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Lösungen / Das Alpha Projekt

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15.08.2003
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Lösungen / Das Alpha Projekt

Guten Abend, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich freue mich ganz besonders, dass Sie sich heute abend hier eingefunden haben, um der abschließenden Vorstellung des Alpha-Projektes beizuwohnen.
Das Alpha-Projekt beschäftigt sich mit zentralen Fragen zur Menschheit, die von Ihnen allen aufgeworfen wurden. Über Jahre hinweg hat Fragen Zur Menschheit e.V. diese gesammelt, um sie alle auf einmal beantworten zu können. Und dies ist uns wahrhaftig gelungen.
Das Alpha-Projekt hat die siebenhunderteinundwanzigtausendneunhundertunddreizehn verschiedene Fragen sortiert, ausgewertet und zu fünf elementaren Fragen zusammengefasst. Daraufhin machte man sich an die systematische Analyse der Fakten, die für die Beantwortung der Fragen eine Rolle spielen. Diese fünf Fragen sind:

Warum sterben Menschen?
Warum glauben Menschen an nicht bewiesene Existenzen?
Warum erfinden Menschen Begriffe wie Pech, Schicksal, Sieg oder Gewissen?
Warum entwickeln die meisten Menschen eine gewisse Abhängigkeit von Dingen?
Warum lassen sich Menschen von sogenannten „Gefühlen“ beeinflussen?

Das Alpha-Projekt hat diese Fragen beantwortet, und nun, meine sehr verehrten Anwesenden, an diesem heutigen Abend, werden auch Sie um jenes Wissen reicher werden. Sie können sich glücklich schätzen, dass Ihnen diese Möglichkeit geboten wird. Denken Sie nur einmal an Ihre bedauernswerten Mitmenschen da draußen, die sich Tag für Tag mit all diesen Fragen und Sorgen herumplagen müssen.
Nun, um die ganze Sache etwas abzukürzen, damit Sie nicht allzu lange auf diesen unbequemen Stühlen sitzen müssen, lassen sich diese elementaren Fragen (und jegliche weitere) auf ein Phänomen zurückführen, das im Volksmund als „Leben“ bezeichnet wird, das wir jedoch mit einer komplexen Verkettung diverser chemischer Reaktionen erklären. Diese wird erstaunlicherweise lediglich durch der Verknüpfung zweier Desoxyribonukleinsäure-Stränge ausgelöst und dauert durchschnittlich 70 bis 80 Jahre an. Alle der knapp zehntausend freiwilligen Versuchspersonen wiesen diese Eigenschaft auf, und sie alle waren Paradebeispiele für die oben aufgezählten Merkwürdigkeiten. Lassen sie uns jedoch der Reihe nach vorgehen und mit Frage eins beginnen.

Der „Tod“, meine Damen und Herren, ist nicht mehr als das Ende der eben erwähnten chemischen Reaktionen. Ursache führt automatisch zu Wirkung: viele der beobachteten Personen „verstarben“ über kurz oder lang, merkwürdigerweise die meisten bei einer speziellen Untersuchung, die mit Wasser und Elektrizität durchgeführt wurde. Daraus schlossen wir, dass die Beschleunigung der molekularen Abläufe (unter Anwesenheit von H2O) zum Zusammenbruch der Reaktionsketten führt. Dies ist auch unter anderen Bedingungen möglich: die Personen, deren Molekularsystem belastbarer war, „starben“ ebenfalls bei den folgenden Versuchen zu Extremsituationen. Doch nun kommen wir zu einer verblüffenden Entdeckung: Sobald dieses komplexe Reaktionssystem zusammengebrochen war, überstanden alle Versuchspersonen den Wasser- und Elektrizätsversuch - und alle weiteren Versuche - ohne nennenswerte Auswirkungen, oder, wenn man so will, waren immun gegen den „Tod“. Ist dies nicht verblüffend, meine Damen und Herren? Beseitigung der Ursache beseitigt die Wirkung, oder, für die etwas einfacheren Gemüter unter uns: Wer nicht lebt, wird niemals sterben.

Die zweite Frage lässt sich fast genauso beantworten. Beim sogenannten „Glauben“ an nicht existierende Dinge scheint es sich um eine Auswirkung der chemischen Vorgänge im Gehirn zu handeln. Solange dieses Organ intakt war, ergab sich eine solche Wirkung, ja selbst die Versuchspersonen, die sogenannte „Götter“ leugneten, glaubten an etwas, das sie „Zufall“ oder „Schicksal“ nannten und mit diesen „Göttern“ gleichgesetzt werden kann. War das nun schon einmal angesprochene Organ jedoch nicht funktionsfähig, ergab sich dieses Phänomen nicht. Die befragten Personen machten einen rationalen, vernünftigen Eindruck, der nicht von irgendwelchen unlogischen Vorstellung beeinflusst war. Auch bei den chemisch inaktiven Personen der Versuchsreihe A konnte dieser Eindruck gewonnen werden. Um den „Glauben“ abzustellen ist es somit lediglich nötig, die reaktionellen Abläufe des Gehirns zu unterbinden.

Die Frage nach den nicht existierenden Begriffen hat exakt die selbe Antwort wie die nach den nicht existenten Wesen. Hier jedoch sprachen die Versuchspersonen nicht von Glauben, sie behaupteten, Begriffe wie „Liebe“ oder „Macht“ zu kennen und selbst erfahren zu haben. Obwohl sie fest von ihrer Existenz überzeugt waren, war keines ihrer Beispiele relevant oder stichhaltig. Natürlich ließen wir nachforschen; jedoch nirgendwo auf diesem Planeten waren die Befragten, darunter auch Wissenschaftler und Forscher, in der Lage, uns einen Krümel Liebe zu präsentieren oder gar einen Gegenstand namens Macht. Reine Einbildung also! Aber, wie sie ja bereits wissen, lässt sich der Irrglaube um diese Dinge glücklicherweise recht unkompliziert beheben.

Frage Vier – die Abhängigkeitsfrage - war weitaus schwieriger zu definieren als die vorhergehenden. Hier musste zunächst einmal festgestellt werden, von welchen Dingen Menschen generell abhängig sind. Jeder einzelne Mensch, meine Damen und Herren, weist eine Sucht nach dem Edelgas O2 auf, sowie nach diversen organischen Stoffen, die hier unter dem allgemein gebräuchlichen Wort „Nahrung“ zusammengefasst werden sollen. Erstaunlich viele Personen sind zusätzlich abhängig von Giften wie Ethanol, Nikotin, weiteren toxischen Elementen sowie diversen Geräte, Gegenstände und Verhaltensweisen. Und auch hier war die Frage weitaus schwieriger als die Antwort, auf die wir ja bereits gestoßen waren. Sterben Sie, meine Damen und Herren, und sie leben komplett unabhängig.

Dann war da noch das Problem der sogenannten Gefühle – durchaus nicht so einfach zu erklären, wie es zunächst scheint. Da das Alpha-Projekt ja auf Fakten basiert, wurde zunächst einmal intensiv nachgeforscht. Die sogenannten „Gefühle“ sind nichts weiter als Änderungen des Hormonspiegels, hervorgerufen durch diverse Ereignisse. Anscheinend beeinflussen diese Veränderungen den Stoffwechsel, das Nervensystem und weitere organische Abläufe, indem es diese beispielsweise beschleunigt. Mit der veränderten Situation muss das einzelne Individuum umgehen können, ansonsten kann es zu auffallenden Auswirkungen im Verhalten des Menschen kommen. Aber auch diesem Problem kann man vorbeugen. Wieder einmal lediglich die chemischen Abläufe unterbinden (damit ist auch die hormonelle Reaktion verhindert) – und schon haben Sie einen ausgeglichenen Charakter. Wenn doch alles so einfach wäre, meine Damen und Herren!

Dem Alpha-Projekt ist es also gelungen, Ihre gesamten Sorgen und Nöte auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen. Wird dieser beseitigt, sind all Ihre aktuellen und potentiellen Probleme gelöst, meine sehr verehrten Anwesenden! Um es noch einmal zusammenzufassen: Das „Leben“ ist es, woran Sie zweifeln, das worüber Sie sich wundern, das, was Ihnen so viele Probleme bereitet und das, woran Sie letztendlich scheitern werden. Wollen Sie sich das wirklich antun, meine Damen und Herren? Die Lösung wäre doch so einfach!

Wenn Sie nun nach Hause gehen, werden Sie um einiges klüger sein als Ihre Mitmenschen. Weihen Sie sie in dieses Wissen ein, lassen Sie auch sie teilhaben an den Ergebnissen des Alpha-Projektes! Ich darf mich nun von Ihnen verabschieden, meine Damen und Herren, lassen Sie mich Ihnen versichern, dass es mir eine Freude war, hier vor Ihnen zu stehen. Einen schönen Abend noch, und auf Wiedersehen!

 

Liebe/r Anea,

deine Kurzgeschichte gefällt mir ausgesprochen gut. Ich bin begeistert. Du hast eine aktuelle Thematik sehr gut und satirisch umgesetzt.

Ich schreibe gerade an meiner Doktorarbeit und zerbreche mir den Kopf darüber, wie logische und einfache Dinge wissenschaftlich zu beweisen sind. Ich verzweifele manchmal fast darüber.

Deine Geschichte gefällt mir also auch deshalb so gut, weil ich einen persönlichen Bezug dazu habe.

Dieser Satz hat mir besonders gut gefallen: "...darunter auch Wissenschaftler und Forscher in der Lage, uns einen Krümel Liebe zu präsentieren oder gar einen Gegenstand namens Pech."

Allerdings gibt es Pech, ich hätte es dir zeigen können. Das ist so ein klebriges schwarzes Zeug, womit Häuser im Kellergeschoss angestrichen werden, damit kein Wasser eindringt. Oder das, was die Pechmarie als Dank von der Frau Holle über den Kopf geschüttet bekommt.

Vielleicht wählst du ja ein anderes Beispiel wie z.B. Macht oder Freude oder Geiz.

Über die Kommasetzung könntest du auch noch mal nachdenken, aber sonst habe ich absolut nichts zu meckern. Herzlichen Glückwunsch!

Ich habe noch nichts von dir gelesen, werde in Zukunft aber aufmerksam nach Geschichten von dir Ausschau halten.

Anerkennende Grüße! Marion

 

Hallo Marion,

vielen Dank für das Lob und deine Verbesserungvorschläge! Den einen habe ich gleich umgesetzt :)

Ja, mit dem Kommas habe ich so meine Schwierigkeiten, insbesondere seit der Rechtschreibreform, seitdem lasse ich immer welche weg. Ich hoffe, das ändert sich mal, sobald sich die Reform ein bisschen besser gesetzt hat.

Liebe Grüße Anea

 

Amüsant zynische Sicht auf das menschliche Leiden: das Leben. Und das Denken allemal.

Ich denke, daß der Text an einigen Stellen noch etwas griffiger sein könnte, vielleicht ließen sich die Grundfragen auch derart vereinfachen, daß man sie sich gleich merken kann. Also zum Beispiel:

  1. Tod
  2. Gott
  3. Fremde Prinzipien
  4. Materialismus
  5. Emotion
Ich gebe zu, daß das nicht allzu überzeugend klingt, aber vielleicht fallen Dir ja bessere Alternativen ein. Mein Eindruck beim Lesen war eben nur, daß ich mich bei jedem Punkt der Ausführungen wieder überraschen lassen mußte, was er abhandeln wird.

War nett zu lesen.

 

Hey Anea,

feine spitzfindige Geschichte. Allerdings hatte ich zum Schluss noch irgendwie als Fazit einen elegant verpackten Aufruf zum kollektiven Selbstmord erwartet, um endlich die Probleme der Menschheit kompetent zu einer Lösung zu führen. ;)

Gruß,

Kira.

 

@ Claus:

Das war genau der Punkt, der mir auch missfallen ist. Hab mir auch schon den Kopf darüber zerbrochen, aber bisher keine überzeugende Variante gefunden. Es muss ja auch zu dem etwas umständlichen Stil passen. Aber ich glaube, das ganze "Gelaber" ist zu lang, um sich auch nur die Reihenfolge der Begriffe zu merken. Konnte nichtmal ich beim Schreiben.

@ Kira: Ein jeder finde seine eigene Moral von der Geschicht... aber ich will ja nicht zum Massenselbstmord aufrufen, am Ende hält mich noch jemand für einen Sektenführer... Immerhin ist die Problematik jetzt analysiert :)

 

Hallo Kristin,

vielen Dank für deine geniale Kritik! :thumbsup:

:D

Ernsthaft: Sie bringt mich auf jeden Fall weiter. Den Kleinkram habe ich verbessert, die (zugegeben nötige) Straffung lass ich mir durch den Kopf gehen. Danke soweit.

LG Anea

 

Das Leben ist das Leben

Hallo Anea

Also zuerst einmal: Du schreibst sehr gut und es macht mir jedesmal sehr viel Spaß etwas von dir zu lesen. :thumbsup: :D
Mein Respekt, Bewunderung und vielleicht auch etwas Neid, ob solcher stilsicheren und erzählerisch gelungenen Geschichten.

So. Nun zu meinen kritischen Anmerkungen:

Der Anfang gefällt, gut geschrieben, verheißungsvoll.

Die Fragen sind m.E. auch sehr gut formuliert ( entgegen cbrucher ) und zwar gefallen sie mir so, wie du sie formuliert hast. Ich würd da nichts streichen und nichts kürzen!

Dies ist auch unter anderen Bedingungen möglich: die Personen, deren Molekularsystem belastbarer war, „starben“ ebenfalls bei den folgenden Versuchen zu Extremsituationen. Doch nun kommen wir zu einer verblüffenden Entdeckung: Sobald dieses komplexe Reaktionssystem zusammengebrochen war, überstanden alle Versuchspersonen den Wasser- und Elektrizätsversuch - und alle weiteren Versuche - ohne nennenswerte Auswirkungen, oder, wenn man so will, waren immun gegen den „Tod“. Ist dies nicht verblüffend, meine Damen und Herren?
- das gefällt :D


Sterben Sie, meine Damen und Herren, und sie leben komplett unabhängig.
- Wirkt auf mich hier etwas holprig.
Glaubt dieser superrationale Wissenschaftler an ein Leben nach dem Tod?


Dem Alpha-Projekt ist es also gelungen, Ihre gesamten Sorgen und Nöte auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen. Wird dieser beseitigt, sind all Ihre aktuellen und potentiellen Probleme gelöst, meine sehr verehrten Anwesenden! Um es noch einmal zusammenzufassen: Das „Leben“ ist es, woran Sie zweifeln, das worüber Sie sich wundern, das, was Ihnen so viele Probleme bereitet und das, woran Sie letztendlich scheitern werden. Wollen Sie sich das wirklich antun, meine Damen und Herren? Die Lösung wäre doch so einfach!

Wenn Sie nun nach Hause gehen, werden Sie um einiges klüger sein als Ihre Mitmenschen. Weihen Sie sie in dieses Wissen ein, lassen Sie auch sie teilhaben an den Ergebnissen des Alpha-Projektes! Ich darf mich nun von Ihnen verabschieden, meine Damen und Herren, lassen Sie mich Ihnen versichern, dass es mir eine Freude war, hier vor Ihnen zu stehen. Einen schönen Abend noch, und auf Wiedersehen!


Hmmmm { mit vier m; d.h. - glaube ich - 'besonderslangenachdenk'/ hab ich von Kerstin abgeschaut }...
Hmmm...
Hmm...
Irgendwie will mich der Schluß nicht so richtig überzeugen.
Da hätt ich mehr erwartet - nur was? hmmmm... :hmm:
Es kommt mir irgendwie zu sanft daher ...nicht unbedingt von der Aussage
...aber es wirkt zu banal ...
Ich weiß es auch nicht genau. Aber ich habe das Gefühl, daß man gerade die Banalität noch griffiger rüberbringen könnte.

Lieben Gruß
Rock

 

:lol:


Ich würd da nichts streichen und nichts kürzen!
Naja, mir fiel auch keine andere Lösung ein. Bin jedoch noch am überlegen und auch nicht so zufrieden damit. Dank meiner Fantasielosigkeit wirds aber wohl so bleiben.


Wirkt auf mich hier etwas holprig. Glaubt dieser superrationale Wissenschaftler an ein Leben nach dem Tod?
Die Formulierung ist bewusst gewählt - eigentlich eine Redewendung, die hier keinen Sinn ergibt (ergeben kann). Wirkt natürlich sehr absurd.

Danke fürs Lesen und Kommentieren - und über die Fragen denke ich nach.

LG Anea

 

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