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Mein Sommertraum
Die Sonne brennt vom tiefblauen Himmel herab. Kein Wind regt sich, das Meer liegt glänzend in vielen Blau- und Grüntönen vor mir, glattgestrichen wie ein Tuch. Ich sitze am Strand der kleinen Insel, die Felsen, die hinter mir steil aufragen, blenden die Augen. Sie sind fast weiß wie Kreide, aber es ist harter Fels und überall sind Glimmerstückchen in dem Stein, die in der Sonne flimmern. Und auf jedem Felsenvorsprung mit ein wenig Erde steht ein blühender Ginsterbusch, die meisten im satten Gelb, aber an einigen sieht man auch orangefarbene Blüten. Ich bin schon eine Woche hier im Ferienclub und ich komme gerne an diesen kleinen einsamen Strand. Die blau-gelbe Landschaft wirkt beruhigend auf mich und ich fang an zu dösen. Mein müder Blick fällt auf eine der Höhlen, die das Meer aus den Felsen gewaschen hat. Sie wirken wie schwarze Löcher, geheimnisvoll dunkel, Kühle versprechend, vielleicht auch ein Abenteuer. Auf beiden Seiten meines Strandes liegt eine Höhle. Auf der linken Seite reicht sie durch den ganzen vorspringenden Felsen hindurch wie ein Tunnel und ich kann das Meer hinter der Höhle liegen sehen, glatt und unbeweglich wie ein Gemälde.
Es dauert wohl mehrere Minuten, bis ich bewußt wahrnehme, was meine Augen gesehen haben. Das unbewegte Bild hat sich verändert. Vor der Höhle rechts von mir, die ich bisher nicht erkundet habe, sitzt jemand auf einem großen Stein. Zunächst erkenne ich nichts weiter, weil meine Augen ein wenig geblendet sind, aber dann sehe ich lange hellblonde Haare, die zu einem Pferdeschwanz gebunden weit über den Rücken reichen. Ein Mädchen oder eine Frau, ich bin mir recht sicher. Aber ich kann nicht mehr erkennen, denn sie sitzt mit dem Rücken zu mir. Jetzt steht sie auf und geht auf die Höhle zu. Schmale Hüften, eine knappe Badehose - aber der wiegende geschmeidige Gang macht mich sicher. Nach sieben ereignislosen Tagen übernehmen meine Hormone ungefragt die Kontrolle und lenken meine Füße auch auf die Höhle zu, in der sie verschwunden ist. Je näher ich komme, desto heller erscheint das Innere der Höhle und dann stehe ich im Eingang und sehe helles Tageslicht auf den Boden fallen. Auch diese Höhle ist ein Tunnel, aber der Ausgang liegt hinter einer Biegung. Und von meiner Schönen ist nichts zu sehen. Ich eile durch die Höhle und komme an einen neuen kleinen Strand. Die Ginsterbüsche blühen auch hier, das Meer liegt wie ein Spiegel unbewegt da und auch auf dem Strand bewegt sich nichts. Er ist leer. Wo ist sie geblieben? Im Wasser kann ich niemand sehen, also drehe ich mich um und schaue Richtung Land. Da sind ja auch Stufen in den Fels geschlagen, wie bei meinem Strand. Eine steile Treppe windet sich nach oben und an ihrem Ende sehe ich gerade noch die langen blonden Haare aufblitzen.
Im Laufschritt erklimme ich die Treppe und bin ziemlich aus der Puste, als ich endlich oben ankomme. Die Insellandschaft liegt vor mir, auch hier blühen überall Ginsterbüsche, einige Häuschen sind zu sehen, der Weg schlängelt sich auf ein kleines Wäldchen zu, hinter dem der Ferienclub liegen müsste. Kein Mensch ist auf dem Weg zu sehen. Aber auf einer Bank direkt vor mir sitzen Schröders. Ein älteres Ehepaar aus Süddeutschland, das auch im Ferienclub seinen Pauschalurlaub verbringt. Sie sehen mich interessiert an. "Sie haben es aber eilig, Herr äh" meint Frau Schröder. Sie will sich anscheinend keine Namen merken, deshalb habe ich es mir abgewöhnt, ihr jeden Tag dreimal meinen Namen zu nennen. "Ist hier nicht eben jemand vorbeigekommen". "Ja natürlich. Interessieren Sie sich für Helge? Der ist doch der Schwarm aller jungen Mädchen." Oh Je, ist mir das peinlich. Helge, der neue Tennistrainer im Ferienclub. Aus Schweden, habe ich gehört, aber gesehen habe ich ihn noch nicht. "Nein, nein" stottere ich und verdrücke mich schnellstens in die Büsche. Nicht zu erstenmal frage ich mich auf dem Weg zum Club, ob es überhaupt richtig gewesen ist, hierher zu reisen. Meine Eltern haben den Urlaub gebucht, aber nachdem mein Vater krank geworden ist, haben sie mir die Reise zu meinem 18. Geburtstag geschenkt. Der Ferienclub hat ja nun mit einem älteren Ehepaar gerechnet und so sitze ich beim Essen mit älteren Menschen zusammen und traue mich nicht, um einen anderen Platz zu bitten. Die Club hat eine große Anzahl von Angeboten für die Teens, die hier auch zahlreich vertreten sind. Aber Tennis oder Aerobic gefallen mir ebensowenig wie Bridge oder Wanderungen und so sitze ich eben meistens am Strand und träume vor mich hin. So etwa fällt auf und es hat schon manche Frage gegeben: "Möchten Sie nicht ... Haben Sie schon mal ... Wie wäre es, wenn wir ... " und so weiter. Aber ich habe mich immer zurückgezogen und bin für mich geblieben. Jetzt würde der Klatsch wohl erst recht losgehen: "Er interessiert sich wohl mehr für Jungs ... Kein Wunder, daß er die Mädchen nicht anschaut" und so weiter und so weiter.
Ich habe überlegt, gar nicht zum Abendessen zu gehen, sondern meine Koffer zu packen und nach Hause zu fahren. Aber wie soll ich hier wegkommen fast ohne Geld und ohne Fahrkarte. Also bin ich doch in den Speisesaal gegangen. Der große Raum ist wirklich schön ausgestattet, das Essen ist hervorragend und reichhaltig. Ich komme zu spät und fühle die fragenden Blicke auf mich gerichtet, aber manche Urlauber scheinen mich anzulächeln, was mich irritiert. Dann komme ich an meinen Tisch und setze mich vor Schreck beinahe neben meinen Stuhl. Da sitzt doch nicht das Ehepaar Kerkenstein, sondern drei Teenies. Eindeutig weiblich und irgendwie sehen sie sehr entschlossen aus. Panik steigt in mir auf. Ich verstehe nicht was hier gespielt wird und bin kurz davor, zu fliehen. "Bitte setz dich doch", sagt eine der drei, "wir möchten gerne mit dir reden". Vorsichtig setzte ich mich auf die Stuhlkante und beginne mit der Vorspeise, mit der die drei längst fertig sind. Ich mag das Essen hier, aber jetzt bin ich so nervös, dass ich gar nichts schmecke. "Wir haben uns gefragt, ob du uns helfen kannst" begann jetzt die zweite. "Wieso helfen" stottere ich. "Es ist hier ziemlich langweilig und da ist uns ein neues Spiel eingefallen. Wir nennen es 'Helge fangen', aber wir trauen uns nicht so recht." Ich verstehe gar nichts. "Wie soll ich euch dabei helfen?" "Wir dachten, wir könnten mir dir ein wenig üben. Du scheinst ein anständiger Junge zu sein und wir hoffen, wir können dir trauen." Ich glaube, ich habe die drei nur noch angeglotzt. Wir sind dann in die Bar gegangen und bei einem Cocktail haben sie mir ihre Idee weiter erzählt. Ich habe mich schließlich auf das Spiel eingelassen, aber ich habe gemerkt, daß den dreien nicht ganz wohl ist, wie mir ja auch. In den nächsten Tagen haben wir erfahren, dass Helge fangen viel Spaß macht und wir sind uns jeden Tag etwas näher gekommen. Tagsüber haben wir eifrig Tennis gespielt mit den anderen Jugendlichen und abends haben wir geübt.
Mein Urlaub neigt sich dem Ende zu. Die drei Mädchen haben noch zwei weitere Wochen im Ferienclub vor sich, und ich suche fieberhaft nach einer Möglichkeit, auch länger zu bleiben. Aber mein schöner Sommertraum scheint seinem Ende entgegenzugehen und so habe ich an meinem letzten Abend im Club die ganze Tennisgruppe zu einem Abschiedsdrink in die Bar eingeladen. Die Tennisspiele sind vorbei, die anderen sind noch schwimmen gegangen, aber ich sitze schon hier mit meinen traurigen Gedanken. Die Bar trägt auch nicht dazu bei, mich aufzuheitern. Sie ist leer und im hellen Sommerlicht gar nicht so stimmungsvoll wie in der Nacht. Plötzlich kommt Helge herein und setzt sich zu mir. Er rückt dicht an mich heran, fast berührt er mich mit seinem Körper und flüstert: "Möchtest Du nicht lieber noch zwei Wochen bleiben?" Ein Schauer läuft durch mich hindurch und ich kann nur nicken. Helge strahlt mich an. "Ich bezahle dir die vierzehn Tage."
Jetzt bin ich ganz gespannt, was geschehen wird.