Hallo @elaine,
mit der Frage habe ich mich auch schon öfters intensiv auseinandergesetzt.
Stephen King ist - so viel ich weiß - einer der bekanntesten (und vielleicht auch wenigen) Vertreter des "Discover Writings":
Beeindruckend und überraschend fand ich, dass er seine besten Romane anscheinend ohne konkrete Plotidee geschrieben hat.
Man darf bei Stephen King nicht vergessen, dass er schon sehr früh intensiv geschrieben hat. Wenn ich mich richtig erinnere, hat er schon als Schüler/Student Fortsetzungsgeschichten verkauft.
Außerdem ist Schreiben sein Beruf und er erwähnt im zitierten Werk auch, dass er an einem Projekt praktisch täglich arbeiten muss, damit die Charaktere nicht verblassen. Diese Art von intensivem Schreiben ist als Hobbyautor im Normalfall gar nicht möglich.
Ich habe aus diesen Informationen verknüpft mit meiner eigenen Schreiberfahrung gelernt, dass das Discovery Writing für einen "Gelegenheitsautor" eher nicht geeignet ist, denn es resultiert oftmals in gescheiterten Projekten, weil man nämlich auf dem Weg feststellt, dass die Anfangsidee sich für das Ziel-Projekt gar nicht eignet oder man plötzlich in einer Sackgasse steckt, es langweilig wird, unlogisch, etc.
Solche Probleme fallen einem vorher auf, wenn man erst den Plot erstellt (und bspw. sich am Dreiakter oder Heldenreise oder dergleichen orientiert), nach einer Prämisse sucht, etc., und dann den Text schreibt, mit dem Vorteil, dass man den "Mist" vorm Schreiben aussortiert und nicht erst hinterher.
Außerdem ist es gerade bei längeren Geschichten sehr schwer, ohne Plotplan nach längeren Pausen wieder nahtlos anzuknüpfen, sich wieder in die Stimmung und genau den Charakter hineinzuversetzen, etc. Diese Schwierigkeiten hätte Stephen King wohl auch, weswegen er als Profi einfach keine längeren Pausen während eines Projekts macht (s. o.), was aber als Hobbyautor unter Umständen schwer zu realisieren ist.
Von Stephen King kann ich mich in Bezug auf Kurzgeschichten übrigens auch sinngemäß daran erinnern, dass er das auffinden von Plots mit einer Sammlung von Tassen und Henkeln vergleicht, die er im Kopf hat, und manchmal gibt es einen "Match" zwischen einer besonderen Tasse und einem besonderen Henkel, welcher dann in einem außergewöhnlichen Plot für eine Kurzgeschichte mündet.
Wenn man natürlich so eine außergewöhnlich Plot-Konstellation gefunden hat, benötigt man im Zweifel auch keinen Plotplan mehr, denn die besondere Geschichte muss dann "nur" noch erzählt werden (für mich ist das überhaupt die Stärke von King, dass er gute Plotideen hat, die per se schon spannend oder interessant sind).
Lange Rede, kurzer Sinn: Discovery Writing ist für mich eher eine gute Übung, um sich z. B. in einen Charakter richtig tief hineinzuversetzen, aber wenn man ernsthaft viele Projekte zu Ende bringen möchte und ggf. auch komplexe Themen/Plots angehen möchte, ist es aus meiner Erfahrung nicht geeignet.
Gruß Geschichtenwerker