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Morgengedanken

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23.01.2004
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Niemand versteht mich! So kommt es mir zumindest vor. Warum? Nur weil ich über Dinge nachdenke, die alltäglich sind? Weil es keinen interessiert, was ich über die Welt meine?
Egal, wieder sitze ich allein auf dem Doppelsitz im Bus. Hinter mir, vor mir, fröhliches Gelächter. Leute, vertieft in Gespräche und schweigende, aus dem Fenster starrende Personen. Zu letzteren würde ein Beobachter mich sicherlich auch zählen. Aber ich sehe mir die Natur an, die mir doch so bekannte Umgebung. Jeden Tag sehe ich dasselbe. Aber immer anders. Heute geht die Sonne in einem wunderschönen Magentarot über dem See auf, welcher ihre freundlichen, ruhigen Strahlen mit leichten Wellen zurückwirft. Was morgen kommt weiß ich nicht. Vielleicht ist der azurblaue Himmel morgen mit grauen, tristen Wolken verhangen. Ein Schwarm von Wildgänsen fliegt durch mein Bild. Ständig ändern sie ihre Formation. Nur ein Vogel fliegt allein, strikt den anderen hinterher. Doch dann gesellt sich ein zweiter zu ihm, umkreist ihn und scheint ihn zu mögen.
An der nächsten Haltestelle wird der leere Platz neben mir besetzt. Bis auf die Anfrage, ob sie sich setzen dürfe, schweigt sie. Genau wie ich. Ich lasse mich nicht abbringen. Weiter schaue ich in Gedanken versunken aus dem Fenster. Aber etwas ist anders als erst. Dieses Mädchen. Sie beobachtet mich! Ich weiß es. Ich spür es. Warum tut sie das? Es ist doch normal aus dem Fenster zu sehen. Ich drehe mich zu ihr um. Wider meines Erwarten ist sie weder überrascht noch erschreckt. Stattdessen blickt sie mir fest in die Augen. Was soll das? Ein Lächeln spielte um ihren Mund. Soll ich etwas sagen? Anstatt weiter darüber nachzudenken, drehe ich mich verwirrt wieder zum Fenster. Aber ich kann nicht einfach weiter so spielen, als wäre sie Luft. Das ist doch gemein. Obwohl, das hab ich bisher immer so gemacht. Mädchen hin oder her. Aber sie ist noch so jung, so unschuldig. Vielleicht erst acht oder neun.

„Du?“
Wieder unterbricht sie meine Gedanken. Und ohne Überlegen antworte ich:
„Äh...Ja? Was kann ich für dich tun?“
Sie schenkt mir abermals ein Lächeln, was mir im Unterbewusstsein ein seltsames Glücksgefühl beschert.
„Magst du die Sonne?“
„Ja. Warum? Wer mag sie nicht?“
Ich habe keine Idee, was ihre Frage bezwecken soll.
„Sie ist heute wunderschön.“
„Ja. Rot, wie ein Feuerball.“
„Brennt sie?“
„Ich weiß nicht. Vielleicht. Auf jeden Fall ist sie sehr heiß. Siehst du die Vögel?“
Und in diesem Moment, ohne dass ich es wissen könnte, fällt der anscheinend leblose Körper der einsamen Ente hinunter.
Mit aufgerissenen Augen starrt sie durch das Fenster. Dabei nickt sie. Aber so ruckartig. Ängstlich.
„Was ist mit dem Vogel geschehen?“
„Er wurde wahrscheinlich abgeschossen. Vielleicht war er krank.“
„Aber wenn ich krank bin, werde ich dann auch erschossen?“
„Nein. Warum sollte man dich erschießen?“
„Und warum erschießen die dann einen Vogel?“

 
Zuletzt bearbeitet:

Mir gefällt die Geschichte!

Zuerst die Alltagsbeschreibung des etwas steifen Kerls im Bus, der ungestört aus dem Fenster starren will. Dann, die für ihn atypische Situation mit dem Kind, mit der dein Protagonist als steifer Mensch kaum umgehen kann... Er geht (wahrscheinlich anders als sonst) komplett aus sich heraus, redet mit dem Kind und dann die Tragödie des Zufalls mit der abschließenden Moralfrage.

Es ist jedoch wichtig, besonders den Schluss des Textes mit einer gesunden Prise Humor zu genießen, dann kann sich niemand dem Charme dieser Story verwehren. Auch ich konnte mir nach dem letzten Satz (also der kindlich-naiven Frage) ein Lachen nicht verkneifen.

Ich finde allerdings, dass dieser Text besser in der Rubrik Alltag aufgehoben wäre, immerhin handelt doch die gesamte Geschichte um eine Alltagssituation, die erst am Schluss gesellschaftliche Aspekte aufwirft.

Eine originelle, erfrischend kreative Geschichte, die mir beim Durchlesen echte Freude bereitet hat.

 

Hallo fineliner,

mit schönen Worten und einer Portion Philosophie zwischen den Zeilen (Du weißt schon: den Alltag hinterfragen ;)) kommt dein Text daher.
Er klingt für mich wie ein Tagebucheintrag einer jungen Person, die nachdenklich durchs Leben geht, Freude am Beobachten (der Natur) hat, aber ein wenig altklug im Gespräch mit dem Mädchen klingt - deshalb wahrscheinlich jingles Vermutung, es handele sich um einen etwas "steifen Kerl".

Wenn du wirklich noch 13 bist, hast du Talent, keine Frage.
Weiter so.

 

Wenn du wirklich 1988 geboren bist (wie das in deinem Profil steht), also 16 bist, dann solltest du auf jeden Fall weiterschreiben. Denn für dieses Alter ist der Text echt beachtenswert.

 

Erst einmal das stereotype und trotzdem immerwieder passende Dankeschön an Euch.

Zum Anfang schon: Ich bin 1988 geboren, da ich aber erst im Mai sechszehn werde bin ich weder 13 noch 16:D Aber ist ja nicht sooooo schlimm.

Mir wurde schon manchmal gesagt, dass einige meiner Geschichten wie Tagebucheinträge wirken. Vielleicht liegt das daran, dass ich meine Ideen hauptsächlich meinen Alltagssituationen entnehme. Allerdings spinne ich meistens noch ein wenig hinzu. :cool: Denn sonst WÄREN es ja wirklich Tagebucheinträge.

Auf jeden Fall noch einmal herzlichen Dank, für das Lob (wie heißt die MEhrzahl?:rolleyes: ) und die positive Kritik.

mvfG fineliner

 

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