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Monotonie
Piep. Die Gefriertruhe steht weit unter der vertrauten Erde, am Ende eines langen, schmalen Ganges. Sie gibt ohrenbetäubende, schrille Töne von sich. Eine monotone Roboterstimme sagt: „Die Truhe...“ Piep. Piep. Identische schrille Laute, immer wieder. Dann mach sie doch zu. Die Stimme sagt: „Reich mir mal das Eis“. Automatisch fassen meine lahmen Greifer nach den gelben Päckchen. Piep. Piep. Die Toilette neben der Gefriertruhe. Der Deckel hochgeklappt. Ein Bündel nasser, brauner Handtücher schimmelt auf dem kalten Boden. Piep. Piep. Durch das kleine Fenster dringt kein Licht. Existiert die Sonne oder ist sie nur Illusion, bloße Erinnerung? „Schalt das Licht ein“, knarrt die Stimme. Vier Silben in derselben Höhe, ohne Variation. Die träge Hand tastet zum Schalter. Piep. Piep. Das grelle Licht der Neonröhre fällt auf die Gefriertruhe, die Handtücher, die Toilette, die Stimme und mich, ohne etwas zu erhellen. Das Fenster ist vergittert. Ich kann nicht sehen, ob die Sonne existiert. Nicht, dass es einen Unterschied machen würde. Piep. Piep. „Liebst Du mich“, fragt die Stimme zwischen zwei Tönen. Kann man eine Stimme lieben? Ja, natürlich. Es gibt weder eine Wahlmöglichkeit, noch eine Alternative. Brauner Pullover, braune Hose, braunes Lächeln, braune Reste in der geöffneten Toilette. Dicke Staubschicht auf der Truhe. Die Heizung seit Jahren nicht mehr angestellt. Piep. Piep. Gänsehaut. Natürlich. Natürlich liebe ich die Gefriertruhe, die Handtücher, die Toilette, die Stimme. Mich nicht. Piep.