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Meine liebste Oma

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19.04.2002
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Meine liebste Oma

Im Fernsehen lief meist Musikantenstadl. Die Lieblingssendung meiner Großeltern. Mein Großvater spielte leidenschaftlich Tuba und war Mitglied der Blaskapelle in unserer kleinen Zechensiedlung. Er ließ keine dieser Sendungen aus, die mir in meiner ganzen Jugend ein Graus waren. Auch meine Oma begeisterte der Musikantenstadl. Obwohl sie die Musik nicht einmal bei größter Lautstärke hören konnte. Sie war stark schwerhörig. Aber das Gefühl zählte. Mein Großvater konnte es hören. „Wem das nicht gefällt, der hat kein Herz“, war einer seiner Lieblingssätze. Abgewandelt hieß es: „Wem das nicht schmeckt, der hat kein Herz.“ Das sagte er häufig, wenn er lautstark Mark aus Knochen saugte, die er vorher sauber abgeknabbert hatte. Nicht, dass mich das geräuschvolle Schlürfen störte – ich kannte ihn beim Essen nicht anders als schmatzend, schlürfend. Ein Mann vom alten Schlage halt. Bauchfleisch mit Knoblauch gebraten. Sauer eingelegte Heringe. Rohes Ei mit Maggi. Das waren so seine Leibgerichte. Er mochte es deftig.

Das Küchenambiente passte zu meinen Großeltern. Es gab eine Eckbank aus dunklem Holz im Bauernhausstil und einen passenden Stuhl dazu, der allerdings nicht am Tisch stand sondern neben der Eckbank an der Wand. Er wurde nur von meiner Großmutter benutzt, wenn sie abends in der Küche saß und sich in der „Neuen Post“ oder dem „Goldenen Blatt“ über die Königshäuser der Welt informierte. Sie konnte dort stundenlang sitzen und unterbrach ihr Lesen nur hin und wieder, um ein kleines Stückchen ihrer heiß geliebten Schokolade zu essen. Sie genoss diesen kleinsten und einzigen Luxus, den sie sich vielleicht einmal in der Woche gönnte. Der Tisch war grundsätzlich mit einer dieser karierten, abwaschbaren Plastiktischdecken bedeckt. Merkwürdigerweise kann ich mich nur an Exemplare davon erinnern, die bereits durch zahlreiche Messerschnitte verunstaltet waren. Der Küchenschrank sah eher aus wie eine verirrte Wohnzimmerschrankwand im selben dunklen Bauernholz, zog sich komplett über zwei Wände bis zur Decke und dominierte die Küche. Zwischen Ober- und Unterschränken gab es die unvermeidlichen blau-weißen kleinen Fliesen. Meine Oma passte perfekt in diese Küche. Innerhalb des Hauses trug sie immer einen weißen Kittel – übersät mit Flecken vom Kochen und Putzen und dazu dunkelbraune Hausschuhe. Sie war ungefähr 1,60, was mir in der Kindheit ziemlich groß und später ziemlich klein vorkam. Auf ihrem Kopf herrschte fast immer ein Wirrwarr aus Haaren. Das fiel mir aber nur auf, weil sie mir nach dem obligatorischen Friseurbesuch vor Weihnachten, Hochzeiten oder anderen Großereignissen immer wie verkleidet vorkam.

Bei meiner Oma lebte ich, seit ich denken kann. Meine Eltern bewohnten in ihrem Haus zwei Zimmer unter dem Dach, aber die meiste Zeit verbrachte ich in dieser Küche. Da meine Eltern beide arbeiteten, war meine Oma die geliebte „Rundum-Betreuung“. Morgens um sechs kam sie vom Zeitung-Austragen nach Hause. Dann spielten wir in der Küche Karten, wobei sie, müde von der Arbeit, fast immer einschlief - wie sie mir Jahre später erzählte. Ich merkte davon natürlich nichts, spielte mit Begeisterung Mau Mau, gewann fast immer und war glücklich. Auch als meine Eltern später eine eigene Wohnung mieteten, änderte sich nicht wirklich etwas, weil wir nur ein paar hundert Meter weiter zogen. Ich muss ungefähr zehn Jahre alt gewesen sein, als meine Eltern sich dann scheiden ließen. Vater erhielt das Sorgerecht – mein Zuhause aber blieb meine Oma. Direkt von der Schule fuhr ich immer zu ihr, bis mein Vater mich spät abends abholte.

Gegessen wurde natürlich auch in der Küche. Meine Großmutter saß allerdings selten mit am Tisch. „Ich bin immer schon vom Kochen satt.“ So stand sie bei den Töpfen oder wusch das erste Geschirr ab, während wir es uns noch schmecken ließen. Wenn mein Großvater dann einen Nachschlag haben wollte, klatschte er mehrmals mit der flachen Hand auf den Tisch. Dieses Geräusch war laut genug für meine Oma. „Jaa, was ist denn“, schimpfte sie dann und drehte sich um, als ob es völlig unverständlich sei, dass hier jemand so einen Krach macht. Haben Sie schon einmal mit einem schwerhörigen Menschen gesprochen? Man hebt automatisch die Stimme, was nicht viel bringt, wenn sie so wenig hören, dass das Gesprochene eher Geräusch bleibt. Das meiste las meine Oma von den Lippen ab - „Oomaa, waas giibt es heeuute zuu eesseeen?“ - und aus fast unbewussten Handbewegungen, die mir in frühen Kinderjahren ebenso vertraut wurden wie das Reden. Innerhalb einer Familie entwickeln sich ganz eigene Zeichen.

Meinen Großvater mochte ich nicht sonderlich. Ich war eher ein sanftes Kind. Wenn er betrunken war, hasste und fürchtete ich ihn. Sonntag morgens probte er mit seinen Kollegen der Blaskapelle. Das hieß eine Stunde üben und zwei Stunden saufen. Mittags kam er dann abgefüllt nach Hause. Immer schlecht gelaunt. Soweit ich mich erinnern kann, schlug er mich nie. Aber sein pure Art machte mir Angst. Sein grobschlächtiges Äußeres und seine riesigen Pranken - an einer Hand fehlten seit dem Krieg zwei Finger, was es für mich noch gruseliger machte. Sein Stolz auf seine Zeit als Soldat. Seine Art mich anzusehen, wenn er betrunken war. Seine laute harte Stimme oder sein betrunkenes genuscheltes „Was ist, was ist, was ist“. Meine Oma versuchte dann immer, mich aus der Schusslinie zu nehmen: „Komm Junge, iss im Wohnzimmer“, sagte sie, während mein Großvater gerade mit seinen benebelten Gedanken beschäftigt war. Wenn es gut ging, lag er dann eine halbe Stunde später im Bett. Satt und voll. „Er schläft, Gott sei dank“, eröffnete meine Oma dann verschwörerisch den angenehmen Teil des Tages. Nachmittags war er wieder ausgenüchtert, erträglich und meist schaute er eine halbe Stunde mit mir mein Programm, bevor er wortlos umschaltete, um sich irgendeinen Tierfilm - die einzige akzeptable Alternative zu Blasmusik - anzusehen. Meiner Großmuter gegenüber wurde er häufiger laut, und einige wenige Male schlug er sie auch. Nicht oft, aber die Bilder brannten sich mir ein, weil sie mich vor allem in meiner Hilflosigkeit so zornig machten. Meine Großmutter war heilig, und ich wünschte mir als Kind wie als Jugendlicher oft, es gäbe ihn gar nicht mehr.

Zu den Lieblingsmomenten meiner Kindheit gehörte der tägliche Weg in den Keller. Das einzige WC im Haus lag dort. Auf ihrem Rücken trug mich meine Oma jeden Tag die Kellertreppe rauf und runter. „Wie lange ich Dich wohl noch so tragen werde?“, fragte sie zum Spaß. Mir gefiel es, und ich fühlte mich wunderbar. Zu der Zeit durfte ich selbst nicht laufen. Zumindest nicht richtig. Mit sieben Jahren wurde eine Hüftkrankheit bei mir diagnostiziert, die zwei Operationen notwendig machte. Und für die folgenden Jahre durfte ich nur mit einer Eisenschiene laufen. Die Schiene war etwas länger als mein Bein und wurde an meiner Hüfte mit einem breiten Lederriemen befestigt, so dass die beiden Eisenstangen bis einige Zentimeter unter meinen Fuß reichten. Mein Bein hing also in der Schiene und wurde nicht belastet. Zum Ausgleich trug ich an dem anderen Fuß einen Schuh mit 15-Zentimeter-Absatz. Sobald ich zuhause war, machte ich das Ding ab und robbte auf dem Hintern durch die Wohnung oder hüpfte auf einem Bein – beides allerdings mit beeindruckender Geschwindigkeit. Oder ich ließ mich von meiner Oma in den Keller tragen.

Natürlich gab es Kinder, die mich mit meiner Schiene hänselten. Klick-Bum war ein Spitzname. Klick für das Geräusch der Schiene, Bum für den Schuh mit Absatz. Aber das war die Ausnahme. Es gab eigentlich nichts, was nicht ging. Beim Rollhockey – das war mal eine zeitlang mega in, als die Skateroller Ende der Siebziger aufkamen – stand ich zwar im provisorischen Tor. Aber ich war dabei. Bei Fahrradjagd spielte ich immer auf einem der Gepäckträger mit, wobei ich mich nicht daran erinnern kann, dass es Diskussionen gab, wer mich transportieren musste. Zu zweit durch die umliegenden Wälder zu fahren, war viel spannender. Wenn ein Jäger uns sah, raste mein Fahrer um die nächste Ecke, ich versteckte mich irgendwo im Gebüsch, während er alleine die Flucht ergriff und mich später wieder abholte. Auch wenn wir uns mit imaginären Pistolen als Agenten in irgendwelchen Schlammlöchern oder Bergen frischer Erde von Baustellen erschossen, konnte ich mindestens genauso theatralisch sterben wie jeder andere auch. Beim Fußball war ich gefürchteter Abwehrspieler. Allerdings bin ich mir bis heute nicht sicher, ob das an meiner fußballerischen Leistung lag oder an der Angst der Gegner, von dem Riesenabsatz getroffen zu werden. Oder so: Jahre später gestand mir ein Freund, er wäre in Zweikämpfen immer etwas langsamer gelaufen. Damit ich ihn noch rechtzeitig erreichte.

So lebte ich gut mit dieser Behinderung – auch wenn sich zwei Mal pro Jahr das selbe traurige Schauspiel wiederholte: Im Krankenhaus untersuchten die Ärzte, ob meine Hüfte schon wieder voll belastbar wäre. Meine Oma erwartete mich und meine Mutter schon vor der Tür, wenn wir aus dem Krankenhaus zurück kamen. Ihr Blick war noch trauriger als meiner, wenn sie sah, dass die Schiene noch mein Bein stützte. „Bestimmt aber beim nächsten Mal“, sagte sie dann. Ich weiß nicht, wer am meisten befreit wurde, als das Ding nach fünf Jahren nicht mehr notwendig war.

Kinder spüren Liebe eher unbewusst. Das messbare Glück drückt sich vordergründig in monetärer und natureller Versorgung aus. „Haast duu maal zwaanziig Pfeeniig?“, hieß es mit sieben Jahren, wenn ich mir ein Eis kaufen wollte. Natürlich blieben meine Bitten nie ungehört. Es war immer dasselbe Ritual in all den Jahren. Ich fragte mit wahlweise flehendem oder verzweifelten Blick, sie ging ins Schlafzimmer, holte ihre Geldkassette heraus, die irgendwo zwischen der Wäsche versteckt war, schloss sie auf und gab mir das Geld. Meine Gegenleistungen begannen erst mit 14, nachdem ich meine Schiene los war, und waren bescheiden: Einmal pro Woche wollte meine Oma ein, zwei Flaschen Bier trinken, die ich ihr holen durfte. Ich schwang mich auf ihr altes Hollandfahrrad - eine dieser typischen Großmutter-Einkaufs-Ledertaschen hinten in einem Korb, der den Gepäckträger ersetzte - und radelte den Kilometer bis zum nächsten Kiosk. Dabei war ich immer auf der Hut, nicht von meinen Freunden gesehen zu werden in dieser für einen Jugendlichen sehr lächerlichen Konstellation.

Bis ich 14 Jahre war, schlief ich auch bei meinen Großeltern im Bett. Auf der Seite meiner Oma natürlich. Am schönsten war es, wenn mein Großvater auf der Terrasse übernachtete, was er im Sommer häufig und manchmal auch im Winter tat: „Der Körper muss warm, der Kopf muss kalt und frisch sein.“ Ich erinnere mich an eine Nacht - damals muss ich ungefähr zehn Jahre alt gewesen sein - in der meine Oma und ich lange wach waren. Wir sprachen über Heiraten, Hochzeit und Ehe. Sie erzählte mir, dass auf der Innenseite des Ringes das Datum ihrer Hochzeit eingraviert war. Und um es mir zu zeigen, nahm sie den Ring ab. Zum ersten Mal nach 30 Jahren. Es dauerte lang bis sie ihn abziehen konnte, und es war für mich unfassbar und faszinierend, dass er so lange fest auf diesem Finger saß und ich ihn jetzt als erster in der Hand halten durfte.

Am schrecklichsten war es hingegen, wenn mein Großvater mit im Bett schlief, Sonntag morgens um fünf Uhr wach wurde und sein Radio im Schlafzimmer anmachte. Blasmusik natürlich. Irre laut. Ich habe mir dabei die bis heute beibehaltene Gewohnheit zugezogen, nicht nur mit einem Kissen unter meinem Kopf sondern auch mit einem darüber zu schlafen. Diese Art der musikalischen Folter wurde nur einmal im Jahr überboten. Am 1. Mai. Gab es in Ihrer Jugend auch den Brauch, in den 1. Mai hinein zu feiern, beziehungsweise sich hinein zu be-trinken? Unsere Clique hat das immer kräftig ausgelebt. Bis morgens um vier, fünf Uhr wurde das schöne Maibock-Bier getrunken, erst dann ging es schwankend ins Bett. Gibt es bei Ihnen auch den Brauch der Musikkapellen am Morgen des 1. Mai? So zwischen sieben und acht Uhr zog die Blaskapelle der Siedlung mindestens dreimal mit vollem Getöse am Schlafzimmerfenster meiner Großeltern vorbei. Jedes Jahr starb ich denselben Tod, wenn dieser unglaubliche Krach mich aus den ersten zwei, drei Stunden meines Schlafes weckte. Die Tuba meines Großvaters dröhnte mir dabei besonders in den Ohren.

Auch während meiner Studentenzeit blieb meine Großmutter Anlaufstation Nummer 1. Ich schlief jetzt auf dem Sofa im Wohnzimmer, wenn ich aus dem 50 Kilometer entfernten Studienort am Wochenende nach Hause kam. Bis ich irgendwann einen Schlüssel vom Haus erhielt – mein Großvater war da immer sehr eigen – musste ich mich ganz an den Rand der kleinen Außentreppe vor der Haustür stellen, mich mit einer Hand festhalten und dann an der Wand entlang hangeln, um mit der anderen Hand fest an das kleine Küchenfenster zu klopfen. Dies war die einzige Möglichkeit, dass mich meine Oma in der Küche hörte und mir öffnete. Gott sei Dank saß sie meistens dort bei ihren Zeitschriften. Dann folgte unser Begrüßungsritual: „Hallo, mein liebster Michi.“
„Hallo meine liebste Oma.“ Das änderte sich auch mit den Jahren nie. Sonntagnachmittags fragte sie immer in genau dem selben Tonfall: „Michi, wann kommst du wieder?“
„Nächstes Wochenende“, lautete die prompte Antwort. Rituale gab es auch beim Abschied. Wenn ich auf dem Bürgersteig in Richtung Busstation ging, tauchte sie am Schlafzimmerfenster auf und winkte mir bis ich um die Ecke bog. Eigentlich veränderten sich im Laufe der Zeit die wenigsten Dinge zwischen mir und meiner Oma. Nur die Geldbeträge, die ich von ihr erflehte, stiegen bis auf 100 Mark, wenn ich besonders klamm war.

Mit zunehmendem Alter fragte ich aber auch häufiger, was ich ihr denn kaufen könnte, wenn ich einmal viel Geld verdiente. „Du kannst mir dann mal eine Tafel Schokolade mitbringen“, lautete ihre stete Antwort. Meine Großeltern gaben kaum Geld aus. Die Erfahrungen des Krieges, aber auch eines Lebens mit vier Kindern und dem kargen Lohn eines Bergmannes saßen so tief, dass auch nun, wo etwas mehr Geld da war, eisern gespart wurde. Ich glaubte, meine Oma hätte sich etwas mehr geleistet – aber mein Großvater hatte es verboten. Häufig dachte ich, es würde meiner Oma und uns allen besser gehen, wenn es meinen Großvater nicht gäbe.

So sah ich es auch eher mit gemischten Gefühlen, als er an Krebs erkrankte. Ein Jahr dauerte es nach der ersten Diagnose bis er starb. Nur einmal tat er mir wirklich leid, der Mann, der immer so stolz war auf seine Kraft und Stärke: Ich kam ins Schlafzimmer und er fragte mich, ob ich ihm seine Krücke ans Bett geben könnte, die er mittlerweile zum Gehen brauchte. Ich reichte sie ihm, und ohne ein Wort zu sagen, stemmte er sich mit aller Kraft, die ihm noch geblieben war, aus dem Bett, hielt sich mühsam aufrecht und hinkte langsam in Richtung Keller. Als er dann nicht einmal mehr den Gang hinunter zur Toilette schaffte, sondern mit einer Glasflasche und einer Pfanne versorgt werden musste, war es auch mit seinem Lebenswillen vorbei. Später habe ich innerlich meinen Frieden mit ihm gemacht, ihn sogar hin und wieder vermisst. Menschen werden von ihrer Zeit, ihrer Erziehung und Umgebung zu dem gemacht, was sie schließlich sind. Und viele Szenen, die mich heute lächeln lassen, ängstigen Kinder und auch Jugendliche, die sich ihrer Selbst noch nicht sicher sind.

Damals freute mich sein Tod für meine Oma – auch wenn mir ihre Trauer nicht verborgen blieb. Als wir ihn beerdigt hatten, gab es Vieles, was endlich möglich war. Ich scherzte mit ihr über eine WG, die wir zusammen mit meinem Patenkind und ihrer Enkelin machen könnten. Meine Mutter plante mit ihr Reisen in ihre Heimat Rumänien. Sie war nie allein, da mein Onkel mit seiner Familie inzwischen in ihrem Haus wohnte. Die Enkelkinder lebten viel lieber mit der Oma als mit dem strengen Großvater. Ich besuchte sie wie eh und je.

Aber schon ein halbes Jahr später war es auch bei ihr soweit: Von Krebs zerfressen. Noch sechs Monate vielleicht. Es sollten nur acht Wochen werden. „Ich gehe zu Opa“, sagte sie.

Irgendwann durfte sie aus der Klinik heraus und nach Hause, um hier die letzten Wochen zu leben. Eines Montagmorgens saßen wir noch bei einem Kaffee, bevor ich zur Uni fuhr.
„Bis zum nächsten Wochenende, Oma“, sagte ich.
„Wenn ich dann noch da bin.“
„Sicher bist du das.“
„Ich glaube nicht.“

„Du bist meine liebste Oma.“
„Und Du bist mein liebster Michi.“

Ich schulterte meinen Rucksack mit der frischen Wäsche und schloss die Haustür hinter mir. Sie ging ans Schlafzimmerfenster, schob den Vorhang beiseite und winkte mir. Ich drehte mich um. Sah sie dort stehen. Erstaunlich wie scharf und klar manche Bilder auch nach vielen Jahren noch vor dem geistigen Auge leben. Dann ging ich weiter und bog um die Ecke.

Donnerstag morgens endete meine Uni-Woche, als meine Mutter anrief. Meine Großmutter lag seit der vergangenen Nacht wieder im Krankenhaus. Sonntags schon war sie nur noch in wenigen Momenten wach und konnte kaum erkennen, wer bei ihr war. Gegen neun Uhr abends fuhr ich zu ihr, setzte mich an ihr Bett und hielt ihre Hand. Sie schlief oder lag im Koma. Draußen verabschiedete sich der Tag. Im Zimmer brannte kein Lampe, so dass es um mich herum von Minute zu Minute dunkler wurde. Ich saß bei ihr, dachte an viele gemeinsame Erlebnisse, wischte ihre Stirn mit einem feuchten hellgrünen Waschlappen, der das einzige leise Geräusch verursachte. Ich dankte ihr im Geiste für Vieles und für das Wichtigste, was ich je gelernt hatte, ohne dass sie es jemals ausgesprochen hätte: Menschen zu lieben und ihnen zu geben, ohne an das Nehmen zu denken. Ich spürte den Unterschied in meinen Gefühlen zu ihr und zu anderen Menschen. Ich liebte auch andere – aber nur diese eine Liebe war bedingungs-los. Ich fing leise an zu weinen, drückte ihre Hand. Sie öffnete die Augen nicht, regte sich nicht, aber ich spürte wie sie für einen Moment leicht den Druck ihrer Finger verstärkte. Ich lächelte wieder etwas, nahm ihre Hand fest in meine und fühlte in diesem einen Moment Unbeschreibliches. Dann kam ich ihr zuvor und verließ das Krankenhaus.

Einige Wochen später machte ich einen dieser langen Spaziergänge, auf denen ich meinen Gedanken völlig freien Lauf lassen kann. Während ich durch kleine Straßen ging, Schulhöfe und öffentliche Plätze überquerte, aber nichts um mich herum wahrnahm, spürte ich, dass sie in mir noch sehr lebendig war. Ich hatte den wichtigsten Menschen verloren. Aber ich hatte auch die Gewissheit: Das Gefühl der Liebe zu ihr war mir nicht zu nehmen.

Trauer habe ich nach diesem Spaziergang nie wieder gefühlt. Nur Dankbarkeit und Liebe. Heute muss ich fast immer lächeln, wenn ich meine Oma im Geiste vor mir sehe. Meine Tochter wird so heißen wie sie. Katharina. Nur manchmal überkommt mich etwas Melancholie, wenn ich daran denke, wie gerne ich ihr heute die versprochene Tafel Schokolade schenken würde.

 

Hallo Streicher!

Diese Geschichte hat mir sehr gut gefallen! Nicht nur, wegen dem Thema, das natürlich ganz auf meiner Linie liegt, sondern auch stilistisch erkenne ich hier im Gegensatz zu Deiner ersten Geschichte, die ich gestern kommentiert habe, eine deutliche Verbesserung. :thumbsup:

Deine Geschichte liest sich erst, wie eine tragische Kindheitsgeschichte – und im Grunde ist sie das auch. Aber da ist etwas, was viele Kinder nicht haben, nämlich die Oma, die diese bedingungslose Liebe gibt, die alle Kinder so dringend brauchen. Und ich glaube, um die Beschreibung dieser Liebe ist es Dir letztlich auch gegangen – das ist Dir in meinen Augen wirklich gut gelungen.

Der Tragik, die Du beschreibst, nimmt diese Oma einfach so die Härte – eine unheimlich starke, liebenswerte Frau. Wie sie etwa bei der Sache mit der Hüfte ihren Optimismus bewahrt, die Hoffnung nicht aufgibt, oder wie sie den Kleinen immer wieder die Treppen rauf- und runterträgt und dabei noch was für Scherze übrig hat.

Aber auch die Mitschüler sind offenbar sehr nett zu dem gehandicapten Protagonisten. Der Satz...

Jahre später gestand mir ein Freund, er wäre in Zweikämpfen immer etwas langsamer gelaufen. Damit ich ihn noch rechtzeitig erreichte.
...zeigt, wie rücksichtsvoll Kinder eigentlich sein können – eine wirklich liebe Geste des Freundes! :)

Daß Du am Schluß noch einmal auf die Tafel Schokolade zu sprechen kommst, finde ich auch sehr gelungen - gefällt mir absolut!

So, ein bisschen was sollte ich noch für andere zum Loben übrig lassen, drum mach ich da jetzt mal Schluß. ;)


Ein paar Anmerkungen hab ich auch noch (und wenn Du willst, daß ich sie anschließend wieder lösche, dann schick mir bitte eine PM mit Link):

»Nicht das mich das geräuschvolle Schlürfen störte«
- Nicht, dass ...

»übersät von Flecken vom Kochen und Putzen«
- übersät mit Flecken vom Kochen ...

»Auf ihrem Kopf herrschte fast immer ein Wirwarr aus Haaren.«
- Wirrwarr

»war meine Oma die geliebte „Rundum-Betreuung“.«
- bist Du sicher, daß Du nicht eigentlich „beliebte“ meintest? Wenn jemand beliebt ist, weil er etwas tut, womit er einem hilft, wird er nicht automatisch auch gleich geliebt ...

»Morgens um sechs kam sie vom Zeitung austragen nach Hause. Dann spielten wir in der Küche Karten, wobei sie müde von der Arbeit fast immer einschlief ...«
- vom Zeitung-Austragen
- wobei sie müde von der Arbeit fast ... oder auch Beistriche: wobei sie, müde von der Arbeit, fast ...

»Das Geräusch hörte meine Oma.«
- ich weiß nicht, irgendwie gefällt mir der Satz nicht, vielleicht wäre es besser mit einem „Dieses“ statt „Das“?, oder „konnte meine Oma hören“, oder irgendsowas? ;)

»Seine laute harte Stimme oder sein betrunkenes nuschelndes „Was ist, was ist, was ist.“«
- sein betrunkenes, genuscheltes
- in dem Fall gehört der Punkt außerhalb des Anführunszeichens, außer Du machst vor die direkte Rede einen Doppelpunkt

»„Wie lange ich Dich wohl noch so tragen werde?“ fragte sie zum Spaß.«
- werde?“, fragte

»Schuh mit 15 Zentimeter Absatz.«
- 15-Zentimeter-Absatz oder besser Fünfzehn-Zentimeter-Absatz

»das war mal eine zeitlang mega in, als die Skateroller Ende der Siebziger aufkamen«
- wenn Du diese Rollschuhe meinst, wo man noch vierspurig, aber schon mit Bremse unterwegs war, die hießen irgendwie anders...

»„Haast Duu maal zwaanziig Pfeeniig“«
- duu
- würde ein Fragezeichen machen

Zahlen solltest Du eher ausschreiben, solange sie keinen Buchstabenwurm ergeben, also z.B. „Meine Gegenleistungen begannen erst mit vierzehn, ...“

»es war für mich unfassbar und faszinierend, dass er solange fest auf diesem Finger saß ...«
- würde „so lange“ auseinander schreiben

»„Hallo, mein liebster Michi.“ „Hallo meine liebste Oma.“«
- besser mit Gedankenstrich zwischen den direkten Reden: ... Michi.“ „Hallo ...

»„Michi, wann kommst du wieder.“«
- würde hier ein Fragezeichen machen (und wieder einen Gedankenstrich)

»... und dem Gehalt eines Bergmannes ...«
- ich weiß nicht, wie es bei Euch geregelt ist, bei uns hat ein Arbeiter einen Lohn, ein Angestellter ein Gehalt – deshalb vermute ich, daß es eher ein Lohn war... ;)

»Ich glaubte, meine Oma hätte sich etwas mehr geleistet – aber mein Großvater verbot es.«
- aber mein Großvater hatte es verboten.

»Nur einmal tat mir er mir wirklich leid,«
- ein „mir“ zuviel

»ob ich ihm seine Krücke ans Bett geben könnte, die er mittlerweile zum Laufen brauchte.«
- hier ist zwar kein Fehler, aber wenn Du vermeiden willst, daß mindestens jeder zweite Österreicher an dieser Stelle schmunzelt, dann solltest Du das „Laufen“ in „Gehen“ verwandeln – für mich liest sich das unglaublich lustig, wenn ich mir vorstelle, wie er mit der Krücke zu rennen (was bei uns gleichbedeutend mit laufen ist) beginnt...

»Und Vieles, was mich heute Lächeln lässt«
»gab es Vieles, was endlich möglich war.«
- vieles (vielleicht fällt Dir statt einem „vieles“ etwas anderes ein?)
- lächeln

»Ich scherzte mit ihr über eine WG«
- ich würde WG ausschreiben – „Wohngemeinschaft“

»da mein Onkel mit seiner Familie inzwischen in dem Haus wohnte.«
- ich würde „in ihrem Haus“ oder besser „in Omas Haus“ schreiben

»Eines Montag morgens saßen wir noch bei einem Kaffee bevor ich zur Uni fuhr.«
- Eines Montagmorgens (zusammen)
- Kaffee, bevor

»„Bis zum nächsten Wochenende, Oma“ sagte ich.«
- Oma“, sagte ich

»Sie schlief oder lag im Komma.«
- ähm: Koma

»brannte kein Lampe, so dass es um mich«
- es geht zwar beides, ich würde aber „sodass“ schreiben. – Wie liest Du es? Zusammen oder auseinander?

»einen dieser langen Spaziergänge, auf denen ich meinen Gedanken völlig freien Lauf lassen kann.«
- eigentlich müßte es heißen „freien Lauf lassen konnte“ – wenn Du aber damit ausdrücken willst, daß es noch immer so ist, wäre es wohl auch richtig, dann solltest Du aber ähnliche Stellen in der Geschichte ebenfalls so schreiben (z.B. statt »Ich glaubte, meine Oma hätte sich etwas mehr geleistet« - „Ich glaube, meine Oma hätte ...“, da das ja dann auch noch immer zutreffen würde) – Einfacher wärs wohl, hier „konnte“ zu schreiben... ;)

Alles liebe,
Susi

 

Hallo Häferl,

danke dir vielmals - habe fast alle deine korrekturen übernommen. unglaublich, was ich alles nicht gesehen habe..*smile*

freut mich, dass dir die geschichte gefallen hat..und richtig: es ging um die beschreibung dieser liebe der etwas anderen art - deshalb musste ich jetzt auch einen anderen titel wählen, denke nur so kann sie heißen...

nur eines scheint noch anders rüber zu kommen, als ich es wollte: eigentlich sollte es weniger eine tragische, sondern aller traurigkeit zum trotz, eine geschichte mit einem happy end sein... auch wenn du natürlich recht hast - schön werden die erlebnisse des protagonisten vor allem durch sie...

mal schauen, was es noch für meinungen gibt..

vielen dank noch einmal..

liebe grüße, sreicher

 

Hallo Streicher,
Deine Geschichte hat mir sehr gut gefallen. Ich fand sie eigentlich nicht tragisch, denn Michi hat ja trotz seiner Behinderung und der Scheidung viel Liebe in seiner Kindheit erfahren durch seine Freunde und natürlich vor allem durch diese liebe Oma, die ihm ja praktisch die Familie ersetzt hat. Tja, solch eine Oma kann man allen Kindern nur wünschen. Ich habe sie Gott sei Dank auch gehabt.
Also nochmals Kompliment, sehr schöne Geschichte.

P.S. Wäre die nichts für den Autorenwettbewerb "Verschieden ist normal"?
Schau doch mal in der Rubrik Chancen für Veröffentlichungen.

LG
Blanca

 

Hi-o,

Meine Meinung zu der Geschichte fällt leider nicht so gut aus wie Häferls oder Blancas. Ich bin zwar recht sentimental und damit durchaus für solche Geschichten empfänglich. Aber Deine ist mir ein bisschen zu trocken. Sie hat mich durchweg an Strittmatters "Der Laden" erinnert, vielleicht ja deswegen. Die richtige Prise Spannung fehlt ihr. Bitte verstehe mich nicht falsch, nichts läge mir feiner als Dich dazu zu kriegen, aus ihr einen Krimi zu machen. Nur, damit ich Spaß am Lesen habe, muss es stets präsente Differenz zwischen Erwartung und Erfahrung geben. Einmal ist Dir das gelungen: Ich habe wirklich erst gedacht, er würde von den Mitschülern gehänselt und darum sich bei der Oma ausheulen. Das es nicht so kam, finde ich gut.

Auch gut, wenn nicht sogar sehr gut und flüssig ist Dein Erzählstil. Naja, die Fehler hat ja Susi alle schon korrigiert ;), und so ging die Lektüre auf zwei Beinen. Den inneren Zusammenhalt zwischen den Gedanken und den Sätzen hast Du aber gekonnt hingekriegt.

Mir ist da noch was aufgefallen:

Nicht oft, aber die Bilder brannten sich mir ein.
Das liest sich mir ;) sehr ungewohnt. Nicht alle Verben tolerieren einen Dativ (mir). Besser wäre vielleicht: "..., aber die Bilder brannten sich in meine Erinnerung." oder "...setzten sich in meinem Gedächnis fest."

So weit, so gut. Auf jeden Fall eine Geschichte von der besseren Sorte. Jedoch eher eine Erzählung als eine Kurzgeschichte.

:) FLoH.

 

nur eines scheint noch anders rüber zu kommen, als ich es wollte: eigentlich sollte es weniger eine tragische, sondern aller traurigkeit zum trotz, eine geschichte mit einem happy end sein... auch wenn du natürlich recht hast - schön werden die erlebnisse des protagonisten vor allem durch sie...

Lieber Streicher!

Ich habe das auch so gemeint, daß es hauptsächlich die Oma war, die Deinem Protagonisten das Leben schön gemacht hat. Ich meinte nur, es klingt am Anfang so, als würde es eine traurige Kindheit sein - weil ich es mir schlimm vorstelle, so eine Behinderung zu haben, der grantige Opa ist sicher auch nicht lustig und daß die Eltern offenbar keine Zeit haben, ist eigentlich für ein Kind ja gar nicht lustig. - Aber bei Deinem Protagonisten hat diese liebe Frau das alles wettgemacht, daher macht es ihm wohl nichts aus. Michael hätte es wahrscheinlich auch mit den Mitschülern schwerer gehabt, wenn er nicht durch die Oma so stark gemacht worden wäre. ;)

Den Schluß sehe ich auch durchaus als Happy-End - weil er diese bedingungslose Liebe, die die Oma ihm gegeben hat, immer spüren wird. Diese innere Wärme wird ihm wohl auch helfen, sich selbst zu lieben und echte Liebe von falscher unterscheiden zu können.
- Ich finde nur traurig, daß sie die Schokolade nicht mehr zu Lebzeiten bekommen hat. Aber wenn der Protagonist sie selbst ißt und dabei an sie denkt, ist es wohl auch gut. ;)

Alles liebe,
Susi

 

Hallo miteinand,

vielen dank für eure rückmeldungen.

@blanca - freut mich sehr, dass dir die geshichte gefallen hat - ja es ist ein glück, von einem solch menschen umgeben zu sein und schön, dass dies hier auch rüberkommt. das mit der veröffentlichung habe ich mir auch schon angesehen - allerdings steht, die "behinderung" ja nicht im vordergrund. ich denke aber darüber nach.

@floh: ja, du hast natürlich nicht unrecht - eine story mit spanungsbogen ist es nicht. und es stellte sich auch mir die frage, ob es beispielsweise so etwas wie die beschreibung der küche u.ä. braucht. und ja, die geschichte ist auch sehr "erzählend" geschrieben.. auch wenn der schluß traurig ist, wollte ich aber nicht die ganze geschichte lang darauf hinarbeiten und auf diese weise etwas spannung erzeugen, sondern einfach (fast) alltägliches interessant erzählen.. dadurch soll die story wirken - den schluß und die botschaft gibts halt gratis dazu..*g*

ich habe aber vor der veröffentlichung tatsächlich darüber nachgedacht, ob diese "story" nicht rahmen einer anderen story (im klassischen sinn) sein könnte.. kommt vielleicht noch..

@häferl - *smile*..dann sind wir uns ja einig..vollkommen sozusagen... vielen dank an dich. freut mich sehr, dass du dich so intensiv mit der geschichte beschäftigst..sollten wir uns mal auf einem treffen oder einer lesung über den weg laufen, gibts ne tafel schokolade..*smile*..versprochen...

liebe grüße an euch, streicher

 

Hallo Streicher!

Ich kann mcih dem Lob nur anschließen, eine flüssig und gut geschiebene Geschichte. Du erzählst die Kinheitserinnerungen sehr lebendig, die Oma als starke, gutherzige Frau, der Großvater mit seiner Blasmusik, mittendrin der Junge...besonders gefallen haben mir auch die Schilderungen von derKindheit mit Behinderung, die Rücksichtnahme der anderen Kinder, das ganz-natürlich-trotzdem-mitspielen.
Schön auch der Schluss, die Schokolade, der Spaziergang, die Erinnerung.

"Irgendwann durfte sie aus der Klink heraus und " - Klinik ;)

Schöne Grüße
Anne

 

Hallo Maus,

danke dir. wenn die personen dem leser so erscheinen, wie Du sie beschreibst... dann sind sie richtig rüber gekommen..*smile*..das freut mich natürlich...

gerade auch beim schluß war ich mir nicht sicher, weil er als eine art fazit etwas vom stil der geschichte abweicht..mir aber sehr wichtig war..

danke für die klinik..*g*

viele grüße, streicher

 

Hallo Streicher!
Mir gefällt deine Geschichte sehr gut. Sie liest sich schön flüssig. Sie ist ruhig und doch nicht langweilig.
Die Detailgenauigkeit (wie du die Küche zum Beispiel beschrieben hast) verstärkt diese angenehm ruhige Stimmung.
Die Oma, der Junge und auch der Opa sind dir auch gut gelungen.
Früher hatte ich auch etwas Angst vor meinem Opa, doch heute verstehen wir uns ganz gut.
Die Oma in deiner Geschichte scheint auch ein Haltepunkt für den JUngen zu sein, denn seine Eltern lassen sich scheiden und der JUnge sucht Trost bei seiner Oma. Und es ist sehr wichtig, so jemanden zu haben.
Dass du am Ende die Schokolade nochmal erwähnst, finde ich sehr gelungen.

Eine wirklich schöne Geschichte! :thumbsup:

So, bevor ich mich vor Lob überschlage, mache ich lieber Schluss. :D

bye und tschö

 

Hallo Streicher!

Die Oma von Michi erinnert mich ein bißchen an meine eigene Oma, bin also - was mein Urteil betrifft - etwas beeinflußbar... :D Deine Geschichte aber hat mir sehr gut gefallen, vor allem, weil sie still ist und vor sich hinplätschert. Deinen durchaus positiven Schluß habe ich auch erkannt... Nur ist es trotzdem irgendwie traurig, wenn Michi von ihr Abschied nehmen muß. Sicher; er hat die Erinnerungen an sie, aber sie ist nicht mehr hier, sie wird ihm nicht mehr winken und es wird auch sonst keine Rituale mehr geben.
Deine Geschichte ist sehr melancholisch und einfach nur schön. Mir hat sie gefallen!

Griasle,
stephy

 

Hallo Ihr beiden,

vielen dank für die anmerkungen.

@moonshadow
also lob darfst du ruhig so sehr ausufern lassen wie du magst..*smile*.. freut mich, dass dir die details so gefallen..hatte ja oben schon geschrieben, dass genau das der versuch war - viele kleine details, die interssant sein sollen.."ruhig und doch nicht langweilig"..danke, danke..*smile*..

@stephy
ja natürlich, auch wenn das "fazit" positiv ist; die geschichte hat schon einen eher traurigen schluss - aber ich bin davon überzeugt, das man den tod eines geliebten menschen für sich selbst auch sehr positiv umsetzen kann... wie traurig wäre es, es hätte ihn gar nicht gegeben? - wie schön war es, ihn gehabt zu haben?....das kann den abschied nach jahren des glücks doch sehr erleichtern...
melancholisch und schön - ja, dass ist kurz und knapp die beschreibung der gefühle des kleinen helden..*smile*...

vielen dank euch beiden..

liebe grüße, streicher

 

Lieber Streicher,


danke für diese wunderbare Geschichte! :kuss:


Ich fand in sehr vielen deiner lebendigen Beschreibungen meine Großeltern mütterlicherseits wieder. Diese Gelassenheit mit der die Großmutter, ohne Hinterfragen, den Haushalt führt, diese Distanz zwischen ihr und dem Ehemann, ohne Streben nach Veränderung, eine Mischung aus Schicksalsergebenheit, ruhigem Abwarten und seinen Weg zu gehen.
So hab ich auch meine Großeltern erlebt, mich manches mal gefragt, was eigentlich, ausser der Macht der Gewohnheit ihre Ehe zusammehält und mich bei meiner Oma geborgen und geliebt gefühlt.

Aber was mich noch viel, viel mehr beeindruckt und beim ersten Lesen deiner Geschichte zutiefst ergriffen hat, ist deine Beschreibung, auf welche Weise diese Oma ihre Zuneigung, ja Liebe schenkt. Damit hast du tiefer getroffen als es je manch eine Geschichte hier auf kg vermöchte, deswegen , weil ich in dieser Darstellung meine Oma wiedererlebt habe.
Sie war aus meiner Erinnerung heraus, der einzige Mensch, der keine Forderungen an mich stellte und mich so nahm wie ich war.


Was ich noch etwas deutlicher gemacht hätte, wenn ich von meiner Oma geschrieben hätte, aber es klingt bei dir ja auch schon ein wenig an, ist die Tatsache, dass sie mit großer Gelassenheit in der Lage war, von ihrem Leben Abschied zu nehmen. Sie hat in Würde ihre Alterslasten ertragen, und es wäre ihr nie in den Sinn gekommen, deswegen jemanden anzuklagen. Beide Großeltern sind in Würde alt geworden. Ein wenig fand ich diese Aussage auch in deiner Geschichte wieder.

Dies ist für mich ein Kernsatz in deiner Geschichte:

Ich dankte ihr im Geiste für Vieles und für das Wichtigste, was ich je gelernt hatte, ohne dass sie es jemals ausgesprochen hätte: Menschen zu lieben und ihnen zu geben, ohne an das Nehmen zu denken.

Ich wünschte, ich würde nochmals so jemandem begegnen.

Lieben Gruß
elvira

 

Lieber Streicher,
nun haben sich schon so viele KGler zu Deiner Geschichte geäußert, trotzdem will ich Dir meine Gedanken dazu nicht vorenthalten. ;)

Ich muss sagen, mir hat Deine Geschichte sehr gut gefallen. Natürlich habe ich auch Anmerkungen und Kritikpunkte, aber das sind Marginalien.

Was die Geschichte meiner Ansicht nach so gut macht, ist ihre Integrität. Das Thema, der Erzählfluss, der Schreibstil, die Charaktere, all das harmoniert miteinander. Es entsteht ein ruhiges, facettenreiches Bild, das nicht durch logische oder stilistische Brüche in Unordnung gebracht wird. Das hätte z.B. leicht geschehen können, als du davon erzählst, dass der Ich-Erzähler mit seiner Beinschiene eben ein bisschen eingeschränkt und behindert ist. Aber du schaffst es, diesen Umstand so undramatisch in die Gesamtstimmung einzubringen, dass der Leser nicht das Wesentliche aus den Augen verliert, nämlich dass es in der Geschichte nicht um die Behinderung des Jungen geht, sondern um seine Beziehung zur Oma. Das ist wirklich sehr schön gelöst.

Was mir außerdem gefällt, sind die Beschreibungen der Personen. Sie sind überhaupt nicht klischeehaft, sondern wirken sehr menschlich mit ihren Vorlieben, Schwächen und kleinen Ritualen.

Ich finde übrigens nicht, dass ein Spannungsbogen fehlt. Okay, er ist nicht da. Aber es mangelt der Geschichte deswegen an nichts. Wenn du ein bisschen handwerklich verfeinern willst, kannst du dir überlegen, ob du die Schokolade schon eingangs erwähnst, z.B. dass die Oma sich ganz selten mal ein Stückchen gönnt und dabei ganz glücklich aussieht. Und vielleicht hat der Junge dabei so eine Fantasie, dass er, wenn er mal groß und reich ist, der Großmutter ganz, ganz viel Schokolade schenken möchte. Und als er dann heranwächst, denkt er dran, er könnte ihr ja eine Tafel schenken. Aber es kommt nicht dazu, und dann stirbt sie, und er schenkt ihr die Schokolade nachträglich in seinen Gedanken.

Aber das ist nur so ein Trick aus dem Magazin-Journalismus. Dass man Artikel mit einem Gedanken beginnt und mit dem gleichen beendet. Du kannst das hier anwenden, aber es ist in keinster Weise notwendig.

Vielleicht überlegst du auch, am Anfang der Geschichte ein paar Passagen umzustellen, so dass die Oma, um die es ja geht, zuerst vorgestellt wird. Und auf das Musikantenstadl und den Großvater danach eingegangen wird. Auch nur so ein kleiner Trick.
Und wie schaut's aus mit einer etwas längeren Überschrift? Ich meine, diese ist nicht verkehrt, sie passt auch. Aber Du verkaufst den schönen, stimmungsvollen Text mit dem Titel "Oma" fast ein bisschen unter.

Soweit meine Gedanken zur Oma.
Und jetzt guck ich, was du noch so für Beiträge in diesem Forum hast und ob die auch so gut sind, oder ob dies ein schöner "Ausrutscher" war. ;)
Lieber Gruß, Nyx

 

Hallo ihr beiden und vielen dank für eure ausführlichen gedanken..

liebe lakita - natürlich bin ich bei dem kuss erstmal ganz rot geworden..
:shy: (@webmaster - warum ist dieses smily nicht rot??).

dann habe ich mich aber sehr gefreut. sehr bewegend zu lesen, dass du so ganz ähnliche dinge erfahren hast.. was man auch daran erkennt, dass "dein Kernsatz" auch mein Kernsatz ist.. eigentlich ist damit alles gesagt, wenn man "solche" menschen beschreiben möchte.... hab schon bei so manchem satz von dir, selbst wieder eine kleine gänsehaut bekommen...

zum thema Tod. als ich deine zeilen gelesen habe, dachte ich daran, dass noch zu wenig herauskommt, dass obwohl die großeltern - wie du sagst - etwas distanziert gelebt haben, mehr aus gewohnheit, trotzdem der tod des einen menschen plötzlich auch den lebenswillen des anderen so deutlich schwächt.. dass ist etwas, was ich bis heute nicht begreife und erstaunlich finde.. danke, danke für deine lieben zeilen..

Nyx: so ein ganz anderes feedback - aber wirklich klasse.. mir selbst fehlt leider meist die geduld mich soo intensiv mit einer geschichte auseinander zu setzen.. schaff es selbst fast nie meine eigenen inhaltlich zu überarbeiten, wenn sie hier erst einmal stehen - aber das lob hast du ja schon alldieweil hier bekommen..:)

freut mich, dass dir die geschichte gefällt.. die idee mit der oma an der tafel schokolade finde ich sehr gut - ich hatte die schokolade vorher eingebaut, weil sie eben nicht zum ersten mal auftauchen sollte..aber es kann, wie du schreibst, noch intensiver werden..

die oma hat in diesem falle absichtlich nicht den anfang bekommen.. sie soll "dezent" bleiben, sie ist zwar die hauptperson der geschichte - aber doch immer eher zwischen den zeilen (das trifft es auch nicht ganz, aber du weißt vielleicht, was ich meine..).. so unspektakulär wie möglich... das macht in meinen augen, einen großen teil des liebenswerten aus..

und der titel.. hach ja - wie lange hab ich da überlegt..:bonk:

sie hatte auf kg.de am anfang auch einen anderen namen "Blasmusik, Neue Post und einen Tafel Schokolade" - das fand ich dann plötzlich ganz schrecklich.. und "Oma" ist passend - wenn auch verkaufstechnisch nicht optimal.. eine gute idee für eine head die beides leistet??

vielen dank noch einmal und ganz liebe grüße streicher

 

eine gute idee für eine head die beides leistet??

=>Oma, die Blasmusik, Neue Post und eine Tafel Schokolade :lol:

(ein kleines bisschen albern zwar, aber doch eine Überlegung wert)


FLoH.

 

Nyx hat es irgendwie schon richtig getroffen, lieber Streicher, deine Überschrift ist nicht besonders griffig.

Wie wäre es, wenn du diese Idee mit der Schokolade noch mehr in deinen Text einbaust, dass Oma sich ab und zu mal ein Stückchen gönnt, aber sie eher sehr verhalten damit umgeht und es bis an ihr Lebensende etwas Besonderes für sie bleibt und dein Protagonist sich am Ende etwas traurig fühlt, weil er ihr nie dieses Geschenk gemacht hat?

Dann könntest du die Geschichte vielleicht "eine Tafel Schokolade" nennen, finde das klingt besser als nur Oma.
Übrigens meine Oma hat sich bis fast zu ihrem Tode mit Vorliebe eine Stulle Brot abgeschnitten, wobei sie kein Brett benutzte,sondern das Brot gegen den Bauch drückte und mit dem Messer zum Bauch hin eine Scheibe abschnitt. Diese Scheibe beschmierte sie dann mit schlichter Butter, wobei sie immer dazu "gute Butter" sagte. Meine Geschichte, wenn es eine gäbe, würde daher die Überschrift "Butterstullen" bekommen.
Vielleicht fällt dir ja auch noch was besonders Eigentümliches ein, was du noch in die Geschichte einbauen kannst und was dir eine bewußtere Überschrift schafft.

Lieben Gruß
elvira

 

na da kommen ja richtig ideen geflogen..:)

@floh - habe den ausführlichen titel gestrichen, weil er so laut ist im vergleich zur leisen geschichte..

@laktia - die tafel schokolade ist ein teil der "fälschungen" in der geschichte - eigentlich ging es nie um schokolade, sondern immer um ein pommes mit soße..:D was mir aber zu wenig griffig war für eine story..und dann gleich in den titel? - aber das könnte es trotzdem sein..dass es noch etwas mehr eingebaut werden sollte, denke ich aber auch..

am wochenende nehme ich mir nochmal zeit...vielen lieben dank fürs mitdenken..

viele grüße, streicher

PS: häferl - smilies sind wirklich geil..;)

 

Lieber Streicher,
also soooo schwierig kann es mit einer passenderen Überschrift doch auch nicht sein. ;)

Schaumermal... Mir fällt spontan Folgendes ein:

Schokolade für Oma
Abschied von Oma
Kindheit mit Oma
Meine liebste Oma (In Anlehnung an das Abschiedsritual)

Für eine Tafel Schokolade
Bittersüße Jahre (klingt allerdings sehr nach Groschenroman)
Als Oma mich verließ (hm, ein bisschen zu theatralisch vielleicht...)

Vielleicht inspiriert es dich bei deinen Überlegungen. Mir persönlich gefällt "Schokolade für Oma" am besten.
Dazu müsste dann aber die Schokolade präsenter werden - am Anfang und am Schluss. Vielleicht kann der Prot bei seinem Spaziergang Schokolade essen und sie in Gedanken mit der Oma teilen?

Wie auch immer. Ich bin gespannt auf die nächste Fassung deiner Geschichte. Mach dich ran! :comp:

Nyx

 

Oder vielleicht
"Omas Schokolade"
"Warum ich bei Schokolade immer an Oma denke"
"Was Liebe mit Schokolade zu tun hat" (oder noch besser umgekehrt)

smilies sind wirklich geil..;)
:) Demnächst kommt der Perfektionskurs... :D

 

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