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Manuel

Seniors
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20.10.2002
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Manuel

Immer schneller dreht sich der Spielplatz vor meinen Augen, Schaukeln, Wippe, die schlanken Birken, alles fliegt vorbei... Das Blut pulsiert mir in den Schläfen und ungeahnte Kräfte drücken mich gegen den kleinen Holzsitz, zu klein für mich, eigentlich.

An meine Ohren dringt das schrille Kinderlachen, fast schon ein Kreischen, und mit einem ungeschickten Satz ist Manuel zu mir in das Karussell gesprungen, das er zuvor mit aller Kraft angeschoben hat. Er verzerrt das Gesicht zu einer wilden Grimasse, Tränen laufen über seine roten Wangen.
Ich weiß, jetzt ist er glücklich, als ich ihn ansehe, die magere Gestalt, die dicken Brillengläser, hinter denen seine dunklen Augen blitzen.

Jeden Donnerstag kommen wir hierher, zu diesem kleinen, abgelegenen Spielplatz, den wir fast immer ganz für uns haben.
Mit den anderen Kindern gehe ich oft auch zu dem nahen Tümpel, wir besuchen die Enten, oder gehen ins Dorf, ein Eis essen.
Aber Manuel liebt diesen Spielplatz, dieses alte Karussell. Er sieht mir jeden Donnerstag mit ängstlichem Blick in die Augen, fragend, bittend, und ich weiß, wohin er will.

Also fahren wir Karussell, Manuel und ich, immer und immer wieder, den ganzen Donnerstag Nachmittag, jeden Donnerstag Nachmittag.
Und immer wiederholt sich unser Spiel. „Dala, Dala, du musst dich draufsetzen! Und ich schieb dich an, ganz schnell!“
Nach Minuten dann, wenn die rostigen Sitze so schnell im Kreis herumfahren, dass ich mich fast übergeben muss, springt er auch auf, zitternd vor Freude über die Geschwindigkeit, mit rotem Gesicht und laut lachend.

Abweichungen von diesem Ritual gibt es nicht. Dieser freie Nachmittag soll ihm gehören, die Einzelbetreuung an der Tagesstätte ist sowieso viel zu gering, oft zu dichtgedrängt das Programm, die verschiedenen Förderstunden.

Manuel rückt näher an mich heran. Ein kleiner, dünner Junge von nicht ganz elf Jahren, das Haar unordentlich und strähnig, Flecken von Heimessen auf seinem schmuddligen Hemd. Er sieht mich an. Auch das gehört zum Ritual. Ich warte, sehe ihm in die Augen, während er, Zentimeter für Zentimeter, dichter heranrutscht.
Und ich warte.
Er blickt mich an, schüchtern legt er einen raue Kinderhand auf die meine.
„Soll ich dir nun eine Geschichte erzählen, Manuel?“ frage ich, während sich das Karussell langsam wieder beruhigt.
Er blickt mich an. Wunderbare, dunkle Augen, unergründlich hinter den dicken, schmierigen Gläsern.

„Nein.“, sagt er bestimmt.

Nein?

„Ich muss dir was erzählen, nämlich.“

Eine Geschichte von Manuel, denke ich lächelnd und blicke ihn an. Warte darauf, dass er von den Dinosauriern erzählt, von der alten Erde, davon, dass es da noch keine Menschen gab. Er wird von Tyrannosaurus erzählen, von den Herden kleinerer Saurier und von den Echsen. Er weiß Bescheid.

„Dala“, fängt er an, und schnieft. „Dala... ich muss dir was erzählen.“ Verwundert schaue ich in sein Gesicht. Seine Freude ist verschwunden. Dinosaurier?

„Dala... gestern hat mein Papa mir nämlich was gezeigt. Das war schon ganz spät am Abend, richtig spät...die Mama war schon arbeiten gegangen...“

Manuel stockt. Dunkelheit breitet sich aus. Ich sitze neben ihm, halte immer noch seine kalte Hand.

„Was denn, Manuel?“ kann ich schließlich herausbekommen, meine Stimme klingt viel zu rau.

„Mein Papa hat mir im Fernsehen was gezeigt... aber das war komisch, du, Dala... da waren lauter Frauen mit gar nichts an, und ein Mann war auch da...“

Mein Magen verkrampft sich.

„... und dann hat mein Papa noch so ganz komische Sachen gemacht, Dala... “

Die Welt dreht sich wieder, mir ist übel. Die Gedanken rasen. Neben mir sitzt Manuel, zusammengekauert, stumm, die zerzausten Haare fallen über seine Brillengläser.

Er blickt mich nicht mehr an.

 

Heute, gleich am ersten Tag, pick ich mir aber gleich die deprimierendsten Geschichten aus dem Geschichten-Haufen hier ... Dabei mag ich traurige Geschichten, eigentlich, v.a. melancholische ... Aber ...
meine Meinung gebe ich trotzdem kund. Die Geschichte überzeugt in ihrer Kürze, das ist lobenswert. Es gibt gut ausgesuchte Symbole: das Kinderkarussel, die Dunkelheit. Die beschreibenden Passagen sind kurz und trotzdem eindrucksvoll, v.a. der Anfang: "und ungeahnte Kräfte drücken mich gegen den kleinen Holzsitz, zu klein für mich, eigentlich." Das ist der beste Nebensatz der Geschichte, meine ich. Die Übergänge zwischen den einzelnen Teilen sind ebenfalls gar nicht schlecht gemacht, v.a.: "Er weiß Bescheid." - was man mit so einem Sazu doch sagen kann ...

Trotzdem, nach dem ganzen Lob, muß ich sagen, dass die Geschichte, aufgrund ihrer Kürze (das ist jetzt ein Nachteil) dem Thema nicht ganz gerecht wird.
Ohne den Sazu "... und dann hat mein Papa noch so ganz komische Sachen gemacht, Dala..." hätte es, glaub' ich, gepaßt. Dann wäre es eine kleine Story zwischen Liebe(???), Sympahtie und Erwachsenwerden (bzw. damit konfrontiert werden) geworden. Dann hättest du diese Teile auch noch ausbauen können.
Aber so, mit dem angedeuteten (eigentlich deutlichen) Mißbrauch des Jungen, ich weiß nicht ... Ich hätte das weggelassen, wie gesagt.

Insgesamt bin ich so ein bißchen hin- und hergerissen!
Pollux

 

Liebe Maus!

Ich dachte mir, bitte nicht den eh schon gestraften kleinen Kerl missbrauchen. Und man missbrauchte ihn doch. Und ich dachte, warum ist die Geschichte nicht vorher aus, der Bub ist so gut beschrieben, die ganze Stimmung des Spielplatzes, der Mensch der sich donnerstags um ihn kümmert, wäre doch schön gewesen diesen Lichtblick im Leben des Jungen zu sehen. Und dann dachte ich, weil das Leben halt leider auch diese Seite hat, immer wieder. Wir lesen, hören, reden davon. Und manchmal schreiben wir es nieder. Du hast diesen ersten Moment der Konfrontation gut getroffen.

Lieben Gruß and dich - Eva

 

Hallo Pollux!

Danke für Deine Antwort... ich freue mich, wenn Du einiges rauslesen konntest, die Umsetzung Dir halbwegs gefiel...
allerdings, der zweite Absatz Deiner KRitik: was genau meinst Du mit Liebe, Erwachsenwerden etc? Der Missbrauch, ich kann ihn nicht weglassen, er ist das Ziel, das ich die ganze Geschichte lang vor Augen hatte, er ist wichtig!
Der Junge, er hat eh schon ein schweres Leben, braucht Förderstunden und ist in Taesstättenbeträuung etc, die Rituale... all das soll daraufhindeuten, dass ein geistig und wohl auch körperlich leicht zurückgebliebenes Kind sich einer Betreuerin offenbahrt.

Hallo Eva, schneeeule!

Danke Dir für Dein Lob. Ja, genau das wollt ich treffen: Konfrontation mit etwas, was unglaublich scheint, unnötig...
Die Donnerstage, das ist sicher auch immernoch ein Lichtblick für Manuel, zumindest hat er so viel Vertrauen, darüber zu reden, an einem Donnerstag. Leider gibts diese Seite...

Liebe Grüße an Euch beide... Anne

 

Hi Maus,

eine bedrückende Geschichte, sehr gut beschrieben, ich konnte den Jungen richtig vor mir sehen. Ich finde nicht, dass Du den Missbrauch weglassen solltest, wenn er das Ziel war.
Du hast es perfekt auf den Punkt gebracht, da sind keine weiteren Worte nötig. Jeder Leser muß sich selbst ein Bild machen, was war und wie es weitergehen könnte...

Viele Grüße
nele

 

Hallo Maus,

Ich kann mich Pollux nicht ganz anschließen. Für mich wirkte die Geschichte wie eine Kurzaufnahme eines Nachmittags am Spielplatz. Der Schluß ist dann die Ohrfeige. Wieder ist der Stil sehr kurz und prägnat gehalten, was der Geschichte nicht zum Schaden gereicht, im Gegenteil.

Der Mißbrauch ist, meiner Ansicht nach, der Kernpunkt der Geschichte. Hier bedarf es keiner näheren Fortsetzung, denke ich, eben weil ich persönlich es als Momentaufnahme empfunden habe.

zwei Kleinigkeiten noch:

von den Herden kleinerer Sauriern

von der Herden kleinerer Saurier

Verwundert schaue ich in seine Gesicht

in sein Gesicht.

liebe Grüße

Echnaton

 

Hallo Nele!

Es freut mich, wenn Du Dir ein Bild machen konntest, wenn Du bei dem Text etwas mitnehmen konntest! :)

Hallo Echnaton!

Ja, der Missbrauch sollte eben auch der Kernpunkt sein, die Ohrfeige, wenn Du das empfindest, dann habe ich bei Dir mein Ziel erreicht, das ist gut! Danke fürs Lesen und für die Korrektur, freut mich...:)

LIebe Grüße an Euch beide, Anne

 

Hallo Maus,

Deine Geschichte beschreibt die Szenerie sehr gut, doch das rasende, die Sinne verwirrende Karussell ist nur eine Möglichkeit einen Menschen zu verwirren.
Dann das Ritual: Kinder brauchen Räume, Regeln, Rituale. Ein Ritual gibt Sicherheit, Verläßlichkeit durch Wiederholung, auch ein `im Kreis drehen´, wie man es sich wünscht. (Donnerstag, Donnerstag ... ).
Außerdem das Ritual der erzählten Geschichten, es ist das Fundament für das Vertrauen, vom Vertrauensbruch zu erzählen. Ein sehr gut aufgebauter Text, sprachlich und sachlich.

Alles Gute,

tschüß... Woltochinon

 

Hi Maus.
Nich gerade der Stoff, den man Morgens zu lesen wünscht aber dennoch.... leider ist DAS wohl mittlerweile eher normal(statistisch gesehen4 von 10)

Gut umgesetzt...leider.
Lord

 

Hallo Wolto, Hallo Lord!

@ Lord: früh Morgens, na, jetzt isses schon nach eins.... hörst Dich an wie ein Student!:)

Vielen Dank Euch beiden für die Antworten, ich freue mich, wenn ihr die Umsetzung gut fandet.
Ja, Rituale sind wichtig, auch um Beziehungen zu Kindern aufzubauen... Wolto, Du hast recht, ansonsten währe die Basis für das Vertrauen nicht dagewesen, wahrscheinlich.
Lord, Deine Statistik macht traurig. Leider hast Du recht, aber dass das einmal "normal" wird, da wirds mir schlecht...

liebe Grüße an Euch beide, Anne

 

Hallo, Anne!
Da muß ich wohl für mich selbst/ meine Meinung eine Lanze brechen.
Das mir die Geschichte sprachlich gesehen gefallen hat, keine Frage.
Allerdings ...

allerdings, der zweite Absatz Deiner KRitik: was genau meinst Du mit Liebe, Erwachsenwerden etc? Der Missbrauch, ich kann ihn nicht weglassen, er ist das Ziel, das ich die ganze Geschichte lang vor Augen hatte, er ist wichtig!

Den Mißbrauch kann man allerdings weglassen! Das wirkt für mich nämlich immer noch zu sehr "right in the face", zu direkt (mein halbbetrunkener Kopf findet momentan keine bessere Ausdrücke). Ich bin eher der Anhänger des stilleren Erzählens, ein wenig wie Carver (ist der Dir ein Begriff?) - du könntest z.B. den letzten Satz des Jungen verkürzen oder in der Mitte abbrechen lassen (oder ihn auch ganz weglassen, auch wenn das natürlich den Inhalt verändert. Das nämlich etwas Ungewöhnliches, Schreckliches passiert ist, wird dem Leser schon aufgrund der Sprache, der Symbolik klar (ich wußte das schon nach einigen Sätzen - Kompliment an dich)- deshalb wirkt das Ende für mich zu stark, v.a. wenn man die Kürze des Textes bedenkt, und die wenigen gegebenen Informationen.
Deshalb: ließe man die letzten Worten Manuels weg oder änderte sie ab, könnte sich die Geschichte mehr auf die "versteckten" Themen (z.B. die "Liebe"/Sympathie des Mädchens für den Jungen) konzentrieren, als auf den Knalleffekt, auf welchen die Story momentan, wenn auch mit beeindruckender Intensität, zusteuert.
Wie gesagt, ich mag solche Knalleffekt/Pointen-Geschichten, v.a. bei "Alltags"-Erzählungen (ist deine ja mehr oder weniger auch), nicht. Ist aber nur meine bescheidene Meinung - und wenn ich an den guten Roald Dahl denken, dann ist meine Aussage schon wieder auch nur halbrichtig ;-)

Gruß
Pollux

 

HAllo Pollux!

Danke, dass Du Dir noch einmal die Mühe zu so einer ausführlichen Antwort machst.
Carver kanne ich leider nicht, aber nach dem, was ich jetzt auf die schnelle beim Stöbern gefunden habe, hört sich das ziemlcih gut an!
Ja, jetzt weiß ich, was Du meinst. Ganz strenggenommen, hab ich das sogar gemacht, was Du Dir wünschst: von Missbrauch steht da nämlich kein Wort. Das geschiht nur in Deinem Kopf... Es steht nicht einmal da, dass der Vater etwas MIT Manuel gemacht hat, es steht nur da, dass er etwas gemacht hat (evtl. hat er "nur" vor den Augen des Jungen onaniert)Die Alternativmöglichkeiten, die ich habe - mitten im Satz abbrechen z.B., das ist schon huntete von Malen irgendwo aufgetaucht, ist in meinen Augen genauso holzhammerartig. Ja, weglassen, umschreiben...dafür brauche ich einige Zeit zum Nachdenken, Pollux, mal schauen, ob mir in den nächsten Tagen etwas in den Kopf kommt...
Übrignes, ich glaube, wenn Du bereits nach wenigens Sätzen Bescheid wusstest, geht das Kompliment eher an Dich - Du liest sehr aufmerksam, das ist wichtig!

Und noch etwas ist mir aufgefallen, auch jetzt in Deinem zweiten Posting sagst Du "Liebe/Sympatie des Mädchens"... ich meinte eigentlich einen Beziehung zwischen Kind/Beträuerin (diese kann auch schon uralt sein) einer Tagesstätte...

Schöne Grüße, Anne

 

Stimmt, dass die Betreuerin alt sein kann, hab' ich nicht bedacht - wahrscheinlich ist es deshalb, weil ich soviele junge Betreuerinnen kenne ;)

Ansonste: immer schön den guten, alten Carver lesen, der wußte, wo's lang geht (wenn er nicht grad besoffen war :D ). Der Junge war um Längen besser als Hemmingway. Immer ne Empfehlung.

Eine umgeschrieben Fassung dieser Story hier würd ich gern mal lesen, mindestens so gerne, wie ich die jetztige gelesen hab

Schönen Gruß
Pollux

 

na, da war das mäusken ja wieder voll in ihrem element :D !
grundsätzlich müssen wir, bevor wir anfangen, eine geschichte zu kritisieren, die intention des autors verstehen. ich weiss, das ist meistens gar nicht so einfach, denn jeder sieht in der gelesenen geschichte etwas anderes.
wenn deine intention die "kalte dusche war" - du zeigst die prota (dala ist doch ein mädchenname, oder?), wie sie aus ihre geordnete welt geschubst wird, als der junge anfing, von ganz anderen monstern als dinos zu sprechen, so muss ich dir sagen, dass dir dass voll geglückt ist. ich denke, so war auch deine intention, denn du hast eine verflucht lange einleitung geschrieben, bis du endlich zum kern kamst. das wirst du nur getan haben, um den leser in eine bestimmte trance zu versetzen, aus dem er dann durch den paukenschlag erweckt werden soll. du nennst es ohrfeige.
jede andere intention ist für mich undenkbar.
fazit: eine gute geschichte, sehr locker und angenehm erzählt. ich habe sie gerne (trotz thematik *smile*) und gebannt gelesen.
bye barde

 

Hallo Barde, danke für die ausführliche Antwort.

ja, klar, der Schluss ist wieder "eine Ohrfeige"... allerdings ist die Einleitung wichtig, sie sollte schon "vorbereiten", man sollte schon da erkennen, dass es sich um einen vernachlässigten, nicht ganz "normalen" Jungen handelt, ich wollte eine kleine Charakterisierung.
Dala, ... ja, eher ein Mädchenname , denk ich. :)

und es freut mich natürlich sehr, wenn Du sie gut fandest und gelungen...:)

schöne Grüße, Anne

 

allerdings ist die Einleitung wichtig,

ich muss lernen, deutlicher zu schreiben.

für deine intention ist NATÜRLICH die ausführliche einleitung notwendig. nichts anderes habe ich gesagt :)

und es freut mich natürlich sehr, wenn Du sie gut fandest und gelungen...

das ... kann höchstens mal eine ausnahme gewesen sein! *huahuahuahuahuahuahuahua*

bye
barde

 

Maus, find ich gut. Wirklich. Du hast im richtigen Moment aufgehört zu schreiben, und die Story geht im Kopf des Lesers weiter. Das beste aus Januar find ich.

Liebe grüsse Stefan

 

Liebe Maus,
ein schlimmer Text, der meinen Magen verkrampfen ließ, nur kurz, aber immerhin. Die Flecken auf dem Hemd vom Heimessen, die zerzausten Haare , ich war drin. Habe zuviel Mitgefühl. Solche Texte sind wichtig, aber ganz heftig
*********Alles Liebe**Merlinwolf*****

 

Hallo Arche, Hallo Merlinwolf!

Vielen Dank fürs Lesen und die Antworten. Wenn Ihr ihn gelungen fandet, dabei sein konntet, das ist super.

liebe Grüße...
Anne

 
Zuletzt bearbeitet:

Liebe Maus!

Alles Gute zu Deinem Geburtstag! :)

Ich hätte mir zwar eigentlich lieber eine weniger traurige Geschichte für eine Geburtstagskritik ausgesucht, aber diese hab ich angeklickt, angelesen und weitergelesen. Und sie hat mir inhaltlich und handwerklich sehr gut gefallen. :)

Das langsame und vorsichtige Näherzoomen vom schrillen Kinderlachen hin zu den Schmerzen in Manuels Seele ist Dir sehr gut gelungen. Auch, daß die Betreuerin relativ unvorbereitet in die Situation kommt, zuerst noch mit einer Saurier-Geschichte rechnet, und dann entsprechend sprachlos ist, kommt recht gut raus, in meinen Augen.

Nur am Schluß hab ich irgendwie so das Gefühl, die Betreuerin weiß nicht so recht, wie sie reagieren sollte. Besonders traurig stimmt mich dahingehend der letzte Satz:

Er blickt mich nicht mehr an.
Warum blickt er sie nicht mehr an? Hat er sich eine andere Reaktion erwartet? Was er bräuchte, ist wohl Trost und die Bestätigung, daß das nicht hätte geschehen dürfen, daß das nicht richtig war vom Vater.

Und wenn ich etwas kritisieren will an Deiner Geschichte, dann ist es eben das, dass sie zwar gut und einfühlsam geschrieben ist, aber nur hinzeigt, und keine Lösung bietet. Eine Lösung im Sinn von: Wie kann man richtig auf sowas reagieren? – Ich denke, jeder ist sprachlos, wenn ihm ein Kind von solchen Erlebnissen erzählt. Aber die Sprachlosigkeit kommt aus der Uninformiertheit, weil niemand gelernt hat, damit umzugehen, weil man über solche Themen allgemein nicht spricht, sondern sie möglichst weit von sich weg drängt.
Als Autor kann man meiner Meinung nach am ehesten etwas bewirken, wenn man an diesem Punkt ansetzt. ;)

Aber damit will ich Dich jetzt gar nicht zum Ändern dieser Geschichte überreden, sondern daß Du vielleicht bei zukünftigen Geschichten versuchst, diesen Schritt weiterzugehen, sozusagen vorausgehst… :)

Sonst hab ich nur noch ein paar ganz kleine Kleinigkeiten:

»Er blickt mich an, schüchtern legt er einen raue Kinderhand auf die meine.«
– sollte vermutlich heißen: seine raue Kinderhand – außerdem widerspricht sich „rau“ und „Kinderhand“ irgendwie, das könntest Du vielleicht noch deutlicher ausführen?

»„Nein.“, sagt er bestimmt.«
– ohne Punkt: „Nein“, sagt

»„Was denn, Manuel?“ kann ich schließlich herausbekommen, meine Stimme klingt viel zu rau.«
– Manuel?“, kann
– hier wiederholt sich „rau“, würde hier die Stimme anders beschreiben (z.B. meine Stimme klingt, als hätte ich jahrelang kein Wort gesprochen)


Alles Liebe,
Susi :)

 

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