Was ist neu

Rauchen fügt Ihnen und den Menschen...

Joh

Mitglied
Beitritt
28.07.2003
Beiträge
163

Rauchen fügt Ihnen und den Menschen...

Rauchen fügt Ihnen und den Menschen in Ihrer
Umgebung erheblichen Schaden zu

Nehmen wir einen Mann mittleren Alters und nennen ihn Kurt oder Karl. Um ihn herum bauen wir eine geräumige Einzimmerwohnung, mehr braucht er nicht, denn er gilt amtlicherseits als ledig und kinderlos. Fügen wir noch eine spartanische Wohnungseinrichtung aus einem dänischen Möbellager hinzu und nennen eine Zeit:
Es ist Samstagabend, 22.55 Uhr.

Klaus, wie wir ihn nun mutwillig und ohne besonderen Grund taufen, sitzt vor seinem Fernseher und wartet auf den Beginn des aktuellen Sportstudios. Noch hat er zehn Minuten Zeit, seine Augen wandern suchend über den Wohnzimmertisch. Endlich hat sein Blick das Objekt seiner Begierde gefunden, die rechte Hand greift zur Zigarettenschachtel und klappt den Deckel hoch. Mit ihm gemeinsam müssen wir erschrocken feststellen, dass diese leer ist. Klaus blickt uns anklagend an, obwohl er von unserer Existenz nichts wissen dürfte, und schuldbewusst müssen wir gestehen, ihn nicht ausreichend mit seinem Suchtmittel versorgt zu haben. Klaus wird unruhig und blickt zur Uhr. Ihm verbleiben noch acht Minuten, um entweder eine neue Schachtel Zigaretten vom zwei Straßenblöcke entfernt liegenden Automaten zu holen oder endgültig das Rauchen aufzugeben.
Klaus entscheidet sich für das erstere, schließlich begann heute die Bundesligarückrunde und die aufgebaute Spannung lässt es nicht zu, dass Klaus plötzlich zum Nichtraucher mutiert.

Klaus geht zu seiner Garderobe, zieht sich einen wattierten Mantel über und schützt das Gesicht vor der draußen zu erwartenden Kälte mit einem flüchtig umgewickelten Schal. Er steckt sein Portemonnaie in die rechte Manteltasche, überlegt noch für einen kurzen Moment, ob er seine Turnschuhe, die er gerade trägt, gegen wärmere Stiefel eintauschen möchte, entscheidet sich aber dagegen, da die Zeit drängt. Er verlässt seine Wohnung, ohne das Licht in Flur und Wohnzimmer zu löschen oder den Fernseher abzustellen.

Das kleine Licht der Hausbeleuchtung wirft einen hellgelben Halbkreis auf den vor dem Haus stehenden Schneemann. Blaues Fernsehlicht blinkert aus der Nachbarwohnung und wechselt schlagartig Intensität und Farbe. Wir rufen ihm ins Gedächnis, dass er keine Zeit zu verlieren hat. Er tritt die zwei Stufen zum Gehweg herab und folgt dem nicht geräumten Weg zur Straße. Eile und gleichzeitige Furcht vor einer plötzlich auftauchenden Eisschicht führen ein kurzes Scheingefecht, Klaus hat sich längst für Eile entschieden und folgt den lichttriefenden Straßenlaternen. Die Straße ist menschenleer, Laternen und eine lange Schlange am Bordstein parkender Autos in unterschiedlichen Grautönen bilden eine hohle Gasse, die ihm den Weg weist.

Zwei Straßenblöcke weiter, an einer ehemaligen Gaststätte, deren große Fenster nun blind zu den umliegenden Häusern starren, weil sie pappverhangen auf neue Betreiber warten, befindet sich der Zigarettenautomat als allerletztes Relikt der ehemaliger Unterhaltungsmöglichkeiten des Viertels. Unter dem unbeleuchteten Reklameschild „Zum scharfen Eck“ hinabtauchend greift Klaus in seine rechte Manteltasche, zieht die dort gelagerte Geldbörse heraus und sucht nach Kleingeld. Dieses haben wir als Entschuldigung für den von uns nicht beabsichtigten Zigarettenmangel reichlich beigefügt, sodass Klaus bereits nach einmaligem Griff ein Zweieurostück zwischen Daumen und Zeigefinger eingeklemmen kann, während die restlichen Finger das ebenfalls erforderliche Eineurostück sicher verbergen.

Der Zigarettenautomat gehört zur moderneren Bauweise, was nicht nur gleichbedeutend mit häufiger auftretenden technischen Fehlern ist, sondern auch das Ziehen der gewünschten Marke erleichtern soll. Nachdem Klaus sein Zweieurostück hineingeworfen hat, leuchtet grünlich ein Rechteck auf, die Schrift „bitte warten“ erscheint. Ohne dies weiter zu beachten, wirft Klaus sogleich die zweite Münze nach, bereitwillig werden beide aufgenommen und er kann die erleuchtete Taste mit seiner Lieblingsmarke drücken. Der Automat gibt ein metallisches Rappeln von sich, er hört die Schachtel fallen, greift in den Schacht – und findet nichts. Erst jetzt fällt ihm auf, dass die Klappe halb in den Schacht hineinreicht und, sei es durch die Kälte oder jugendliches Rowdytum, sich kaum bewegen lässt. Seine Finger tasten am kalten Metallrand entlang und treffen endlich auf etwas, dass sich nicht nur so anfühlt wie die von ihm gewünschte Zigarettenschachtel, sondern diese auch tatsächlich ist. Klaus streckt seine Hand weiter hinein, zwängt sie durch die Öffnung, endlich können seine Finger die begehrte Schachtel umgreifen, da fällt uns ein... -
Wir wollen ihn noch warnen, doch es ist schon zu spät. Seine Hand steckt im Automaten fest, die Finger können die Zigarettenschachtel nicht mehr loslassen, mit ihr aber ist eine Rückkehr in die eisige Freiheit nicht möglich. Klaus rüttelt und schüttelt, zerrt und drückt seine Hand hin- und her, obwohl auch ihm längst klar ist, dass dies nicht von Erfolg gekrönt sein kann.

Zwischenzeitlich hat das aktuelle Sportstudio bereits begonnen, wie er einer leise aus dem Fenster dringenden Fernsehstimme aus dem ersten Stockwerk entnehmen kann. Fernsehlichter aus einigen Wohnungen lassen den Schnee aufleuchten, er hört Männer grölen, leise Musik, Straßenlaternen füttern die Dunkelheit geräuschlos mit Licht – und er steckt fest.

Klaus Augen blicken anklagend in den nächtlichen Himmel, seine Flüche werden aber weder von einer göttlichen Stimme beantwortet noch fühlen wir uns für seine Lage verantwortlich. Über ihm das Leuchten der Sterne, die wie aufgeregte Schmetterlinge mit ihren Lichtflügeln flattern. Er wendet sich suchend wieder der Straße zu, doch ist der Zeitpunkt denkbar ungünstig, um einen zufällig vorbei eilenden Menschen um Hilfe zu bitten. Es ist niemand zu sehen.

Vielleicht sollte er es doch wagen, laut um Hilfe zu rufen, überlegt Klaus kurz, doch sind Hilferufe in dieser Gegend nicht ungewöhnlich und führen nur noch selten dazu, dass jemand von seinem Fernsehgerät aufsteht und aus dem Fenster schaut – vor allem nicht in kalten Winternächten.
In diesem Moment bemerkt Klaus etwas, das ihm fast wie ein Wunder erscheint. In einem Auto, welches zwei Meter entfernt von ihm parkt, leuchtet kurz etwas rötlich auf. Jetzt kann er sogar schemenhaft eine Person erkennen, die in dem dunklen Fahrzeug sitzt – und raucht. Für einen kurzen Moment durchströmt ihn Wut, dass der andere seine Notlage nicht erkannt hat – und etwas tut, was er selber nun auch dringend benötigen würde. Klaus versucht, sich durch heftige Winkzeichen bei dem Unbekannten bemerkbar zu machen – und endlich, so scheint es ihm, wandert dessen Kopf zu ihm herüber. In diesem Moment erschallt ein lauter Sirenenton, rotes Blinklicht strahlt von der Häuserwand, die Gestalt im Wagen reißt blitzschnell die Autotür auf.

Nun fällt Klaus auch ein, warum er das dort parkende Auto im Unterbewußtsein als „merkwürdig“ eingestuft hat: der Parkplatz ist als Kundenparkplatz für die dort befindliche Bank gedacht, was eine Belegung am Samstagabend normalerweise ausschließt. Und die beiden Gestalten, die in diesem Moment rasch auf das Auto zulaufen, erscheinen ihm nicht wirklich wie besonnene Bankkunden. In seinem ersten Schrecken gelingt es Klaus, die Zigarettenschachtel aus seiner Hand gleiten zu lassen, diese wiederum kann kalt und gefühllos, aber immerhin noch intakt, den Automatenschacht verlassen. Seine und unsere Erleichterung ist jedoch nur von kurzer Dauer, da drei Männer gleichzeitig auf ihn zustürmen. „Du Geisel!“ ruft einer, vier Hände zerren ihn ins Auto, zwei andere starten bereits den Motor, das helle Scheinwerferlicht ergibt mit dem roten Licht des bankeigenen Sicherheitssystems eine ungesund ausschauende Farbmischung. Die Lichter der umliegenden Wohnungen leuchten plötzlich wie eine unter Starkstrom stehende Weihnachtsbaumbeleuchtung auf. Wir benutzen diesen Satz, weil wir nach Zeilen bezahlt werden.

Bevor Klaus noch begreifen kann, was genau geschehen ist, leuchtet auch schon am anderen Ende der Straße das Blaulicht eines Streifenwagens auf. „Wech!“ befiehlt der bisher gesprächigste der drei Männer. Klaus wird abwechselnd von rechts nach links gegen einen seiner Mitinsassen auf der Rückbank des Autos gestossen, während der Fahrer deutlich Mühe hat, mit Höchstgeschwindigkeit den engen Straßen der Stadt zu folgen. Wir müssen mit Klaus zusammen betrübt feststellen, dass nicht nur die geplante Weiterführung des Fernsehabends fragwürdig geworden ist, sondern Klaus auch noch seine Zigarettenschachtel in der Aufregung im Automatenschacht hat liegen lassen. Es scheint ihm zwar nicht der rechte Zeitpunkt, einen der drei Männer um eine Zigarette zu bitten, denn der sie verfolgende Polizeiwagen macht einfach zu viel Lärm, als das die anderen seine Frage akkustisch aufnehmen könnte, trotzdem versucht er es.

Zwischenzeitlich haben wir die Zahl der sie verfolgenden Polizeiwagen auf drei anwachsen lassen, die Nervosität im Wagen steigt. Auch Klaus hält es nicht mehr aus und macht mit einer international bekannten Geste gegenüber seinem Nebenmann drastisch deutlich, was er nun dringend und auf jeden Fall benötigt. Der versteht, fasst in seine Jacke und zerrt eine Zigarettenschachtel hervor. Die Marke gehört zwar nicht zu den von Klaus bevorzugten, doch sieht er ein, dass es in der jetzigen Situation wenig hilfreich ist, über einen besonderen Geschmack zu verfügen. Mit einem dankbaren Nicken zieht er eine Zigarette heraus und erhält Feuer.

Gerade hat Klaus seinen ersten tiefen Nikotinzug inhalieren dürfen, als dass Auto in seinem Fluchtdrang abrupt innehalten muss. Nicht nur Klaus schnellt nach vorne, auch seine Hand mit der brennenden Zigarette folgt der bisherigen Bewegung, die glühende Spitze trifft auf eine für solche Angriffe äußerst ungeschützte Stelle im Nacken des Fahrers. Der schreit entsetzt auf. Bevor seine beiden Mitstreiter Klaus noch auf seinen Sitz zurückzerren können, kracht das Auto gegen einen Straßenbaum. Die weitere Verfolgung des nun stehenden Wagens bereitet der Polizei wenig Mühe, wieder greifen eifrige Hände nach Klaus, die sich diesmal allerdings in Uniformen befinden.

Seine Arme werden ihm auf den Rücken gedreht, Handschellen schnappen zu und kaltes Metall kneift in seine Haut. Klaus, der plötzlich wieder Hoffnung schöpft, zumindest die Ergebnisse der Bundesligaspiele noch heute auf Videotext lesen zu können, entgleitet ein heiseres: „Ich war die Geisel, ich habe damit nichts zu tun“. Drei leicht lädierte Bankräuber starren ihn sofort an, fast gleichzeitig kreischt es böse aus ihren Mündern: „Nix Geisel, er Chef!“ Wir können ihm nicht helfen.

 

hello Joh,
da ist Dir eine launige Geschichte gelungen. Ich wusste zwar, dass Rauchen Risiken birgt, aber mit solchen hatte ich nicht gerechnet.
Schade, dass die Bösewichter nur radebrechen können, gibt es keine Täter mit elaboriertem Code? 'Nehmen Sie bitte zur Kenntnis, dass Sie von diesem Augenblick an als Geisel dienen' wäre doch auch nett gewesen ;-)

Allerdings nimmt die distanzierte Wir-Form der Geschichte doch sehr das Tempo...

Viele Grüsse vom gox

 

Ja, war einfach nur ziemlich genial, für einige Lacher gut und könnte für die nächste Anti-Rauch-Kampagne verwendet werden ;-) Ich hätte mir fast sowas wie dass der Hauptdarsteller wegen versuchtem Automatenaufbrechen verhaftet wird vorgestellt, aber die Handlungswendung mit den Bankräubern war auch recht gelungen.

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom