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Maximus
Auf der Ablage liegt immer noch ihr Schlüssel. Ich hebe ihn auf und lege ihn behutsam in den Mülleimer. Klaas stöhnt auf.
„Nimm ihn da raus“, sagt Klaas, denn Klaas handelt nur moralisch verantwortlich. Ich lasse den Schlüssel dort, wo er ist.
„Du nimmst jetzt den Schlüssel da raus!“ Aha, er wird wütend. Das wird er immer, das bin ich gewohnt, ich beachte ihn nicht und stelle mich ans Fenster. Die schweren dunkelroten Vorhänge lassen nur einen schmalen Blick auf die Außenwelt zu.
„Schmitts sind umgezogen, wusstest du das schon?“
Für einen Augenblick erstarrt er und vergisst Gabis Schlüssel im Mülleimer. Keine Schmitts, das heißt auch keine Frau Heidi Schmitt, das heißt Mittags kein warmes Essen und donnerstags abends keinen Kuchen an der Türschwelle. Die Menschen um Klaas scheinen nach und nach alle zu verschwinden.
Klaas versucht aufzustehen, dazu steht sein Sessel aber zu dicht am Schreibtisch. Er keucht und lässt sich zurückfallen.
„Du hättest den Stuhl auch einfach zurückschieben können“, sag ich und fühle mich gerade mit ihm sehr auf einer Augenhöhe. Klaas ist ganz schön dick.
Er überlegt, was er eben sagen wollte, dabei setzt er den Zeigefinger auf die fettig glänzende Stirn. Auf dem Schreibtisch stapeln sich Akten über irgendetwas.
„Schlüssel-Raus! Sofort!“ Es ist ihm wieder eingefallen.
„Ruf doch die Gabi an, die kann den ja selbst rausholen.“
Das Folgende sagt er sehr langsam, als koste ihn jedes einzelne Wort unermessliche Kraft.
„Erwähne … diese … Frau … nie … wieder … in … meiner … GEGENWART!“ Beim letzten Wort pulsiert die Ader auf seiner Stirn auf. Naja. Klaas beeindruckt mich gerade nur mäßig. Dass Gabi weg ist, hat eigentlich nur Vorteile: für mich, für den Versuch den Betrieb noch zu retten, für Klaas Nervosität.
„Weiß du, Herr Kowalski, ohne Gabi bleib der Karren im Dreck stecken. Alleine schaffst du es nicht.“ Für Gabi gab es eigentlich nur zwei Möglichkeiten: Entweder sie nahm Klaas und sein Projekt in sich auf und zwar völlig und war dann auch bereit mit ihm zusammen unterzugehen oder sie merkte recht schnell, dass Klaas unfähig ist und das Projekt sinnlos. In ihrer Dickköpfigkeit waren sich die beiden eigentlich recht ähnlich.
„Raus!“ Sein Zeigefinger zeigt zu Tür. Ich schaue ihn an, nicht die Tür. Vielleicht weint er gleich.
„Es ist vorbei, Eiserner. Aus und vorbei.“ Genau über Klaas’ Schreibtisch hängt ein riesiges Bild von seinem Großvater. Manchmal scheint es auf ihn herunterfallen zu wollen. Klaas dreht den Sessel zu Wand. Sein Gesicht ist jetzt zehn Zentimeter von der braunen Tapete entfernt.
„Geh jetzt“, sagt er, schon gar nicht mehr wütend. Eher müde. Ich komme auf ihn zu und lege ihm die Hand auf die Schulter. Sein Sweater ist feucht.
Er zittert.