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30.08.2004
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Nach dem ersten Schnitt quoll Blut. Hässlich die Wunden beiderseits der Augen. Sie würde mich nie wieder sehen.
Doch noch war die Arbeit nicht vollendet, die Markierung war noch nicht entfernt.
Rasch trennten geschickte Finger Haut, Muskeln und Knochen.
Irgendwo in ihrem Körper hatte sie meine Mordanklage versteckt.
Weitersuchen: Schneiden, öffnen, beleuchten.
Wo hatte sie es sich machen lassen?
Kaum noch Zeit, kaum noch Kraft.

Was hatte ich erwartet? Seit der großen Entdeckung war ich nicht mehr ihr Mann gewesen, hatte meine Zeit ausschließlich mit mir verbracht.
Wenige Monate lag es erst zurück, dass die Technik Marktreife erreicht hatte, aber das Echo der Menschheit war grandios gewesen.
Mit der Anerkennung kam der Ruhm und mit ihm das Geld. Und die Frauen. Und meine Probleme mit den Frauen.

Ihre überstürzte Reise nach Osteuropa brachte die Gewissheit, unterschrieb das Todesurteil.
Jetzt hatte ich sie getötet, geöffnet und durchsucht, weil ich sicher war, dass sie mich verraten würde. Sie würde mir alles wieder wegnehmen, was ich so liebgewonnen hatte. Sie würde mich nie freigeben, ganz bestimmt nicht.

Was hatte ich also erwartet zu finden?
Eine Anklage in der Form:
„Nach 25 Jahren einfach verstoßen...“ oder „Mein Mann plant meine Ermordung...“
Das wäre alles wahr gewesen. Deswegen durfte es auch keiner finden. Aber bei einer Obduktion entging einem Arzt selten ein Knochentatoo, selbst nicht an so ungewöhnlicher Stelle. Also musste ich es finden und entfernen!

Endlich schimmerte das bläuliche Mal durch die Flut des Blutes. Zumindest ein Teil:„amor“, ein Wort das ich zwar lesen, aber nicht verstehen konnte. Was hatte sie sich nur dabei gedacht?
Die schnörkellose Schrift, der saubere Absatz, all das erinnerte an einen rumänischen Kollegen, der meine Arbeit in Lizenz übernommen hatte.
Sorgsam entfernte ich die Knochenhaut, um alles lesen zu können. Auf dem Beckenknochen hatte ich es bisher noch nie gesehen. Sehr außergewöhnlich, sehr schmerzhaft, wunderschön.
Ich begann die Markierung zu studieren und unwillkürlich füllten sich meine Augen mit Tränen. Ich drehte mich um und begann zu laufen.


„Können wir die Spurensicherung hereinlassen, Herr Kommissar?“ fragte eine grüne Uniform in Richtung Obduktionstisch.
„Ja.“
„Was ist hier passiert, Doc?“ wollte Kommissar Frederik wissen.
„Nun, bei der ersten Leiche handelt es sich um Magret Mendelfaust. Sie war gestern unschuldig in einen Verkehrsunfall mit Fahrerflucht verwickelt worden und ist verstorben.
Der Mann, Dr. Mendelfaust, ist offenbar erstickt. Die Spuren deuten daraufhin, dass er auf den blutigen Fliesen ausgerutscht ist. Schließlich muss er unglücklich auf seinem Skalpell gelandet sein. Es steckt noch in seinem Hals.“
„Was hat die Frau da auf ihrem Becken?“
„Das ist ein Knochentatoo, eine Erfindung von Mendelfaust. Unvergänglich und sehr kostspielig. Sehr beliebt in der High Society.“
„Was steht drauf, ich kann es nicht lesen?“
„Es ist lateinisch: ’Trotz Trauer und Schmerz über die verlorenen Gemeinsamkeiten, empfinde ich nur eins für Dich: Liebe!’“
„Was für eine Tragödie“, Frederik drehte sich um und ging.

--
BrOdIn-04

 

Noel Smith schrieb:
Was soll den ein Knochentattoo bringen. Jedem das seine, sag ich da.
Erstmal ein herzliches Willkommen.

Vielen Dank fürs Lesen, Noel.
Ich weiß auch noch nicht, was der Reiz eines Knochentattos ist, aber mir erschließt sich ebensowenig der Reiz von "normalen" Tatoos oder Brandings.
Mir gefiel schlicht der Gedanke des Unvergänglichen.

Zum restlichen Inhalt:
Ich habe mich extra kurz gefasst, weil die Story gar nicht viel hergibt:
Er wird berühmt, geht fremd, fürchtet die Reaktion seiner Frau und bringt sie vorsichtshalber erstmal (Fahrerflucht) um. Der morbide Teil ergibt sich nur durch die Wahrscheinlichkeit, daß seine Frau von seinem Plan erfahren hat und seine Tat mit einem <unvergänglichen> Knochentatoo verraten würde. Aber es kam ja anders...

Vielleicht hätte er sie einfach in ein Fass mit Säure stopfen sollen, das wäre ein ähnlicher Effekt gewesen und er könnte heute noch seinen Ruhm und Reichtum geniessen :D

Generell zu kg.de:
Ich bin echt "newbie" und habe einfach mal aus der Hüfte geschossen. Mittlerweile habe ich etliche Beiträge gelesen und bin generell begeistert von der überwiegend guten Qualität der Stories.

 

Hallo Noel,

hätte ich ein paar tausend Worte zur Verfügung, würde ich sie benutzen. Aber dann ist die Story mir nicht mehr knackig genug, schliesslich solltest Du Dich gruseln.

Und die Knochentatoos habe ich mir tatsächlich nur ausgedacht. Am lebenden Objekt wohl eher unmöglich herzustellen...dürfte etwas schmerzhaft sein.

Allerdings, wie schon erwähnt, erfreue ich mich stets an Dingen, die auch nach (meinem) dem Tod noch Bestand haben.
Und würdest Du Dich eventuell auch freuen, wenn irgendjemand in tausend Jahren Deinen Oberschenkel ausbuddelt und darauf Deine Lieblingskurzgeschichte lesen könnte?

@MVS
Mach Dir das Tatoo oder was-auch-immer es sein soll! Sei einzigartig!

Gruß
BrOdIn

 

Hallo Brodin,
so richtig gegruselt habe ich mich nicht. Irgendwie ist die Idee mit Knochentattoo ganz gut: wenn er sie umgebracht hätte, natürlich perfekt, nicht der Erfinder gewesen wäre, sondern ein anderer, und nur die Obduktion und Freilegung des Knochens, indem sein komplott tätowiert ist, ihn überführt hätte. Am Schluss hätte ich ihn noch wahnsinnig werrden lassen. :D

Sprachlich fand ich es auch nicht ganz so überzeugend. Die Sätze waren zwar kurz, aber in ihrem Zusammenhang dann doch zu abgehackt um Dichte und Spannung aufzubauen.

Potential hast du auf alle Fälle.
Goldene Dame

 

Goldene Dame schrieb:
...
so richtig gegruselt habe ich mich nicht....

Hallo Golden Dame,

schade, kein Grusel für Dich. Aber vielleicht beim nächsten Mal.
Dein Ansatz ist interessant, allerdings gefallen mir eher die tragischen Aspekte einer Geschichte. Ich bin kein Romantiker und ein "happy end" wird es bei mir wahrscheinlich nie geben.

Trotzdem freue ich mich, dass Du die Story gelesen und kommentiert hast.

Gruß

BrOdIn

 

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