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Klaus-Edwin und die Liebe
Ich habe mir die Kritiken zu Herzen genommen und dieser Geschichte ein neues Ende gegeben.
Also,... wer mag...
Klaus-Edwin und die Liebe
Als er sie sah, traf es Klaus-Edwin ohne Vorwarnung und mit aller Wucht direkt von vorn. Sein Herz setzte einen Schlag aus, überlegte kurz und wummerte gleich umso mächtiger weiter. Von der Brust aus zog es in heißen Wellen durch seinen runden Körper, weichte die Knie auf und ließ die Hände so feucht werden, dass er meinte, es müssten sich Pfützen auf dem Boden bilden.
Ein Traum!
Sie stand nur wenige Meter von ihm entfernt an der Rolltreppe, in einer Aura von Liebreiz und Anmut. Noch hatte sie ihn nicht bemerkt, denn es war viel los an diesem Nachmittag. Menschen liefen geschäftig umher, blieben stehen, sahen sich um, gingen weiter. Andere kamen die Rolltreppe herauf um zwischen den Regalen unterzutauchen.
Er würde nicht auffallen.
Oder doch?
Schnell zog Klaus-Edwin eine unbeteiligte Miene auf, die Mütze eine Spur tiefer ins Gesicht und ging in die Knie.
Von einer Verkäuferin kritisch beäugt, federte er so einige Schritte zur Seite.
In der Deckung einer mit Regalen umgebenen Säule fand er zwischen zwei eleganten Handtaschen eine Lücke, um hindurch zu linsen.
Klaus-Edwin stützte sein Kinn auf ein Regalbrett und nahm Peilung, worauf seine Gesichtsmuskeln die unterschiedlichsten Gemütsregungen durchspielten, bis sie sich endlich auf ein verklärtes Schmachten einigten.
Irgendwie erinnerte sie ihn an die Frau aus der Werbung für das Haarspray, das in London genau so hält, wie in Grevenbroich, nur war sie noch eine Spur blonder, fast golden...
In sanften Wellen fiel ihr Haar bis auf die Schultern und umrahmte zwei strahlende Augen und einen sinnlich geschwungenen Mund.
Ihre Figur war perfekt! Wie die eines Filmstars, schlank und wahnsinnig weiblich.
Ein tiefer Seufzer entwich Klaus-Edwins Brust im selben Augenblick, in dem er direkt neben sich eine Bewegung bemerkte. Er schaute zur Seite und machte zwei alte Damen aus, die leise miteinander tuschelten, ohne aber den Mann aus den Augen zu lassen, der einen Stützpfeiler umarmte, sein Kinn verträumt auf ein Regal gebettet hatte und zärtlich eine rosa Kunststofftasche von Enrico Rucci streichelte.
Schnell nahm Klaus-Edwin Haltung an, zog die rosa Tasche aus dem Regal und prüfte die Nähte, die Länge der Bügel und überhaupt die ganze Verarbeitung.
„Erstklassig!“ piepste er mit Kennermiene, nickte den Damen freundlich zu und versuchte sich unauffällig zu geben.
Lässig schlenderte er zwischen den Regalreihen umher, spielte den Harmlosen, fühlte sich aber dennoch beobachtet. Die alten Damen waren nicht mehr zu sehen und eigentlich war alles gut. Er benahm sich normal, nur die anderen Kunden nicht. Es war schon auffällig, wie eine Mutter ihre kleine Tochter schnell mit sich fortzog, als sie ihn sah. Der Mann in dem hellen Anzug schaute ihn auch recht sonderbar an, genauso wie das Ehepaar. Die blieben sogar stehen.
Klaus-Edwin fühlte sich verfolgt.
Er hatte diesen Engel wahrscheinlich zu offensichtlich gemustert, und nun hielt man ihn für einen möglichen Sittenstrolch. Am unauffälligsten würde es sein, wenn er jetzt etwas kaufen würde, dachte er, pfiff leise ein Lied und interessierte sich dann mehr für die Waren.
Ganz in seiner Nähe stand in einer Auslage ein kleiner Reisekoffer, der ihn ein bisschen an die Werkzeugtasche des Tierarztes erinnerte, wenn er zum Besamen der Kühe auf den Hof kam.
Klaus-Edwin bückte sich, um das gute Stück näher zu betrachten, hob es an, stellte kurz die Tasche ab...
Die rosafarbene Tasche!
Er war die ganze Zeit mit der rosa Tasche durch das Geschäft gelaufen.
Blitzschnell klemmte er sich Enrico Ruccis Meisterwerk unter den Arm, lief zur Säule zurück und war augenblicklich wieder gefangen.
Sie stand noch immer da. Sie wartete.
Herr im Himmel, war sie schön!
Er erinnerte sich daran, wie Mutter in der letzten Woche zu ihm sagte: „Junge, komm mir bloß nicht mit so einer nach Haus!“
Klaus-Edwin grübelte: "Was ist überhaupt so eine? War sie so eine? Nein!"
Er spähte wieder hinüber. Sie war stolz und edel. Wie sie über die umherwuselnden Menschen hinwegsah, ganz so, als wäre sie von Adel. Ja, wie eine Gräfin, oder gar eine Prinzessin. In Mutters Zeitschriften waren sie oft abgebildet.
…Klaus-Edwin und die Prinzessin...
Die Realität verblasste und wich für einen Moment der Phantasie, in der er mit ihr am Arm durchs Dorf spazierte, die alte Patzmüller, die er heimlich Putzmüller nannte, sich den Kopf verdrehte und die Nachbarn mit der Arbeit innehielten und sich die Augen rieben...
Ein kleiner Junge holte ihn brutal in die Wirklichkeit zurück. Erst versetzte er Klaus-Edwin mit dem Holzgewehr einen Stoß in die Kniekehle, dann schoss das Kind einen bösen Blick unter der Krempe seines Cowboyhutes ab, der bedeutete, dass ganz sicher einer zuviel in der Stadt sei. Ohne weitere Attacken verschwand der Killer mit seiner Erziehungsberechtigten in der Damenoberbekleidung.
Hatte Klaus-Edwin je einen Gedanken an Kinderwunsch verschwendet? Zum Teufel, nein! Sie würden einander ganz allein genügen.
Der verklärte und verträumte Ausdruck, den der Junge nur teilweise aus Klaus-Edwins Gesicht löschen konnte, verzog sich gleichzeitig mit der aufkommenden Erkenntnis, dass er unsterbliche Liebe fühlte. Er mußte nun endlich etwas tun, und zwar noch, bevor der Mann auftauchte, der sie hier wohl auf so schändliche Weise warten ließ.
Klaus-Edwin war wild entschlossen!
Wieder begann es unter seinem Hemd zu toben, die Hosenträger vibrierten und die Hände transpirierten, als stünden sie im Wettkampf mit den Achselhöhlen.
Das Beste wäre, wenn er ein kleines Geschenk für sie hätte, eine Kleinigkeit, die nicht aufdringlich wirkte, aber zu einer Dame passte. Im Geiste zog Klaus-Edwin von der Heimwerkerabteilung über Haushaltswaren, Schreibwaren, Trikotagen durchs ganze Haus, bis plötzlich ein Gong ertönte und eine tiefe Frauenstimme aus den Lautsprechern einen Herrn Fünfunddreißig zu Herrn Neunzehn bat.
Diese Stimme war der seiner Cousine Martha so ähnlich, dass ihm darauf der Geistesblitz direkt vom Lautsprecher in den Mützenrand schlug, ins Hirn sickerte und dort die Idee zündete.
Cousine Martha hatte zum Geburtstag von Mutter bestickte Taschentücher bekommen und gesagt, dass die für eine Dame genau das Richtige seien.
Damals hatte Martha ein Tuch aus der Packung gezupft, Klaus-Edwin angegrinst und das Fähnchen langsam zu Boden schweben lassen, eine Frechheit, wie er meinte.
Cousine war beleidigt und Mutter hatte ihm erklärt, dass vornehme Damen das ständig machten, und die galanten Herren wie Dackel hinterherliefen und alles wieder aufklaubten.
Tage später hatte Mutter ergänzt, dass Papiertaschentücher von dieser Regelung ausgenommen seinen.
Klaus-Edwin fühlte sich darauf etwas eklig und die Anzahl der Damen war drastisch reduziert.
Klaus-Edwin löste sich schnell von seinem Beobachtungsposten, drapierte einige Taschen neu und verzog sich in einen anderen Gang.
Seidentücher, ganz zart bestickt sollten sie sein. Weiß, vielleicht mit kleinen rosa Blüten um den Rand herum.
Bei den Handschuhen war er schon. Lederne und welche aus Wolle. Hin und wieder reckte er sich und spähte über einige Auslagen hinweg zur Rolltreppe. Er konnte sie von hier aus nicht mehr sehen und wurde zunehmend nervöser.
Dann die Taschentücher. Herrentaschentücher, kariert, in Päckchen zu drei Stück. Damentaschentücher, schlicht weiß, keine Spitzentücher. Gott, lass es Spitzentücher regnen.
Aber was er dann sah, war besser:
Ein kleines Bukett aus einem Seidentuch, zauberhaft angerichtet, mit zwei künstlichen, weißen Rosen in der Mitte, in einem Klarsichtpäckchen, wunderbar geschützt.
Klaus-Edwin nahm es an sich und stürmte zur Kasse. Unruhig trat er von einem Bein auf das andere und kramte hektisch in den Tiefen seiner Arbeitshose.
Zwei zerknüllte Scheine fand er zwischen Taschentuch, Schweizer-Messer und den Schlüsseln für den Hühnerstall.
Das Präsent wanderte in eine Tüte und mit einem Hinweis auf die Kundentoilette reichte die Verkäuferin ihm das Wechselgeld.
Dass Klaus-Edwin dann in eine ganz andere Richtung davoneilte, ließ bei der Frau wahrscheinlich die schlimmsten Befürchtungen aufkommen. Wusste sie doch nicht, dass bei ihm der Druck im Herzen war und nicht dort, wo sie ihn vermutete.
Klaus-Edwin drängte zurück in Richtung Rolltreppe.
Diese treue Seele! Diese wunderschöne, treue Seele!
Sein Herz machte eine kleinen Hüpfer, als er sie sah, um gleich darauf wieder in dieses bekannte Wummern überzugehen, das ihm sagte: Jetzt hast du jeden Grund, die Hosen voll zu haben.
Er musste zur Tat schreiten.
Wie das aber so oft im Leben ist, überstürzen sich die Ereignisse immer dann, wenn uns der Verstand am Heldentum hindern will. Bei Klaus-Edwin war das genauso.
Das Ereignis, das ihn zum Helden werden ließ, hatte einen dunklen Anzug an, eine passende Krawatte und ein großes buntes Einstecktuch.
Dieser taktlose Mensch kehrte zu dem wartenden Engel zurück. Er hatte Klaus-Edwin aber offenbar als Rivalen erkannt und näherte sich auf eine eindeutig lauernde, aber auch provozierende Weise.
Das Jackett mit einem Knopf geschlossen, eine Hand in der Hosentasche. -Arrogant!
Urplötzlich leuchtete in Klaus-Edwins Hirn eine riesige Schrift auf: „Er hat sie nicht verdient“ prangte da. Gleichzeitig schnappte ein Schalter von „Vorsicht“ auf „Heldentum“ um und Klaus-Edwin schwoll die Brust, wie seit seiner bestandenen Prüfung zum Hilfsmelker nicht mehr.
Sein Blick richtete sich hart auf den Widersacher.
Die Welt veränderte sich.
Das Stimmengewirr der vielen Kunden kam nur noch leise, wie durch einen Filter. Die Konturen um ihn her verschwammen, Klaus-Edwins Blick unversöhnlich auf sein Gegenüber gerichtet.
Aus den Lautsprechern klagte eine Mundharmonika von Rache und Tod.
Wie in Zeitlupe setzten sich beide Männer gleichzeitig in Bewegung, Schritt für Schritt. Keiner ließ den Gegner aus den Augen.
Klaus-Edwin atmete tief ein, die Brust spannte sich und die Hosenträger ließen den Saum lässig um ihn her wippen.
Die Schöne musste sie bemerkt haben. Dass sie beim Nahen des Anzugträgers keine Freude zeigte, bestätigte Klaus-Edwin in seinem Wagemut. Sie sollte sich entscheiden!
Fast standen sich die Männer gegenüber. Mit einer blitzschnellen Bewegung riss Klaus-Edwin das Präsent hoch, stürmte mutig auf die zarte Hand der jungen Frau zu und stellte augenblicklich fest, dass es Ereignisse gibt, die in Sekunden geschehen, aber dennoch wie in Zeitlupe in allen Einzelheiten genossen werden können, so auch Klaus-Edwins Attacke auf die Weiblichkeit.
Es begann damit, dass sich die vorwitzige Stütze eines Kleiderständers für seinen rechten Stiefel interessierte.
Der Kontakt war nur kurz, reichte aber aus, um seine Gangart nachhaltig zu korrigieren.
Aus dem energischen Vorstürmen wurde eine Art Tanz, wie er in alten amerikanischen Revuefilmen gerne gezeigt wurde.
Die Beine flogen abwechselnd in die Höhe, während er mit den ausgestreckten Armen seitlich kräftige Ruderbewegungen vollführte.
Eine Choreographie, in der ein Kenner sofort einen „Kranich im Balzflug“ ausgemacht hätte.
Das Schwingen schien ihm tatsächlich für einen Moment Auftrieb zu geben, was allerdings durch die versehentliche Kollision mit der Wange des Widersachers zunichte gemacht wurde.
Dessen linke Gesichtshälfte schob sich erheblich nach rechts, wodurch sich das Gesicht im Ausdruck dergestalt zweiteilte, dass die linke Hälfte ein völlig debiles und gequältes Erstaunen zeigte, die Rechte sich hierüber aber köstlich zu amüsieren schien. Allerdings hätte hier auch jede andere Interpretation ihre Berechtigung.
Klaus-Edwin jedenfalls war durch diese Störung seiner Darbietung nicht mehr in der Lage, den Kranich zu halten. Er kippte leicht nach links, glich wieder aus und entschied sich für den Albatros.
Tatsächlich verloren seine Füße für einen winzigen Lidschlag den Bodenkontakt. Klaus-Edwin tat das, was ein gestandener Albatros in dieser Situation auch getan hätte: Kopf unter die Schwingen, Hintern hoch und Landung.
Mit einem gekonnten Salto in eine Miederwarenauslage schloss er die Vorführung.
Danach herrschte Stille.
Engel und Widersacher schienen darin zu wetteifern, wessen Gesicht am weitesten entgleisen konnte, wobei Widersacher leicht vorn lag, weil er sich zusätzlich irritiert die Wange rieb.
Da nicht damit zu rechnen war, dass diese Ruhe länger anhalten würde, teilte Klaus-Edwin den Vorhang aus Unterhosen mit extra großen Gesäßlappen, streifte den Büstenhalter vom Kopf und empfahl sich.
Mit weit ausholenden Schritten glitt er in einem bemerkenswerten Slalom zwischen den Auslagen hindurch zum Ausgang.
Dann wurden Stimmen und Rufe laut.
Angenehme, frische Luft empfing ihn und der Tumult verebbte, je tiefer er in das Getümmel der Fußgängerzone eintauchte.
Am Marktplatz spielte die Sonne mit den glitzernden Fontänen, die der Brunnen ausspie. Klaus-Edwin setzte sich auf den Rand und atmete erleichtert durch.
Erst jetzt bemerkte er, dass er noch diese wundervollen Taschentücher in der Hand hielt.
Was sollte er jetzt damit machen? Mutter schenken, oder der Cousine?
Dann plötzlich traf es ihn mit einem „Wumm“ und Stechen und Brennen. Natürlich konnte das niemand hören, es war ja auch so tief in seinem Herzen:
Das Wesen stand direkt neben dem Eingang der Apotheke.
Sie musste aus einer anderen Welt sein. Kastanienbraune Haare wurden von goldenen Sonnenstrahlen gekämmt, samtene Haut, die der Wind zart streichelte...
Alte Version
Fast standen sich die Männer gegenüber.
Mit einer blitzschnellen Bewegung riss Klaus-Edwin das Präsent hoch und ergriff die zarte Hand der jungen Frau.
Im selben Moment packte ihn der Andere fest an der Schulter und verkündete mit tiefer Stimme: „Ich möchte Sie bitten, die Puppen nicht anzufassen. Alle Kleidungsstücke, die hier dekoriert sind finden Sie in den Regalen.“