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- 30.08.2004
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Maries Spiel
Marie spielt gern mit dem Feuer. Sie kennt ihre Grenzen nicht. Das steigert allerdings auch ihre Popularität, denn so hat sie jeden Sonntag Nachmittag alle Hände voll zu tun ihrem gesamten Freundeskreis zu berichten, was sie am Wochenende wieder ?krasses? erlebt hat. Und was so unvorstellbar ist, alle scheinen sie dann zu beneiden, nur sie findet es schäbig.
Marie spielt gern mit dem Feuer, so wie letztes Wochenende, als sie nach einem langen Black Out nackt neben einem fremden Mann aufgewacht ist, sich angezogen hat und zum Hauptbahnhof frühstücken gefahren ist. Dies ist eher selten, meistens wacht sie neben allem möglichem auf, meistens die Kloschüssel oder sich selbst, aber selten neben einem Mann. Das sorgt dann für extra Schlagzeilen, wie er denn war, wie er aussah, ob sie sich wieder sehen, doch Marie weiss nichts mehr davon.
Marie spielt gern mit dem Feuer. Ich bin noch jung, denkt sie sich, ich hab das Recht mein Leben jetzt auszukosten, doch liegen auskosten und auskotzen nah beieinander. Den Ruf der Exzentrikerin und Schlampe kostet sie in vollen Zügen aus. SMS schreiben bis zum Abwinken, Partys, Partys und noch mal Partys, doch irgendwie fühlt sie sich langsam arm.
Marie spielt gern mit dem Feuer, während die meisten ihrer Freundinnen praktisch schon unter der Haube sind. Allesamt schauen sie nur mittelmässig aus, sie ist wahrlich hübsch, das denkt nicht sie, nur die anderen, na ja, sie weiß es, und kommt damit nicht klar. Zu viel reiz und zu leichtes Spiel bei den Männern, dass muss es sein, ausserdem sind sie eh nur alle auf das eine aus, also warum nicht auch ich?
Wenn sie mit ihrer Clique unterwegs ist warten alle nur darauf, dass sie auf das Klo verschwindet oder einem Mann die Zunge in den Rachen steckt, sie weiß das, doch irgendwie gefällt ihr dieses Image, und neuerdings betrinkt sie sich deshalb auch schon immer zu Hause, damit alles schneller von statten geht.
Marie ist nicht blöd, sie wird nur für eine Rolle geliebt und geschätzt, in die sie nach ein paar Partys hineingeraten ist. Sie sorgt für den besten Gesprächsstoff, und wäre sie nicht mehr da, wären die Abende schlichtweg langweilig, dass weiss auch Marie, und deshalb spiel sie so gerne mit dem Feuer. Nicht mehr aus purer Lebenslust wie damals, sondern der Unterhaltung wegen.
Doch was Marie wirklich will, weiss keiner. Selbst sie weiß es nicht so genau. Einerseits soll es nicht so weiter gehen, andererseits hat sie bedenken, jemals den richtigen Partner zu finden. Und wenn ja, so werden ihre Freundinnen sehr viel von ihm erwarten, vielleicht ihm auch einiges über sie erzählen, dass er nicht wissen sollte, doch damit muss sie, und auch er, dann leben.
Marie spielt gerne mit dem Feuer, und hofft, dass die Flamme bald erlischt, denn innerlich zerbricht sie, während alles um sie herum erwachsen wird, und sie immer auf der gleichen Stelle herum trampelt. Doch der Wasserfall, der ihr Spiel einkesseln könnte, scheint noch lang auf sich warten zu lassen, und so versucht sie weiterhin für alle die Marie zu sein, die alle kennen und so akzeptieren.