Mitschildig
Sehr geehrte Mitschildbürgerin, sehr geehrter Mitschildbürger,
... wir sind heute hir zusammen gekommen um darüber zu diskutieren ... wie es dazu kommen konnte, daß mein Lenkrad das gestern noch so unschuldig in meinem Wagen prangte, plötzlich diese Zahnabdrücke meines Ober- und auch Unterkiefers aufweisen kann. Mein Lenkrad ist luxoriöserweise mit Leder bespannt - mit braunem Leder - und ist, ich muß es nun leider zugeben, nicht besonders schmackhaft.
Der Grund ist ein Schild - genau genommen mehere Schilder - aber alle in der selben Form- und Farbgebung: Das Schild ist aus Blech. Das Schild ist rund. Das Schild hat einen roten Kringel auf weißem Grund. Das Schild entspricht der Straßenverkehrsordnung (StVO) zu 100 %. Das Schild entspricht genau dem Beispiel zu dem mein Fahrschullehrer immer gesagt hat: "Da derf mer net neifahn". Und das Schild läßt mich nicht nach Hause ...
Ich wohne in Schöllkrippen ... selbst dran Schuld mag da der Eine oder Andere murmeln. Da ist es aber sehr schön, sehr angenehm und überhaupt. Leider gibt es aber seit einiger Zeit auf der Hauptzufahrtstraße eine Baustelle. Bis gestern war Sie beampelt. Seit gestern steht da das rot-weiße Monster. Anlieger sind hier auch noch unfrei (Also kein allseits bekannter allerdings höchst mißverständlicher Zusatz "Anlieger frei") - o.k. wir kennen uns ja aus und fahr'n von der anderen Seite her rein - da steht allerdings ebenfalls die Versuchung in rot-weiß - Anlieger immer noch nicht willkommen. Die anderen Feldwege und sonstigen Zufahrten sind sowieso illegal (hier findet der geneigte Leser dann rot-weiße Gesamtkunstwerke, die dann gleich aus drei oder vier verschiedenen Blechkameraden bestehen - alles auch ohne Ausnahme für den Heimfahrer). Mit anderen Worten, die Straße in der ich wohne ist vollkommen Vorwarnungsfrei zur "verkehrsberuhigten Zone" geworden aus der Autos zwar raus aber nie nie nie wieder rein fahren können ... Da war es dann soweit und ein Stück Lenkrad zwängte sich meine Speiseröhre hinab ...
Bevor der Mensch vom banalen Homo Sapiens zum Homo Automobilus wird - also bevor er (oder auch sie) sich im eleganten Blechkleid bewegen darf, hat der Schöpfer bekanntlich den Führerschein gestellt. Um selbigen zu erlangen gibt es Unterricht und schließlich die Prüfung. Alles nur um die entsprechende Gläubigkeit herzustellen. Wir lernen also die Götter des aufgestellten Bleches (Schilder) zu ehren und die Götter des Lichtes (Ampeln) zu achten und uns überhaupt nach den Geboten (StVO) zu richten. Nur wenn wir das tun, kommen wir ungeschoren nach Hause und werden von den Verkehrkontrollen und anderen höllischen Qualen verschont. Wir wurden alle geblendet, wir armen Unwissenden.
In diesem Prozess wurde mir glaubhaft gemacht, daß Beschilderung und Beamplung einem 'Masterplan' folgen, immer sinnvoll sind und der eigenen Sicherheit dienen. Sprich: Sie machen immer Sinn, Zuwiderhandlung wird IMMER bestraft und ich Wurm darf an deren Sinn nicht zweifeln - nun will ich aber heim - also zweifle ich also doch: "Welcher polizeilich gutgeheißener Arsch hat hier diesen Blödsinnsschilderwald aufgestellt, der mich 5 oder mehr Kilometer das Blech umkreisen läßt?"
So ergeht es jemandem, der feststellt ich bin jahrelang ein "Mitschildiger" gewesen. Ich habe die falschen Götter angebetet statt nach dem "common sense" zu fragen ... unter mit tut sich die Erde auf und das Stück Lenkrad sackt in den Magen.
Hiermit sei es also eröffnet: ich habe dann so getan als hätte ich das Schild nicht gesehen und bin an einer kleinen Grube vorbei sicher nach Hause gefahren - mein Herz pochte in Erwartung des grünen Teufels mit weißem Häubchen - nichts geschah außer das ich zu Hause eintraf.
Dort traf ich dann auf meine Lieblingsfrau. Diese meine Lieblingsfrau ist "Justizobersekretärin". Damit ist wohl alles gesagt: Eine echte Amtsperson. Ich frag Sie: "Samma hast Du auch diese Schilder gesehn?" Was ich dann hörte, erschütterte wiederum meinen Glauben an den 'Masterplan' im Land der 'Dichter und Denker' in seinen Grundfesten: "Die spinnen doch die Jungs - da kamma doch einfach durchfahn das geht doch." Das war's. Statement. Punkt. Ende. Und das von einer Justitzobersekretärin!
Im Laufe dieses Tages kamen mir dann weitere Gedanken. Auf Basis von welcher Lizenz wird man eigentlich in Lande der Dichter und Denker zum Gott des aufgestellten Blechs? Muß man dafür dichten oder denken können - wieviele Blödsinnsbleche gibt es eigentlich noch. So betrachtet bekommt der Halbsatz 'red' doch kein Blech' eine ganz neue Bedeutung ...
Früher, viel früher, zur Zeit des "Kalten Krieges" wurde ein markanter Spruch kreiert: ... Achtung die Russe' komme. Damit wollte man seine Angst vor Krieg und Untergang ausdrücken. Der Krieg tobt doch schon lange und er tobt im Wald ... im Schilderwald. Er kommt in Bussen - so kleine VW Transportbusse - mit unzähligen bunten (meist rot-weißen) putzigen Schildchen drauf. Nun sollte also der Spruch lauten: ... Achtung die Busse komme ...
- Nahallamarsch
