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Memento einer deutschen Liebe
Ein gelblicher Kranz umringt deine Pupillen, ins Gräuliche hineinreichend. Eine Farbe, die einem das Beschreiben schwer macht, belagert vom Blau deiner Augen, die ich so sehr an dir schätze.
Meine Hand streicht durch dein dunkelblondes Haar, und unsere Lippen pressen sich in einer Mischung aus Gier und Verzweiflung aneinander. Wir lachen dem Wahnsinn ins Gesicht und zelebrieren ein letztes Mal unsere Liebe, während draußen auf den Straßen Schaufenster zerspringen und der Mob nach Vergeltung schreit.
Beethoven hat deine Finger geformt, nie werde ich das vergessen können. Mit der selben Eleganz, mit der deine Finger die Klaviersonaten des alten Meisters zum Leben erwecken, umspielst du meine Brust, und die aufkeimende Wärme vertreibt die Kälte der Zeit in mir.
Du flüsterst es mir ins Ohr, und mir läuft es kalt über den Rücken.
„Ich liebe dich“, sagst du, und es liegt eine Spur von Melancholie darin, die ich aus deinen Blicken kenne.
Man kann Erinnerungen nicht töten.
An diesem bleischweren Abend habe ich nicht gewusst, dass es ein Abschied werden sollte. Oft denke ich darüber nach, ob du es wusstest. Wir saßen mit umschlungenen Händen auf der Kante des frisch bezogenen Bettes, schlossen die Augen und ließen uns nach hinten fallen.
In diesem Moment wünschte ich, die alte Standuhr möge stehen bleiben.
Doch die Bettfedern gaben geräuschvoll nach, fingen uns auf, und es schlug zwölf Uhr.
Irgendwann fielen wir schließlich in die Dunkelheit. Noch während ich schlief, hast du mich verlassen, bist nach Hause gefahren. Hast einen Brief geschrieben, wie sie mir dann später ins Gesicht lachten. Einen Brief für mich, den ich niemals lesen werde.
In deiner Wohnung angekommen, ließest du einen alten französischen Geist aus der Flasche. Du nahmst ihn damals mit in die Heimat, hast ihn aber niemals angebrochen. Ich kannte die Geschichte dieses alten Cognacs genauso wie die Geschichte des Wahnsinns an der Marne.
Eines Herbstabends hast du sie mir erzählt. Sie handelte von deinem schweren Armeerevolver und Franzosen in deinem Graben.
Nur zu genau um seine Stärke wissend, hast du dein Glas ausgetrunken und ihn dir an die Schläfe gesetzt.
Als ich es erfuhr, fühlte ich mich verraten, zurückgelassen, rannte schreiend umher und stieß in wildem Wahn die Standuhr zu Boden. Das Holz zerbarst und winzige Zahnräder tanzten zu meinen Füßen.
Nur wenig später standen sie vor der Türe, trugen Hüte und Trenchcoat und den Schrecken ihres Amtes vor sich her.
Hier im Lager bist du ganz weit unten, Max, ganz weit unten als Homosexueller. Doch ich habe dir vergeben, empfinde keine Wut mehr über deine Flucht.
Über die Jahre hinweg habe ich verlernt, die Tage zu zählen, aber sie haben mich nicht brechen können. Sie wissen, dass sich das Ende ankündigt, und das bestärkt noch einmal ihren Wahn. Schon seit Stunden hallen Schüsse über den Hof. Ich werde aufrecht stehen, Max, dich wiedersehen und dir vergeben, denn ich weiß um die Gnade des Todes.