazu bernsteinfarbenes Bier.
Echt tolle Beschreibung!
Es sind die Tassen ihrer Väter und Vorväter, die es ihnen gleichtaten, die vor dem Schabbes ihre Wetten platzieren und die ebenfalls das Blut der Verlierer tranken.
Wenn sie nicht selbst dich irgendwie rhythmisch erneuern (das dachte ich zunächst), dann müssen sie Vorfahren haben. Aber wie kommt das zustande? Wo kommen die Mütter her? Da ist irgendwie eine Lücke.
und die Wahrheit in den Brennblasen und Maischen suchen, die Nektare des Dionysos erschaffen, nach denen es uns so sehr gelüstet. Auf ewig werden sie sein zwischen Kupfer und Holz, Glut und Flamme.
Ja, der Alkohol. In vino veritas? Glaube ich zwar nicht, halte die Suche auch mit diesem Mittel aber für sehr verbreitet.
Die Sache mit der Maid, ich weiß nicht. Ist nicht so meins.

Ansonsten aber sehr gerne gelesen
Eva

 

Sprachlich hat mich der Text mitgerissen, das war schon fast wie ein Sog, der mich dann auch in diese andere Welt mitnahm.

Hallo, Eva.

Ist doch super, ich denke, oft kann man nicht mehr verlangen: Sog, das klingt schon gut.

Mit diesem Stolperwort kann ich nicht so viel anfangen - ich habe länger überlegt, was ich mir da vorstelle. Und es blieb doch nur bei Anhöhen, da ja das Wasser abwärts rauscht.
Anhöhe, klingt besser, wird geändert.
Sehr eindrucksvoll formuliert. Nur über den Hades, das Totenreich, stolpere ich. Denn eine Lebens- und nicht Todesform sind sie doch, die Suder.
Auch hier: ich fasel einfach irgendetwas, das mystisch klingt, hab aber nur gefährliches Halbwissen.
Wenn sie nicht selbst dich irgendwie rhythmisch erneuern (das dachte ich zunächst), dann müssen sie Vorfahren haben. Aber wie kommt das zustande? Wo kommen die Mütter her? Da ist irgendwie eine Lücke.
Jaja, auch hier: nicht weiter drüber nachdenken und auf KEINEN FALL den Autoren fragen, ob und welche Logik dahinter steckt. :D
Die Sache mit der Maid, ich weiß nicht. Ist nicht so meins.
Na ja, kann ja nicht jeder mit allem was anfangen, oder?

Ansonsten aber sehr gerne gelesen
Freut mich sehr!

Danke dir für Zeit und Kommentar.

Gruss, Jimmy

 

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