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Janes Geschichte

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21.06.2003
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Janes Geschichte

Ich kam nach Hause. In der Tür begegnete ich meiner Mutter. Sie hielt die Tür auf, ich schlüpfte hinein, murmelte noch ein „Danke!“, doch sie hatte die Tür schon hinter mir geschlossen.
Sie hatte seit kurzem irgendwie wenig Zeit für mich, redete kaum noch mit mir. Sie war ständig unterwegs. Irgendwie hatte überhaupt niemand mehr Zeit für mich.
Sie hatten einfach alle aufgehört mit mir zu reden. Vielleicht waren sie irgendwie verlegen.
Ich fühlte mich einsam, wenn ich in die Schule kam und mir kaum jemand Aufmerksamkeit schenkte, geschweige denn ein Wort mit mir wechselte.
Sogar meine Freundinnen redeten nicht mehr viel mit mir. Was hatten sie nur? Ich verstand das einfach nicht.
Ich ging ins Wohnzimmer, wo mein Vater saß, Bier trank und Fußball sah. Ich setzte mich daneben ohne etwas zu sagen. Er sah sehr geschafft aus von seinem langen Arbeitstag, also wollte ich ihn nicht stören.
Einige Minuten sah ich mit ihm das Fußballspiel, obwohl es mich nicht wirklich interessierte. Als ich klein war hatte ich oft mit ihm Fussball gesehen, war sogar ein richtiger Fan, aber das hatte sich gelegt als ich in das Alter kam, wo ich mich für andere Dinge interessierte.
Plötzlich merkte ich, dass auch mein Vater nicht richtig hinsah. Merkwürdig es war doch seine Lieblingsmannschaft, sie war sogar recht gut.
„Dad, geht es dir gut?“, fragte ich.
Einige Zeit sagte er nichts, starrte nur vor sich hin, aber dann antwortete er mit heiserer Stimme: „Ach, mein Mädchen...“ Er hob seine Hand. Sie war rau von seiner täglichen Arbeit. Die Haut war aufgesprungen. Einen Moment sah es so aus, als wollte er meine Hand nehmen, dann ließ er sie wieder sinken. Ich sah ihn einige Minuten nur an, hauchte ihm dann einen Kuss auf die Wange.
Wieso sprach er nicht mit mir? Ich sehnte mich so danach.
Ich stand auf und ging in die Küche. Dort saß meine Schwester. Sie las Zeitung. Sie sah auch nicht glücklich aus. Nein, ganz und gar nicht!
Und- was noch schlimmer war- sie ignorierte mich auch. Wieso tat sie das? Wir waren immer die besten Freundinnen gewesen. Wir hatten uns so gut verstanden, schon immer. Ich musste etwas falsch gemacht haben, dessen war ich mir sicher. Einen anderen Grund dafür, dass niemand mehr mit mir sprach gab es nicht. Es war ja nichts bedeutendes passiert in der letzten Zeit. Aber was war es? Welchen Fehler hatte ich nur gemacht.
Ich vermisste meine Schwester. Ich wagte nicht sie anzusprechen.
Doch nun würde ich es noch einmal versuchen. Ich konnte nicht mitansehen, dass meine ganze Familie wegen mir in die Brüche ging, auch wenn ich nicht wusste, was geschehen war, was mir alle so schrecklich übel nahmen.
Ich nahm meinen Mut zusammen und wollte sie gerade ansprechen. Da sah ich wie sie zu weinen begann. Lautlos flossen ihr die Tränen über ihr schmales Gesicht.
„Oh, Jane!“, sagte sie, „was soll ich denn nur ohne dich machen. Ich vermisse dich so!“
„Lucilla, was ist denn mit dir los? Was ist mit uns los? Ich bin doch hier, Lucy!“, sagte ich und trat hinter sie, legte ihr die Hände auf die Schultern. In dem Moment sah ich in die Zeitung, die sie immer noch vor sich hielt. Sie las Todesanzeigen, stellte ich fest. Erschrocken fragte ich: „Ist jemand gestorben, den wir kennen?“ Ich hatte nichts von einem Todesfall gehört. Flach atmend überflog ich die Namen. Da las ich es.

Wir trauern um unsere Freundin, Schwester und Tochter

Jane Pirotti

Gestorben am 24.03.2003...

 

Mahlzeit!

Eine nette kleine Geschichte - nichts, was einen total umhaut, aber doch solide. Die Sprache ist schlicht, aber wirkt dennoch. Die Einsamkeit und Traurigkeit der Protagonistin und ihre Verbundenheit zu ihrer Familie sind größtenteils sehr ansehnlich und glaubwürdig geschildert, allerdings wirkt alles noch ein wenig oberflächlich bzw. klischeehaft (muss es denn unbedingt Bier und Fußball sein?). Der Schluß ist wenig überraschend, aber dafür nicht so plump in Szene gesetzt, wie ich es andernortes bereits gesehen habe. Alles in Allen also ein stimmiger kleiner Text, an dem mich nicht viel gestört hat, der mich aber auch nicht zu totalen Begeisterungsstürmen hinreisst. Trotzdem: Solide! :)

Achja:

Wir verstanden sich.
Ich bin mir irgendwie ziemlich sicher, daß du da was anderes schreiben wolltest. ;)

Gruß,
Horni

 

Inspired by the six sense? :p

Leider ist schon nach der Erwähnung der Krankheit, die Spannung etwas raus, weil man schwer vermutet, dass Jane dort schon das zeitliche segnete.
Ansonsten kompakte kleine Geschichte, weiter so.

kain :cool:

 
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Hi,
danke euch beiden für das Lesen und bewerten meiner Geschichte. Irgendwie dachte ich mir schon, dass man das Ende erahnen kann. Mache b.z.w. habe mir auch Gedanken gemacht wie man sie besser einbauen kann ohne die Pointe vorweg zu nehmen.
Ich denke ich werde sie noch mal überarbeiten...
Ansonsten bin ich für alle Vorschläge offen.
VLG
Lathyria

 

Hmm, die Frage, die sich mir stellt ist: Musst Du es denn erwähnen? Das Ende funktioniert auch, ohne, dass Du vorher von der Krankheit schreibst. Warum nicht diesen Fakt einfach weg lassen?

Wenn Du das tust, denke ich nämlich, dass das Ende wirklich überrascht. Warum die Protagonistin gestorben ist, ist für die Story ziemlich unwichtig. Also: Wenn es keine persönliche Bedeutung für Dich hat, lass es weg.

Ansonsten denke ich, die Sache ist recht solide geworden. Relativ modern und simpel in der Sprache und deshalb gut und schnell zu lesen.

 

Sehr schöne Geschichte... Ich wollte selber so eine schreiben - find aber im Moment keine Ruhige Minute, deswegen drücke ich meine Gedanken und Trume mit dem 3d tool Bryce aus - sie sollte so ähnlich wie "Zweimal im Leben" (auf Sat.1 - Samstag - 14h) sein :)

Bitte schreibe eine Fortsetzung, wenn du Zeit hast
bist - mich hast Du als Leser auf jeden Fall!!!
bitttte!!!

und schick sie mir per mail: "david nierzwicki
<internet.news@gmx.de>"

"We have to share our thoughts openly to understand each other better." (sha're@Kazaa)

 

Da ist aber jemand begeistert :D

Muss auch sagen, ohne die Krankheit ist die Geschichte gleich nochmal um einiges besser.

 

Hmmm... da schau ich dich noch mal rein... (puh is das schon spät):

Okay - die Krankheit ist raus - aber irgendwie ist jetzt m.E. ja nur noch ein Skelett von Geschichte übrig! :eek1: Die ist ja so abgemagert, die kann ich ja fast lesen, ohne draufzugucken... ;)

Scherz beiseite: So wie Kaffee durch Wasserdraufkippen nicht unbedingt leckerer wird, gewinnen auch Geschichten nicht immer durch Ausdünnen. Und in diesem Fall ist leider ein bißchen Substanz mit weggegangen, finde ich.

Mein Tipp wäre: Versuch einfach, die Atmosphäre von Einsamkeit und Traurigkeit etwas intensiver aufzubauen und gleichzeitig vielleicht etwas mehr vom Charakter deiner Protagonistin, evtl. Familiendramen, Kindheitserinnerungen etc. zu enthüllen, einen kleinen Plot zu kreieren, der den Leser an die Hand nimmt und in Janes Leben hineinzieht, und damit der Story etwas mehr Fleisch zu geben. So ist es ja kaum noch eine richtige Geschichte, sondern eher so ne Art Prosaskizze.

Sprachlich allerdings bist du auf dem richigen Weg! Die Schlichtheit sollte bleiben. Sie wirkt stellenweise sehr gut, weil sie emotionale Leerstellen lässt, die halt nicht mit Metaphern-Blabla verkleister sind, sondern dem Leser Gelegenheit lassen, sie selbst zu füllen - was in diesem Fall ein durchaus probater Ansatz ist!

 
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Hallo Lathyria Löwe!
Hmm.. Mir hat deine Geschichte nicht so gut gefallen. Ich kenn die ursprüngliche Version nicht, weiß aber aus den anderen Kommentaren, dass du vorher etwas von einer Krankheit geschrieben hast. Ich denke auch, dass es unwichtig ist, woran das Mädchen gestorben ist.
Das Ende ist ein wenig überraschend, und auch nüchtern. Ganz schlicht, das gefällt mir.
Aber insgesamt fehlt mir etwas in deiner Geschichte.
Die Isolation, in der das Mädchen ist, kommt durch die kurzen Sätze ganz gut rüber- dennoch bleibt mir deine Prot. fremd. Ich kenn sie überhaupt nicht, weiß nichts über sie.
Deshalb ist es für mich bei dieser Geschichte so: gelesen und schnell wieder vergessen.

Ich wünschte mir, dass du dem leser das Mädchen etwas näher bringst, den leser das Mädchen ein wenig kennen lernen lässt. Und wodurch zeichnete sich die gute Freundschaft zwischen den Schwestern aus? Eine sehr gute Freundschaft zwischen Schwestern ist ja nicht unbedingt so üblich ;)

Eine Stelle ist mir aufgefallen, die mich etwas stutzen ließ:

„Ist jemand gestorben, den wir kennen?“
Es ist ja klar, dass das Mädchen gestorben ist und dass es ihr Name ist, der da in der zeitung steht. Aber ich wundere mich, dass sie fragt, ob jemand gestorben ist, den sie kennen.
Ich weiß es nicht genau, aber ich denke, wenn jemand gestorben ist, den man kennt (und zwar so gut kennt, dass der Tod dieser Person einen so mitnimmt) dann erfährt man das doch eher früher. Also bevor es in der Zeitung steht.
Oder hab ich hier etwas falsch verstanden?

So, das wars auch von mir.

bye und tschö

NACHTRAG: Ich verstehe nicht ganz, wieso die Geschichte in "Fantasy/Märchen" steht. Nur weil das Mädchen tot ist?

 

Abgemagert?

Ich weiss nicht wie die Geschichte davor aussah. Aber so wie sie jetzt ist,
passt sie mir eigentlich. Einfühlsam und guter Schluss. Ist neben einer anderen
Geschichte von Pandora in den Top Ten bei mir von den Kurzgeschichten :)

David.

Horni schrieb:
Hmmm... da schau ich dich noch mal rein... (puh is das schon spät):

Okay - die Krankheit ist raus - aber irgendwie ist jetzt m.E. ja nur noch ein Skelett von Geschichte übrig! :eek1: Die ist ja so abgemagert, die kann ich ja fast lesen, ohne draufzugucken... ;)

Scherz beiseite: So wie Kaffee durch Wasserdraufkippen nicht unbedingt leckerer wird, gewinnen auch Geschichten nicht immer durch Ausdünnen. Und in diesem Fall ist leider ein bißchen Substanz mit weggegangen, finde ich.

Mein Tipp wäre: Versuch einfach, die Atmosphäre von Einsamkeit und Traurigkeit etwas intensiver aufzubauen und gleichzeitig vielleicht etwas mehr vom Charakter deiner Protagonistin, evtl. Familiendramen, Kindheitserinnerungen etc. zu enthüllen, einen kleinen Plot zu kreieren, der den Leser an die Hand nimmt und in Janes Leben hineinzieht, und damit der Story etwas mehr Fleisch zu geben. So ist es ja kaum noch eine richtige Geschichte, sondern eher so ne Art Prosaskizze.

Sprachlich allerdings bist du auf dem richigen Weg! Die Schlichtheit sollte bleiben. Sie wirkt stellenweise sehr gut, weil sie emotionale Leerstellen lässt, die halt nicht mit Metaphern-Blabla verkleister sind, sondern dem Leser Gelegenheit lassen, sie selbst zu füllen - was in diesem Fall ein durchaus probater Ansatz ist!

 

Hi Lathyria Löwe,

bevor ich näher auf die Geschichte eingehe, erstmal Textzeugs.

Ich kam nach Hause. In der Tür begegnete ich meiner Mutter.
Gleich die ersten beiden Sätze - sture Parataxe. SPO: Wie viele Leser mögen den Text gleich schon wieder abgeklickt haben?
Na gut, so schlimm ist es wohl nicht. Trotzdem lassen sich gerade die ersten beiden Sätze schöner gestalten.

Sie hatte seit kurzem irgendwie wenig Zeit für mich, redete kaum noch mit mir. Sie war ständig unterwegs.
Zweimal derselbe Satzanfang, lässt sich sicher irgendwie umgehen.

Ich ging ins Wohnzimmer, wo mein Vater saß, Bier trank und Fußball sah.
Es lebe das Klischee!

Ich setzte mich daneben, ohne etwas zu sagen.

Als ich klein war hatte ich oft mit ihm Fußball gesehen, war sogar ein richtiger Fan gewesen, aber das hatte sich gelegt, als ich in das Alter kam, wo ich mich für andere Dinge interessierte.
Fußball bitte durchgängig mit ß und nicht nur manchmal. Die Handlung des Fan-Seins ist abgeschlossen, also mit "hatte"

Merkwürdig, es war doch seine Lieblingsmannschaft, sie war sogar recht gut.
Ist die Mannschaft gerade gut oder immer?

So, jetzt zum Rest - die Pointe der Geschichte war mMn relativ früh schon deutlich. Die Geschichte hat mir gut gefallen, ein netter Happen für zwischendurch, nichts, was lange im Gedächtnis bleiben wird, aber schön. Hab sie gern gelesen.

gruß
vita
:bounce:

 

Aloha!

Ich gesteh freiwillig, dass ich kein Freund der kurzen Sätze bin, aber das ändert gundsätzlich ja nichts daran, dass eine solche Erzählung auch gut sein kann.

Da das Thema nach dem 'Klaus-Lage-Syndrom: 1000 mal gelse, 1000 mal is' nix passiert ...' schon ungezählte Male umgesetzt wurde, ist es natürlich schon einmal sehr positiv zu sehen, dass Du Dich da überhaupt ranwagst. Erfreulicherweise ist Deine Erzählung nicht langatmig und es entsteht - zumindest bei mir - nicht der Eindruck, dass es ein schon endlos umgesetztes Thema ist. Ich könnte jetzt sagen, dass die Erzählung ausbaufähig ist, aber damit würde sie ziemlich wahrscheinlich deutlich umfangreicher werden, da Du auf die persönlichen Beziehungen der Charaktere untereinander mit kurzen Flashbacks eingehen könntest, deren Inhalt, da aus glücklicheren Zeiten, natürlich nicht der melancholisch gedrückten Stimmung folgen würde. Aber vielleicht bekommst Du das ja auch hin ...

Ich finde die Umsetzung so schon sehr gelungen und schließe mich ansonsten dem schon vorgebrachten Punkt an, dass die traurige Stimmung noch nachdrücklicher werden darf, bis es einem das Wasser in die Augen treibt. :)

Textarbeit hat vita ja schon umfangreich geleistet, deshalb schenke ich mir das mal ... Und was das Klischee in Sachen Unterhemd, Bier und Fußball betrifft, sehe ich kein Problem. Warum kein Klischee, wenn der Charakter diesem eben folgt? Von irgendwoher muss das Klischee ja kommen, aber natürlich lässt sich der Vater auch durch jede beliebige andere Gestalt ersetzen. Das ist, denke ich, ausschließlich Sache des Autors.

shade & sweet water
x

 

Ola!

Tja, ich weiß nicht, ob ich nicht vielleicht éinfach ein bisschen vorbelastet bin ("The Others" "Sixth Sense" etc.), aber ich wusste bei deiner Geschichte schon recht früh, was Sache ist (etwa, ab dem Vater, kann aber auch schon früher gewesen sein). Das hat mir die Pointe leider ein bisschen versaut.

Stilistisch ist die Geschichte allerdings sehr schön, flüssig zu lesen und angenehm kurz, da kann ich nicht meckern. Nur leider kenn ich das Thema eben zu gut.

Kann sein, dass sie mit etwas Ausbauen noch schöner wird, wenn die ganze Geschichte nicht so auf die Pointe zielt (die zumindest für mich schon so früh zu erkennen war), sondern mehr auf die Stimmung, die dahinter steckt. Ist aber natürlich Geschmackssache und es kommt wirklich drauf an, was du aussagen willst.

Liebe Grüße,

Felsenkatze

 

Also, ich fand deine Geschichte eigentlich ganz gut. "The sixth sense" hat dich bestimmt inspiriert. Oder? :)
Ich finde die Story ganz gut, doch wenn du die Krankheit rauslassen würdest, würde sie bestimmt noch besser sein.
Also ran an den PC! :thumbsup:
Deine
Engelchen130

 

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