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Immer Den Wolken Nach
Immer Den Wolken Nach
Leise und sanft weht der Wind, bringt die herbstfarbenen Blätter zum Rascheln. Ein einsamer Rabe sitzt auf einem Ast und beobachtet uns. Langsam und ungestört treiben die graublauen Wolken dahin. Hinter mir höre ich das helle Klingen des Windspiels auf der Veranda. Regungslos liegt der Weiher vor uns, scheint wie zu Eis erstarrt. Das dunkle Wasser spiegelt die Welt wider und ich erinnere mich, wie wir uns hier zum ersten Mal begegneten.
„Danny.“, sagt Melissa traurig, reisst mich zurück in die Gegenwart. Ich sehe sie an, blicke in ihre unendlich tiefen, grünen Augen. Wasser hat sich am unteren Rand gesammelt, schwappt über, als sie blinzeln muss und eine einzelne Träne rinnt ihre Wange hinunter. Vorsichtig lege ich meine Hand auf ihr hübsches Gesicht und wische sie mit dem Daumen weg. Eine Zweite folgt und ich erkenne, wie machtlos ich bin. Sie umarmt mich, lässt mich ihr langes, dunkles Haar streicheln. Es riecht vertraut und gut. Wahrscheinlich ist es das letzte Mal, dass ich es fühlen kann. „Ich werde dich nie vergessen.“, sagt sie dann und gibt mir einen zarten Kuss auf die Backe. Ein letzter Blick. Sie steht auf, durchquert alleine die weite Wiese und verschwindet dann irgendwo im goldenen Weizenfeld. Ich frage mich, ob ich sie je wiedersehen werde.
Mein Blick schweift zur Veranda. Da steht Mary, meine kleine Schwester, stützt sich an einem hölzernen Pfosten und sieht mich mit ihren kindlichen, unschuldigen Blick an. Ihr kurzes, braunes Haar flattert im Wind. Sie rennt auf mich zu und setzt sich zu mir auf die Bank. Brüderlich lege ich den Arm um ihren kleinen, zierlichen Körper. Sie lehnt ihren Kopf an mich und wir schauen uns zusammen die Landschaft an.
„Ihr habt euch getrennt, nicht wahr?“
„Ja.“
„Warum?“, fragt sie und sieht zu mir hoch. Melissa ist fremd gegangen. Vielleicht hätte ich ihr verziehen, doch sie sagte, dass es nie wieder so wäre, wie davor. Mary würde das nicht verstehen. „Was wirst du jetzt tun?“, unterbricht sie die Stille. Ich sehe zu dem Raben. Er erwidert meinen Blick, breitet stolz seine kräftigen Flügel aus und fliegt sorglos davon.
„Ich weiss es nicht.“ Aus der Ferne vernehme ich plötzlich ein immer stärker werdendes Brummen. Es ist Dads alter Pickup. Als er ausgestiegen ist, sieht er zu uns rüber, winkt noch kurz und verschwindet dann durch den Eingang zu unserem Haus. Mein Blick verharrt auf dem Wagen.
„Du wirst weggehen, oder? Du hast einmal gesagt, du würdest irgendwann weggehen.“, erinnert sie sich und ich glaube, eine gewisse Trauer in ihrer Stimme zu hören. Ich werde sie auch vermissen.
„Ja, ich werde fortgehen.“ Mary schmiegt sich an mich, hält mich fest und sieht über den Teich zum Saum des Waldes. Wir schweigen noch ein bisschen und gehen dann ebenfalls rein.