Was ist neu

Rot auf Schwarz

Monster-WG
Seniors
Beitritt
04.03.2018
Beiträge
1.353
Zuletzt bearbeitet:

Rot auf Schwarz

»Tschjort pabiri!« Natalja schnaubt. Eine Blitz zuckt über die Baumwipfel, wenig später folgt ersticktes Grollen, als hätte die Erde den Blitz verschluckt. Auf ihrer Wange kreuzt eine nasse Strähne feine erste Falten. Ein Tropfen läuft an ihr entlang, sammelt sich an der Spitze, glitzert, bis er groß genug ist zu fallen.
Elfenbeinschwarz auf Hautfarbe, mit dem Schwertschlepper, feiner Schwung aus dem Handgelenk, gegen Ende schnell hochgezogen, ein winziger Lichtreflex in Lasurweiß.

Der Landregen riecht nach Zeltlager, Bänken aus geschlagenem Grünholz und frisch gesenster Wiese. Von den Bäumen weht das warme Harz herüber. Über dem Plateau drückt das Gewitter, nagelt uns fest unter dem Felsvorsprung. Von der Kante fällt unablässig ein Perlenvorhang aus Wolkenguss. Glucksend fließt das Wasser zu Tal. Rinnt zu den Grasatollen in den Furchen zwischen den aufgeplatzten, schwarzen Bodenschollen.
Wir kauern unter Regenjacken, halten sie wie Segeltuch über den Kopf und die angezogenen Beine gespannt. Mit den seitlich abgestellten Rucksäcken versuchen wir, Lücken abzudichten. Der kalte Dunst kriecht durch alle Schichten bis auf die Haut.
Natalja lehnt den Kopf an meine Schulter. Ich spüre ihr Zittern. Leise und anhaltend. Ihr Haar duftet nach etwas, das nicht mehr da ist, jedenfalls nicht hier. Nach hellen Tagen im Süden.
Preußischblau auf Saftgrün mit Schwarz vermischt, draufgesprenkelte leuchtende Inseln aus Maigrün mit einem Hauch Vanadiumgelb gekrönt.

Schon beim nächsten Blitz weiß ich es, wir sind nicht allein. Angestrengt stiere ich unter Bäume, dorthin, wo sich Finsternis hinter Dunkelheit versteckt. Niemand zu sehen. Es dauert, bis ich weiß, was stört. Weiter hinten, dort, wo er hätte sein müssen, fehlen Stücke im Regen. Tropfen-Silhouetten im Nass. Und sie bewegen sich, gleichförmig, rhythmisch.
Natalja steht auf. Meine Hand schlägt sie weg. Die Regenjacke lässt sie achtlos über den Rücken gleiten. Ein Schwall Kälte dringt an meine Seite. Auf ihrer Jacke krabbeln Gewittertierchen. Sie hält auf die steinerne Freifläche zu, tritt aus dem Schutz des Felsens. In Sekundenschnelle ist sie nass bis auf die Knochen. Immer weiter geht sie, das Wasser wühlt mit strömenden Fingern durch ihre Haare, spült sie ins Gesicht. Sie lässt sie dort.
Natalja nimmt geradewegs Kurs auf die Erscheinung. Ich rufe ihr hinterher und weiß, das reicht nicht. Und doch bringe ich es nicht über mich, ihr in den Regen zu folgen. Empfindlichkeit ist mein größter Fehler – und meine größte Stärke.
Sie bleibt nicht stehen, dreht sich nicht um, hört mich nicht. Gleich einer aufgezogene Blechfigur setzt sie Schritt vor Schritt. Wenn ich blinzele, sehe ich eine Aura aus Indigo.
Als sie die Anomalie erreicht, hält sie inne, reckt die aufgeklappten Handflächen gen Himmel, tanzt im Kreis und lächelt. Die Augen hält sie geschlossen. Sie lächelt selten genug und noch seltener lange. Schwere Tropfen platzen auf den nackten Armen, aus ihren Stiefeln schwappt mit jedem Schritt ein Schluck Wasser.
Wenig Kobalt in Titanweiß. Nicht ganz verrührt und mit der Vierzehner Katzenzunge angetupft, bis kalte Haut hinter Regen verschwimmt.

Kehlige Laute dringen aus ihrem Mund. Raubtierlaute. Es riecht nach Wiedergängern, nach Morast, nach nassem Mondlicht. Sie streift die Kleidung ab, tritt nach vorne und wird vom Kreis einverleibt. Blass und fahl leuchtet sie aus der Mitte.
Eisige Starre fällt wie eine Staubwolke, wirft frostige Enterhaken, lässt mich husten und würgen. Ich bin verwachsen mit dem Boden, spüre feine Ästelungen, gefangen im Fischmaul des Felsüberhangs. Mein Mund gebiert ein Rasseln, unfähig zu sprechen.
Sie ist ganz bei sich, lächelt noch immer, dreht Pirouetten, den Kopf zur Seite geneigt. Transluzente Schemen umgeben sie in gegenläufigen Ringen. Dazwischen schimmert sie durch, die Bilder abgehackt, wie durch die Schlitze einer Wundertrommel.
Ich will meine Augen reiben, vermag es nicht. Arme hängen taub auf schlaffen Oberschenkeln. Kiloschwere, nutzlose Anhängsel, außer Dienst gesetzt. Der Boden saugt sich an, schlürft sich an mir fest.
Purpur, pastös angespachtelt, durchsetzt von Schlieren in Atramanet, der Farbe von dampfendem Unterholz, frühem Verfall und gemächlicher Zersetzung.

Ich rieche das Alter der Steine, wittere Flechten und Moose, ahne die Zyklen, die sie heimsuchen, rieche Finsternisperioden, die den Platz verändern, ihre feinen Haarwurzeln hineinfressen in den Boden, auf dem ich sitze.
Sie hebt vom Boden ab, hat das Drehen eingestellt. Ihr offener Mund ein Quell kehliger Beschwörungen. Ihre totengleiche Maske ragt um Armeslänge aus dem geschehen. Die Königin, getragen vom Geistervolk.
Gebannt verfolge ich das Geschehen, habe keine Wahl, spüre, wie mich Augen in den Fokus nehmen. Ich atme zu flach, meine Lungen sind zu klein und klamm für die Luft, die ich benötige. Eisern hält mich ihr Blick gefangen. Das Herz tobt, nur das. Sie schwebt auf mich zu. Der Tross schemenhafter Gestalten folgt ihr, hüllt sie ein, bewacht sie. Zuerst streifen mich die Ringe, drücken mich unter Eis. Totenstille schluckt alle Geräusche. Sobald die Last von mir weicht, tauche ich aus frostigem Flusswasser, schnappe nach Luft. Ich bin innen.
Ultramarin und Petrol, buttrig vermengt mit einem Tropfen Mohnöl, Zehner Rotmarder Flach, darauf Kreise aus Brillantweiß, explodierende Kleckse in Scharlach wie Lungenbläschen.

Es ist still im Auge des Kreisels. Um mich herum ein gespenstischer Lumpentanz. Die Königin wartet, bis ich mich beruhige, sie ist bei mir, an mir, legt ihre warmen Fingerspitzen an meine Schläfen. Mit einem Schlag strömt Hitze durch Venen, frisst sich durch Eis, schmilzt es, rauscht, rotiert.
Ich bin auf warmen Federn gebettet, feinste Daune, die mich kitzelt, schmeichelt. Sie hebt mein Kinn, verankert ihre Augen in meinen. Ihre Pupillen glänzen silbrig. Vollmondaugen. Die Luft ist warmer, nach Rosen duftender Gelee, liebkost nackte Haut mit rosa Blütenblättern.
Langsam geht ihre schmale Hand auf Reisen. Als sie angekommen ist, reckt sie mir die Brüste entgegen, öffnet ihre Schenkel und senkt sich auf mich herab. Ich bade in Granatapfelkernen und Eselsmilch, rieche Limonenöl und glimmende Myrrhe.
Rot auf Schwarz. Zinnober, mit einem Quast über wattig aufgebauschtes Indischgelb geschleudert, Striche aus Elfenbein, die versuchen zu ordnen, zu begrenzen, in Bahnen zu lenken.

Ich rieche ihren Duft, spüre ihren Atem in meinem Nacken, gehört habe ich sie nicht. Als ich den Kopf drehe, gibt sie mir einen flüchtigen Kuss auf die Stirn, die einzig freie Stelle in meinem Gesicht. Das, was mir aus dem Augenwinkel sickert, versteckt sich gut in Schweiß und Flecken. Tadelnd schaut sie auf meine bunten Finger, schüttelt den Kopf. Das Lächeln hat sie von ihrer Mutter, ebenso den filigranen und mit zäher Kraft ausstaffierten Körper. Die Augen bleiben fremd, wie geliehen.
Es ist der Blick aus diesen außergewöhnlich hellen Pupillen, deren Grüngrau je nach Licht zu einem Silber wechselt, an den ich mich nie gewöhnen werde. Durchdringendes, kaltes Feuer. Wärmend für die, denen sie wohlgesonnen ist, vernichtend für den Rest der Welt.
Ich folge ihrem Blick auf das Werk und sehe es mit Genugtuung. Ich habe den Moment eingefangen, alles ist da. Alles, was ich sehe, gefällt mir, das Werk ist vollbracht.
Sie schaut über meine Schulter, pfeift anerkennend durch ihre Zahnlücke und flüstert ein langgezogenes »Tschjort pabiri, Tata!«.

 
Zuletzt bearbeitet:

Morgen @linktofink

ich bin mir nicht sicher, ob ich das Ende verstanden habe:
Das war ein Bild, das er malt und währenddessen in seiner Phantasie durchgespielt? Richtig? Oder verfehle ich die Pointe?

Anspruchsvoll, teilweise mit einer Adjektivschlacht, die ich in dem Ausmaß nicht so mag (ist aber Geschmackssache)
z.B. hier:

Preußischblau auf Saftgrün mit Schwarz vermischt, draufgesprenkelte leuchtende Inseln aus Maigrün mit einem Hauch Vanadiumgelb gekrönt.
:drool::drool:
Edit: Natürlich! Es geht um die Farben!!!! Nehme die Anmerkung zurück!

Ansonsten habe ich deine Geschichte aber gern gelesen, wie gesagt, sprachlich anspruchsvoll. Was mir sehr gut gefällt: Obwohl nicht wirklich viel passiert, ist aber dennoch etwas da, das mich an die Geschichte gefesselt hat.

Sehr gern gelesen, hat mir Spaß gemacht.


Nachfolgend noch einige Anmerkungen:

In Sekundenschnelle ist sie nass bis auf die Knochen
Ach komm, bei solch hohem sprachlichen Niveau erwarte ich hier etwas originelleres :P

Schwäche ist mein größter Fehler.
Finde ich nicht schön.

Mechanisch setzt sie Schritt vor Schritt, wie eine aufgezogene Blechfigur
Sie setzt Schritt vor Schritt, wie eine aufgezogene Blechfigur.

Reicht doch auch oder?
Mechanisch ist unnötig, mit der Blechfigur habe ich schon ein schönes Bild. Alles andere ist für den Leser gedacht.


Es riecht nach Wiedergängern, nach Morast, nach nassem Mondlicht
Wie riecht nasses Mondlicht?

Ich will meine Augen reiben, vermag es nicht. Arme hängen taub auf schlaffen Oberschenkeln.
Was hälst davon?:
Ich will meine Augen reiben, doch die Arme hängen taub auf schlaffen Oberschenkeln.

"Vermag es nicht" unterbricht den Lesefluss. Hat mich gestört.

Gebannt verfolgte ich das Geschehen, habe keine Wahl, spüre, wie mich Augen in den Fokus nehmen.
verfolge

Der Tross schemenhaften Gestalten folgt ihr, hüllt sie ein, bewacht sie.
schemenhafter


Alles was ich sehe[KOMMA] gefällt mir, das Werk ist vollbracht.

Viele Grüße
Napier

 

Guten Morgen @linktofink,

da hat dich wohl der Teufel geritten :-)
[tschjort pabiri], Hol's der Teufel (Verflixt!)

Preußischblau auf Saftgrün mit Schwarz vermischt, draufgesprenkelte leuchtende Inseln aus Maigrün mit einem Hauch Vanadiumgelb gekrönt.
Aha, hier geht es wohl um die schöne Kunst des Malens.

Vollmondaugen. Die Luft ist warmer, nach Rosen duftender Gelee, liebkost nackte Haut mit rosanen Blütenblättern.
Man könnte es auch aus einem Goethe Roman gerissen haben. Poetisch, bildlich, leicht kitschig. Aber bekomme trotzdem das Bild von einem Hippster-Marmeladen-Gelee mit Blüten nicht aus dem Kopf :-)

Ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich den Rahmen verstanden habe.
Option 1:
Irrer Künstler, der sich, besessen von einer Frau die ihn inspiriert, in Trance versetzt, um zu malen.
Option 2:
Harter Drogentrip, mit dem Ziel Kunst zu schaffen.

Ich muss das heute Abend noch mal in Ruhe lesen. So zwischendruch im Büro wird das nix!:-)
Interessant, anders, als die Geschichten, die ich bis jetzt von dir gelesen habe.

Liebe Grüße
Jo

 

Hey @linktofink,

schön, wieder was von dir zu lesen.

»Tschjort pabiri!« Natalia schnaubt.
:D super Anfang.

Die Namensschreibweise Natalia ist mMn eher polnisch. Im Russischen = Natalja (Наталья) oder Nataliya als Abkürzung von Natascha.

Ein gleißender Blitz zuckt knapp über die Baumwipfel, wenig später folgt wummerndes Grollen
Hier erscheinen mir die vorgesetzten Adjektive nicht wirklich gewinnbringend. Ist ein Blitz nicht immer gleißend hell, ein Donnergrollen nicht immer wummernd? Wummern ist nicht besonders laut, lange, …. Es wird dadurch nicht genauer beschrieben.

Auf ihrer Wange kreuzt eine nasse Strähne feine erste Falten. Ein Tropfen läuft daran entlang, sammelt sich an der Spitze, glitzert, bis er groß genug ist zu fallen.
Schön!

Der Landregen riecht nach Zeltlager, Bänken aus geschlagenem Grünholz und frisch gesenster Wiese.
Ohja, ich rieche es.

Von der Kante tropft unablässig ein Perlenvorhang aus Wolkenerguss.
Weil gerade schon ein Tropfen sich den Weg in an der Haarsträhne entlang bahnte, könnte der hier vllt. der Vorhang aus Wolkenerguss perlen.

Wir kauern unter Regenjacken, halten sie wie Segeltuch über Kopf, Rücken und Beine gespannt.
Die Beine angezogen?

Der Dunst windet sich den Weg bis auf die Haut.
Als Bild nicht so stimmig für mich.

Natalia lehnt den Kopf an meine Schulter. Ich spüre ihr Zittern. Leise und ausdauernd.
Ein ausdauerndes Zittern? Vllt. andauernd, anhaltend, fortwährend?

Ihr Haar duftet nach etwas, das nicht mehr da ist, jedenfalls nicht hier. Nach hellen Tagen im Süden.
Toll. :shy:

Auf ihrer Jacke krabbeln winzige schwarze Gewitterwürmchen.
Gewittertierchen.

Und doch bringe ich es nicht über mich, ihr in den Regen zu folgen. Schwäche ist mein größter Fehler.
Für mich wäre ein Synonym für Schwäche stimmiger.

Schwere Tropfen lassen Pfützen auf den nackten Armen platzen
Tropfen lassen Pfützen platzen? Vllt. platschen, spritzen, auseinander prasseln

Sie streift die Kleidung ab, tritt nach vorne und wird vom Kreis absorbiert. Blass und fahl leuchtet sie aus der Mitte.
„Absorbiert“ klingt ziemlich technisch. Das mag ich, you know, aber hier könnte es für mich etwas mystischer zugehen: vereinnahmt, aufgesogen, aufgefressen, verschlungen, …

Eisige Starre fällt wie eine Staubwolke, wirft frostige Enterhaken, lässt mich husten und würgen. Ich bin verwachsen mit dem Boden, spüre feine Ästelungen, gefangen im Fischmaul des Felsüberhangs.
Gefällt mir sehr!

Aus meinem geöffneten Mund dringt nur ein Röcheln.
Recht dicht an:

Kehlige Laute dringen aus ihrem Mund.


Ich will meine Augen reiben, vermag es nicht. Arme hängen taub auf schlaffen Oberschenkeln. Kiloschwere, nutzlose Anhängsel, außer Dienst gesetzt. Der Boden saugt sich an, schlürft sich an mir fest.
Toll!


Ihr offener Mund ein Quell kehliger Beschwörungen.
Ist jetzt das dritte Mal kurz hinter einander, dass etwas aus einem Mund kommt; das zweite Mal etwas Kehliges. Vllt.. geöffnete Lippen?


Rosen duftender Gelee, liebkost nackte Haut mit rosanen Blütenblättern.
rosafarbenen


Ich bade in Granatapfelkernen und Eselsmilch, rieche Limonen und glimmende Myrrhe. Mit weichen Lippen schenkt sie mir einen Kuss Magma.
Das ist mir nen bisschen zu viel.


Rot auf Schwarz
Ist von der Farbsymbolik sehr schwer und klar. Etwas blumig Wortverschnörkeltes, analog zu anderen kursiven Textstellen oder etwas wässrigeres hätte mir auch gut gefallen. Warum hast du dich entschieden, diesen Teil als Titel raus zuziehen?

Die Farben und Gerüche, die Bewegungen und Gefühlsbeschreibungen, eingearmt in dem Entstehungsprozess eines Bildes und der erlösenden Begutachtung seiner Muse. Das hat mir gut gefallen, linktofink. :herz:


Sehr gern gelesen.
Viele Grüße
wegen

 

Mojn @Napier,

vielen Dank für deinen Besuch, hab mich sehr gefreut über den ersten Komm.

ich bin mir nicht sicher, ob ich das Ende verstanden habe:
Das war ein Bild, das er malt und währenddessen in seiner Phantasie durchgespielt? Richtig? Oder verfehle ich die Pointe?
Jo, im Groben ist es das. Da steckt aber noch mehr drin, was anscheinend noch nicht rauskommt. Hm.

Ansonsten habe ich deine Geschichte aber gern gelesen, wie gesagt, sprachlich anspruchsvoll. Was mir sehr gut gefällt: Obwohl nicht wirklich viel passiert, ist aber dennoch etwas da, das mich an die Geschichte gefesselt hat.
Das freut mich besonders, es scheint trotz der nicht vorhandenen Dialoge zu funktionieren.

linktofink schrieb: In Sekundenschnelle ist sie nass bis auf die Knochen Ach komm, bei solch hohem sprachlichen Niveau erwarte ich hier etwas originelleres :P
Jo, ist aber nicht so einfach. Hab gestern gegrübelt und nichts besseres gefunden.

Das mit der Schwäche habe ich geändert, wurde mehrfach angemerkt. Ich denke, es sperrt nicht mehr.

linktofink schrieb: Es riecht nach Wiedergängern, nach Morast, nach nassem Mondlicht. Wie riecht nasses Mondlicht?
Mir geht es um die Atmosphäre, das Bild, das der Leser assoziiert. Ich horch mal, wie es andere lesen.

Wünsch dir einen schönen Tag.

Peace, linktofink

 

Sie schaut über meine Schulter, pfeift anerkennend durch ihre Zahnlücke, flüstert ein langgezogenes »Tschjort pabiri, Tata!«.
Moment, das Tata (und die Zahnlücke) war in der ersten Version nicht da, oder? Das ändert alles, lässt mich Textstellen neu interpretieren: Den Hinweis der Augen von der Mutter lese ich anders und bedeutsamer, wie auch die zögerliche Liebkosung und das Tadeln. Zu Beginn, Schulter an Schulter im Regen, erscheinen sie mir gleich alt, im Jugendalter. Was bedeutet, dass es sich damals um die Mutter handelte und er im Bild den Verlust seiner Frau verarbeitet…

Wenn ich damit richtig liege :schiel:, lieber linktofink, braucht's eventuell nen bisschen mehr Hinweise, um ohne Russischkenntnisse und Detektivgespür dahinter zu kommen. Vielleicht stand ich aber einfach nur auf dem Schlauch und für andere Leser ist das völlig klar. Mal sehen.


Viele Grüße
wegen

 

Lieber linktofink,

Maler auf Trip, in Ekstase - oder was lese ich hier? :lol:

Habe die Kommentare nur überflogen, steige direkt ein ...

Eine gleißende Entladung zuckt knapp über die Baumwipfel, wenig später folgt dumpfes Grollen, als hätte die Erde den Blitz verschluckt.
... und stecke in einem Adv.-/Adj.-Overkill fest.
Glücklicherweise wird es dann besser, finde ich.
Ich muss aber feststellen, dass die vielen Beschreibungen nicht dienlich waren, in den (m.E. im Vorneherein recht schwierigen) Anfang des Textes hereinzukommen. Erkennen der Personen und Verortung fand ich recht kniffelig.

Elfenbeinschwarz auf Hautfarbe, mit dem Schwertschlepper, feiner Schwung aus dem Handgelenk, gegen Ende schnell hochgezogen, ein winziger Lichtreflex in Lasurweiß.
Aha, ein Maler. Schwertschlepper scheint wohl ein spezielles Malerwerkzeug zu sein.

Der Landregen riecht nach Zeltlager, Bänken aus geschlagenem Grünholz und frisch gesenster Wiese.
So klingt es nach einer Aufzählung, aber das Holz und die Wiese sind doch wohl Bestandteile des Zeltlagers. Von daher müsste das anders aufgezogen werden. Vielleicht ein Gedankenstrich anstelle des Kommas.

Mit den seitlich abgestellten Rucksäcken versuchen wir, Lücken abzudichten.
"seitlich" ist überflüssig.

Der kalte Dunst schlängelt sich durch alle Schichten.
Schichten der Kleidung oder welche?

Immer weiter geht sie, das Wasser wühlt mit rinnenden Fingern durch ihre Haare, spült sie ins Gesicht. Sie lässt sie dort.
"spült sie ins Gesicht": Wer ist "sie"?

Sie lächelt selten genug und noch seltener lange.
Sehr schön!

Schwere Tropfen platzen zu Pfützen auf den nackten Armen, aus ihren Stiefeln schwappt mit jedem Schritt ein Schluck Wasser.
Pfützen sind doch Ansammlungen von Wasser, wie können sich diese auf den Armen bilden?

Eisige Starre fällt wie eine Staubwolke, wirft frostige Enterhaken, lässt mich husten und würgen. Ich bin verwachsen mit dem Boden, spüre feine Ästelungen, gefangen im Fischmaul des Felsüberhangs. Mein Mund gebiert ein Rasseln, unfähig zu sprechen.
Schön geschrieben. Geheimnisvoll - und ich raffe nicht, was da passiert :)

zehner Rotmarder Flach,
Ist es nicht ein Zehner Flach? (groß)

Sie hebt mein Kinn,
Wer? Die Königin oder Natalja?

Rot auf schwarz.
Schwarz

Ich folge ihrem Blick auf das Werk und sehe es mit Genugtuung. Ich habe den Moment eingefangen, alles ist da. Alles, was ich sehe, gefällt mir, das Werk ist vollbracht.
Welche Pillen hat er genommen? Ich will die auch! :Pfeif:

»Tschjort pabiri, Tata!«.
Keine Ahnung, was das bedeutet. Klappt aber m.E. auch, ohne es zu wissen.

Hat mir gut gefallen. Habe mir vorgestellt, wie man den Text vorliest, bei den kursiven Stellen eine andere Stimme benutzt. Toll!

Schönen Tag und liebe Grüße,
GoMusic

 
Zuletzt bearbeitet:

Gude @linktofink,
ein hermetischer Text, den man wahrscheinlich mehrfach lesen sollte. Ich habe ihn gestern Mittag zuerst gelesen und mir Notizen gemacht, bin gerade mal die anderen Kommentare durch und wurde u.a. durch den Post von wegen darauf aufmerksam, dass schon erste Änderungen vonstatten gegangen sind. Ich gebe jetzt schon mal meinen Kommentar ab, auch wenn ich noch nicht alle Spuren, die ich im Text zu finden glaube, bis zu ihrem Ursprung verfolgt habe - einfach, damit nicht alles passé ist, wenn ich dir am Wochenende schreibe :lol:

Erstmal direkt die Stellen, die mir aufgefallen sind:

In dem Bild vorher kommen Wangen, Strähnen und Falten vor. Vielleicht bin ich nur doof, aber bei dem "daran" habe ich nicht direkt erkannt, wo jetzt genau der Wassertropfen unterwegs ist. "Strähne" ergibt sich, aber ich würde dann für die Deutlichkeit vorschlagen: "an ihr".

Von der Kante tropft unablässig ein Perlenvorhang aus Wolkenerguss.
Im Blick auf das gesamte Geschehen, finde ich das Bild etwas missverständlich. Ein Perlenvorhang hat für mich etwas leichtes. Ich Stelle mir da so einen leichten Sprühregen oder Niesel vor. Aber es ist ja ein richtiger Sturm. Dazu würde ich auch über den "Wolkenerguss" nachdenken. Es sind ja insgesamt recht viele, z.T. verspielte Formulierungen drin. Da könnte es hier für mich auch der "Regen" tun. Oder eben gleich "Wolkenbruch", denn es kommt ja wohl richtig runter.

die nach ihrer greift
Kann für mich weg. Wenn er nicht nach ihr greift, kann sie die Hand ja nicht (von sich) wegschlagen.

Eisige Starre fällt wie eine Staubwolke, wirft frostige Enterhaken, lässt mich husten und würgen.
Über das Bild könnte man streiten, ich würde zumindest anmerken, dass er nicht vollständig erstarrt ist, wenn er hustet. Da fände ich es passender, dass er den Reiz verspürt, aber nicht Husten kann (ist auch quälender).

Es riecht nach Wiedergängern
Finde ich schwer, um mir ein Bild zu machen. Wiedergänger ... Fäulnis?

Lungen sind zu klein und klamm für die Luft, die ich benötige.
Das Bild klammer Lungen finde ich richtig gut!

Ich bade in Granatapfelkernen und Eselsmilch, rieche Limonen und glimmende Myrrhe.
Ich habe mich gefragt, ob das hier bewusst etwas Biblisch-Mythisches haben soll. Myrrhe ist ja in die Richtung aufgeladen, Granatäpfel stehen, meine ich zwischen der Verheißung des Paradieses, aber auch für den Weg in die Unterwelt (je nachdem wen man wann fragt). Die Eselsmilch erinnert an Stall-Zustände, quasi wie zu Weihnachten ...
Ich komme darauf unten in wilden Deutungsversuchen zurück.

Das Lächeln hat sie von ihrer Mutter, ebenso den filigranen und mit zäher Kraft ausstaffierten Körper. Die Augen bleiben fremd, wie geliehen.
Jetzt wird es (zumindest für mich) etwas witzig. Ich war gestern erstmal ziemlich irritiert, hatte mir dazu folgendes notiert:
Dass die Mutter hier auftaucht, hat mich sehr irritiert. Das hat den Duktus eines Vaters, der seine Tochter betrachtet, finde ich. Vielleicht ist es auch seine Tochter und er hat quasi gleichzeitig Mutter und Tochter gemalt, weil sie sich so ähnlich sind. Oder er ... phantasiert Sex mit seiner Tochter herbei beim Malen?
Überhaupt triggert die plötzlich auftauchende Mutter Freudsche Assoziationen bei mir :lol:

Jetzt las ich gerade:
Moment, das Tata (und die Zahnlücke) war in der ersten Version nicht da, oder?
Damit stimmt dann wohl mein erster und auch bodenständiger Eindruck (den Prota als Perversen zu denken, war vielleicht etwas gemein). Er ist der Vater.

Was passiert? Bzw. was denke ich, was passiert?
Der Vater malt, seine Tochter kommt dazu und begutachtet das Bild. Es entstehen Ähnlichkeiten zwischen der gemalten Person und der Tochter, die ihm aber nicht eins sind (Augen). Es gibt ein intensives Gefühl zwischen dem Vater und Natalja. Ich würde davon ausgehen, dass sie die Mutter ist. Sie hat die Vollmondaugen, die bei ihrer Tochter durchscheinen und ihm Angst machen.
Möglicherweise geschieht Rückerinnerung und Malen gleichzeitig (wegen der Verschachtelung ... mir fällt gerade der Fachbegriff nicht ein). Dabei ist er wohl ziemlich involviert; Farbe an den Händen und im Gesicht nur ein freier Fleck sehe ich als Hinweis, dass er quasi mit seinem ganzen Körper gemalt hat (und den beschriebenen Werkzeugen).
Am Ende geht es um Sex, dann kommt die Tochter in die Szene, also wahrscheinlich geht es um ihre Zeugung. Die ist mächtig mystisch angehaucht.
Dazu ein kurzer Exkurs in verrückte Gedankengefilde: Der Granatapfelbaum kann von manchen Leuten wohl als Symbol für den Eingang in die Unterwelt gedeutet werden. Der Ausruf "Tschjort Pabiri" verweist auf den Teufel. Natalja wird scheinbar von Dämonen oder Geistern besessen und hat Sex mit dem Protagonisten. Nach Adam Riese und Eva Zwerg macht das: Die Tochter ist der Antichrist ("vernichtend für den Rest der Welt").
Das ist sehr viel Mythos und ich würde das nur vorsichtig als ernste Meinung vertreten. Solche Symboliken wie "Granatapfelbaum-heißt-Eingang-zur-Unterwelt" sind sehr wandelbar und der Ausruf "Tschjort Pabiri" scheint ja eher ein harmloses "Verflixt" zu sein. Ich lese es an der Stelle eher wie ein: "Verdammt, Papa, das sieht richtig gut aus!"

Jenseits dieser Teufels-Deutung, würde ich den mythischen Rahmen als eine Metapher für Angst und Überwindung der Angst sehen. Natalja schafft es, bezieht den Prota mit ein, daraus entsteht das Kind. Vielleicht also eine Metapher für die Angst, Eltern zu werden, Verantwortung für ein Kind zu übernehmen. Mit der Mutter hat es aber womöglich nicht mehr lange gehalten (die vergangenen Tage im Süden zeigen ja schon einen Bruch an) und der Protagonist zeigt Unbehagen, wenn das Silber der Mutter in den Augen seiner Tochter durchscheint und erinnert sich möglicherweise an etwas euphemistisch gesagt "Launen" von Natalja ("vernichtend für den Rest der Welt").

Das wären die beiden Ansätze, die ich hätte. Anhand der Logiken müsste man den Text bzw. insbesonders die Erinnerung durchgehen und schauen, ob was passt. Wahrscheinlich auch die Mal-Anteile, allerdings stehe ich da bei vielem auf dem Schlauch, sodass ich nur grob zu erahnen glaube, es sei ein Porträt. Wo da das Maigrün hinkommt, müsste ich mir nachskizzieren.

Um noch mal kurz zur reinen Textarbeit zurückzukommen: Mir persönlich sind in dem Text etwas zu viele verspielte Beschreibungen drin. Das gibt Klarheit zugunsten von Emotionen auf, was ich als Strategie anerkenne und daher auch nicht über jede diskutieren möchte. Es gehört zum Text und seiner Mystik, aber vielleicht kannst du ein Auge darauf haben, ob du wirklich jede Um- statt Beschreibung brauchst (z.B. den Wolkenerguss). Am Anfang brauchte es dann für mich auch etwas lange, bis ich wusste, wo ich eigentlich bin. Vielleicht könnte da der Felsvorsprung unter dem sie sich befinden, früher auftauchen.
Zum Beispiel:
"Eine gleißende Entladung zuckt über den Felsvorsprung über uns hinweg bis knapp über die Baumwipfel, wenig später folgt dumpfes Grollen, als hätte die Erde den Blitz verschluckt."*
Macht den Satz natürlich auch lang, ggf. wäre dann ein Punkt statt dem Komma vor "wenig" sinnvoll.

Insgesamt auf jeden Fall ein spannender Text, mit dem man sich auseinandersetzen kann. Ich bin sehr gespannt, was du zu meinen (wilden) Theorien sagst. Vielleicht können sie dir ja auch ein Spiegel sein, was man sich vorstellen kann und was nicht.

Liebe Grüße
Vulkangestein

*Edit: Recht viele "über" in dem Satz. Ggf. "Felsvorsprung oberhalb von uns bis zu den / in Richtung der Baumwipfel(n)"

 

Schon beim nächsten Blitz weiß ich es, wir sind nicht allein. Angestrengt stiere ich unter Bäume, dorthin[,] wo sich Finsternis hinter Dunkelheit versteckt. Niemand zu sehen. Es dauert, bis ich weiß, was stört. Weiter hinten, dort, wo er hätte sein müssen, fehlen Stücke im Regen. Tropfen-Silhouetten im Nass. Und sie bewegen sich, gleichförmig, rhythmisch.

Geht das überhaupt, dass sich eine tiefere Dunkelheit (so die Bedeutung der „Finsternis“) hinter der „normalen“ Dunkelheit versteckt? Wie wäre es überhaupt mit den zahlreichen (vor allem Farb-)Adjektiven, wäre dies ein Debüt? Schwarz-weiß-Malerei würde ich behaupten und die Finsternis war der „unaufgeklärte“ Geist des Mittelalters und die religiösen Mächte sehen die Macht der Finsternis als das Böse schlechthin,
Ausgeburt der Hölle.

Aber dann doch hierzu

Glucksend schwimmt das Wasser zu Tal.
Wie soll das gehen? Fett/Öl schwimmt schon mal auf Wasser, das aber fließt/rinnt/strömt/stürzt bestenfalls talwärts,

lieber linktofink,

wahrscheinlich ist der Gott des Wassers sogar Nichtschwimmer – wer weiß das schon so genau. Aber kann ein Unsterblicher ertrinken? Und vielleicht ist es ja Kerberos,

Raubtierlaute
der auf der anderen Seite des Flusses lauert, niemand mehr zurücklässt vom andern Ufer.

Rot auf Schwarz
die Farbe des Blutes (Blaublütige gehören eigentlich abgeschafft oder ins Museum) und der Leidenschaft, aber auch Aggression und Warnung vor der Düsternis, über der Hölle, dem Hades, dem der Mensch – das Wortspiel sei mir erlaubt – hadert und hinauszögern will – etwa durch Kunst, die einen selbst über-dauert.

Ich folge ihrem Blick auf das Werk und sehe es mit Genugtuung. Ich habe den Moment eingefangen, alles ist da. Alles, was ich sehe, gefällt mir, das Werk ist vollbracht.
"Gott sah alles, was er gemacht hatte, und da, es war sehr gut. Abend ward und Morgen ward: der sechste Tag." lt. 1. Mose 1, 31 nach Buber/Rosenzweig

@jimmysalaryman fragt in seinem Beitrag zum copywrite

Erwartet man den Tod jemals?
vgl. Copywrite - Der Versuch, zu atmen)
Worauf es nur die Antwort geben kann:
Es ist die einzige Erwartung, die nie enttäuscht wird!

Gern gelesen vom

Friedel

 

Hey @JoanaMaria,

schön, dass du an Board bist.

Man könnte es auch aus einem Goethe Roman gerissen haben. Poetisch, bildlich, leicht kitschig. Aber bekomme trotzdem das Bild von einem Hippster-Marmeladen-Gelee mit Blüten nicht aus dem Kopf :-)
Oh prima, könnte ich auch schreiben: Die Luft ist warmer, nach Rosen duftender Hippster-Marmeladen-Gelee mit Blüten ... :D Gibst du das Copyright frei? :lol:

Ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich den Rahmen verstanden habe.
Option 1:
Irrer Künstler, der sich, besessen von einer Frau die ihn inspiriert, in Trance versetzt, um zu malen.
Option 2:
Harter Drogentrip, mit dem Ziel Kunst zu schaffen.
Ne, beides trifft es nicht ganz, da steckt noch mehr dahinter. Ich ergänze fleißig, weil ich merke, dass es sonst nicht ankommt.

Interessant, anders, als die Geschichten, die ich bis jetzt von dir gelesen habe.
Ja, ein Langeschmor-Projekt, das ich x-mal neu geschrieben habe. Aber ich hoffe, so langsam wird es was.

Peace und ein schattiges Plätzchen,
Linktofink

 

Hallo linktofink,

Du hattest mich bei "Schwertschlepper". So bildhafte und völlig fremden Fachwörter sind tolle Widerhaken im Text, weil sie so viele Assoziationen auslösen.
Ich habe den Text fasziniert gelesen, so wie ich früher manchmal fasziniert (und immer alkoholisiert) dabei zugesehen habe, wie Bob Ross seine Bilder malt. Mit Hochachtung vor diesem unbedingten Willen zum Kitsch. Das Bild in diesem Text wird natürlich ganz anders gemalt als vom braveb Bob, in düsterer Extase mit wirrem Haar und eventuell dem ein oder anderen appenen Ohr. Und es sähe gewiss auch anders aus. Ich stelle mir etwas mit ganz viel Schwarz und Magenta und Petrol vor, mit einer konventionell kurvigen Frauensilhouette. Düsterkitsch eben. Das Motiv des wahnsinnigen Genies und schöpferischen Rauschs ist ja irgendwie auch so eine Verkitschung von Geisteskrankheit. Passt also. Ich würde dem Text auch nicht allen Schwulst austreiben wollen. Wohlgesetzt kann das einen ganz reizvollen Kontrast mit den sperrigen Fachwörter erzeugen, aber im Moment kommt mir das alles noch etwas unkontrolliert vor. Wenn man so was macht, muss jedes Wort sitzen, aber momentan ist da noch ziemlich viel unpräzise. Das macht übrigens auch den großen Unterschied zu Goethe aus. Ich könnte jetzt ewig rumpicken, aber ein paar Beispiele reichen vielleicht.

Wasser wühlt mit rinnenden Fingern
Wühlen und Rinnen liegen einfach Welten auseinander. Das eine ist wild, das andere ganz schwächlich.

Über dem Plateau drückt das Gewitter, nagelt uns fest unter dem Felsvorsprung.

Ein Gewitter, das irgendwen irgendwohin nagelt, ist ein ganz starkes Bild. Aber das schwache Drücken nimmt dem gewaltigen Nageln alle Kraft.

Ich spüre ihr Zittern. Leise und anhaltend.

Ich habe noch niemanden laut zittern hören.

Auf ihrer Jacke krabbeln winzige schwarze Gewittertierchen.

Ein Diminutiv braucht kein Kleinheitsadjektiv. Gewittertierchen sind übrigens megasüß, auch wenn sie mir die düstere Stimmung etwas verderben.

Elfenbeinschwarz auf Hautfarbe

? Ich kenne nur Elfenbeinweiß. Sonst gäb es ja auch nicht so einen wundervollen Kontrast von "ebony and ivory in perfect harmony" und Klaviere sähen langweilig aus. Aber vielleicht ist Elfenbeinschwarz ja von Elefanten, die nicht viel Wert auf Zahnpflege legen. "Hautfarbe" finde ich übrigens kein besonders poetisches Wort. Schätze, darunter soll man sich ein kaukasisches Schweinchenrosa vorstellen.

Aus Deinen Antworten entnehme ich, dass Du noch irgendeine geheime Botschaft mit dem Text an den Mann bringen möchtest und das deutlicher machen willst, indem Du etwas hinzufügst. Aber guck doch vielleicht erstmal, ob das auch deutlicher werden könnte, wenn Du etwas wegnimmt, was vielleicht den Blick aufs Wesentliche verstellt. Nur ein Tipp. Bin ein bisschen aus der Kommentier-Übung.

Gern gelesen.

lg
fiz

P. S.: OK, das Zitieren ist misslungen. Ich muss mich erst wieder einarbeiten.

 

Heiße Grüße @linktofink

Oh prima, könnte ich auch schreiben: Die Luft ist warmer, nach Rosen duftender Hippster-Marmeladen-Gelee mit Blüten ... :D Gibst du das Copyright frei? :lol:
Es wäre mir eine EHRE! :-)

Das mangelne Verständnis ist mittlerweile weggemalt. Das lag oder liegt wohl an der Hitze und den damit verbundenen 33 Grad um 0 Uhr in meiner Bude:-)

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo liebe @wegen,

Die Namensschreibweise Natalia ist mMn eher polnisch. Im Russischen = Natalja (Наталья) oder Nataliya als Abkürzung von Natascha.
Danke für den Hinweis, hab´s geändert.

linktofink schrieb: Ein gleißender Blitz zuckt knapp über die Baumwipfel, wenig später folgt wummerndes Grollen
Hier erscheinen mir die vorgesetzten Adjektive nicht wirklich gewinnbringend. Ist ein Blitz nicht immer gleißend hell, ein Donnergrollen nicht immer wummernd? Wummern ist nicht besonders laut, lange, …. Es wird dadurch nicht genauer beschrieben.
Hast recht, muss mich immer wieder zügeln. Ist jetzt verschlankt, anders.

linktofink schrieb: Von der Kante tropft unablässig ein Perlenvorhang aus Wolkenerguss.
Weil gerade schon ein Tropfen sich den Weg in an der Haarsträhne entlang bahnte, könnte der hier vllt. der Vorhang aus Wolkenerguss perlen.
Ja, der Vorhang fällt jetzt. ;)

linktofink schrieb: Wir kauern unter Regenjacken, halten sie wie Segeltuch über Kopf, Rücken und Beine gespannt.
Die Beine angezogen?
also done

linktofink schrieb: Der Dunst windet sich den Weg bis auf die Haut.
Als Bild nicht so stimmig für mich.
Ja, da bastel ich dran rum, ohne dass es bisher besser wird.

linktofink schrieb: Natalia lehnt den Kopf an meine Schulter. Ich spüre ihr Zittern. Leise und ausdauernd. Erweitern ...
Ein ausdauerndes Zittern? Vllt. andauernd, anhaltend, fortwährend
Hab das anhaltend genommen.

linktofink schrieb: Auf ihrer Jacke krabbeln winzige schwarze Gewitterwürmchen.
Gewittertierchen.
Kenne beides, habs zu Tierchen geändert.

linktofink schrieb: Und doch bringe ich es nicht über mich, ihr in den Regen zu folgen. Schwäche ist mein größter Fehler.
Für mich wäre ein Synonym für Schwäche stimmiger.
Hab aus der Schwäche Empfindlichkeit gemacht, denke, es funktioniert besser.

linktofink schrieb: Schwere Tropfen lassen Pfützen auf den nackten Armen platzen
Tropfen lassen Pfützen platzen? Vllt. platschen, spritzen, auseinander prasseln
Ich mag das mit den Pfützen. Ich hab dabei das Bild vor Augen, wie ein Tropfen auf eine Wasserfläche aufschlägt und sich das Wasser trichterförmig nach oben aufwirft. Auf den nassen Armen schlagen die Tropfen auf und prallen in Pfützen ab. Zu schräg? Ich überleg mal weiter.

linktofink schrieb: Sie streift die Kleidung ab, tritt nach vorne und wird vom Kreis absorbiert. Blass und fahl leuchtet sie aus der Mitte. „Absorbiert“ klingt ziemlich technisch. Das mag ich, you know, aber hier könnte es für mich etwas mystischer zugehen: vereinnahmt, aufgesogen, aufgefressen, verschlungen, …
einverleibt ist es geworden.

linktofink schrieb: Rosen duftender Gelee, liebkost nackte Haut mit rosanen Blütenblättern.
rosafarbenen
auch nicht besser, hab jetzt schlicht rosa da stehen.

linktofink schrieb: Ich bade in Granatapfelkernen und Eselsmilch, rieche Limonen und glimmende Myrrhe. Mit weichen Lippen schenkt sie mir einen Kuss Magma.
Das ist mir nen bisschen zu viel.
Mir auch, bisschen drüber, nächste Baustelle.

linktofink schrieb: Rot auf Schwarz
Ist von der Farbsymbolik sehr schwer und klar. Etwas blumig Wortverschnörkeltes, analog zu anderen kursiven Textstellen oder etwas wässrigeres hätte mir auch gut gefallen. Warum hast du dich entschieden, diesen Teil als Titel raus zuziehen?
Ich mach das nur ungern, vor allem so früh. Deshalb als
Idee dahinter: Leben (Rot) und Tod (Schwarz), es geht um den Zeugungsakt, der dafür sorgt, dass trotz des späteren Todes der Mutter das Metaphysische, das in diesem speziellen Moment in sie gefahren ist, in der Tochter weiterlebt.

Die Farben und Gerüche, die Bewegungen und Gefühlsbeschreibungen, eingearmt in dem Entstehungsprozess eines Bildes und der erlösenden Begutachtung seiner Muse. Das hat mir gut gefallen, linktofink. :herz:
schön und oje, die Muse ist die Tochter, weswegen ich das Tata eingefügt habe, damit das klar wird.

Deinen zweiten Komm. beantworte ich jetzt

linktofink schrieb: Sie schaut über meine Schulter, pfeift anerkennend durch ihre Zahnlücke, flüstert ein langgezogenes »Tschjort pabiri, Tata!«.

Moment, das Tata (und die Zahnlücke) war in der ersten Version nicht da, oder? Das ändert alles, lässt mich Textstellen neu interpretieren: Den Hinweis der Augen von der Mutter lese ich anders und bedeutsamer, wie auch die zögerliche Liebkosung und das Tadeln. Zu Beginn, Schulter an Schulter im Regen, erscheinen sie mir gleich alt, im Jugendalter. Was bedeutet, dass es sich damals um die Mutter handelte und er im Bild den Verlust seiner Frau verarbeitet…
schon irre, wie missverständlich es werden kann, wenn nur ein Wort fehlt. Mit deiner jetzigen Einschätzung bzgl. Mutter/ Tochter liegst du goldrichtig (Die Zahnlücke gab´s übrigens schon).

Wenn ich damit richtig liege :schiel:, lieber linktofink, braucht's eventuell nen bisschen mehr Hinweise, um ohne Russischkenntnisse und Detektivgespür dahinter zu kommen. Vielleicht stand ich aber einfach nur auf dem Schlauch und für andere Leser ist das völlig klar. Mal sehen.
Völlig klar soll es gar nicht sein. Ich selbst mag sperrige Texte ohne Serviertablett, über die ich nachdenken kann.

Vielen Dank für deine wichtigen Texthinweise, die ich zum Großteil direkt eingearbeitet habe. Schön auch, dass für dich einige Stellen dabei waren, die du magst. Das ist trotz der offenen Fragen auch eine Bestätigung dafür, dass sich die Arbeit gelohnt hat. ;)

Peace, linktofink

-------------------------------------------------------------------------------------------------------------

Hey @JoanaMaria,

linktofink schrieb: Oh prima, könnte ich auch schreiben: Die Luft ist warmer, nach Rosen duftender Hippster-Marmeladen-Gelee mit Blüten ... :D Gibst du das Copyright frei? :lol:
Es wäre mir eine EHRE! :-)
Hihi, hab noch nie einen Hippster in einer Geschichte gehabt. Wird wohl auch diesmal nix, sorry. :D

Das mangelne Verständnis ist mittlerweile weggemalt. Das lag oder liegt wohl an der Hitze und den damit verbundenen 33 Grad um 0 Uhr in meiner Bude:-)
Jo, das Sommerloch heißt nicht umsonst so, scheint was zu sein, das schlaue Gedanken magisch anzieht ...

Peace, linktofink

 

Hallo lieber @GoMusic,

schön dich dabei zu haben. mal sehen, was du schreibst:

... und stecke in einem Adv.-/Adj.-Overkill fest.
Glücklicherweise wird es dann besser, finde ich.
Ich muss aber feststellen, dass die vielen Beschreibungen nicht dienlich waren, in den (m.E. im Vorneherein recht schwierigen) Anfang des Textes hereinzukommen. Erkennen der Personen und Verortung fand ich recht kniffelig.
Habe den Anfang weitgehend ausgenüchtert :D.
Zum Personal: gibt nur den Ich-Erzähler und Natalja, im letzten Absatz kommt die Tochter hinzu. Ist also absolut überschaubar. Was war denn so kniffelig?

linktofink schrieb: Der Landregen riecht nach Zeltlager, Bänken aus geschlagenem Grünholz und frisch gesenster Wiese.
So klingt es nach einer Aufzählung, aber das Holz und die Wiese sind doch wohl Bestandteile des Zeltlagers. Von daher müsste das anders aufgezogen werden. Vielleicht ein Gedankenstrich anstelle des Kommas.
No, Zeltlager riecht nach muffeligen Jurten. Grünholz und gesenste Wiese stehen eigenständig für andere Sinneseindrücke, deshalb die Aufzählung.

linktofink schrieb: Mit den seitlich abgestellten Rucksäcken versuchen wir, Lücken abzudichten.
"seitlich" ist überflüssig.
Ne du, wenn du die Beine anziehst, ist das genau die Stelle, wo es immer reinzieht, weil die Jacke nicht tief genug reicht. Zumindest bei mir ist das so. Deshalb bleiben die Dinger schön da stehen.

linktofink schrieb: Immer weiter geht sie, das Wasser wühlt mit rinnenden Fingern durch ihre Haare, spült sie ins Gesicht. Sie lässt sie dort.
"spült sie ins Gesicht": Wer ist "sie"?
?? Gibt nur Natalja

linktofink schrieb: Schwere Tropfen platzen zu Pfützen auf den nackten Armen, aus ihren Stiefeln schwappt mit jedem Schritt ein Schluck Wasser.
Pfützen sind doch Ansammlungen von Wasser, wie können sich diese auf den Armen bilden?
bei platzenden Pfützen habe ich das Bild vor Augen, das entsteht, wenn ein Tropfen auf eine Wasserfläche trifft, den Krater, der sich dann hochwölbt. Aber da das gefühlt jeder hier moniert, muss ich was anderes suchen.

linktofink schrieb: Eisige Starre fällt wie eine Staubwolke, wirft frostige Enterhaken, lässt mich husten und würgen. Ich bin verwachsen mit dem Boden, spüre feine Ästelungen, gefangen im Fischmaul des Felsüberhangs. Mein Mund gebiert ein Rasseln, unfähig zu sprechen.
Schön geschrieben. Geheimnisvoll - und ich raffe nicht, was da passiert :)
Die Kräfte, die seine Freundin Natalja in den Bann ziehen, sorgen dafür, dass er sich nicht einmischt und schön sitzen bleibt, bis sie Zeit für ihn hat. Denk dran, hab Seltsam getaggt. :)

linktofink schrieb: zehner Rotmarder Flach,
Ist es nicht ein Zehner Flach? (groß)
Right, wird gemacht.

linktofink schrieb: Sie hebt mein Kinn,
Wer? Die Königin oder Natalja?
Natalja ist die Königin, zumindest in dem Moment, wo sich buchstäblich alles um sie dreht.

linktofink schrieb: Ich folge ihrem Blick auf das Werk und sehe es mit Genugtuung. Ich habe den Moment eingefangen, alles ist da. Alles, was ich sehe, gefällt mir, das Werk ist vollbracht.
Welche Pillen hat er genommen? Ich will die auch! :Pfeif:
Nana, wer wird denn da … :Pfeif:

Hat mir gut gefallen. Habe mir vorgestellt, wie man den Text vorliest, bei den kursiven Stellen eine andere Stimme benutzt. Toll!
Wenn es jemand anderes liest (nicht ich) bestimmt!

Danke auch für deine Likes von einigen Stellen.

Bis bald, Peace, linktofink

---------------------------------------------------------------------
Hallo @Vulkangestein,

hab gestern das neue Johnny erhalten, super Cover und echt dickes Ding, mehr kann ich noch nicht sagen. Danke dafür!

Dein Kommentar zu meinem Text ist für mich sehr wichtig, weil aufschlussreich. Du hast viele Dinge gesehen und entschlüsselt, die ich zumindest ähnlich vorgedacht hatte. Vielen Dank auch hierfür.

Ich gebe jetzt schon mal meinen Kommentar ab, auch wenn ich noch nicht alle Spuren, die ich im Text zu finden glaube, bis zu ihrem Ursprung verfolgt habe - einfach, damit nicht alles passé ist, wenn ich dir am Wochenende schreibe :lol:
Gerne, dann mal los ...

In dem Bild vorher kommen Wangen, Strähnen und Falten vor. Vielleicht bin ich nur doof, aber bei dem "daran" habe ich nicht direkt erkannt, wo jetzt genau der Wassertropfen unterwegs ist. "Strähne" ergibt sich, aber ich würde dann für die Deutlichkeit vorschlagen: "an ihr".
Habs vereindeutlicht.

Im Blick auf das gesamte Geschehen, finde ich das Bild etwas missverständlich. Ein Perlenvorhang hat für mich etwas leichtes. Ich Stelle mir da so einen leichten Sprühregen oder Niesel vor. Aber es ist ja ein richtiger Sturm. Dazu würde ich auch über den "Wolkenerguss" nachdenken. Es sind ja insgesamt recht viele, z.T. verspielte Formulierungen drin. Da könnte es hier für mich auch der "Regen" tun. Oder eben gleich "Wolkenbruch", denn es kommt ja wohl richtig runter.
Ich verstehe den Punkt und habe den Wolkenerguss zum Wolkenguss gemacht. Den Perlenvorhang möchte ich nicht ixsen, weil ich das Bild mag und es zutreffend finde. Das ist der Vordacheffekt: Du stehst im (halbwegs) Trockenen und schaust auf eine Regenwand und von der Kante tropft ein Perlenvorhang dicker Tropfen. Nicht?

linktofink schrieb: die nach ihrer greift
Kann für mich weg. Wenn er nicht nach ihr greift, kann sie die Hand ja nicht (von sich) wegschlagen.
Hast recht, ist weg.

linktofink schrieb:
Eisige Starre fällt wie eine Staubwolke, wirft frostige Enterhaken, lässt mich husten und würgen.
Über das Bild könnte man streiten, ich würde zumindest anmerken, dass er nicht vollständig erstarrt ist, wenn er hustet. Da fände ich es passender, dass er den Reiz verspürt, aber nicht Husten kann (ist auch quälender).
Die Starre greift nach ihm, will ihn nur festhalten, sozusagen an Ort und Stelle fixieren, lässt ihn nicht vollständig erstarren. Das lasse ich erst mal so.

linktofink schrieb: Das Lächeln hat sie von ihrer Mutter, ebenso den filigranen und mit zäher Kraft ausstaffierten Körper. Die Augen bleiben fremd, wie geliehen.
Jetzt wird es (zumindest für mich) etwas witzig. Ich war gestern erstmal ziemlich irritiert, hatte mir dazu folgendes notiert:
Dass die Mutter hier auftaucht, hat mich sehr irritiert. Das hat den Duktus eines Vaters, der seine Tochter betrachtet, finde ich. Vielleicht ist es auch seine Tochter und er hat quasi gleichzeitig Mutter und Tochter gemalt, weil sie sich so ähnlich sind. Oder er ... phantasiert Sex mit seiner Tochter herbei beim Malen?
Überhaupt triggert die plötzlich auftauchende Mutter Freudsche Assoziationen bei mir :lol:

Jetzt las ich gerade: wegen schrieb: Moment, das Tata (und die Zahnlücke) war in der ersten Version nicht da, oder?
Damit stimmt dann wohl mein erster und auch bodenständiger Eindruck (den Prota als Perversen zu denken, war vielleicht etwas gemein). Er ist der Vater.
Bei dir kann ich dasselbe schreiben wie bei wegen, es ist irre, wieviel ein einziges Wort ändert. Für mich war das immer völlig klar, zuerst ist es die Mutter, im letzten Absatz dann die Tochter. Tja, so kann man sich irren (und gut, dass es euch gibt …).

Zu deinen Deutungen:

Insgesamt auf jeden Fall ein spannender Text, mit dem man sich auseinandersetzen kann. Ich bin sehr gespannt, was du zu meinen (wilden) Theorien sagst. Vielleicht können sie dir ja auch ein Spiegel sein, was man sich vorstellen kann und was nicht.
Du bist sehr nah dran

Der Vater malt, seine Tochter kommt dazu und begutachtet das Bild. Es entstehen Ähnlichkeiten zwischen der gemalten Person und der Tochter, die ihm aber nicht eins sind (Augen). Es gibt ein intensives Gefühl zwischen dem Vater und Natalja. Ich würde davon ausgehen, dass sie die Mutter ist. Sie hat die Vollmondaugen, die bei ihrer Tochter durchscheinen und ihm Angst machen.
Möglicherweise geschieht Rückerinnerung und Malen gleichzeitig (wegen der Verschachtelung ... mir fällt gerade der Fachbegriff nicht ein). Dabei ist er wohl ziemlich involviert; Farbe an den Händen und im Gesicht nur ein freier Fleck sehe ich als Hinweis, dass er quasi mit seinem ganzen Körper gemalt hat (und den beschriebenen Werkzeugen).
Am Ende geht es um Sex, dann kommt die Tochter in die Szene, also wahrscheinlich geht es um ihre Zeugung. Die ist mächtig mystisch angehaucht.
Dazu ein kurzer Exkurs in verrückte Gedankengefilde: Der Granatapfelbaum kann von manchen Leuten wohl als Symbol für den Eingang in die Unterwelt gedeutet werden. Der Ausruf "Tschjort Pabiri" verweist auf den Teufel. Natalja wird scheinbar von Dämonen oder Geistern besessen und hat Sex mit dem Protagonisten. Nach Adam Riese und Eva Zwerg macht das: Die Tochter ist der Antichrist ("vernichtend für den Rest der Welt").
Das ist alles komplett zutreffend, du triffst exakt den Kern - bis auf die Antichristin, soweit würde ich nicht gehen. Das Teuflische, Metaphysische, das Natalja durch ihren Fluch quasi anruft und so ins Spiel bringt und das sich auf ihre Tochter überträgt, ist mMn latent vorhanden, als Möglichkeit und tritt nicht offensichtlich zutage. Du schreibst selbst:
der Ausruf "Tschjort Pabiri" scheint ja eher ein harmloses "Verflixt" zu sein. Ich lese es an der Stelle eher wie ein: "Verdammt, Papa, das sieht richtig gut aus!"
Gerade das macht es so schwer greifbar. Es bleibt für ihn zeitlebens ein Ding, das er nie versteht und das lässt es ihn letztlich mit einem Bild versuchen, aus dem er dann liest: "Ich habe den Moment eingefangen, alles ist da. Alles, was ich sehe, gefällt mir, das Werk ist vollbracht." Er macht final seinen kleinen Frieden mit dem Status Quo.

Die Angst-Überwindungs-Deutung finde ich spannend, den Bruch, die Launen. Ja, so könnte man es auch lesen, doch sie deckt sich nicht mit meiner Absicht. Dennoch: Danke für den Denkanstoß.

Wahrscheinlich auch die Mal-Anteile, allerdings stehe ich da bei vielem auf dem Schlauch, sodass ich nur grob zu erahnen glaube, es sei ein Porträt. Wo da das Maigrün hinkommt, müsste ich mir nachskizzieren.
Ich sehe da kein realistisches Porträt vor mir, sondern einen expressionistischen Farbrausch mit lediglich angedeuteten Formen.

Mir persönlich sind in dem Text etwas zu viele verspielte Beschreibungen drin. Das gibt Klarheit zugunsten von Emotionen auf, was ich als Strategie anerkenne und daher auch nicht über jede diskutieren möchte. Es gehört zum Text und seiner Mystik, aber vielleicht kannst du ein Auge darauf haben, ob du wirklich jede Um- statt Beschreibung brauchst (z.B. den Wolkenerguss). Am Anfang brauchte es dann für mich auch etwas lange, bis ich wusste, wo ich eigentlich bin.
Okay, danke für den Hinweis, ist mit Sicherheit ein Kriterium für die Überarbeitung. Du kennst ja mein Geschreibsel, manchmal gehen die Pferde mit mir durch.

Mir hat dein Kommentar echt gut getan, weil er mir zeigt, dass der Text verstanden und gemocht werden kann.

Vielen Dank und spätestens bis zur nächsten Johnny-Lesung :D.
Peace, linktofink

--------------------------------------------------------------------

Hallo (@Friedrichard) Friedel,

Aber dann doch hierzu
Glucksend schwimmt das Wasser zu Tal.
Wie soll das gehen? Fett/Öl schwimmt schon mal auf Wasser, das aber fließt/rinnt/strömt/stürzt bestenfalls talwärts,
War mir alles zu passiv, ich wollte ihm eine aktive Bewegung verleihen, so auch beim Wühlen durch die Haare. Ich weiß, ich weiß, Wasser kann alles mögliche, nur nicht schwimmen. Desculpe, ich denk drüber nach.

Geht das überhaupt, dass sich eine tiefere Dunkelheit (so die Bedeutung der „Finsternis“) hinter der „normalen“ Dunkelheit versteckt?
Ich behaupte mal ja :Pfeif: Selbst in dunklen Nächten gibt es doch immer noch Ecken, die einen Tacken dunkler sind. Genau da lauert dann die Finsternis, vor der wir (resp. ich) Angst haben, stell ich mir so vor.


Rot auf Schwarz
die Farbe des Blutes (Blaublütige gehören eigentlich abgeschafft oder ins Museum) und der Leidenschaft, aber auch Aggression und Warnung vor der Düsternis, über der Hölle, dem Hades, dem der Mensch – das Wortspiel sei mir erlaubt – hadert und hinauszögern will – etwa durch Kunst, die einen selbst über-dauert.
Ja, das Rot sehe ich als Symbol für das Leben, das durch die Tochter dem Tod ein vorübergehendes Schnippchen schlägt.

Ich folge ihrem Blick auf das Werk und sehe es mit Genugtuung. Ich habe den Moment eingefangen, alles ist da. Alles, was ich sehe, gefällt mir, das Werk ist vollbracht.
"Gott sah alles, was er gemacht hatte, und da, es war sehr gut. Abend ward und Morgen ward: der sechste Tag." lt. 1. Mose 1, 31 nach Buber/Rosenzweig
Jo, hat der olle Moses wohl bei mir abgepinnt ...

Erwartet man den Tod jemals?
vgl. Copywrite - Der Versuch, zu atmen)
Worauf es nur die Antwort geben kann:
Es ist die einzige Erwartung, die nie enttäuscht wird!
Will man jemand erwarten, der es nie schafft, pünktlich zu sein?

Danke für deinen Kommentar, die Hinweise und das "gerne gelesen" haben mich gefreut.

Schönen Restsonntag noch.
Peace, linktofink

 

Naben @linktofink,
was für eine Materialschlacht!
Ich fands großartig. Erst wars bedrohlich, Monster? Entführung durch Aliens? Ne, Huxley, hier geht es nicht profan zu. Da liegen hundert Schichten Farbe auf der Leinwand. Dann wurde es funky und sinnlich, ich habe nicht genug gekriegt von den Adjektiven und Gleichnissen, von den Beschreibungen des Malens. Mal so als erster Eindruck. Textarbeit, pah, den Farbencocktail schlürfe ich nur und winke zum Abschluss mit einem geschmacklos rosa Schirmchen.

Danke und man liest sich
huxley

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo unbekannterweise @feirefiz,

Du hattest mich bei "Schwertschlepper". So bildhafte und völlig fremden Fachwörter sind tolle Widerhaken im Text, weil sie so viele Assoziationen auslösen.
Ist nur ein harmloser kleiner Pinsel, aber gut, wenn er dich in den Text zieht.

Ich stelle mir etwas mit ganz viel Schwarz und Magenta und Petrol vor, mit einer konventionell kurvigen Frauensilhouette.
Nöö, kurvig ist die gute Natalja nicht und figürlich stell ich mir das Bild auch nicht vor, sondern expressionistisch. Und ja, das mit den Farben passt so ungefähr, fehlt gelb und weiß.

Mit Hochachtung vor diesem unbedingten Willen zum Kitsch.
Düsterkitsch eben
Sorry, ich kann mit dem Begriff Düsterkitsch nix anfangen und weiß nicht, was genau du kritisierst. Ich hab mal die Wiki-Definition von Kitsch gegugelt: "Kitsch steht zumeist abwertend gemeinsprachlich für einen aus Sicht des Betrachters minderwertigen Gefühlsausdruck. In Gegensatz gebracht zu einer künstlerischen Bemühung um das Wahre oder das Schöne, werten Kritiker einen zu einfachen Weg, Gefühle auszudrücken, als sentimental, trivial oder kitschig."
Meinst du das? Das wäre schade, denn damit würdest du sagen, meine Beschreibungen wären minderwertig und trivial und ich würde einen zu einfachen Weg des Ausdrucks wählen.
Du kannst dir denken, dass ich das anders sehe.

Ich würde dem Text auch nicht allen Schwulst austreiben wollen. Wohlgesetzt kann das einen ganz reizvollen Kontrast mit den sperrigen Fachwörter erzeugen, aber im Moment kommt mir das alles noch etwas unkontrolliert vor.
Da würde ich mich über mehr konkrete Hinweise freuen, mit dem Wühlen und Rinnen hast du recht, das hebt sich gegenseitig auf.
Mit dem Nageln und dem Drücken, naja, geht beides in dieselbe Richtung und ergänzt sich für mein Empfinden.

? Ich kenne nur Elfenbeinweiß. Sonst gäb es ja auch nicht so einen wundervollen Kontrast von "ebony and ivory in perfect harmony" und Klaviere sähen langweilig aus. Aber vielleicht ist Elfenbeinschwarz ja von Elefanten, die nicht viel Wert auf Zahnpflege legen. "Hautfarbe" finde ich übrigens kein besonders poetisches Wort. Schätze, darunter soll man sich ein kaukasisches Schweinchenrosa vorstellen.
Erstens gibt es mehr, zweitens als man kennt. :D Unten links:
https://www.colorado-shop.de/abbildungen/mussini_fk.jpgMit Hautfarbe hast du recht, da suche ich etwas anderes.

linktofink schrieb: Ich spüre ihr Zittern. Leise und anhaltend.
Ich habe noch niemanden laut zittern hören.
Ich schon, mit aufeinanderschlagenden Zähne und Schüttelfrost. Das ist die laute Variante.

linktofink schrieb: Auf ihrer Jacke krabbeln winzige schwarze Gewittertierchen.
Ein Diminutiv braucht kein Kleinheitsadjektiv. Gewittertierchen sind übrigens megasüß, auch wenn sie mir die düstere Stimmung etwas verderben.
Stimmt natürlich, …chen reicht, alles was kriecht, passt schon zu düster, nicht?

Aus Deinen Antworten entnehme ich, dass Du noch irgendeine geheime Botschaft mit dem Text an den Mann bringen möchtest und das deutlicher machen willst, indem Du etwas hinzufügst. Aber guck doch vielleicht erstmal, ob das auch deutlicher werden könnte, wenn Du etwas wegnimmt, was vielleicht den Blick aufs Wesentliche verstellt. Nur ein Tipp.
Guter Tipp, dafür steht der Text hier. Vieles sehe ich erst, wenn mich andere draufstoßen, in diesem Sinn vielen Dank für deinen Kommentar.
Das mit dem Einfügen hat sich (denke ich) erledigt, weil der Text so verstanden werden kann, wie ich ihn angelegt habe. Das zeigt mir der Komm. von Vulkangestein. Also Feinschliff und wienern ...

Gern gelesen.
:shy:

P. S.: OK, das Zitieren ist misslungen. Ich muss mich erst wieder einarbeiten.
Jo, ich wurschtl mir auch immer eins ab mit copy/paste, bis es so ausschaut, wie ich will.

Peace, linktofink

 

Hallo @Huxley,

was für eine Materialschlacht!
Ich fands großartig. Erst wars bedrohlich, Monster? Entführung durch Aliens? Ne, Huxley, hier geht es nicht profan zu. Da liegen hundert Schichten Farbe auf der Leinwand. Dann wurde es funky und sinnlich, ich habe nicht genug gekriegt von den Adjektiven und Gleichnissen, von den Beschreibungen des Malens. Mal so als erster Eindruck. Textarbeit, pah, den Farbencocktail schlürfe ich nur und winke zum Abschluss mit einem geschmacklos rosa Schirmchen.
Danke für deinen launigen Kommentar, Huxley, es steht dir natürlich frei, das Ding genauso zu konsumieren, ob mit rosa Schirmchen oder appem Ohr. Also, mach wat du willst, Hauptsache du machst. :D

Peace, linktofink

 

Hallo @linktofink,

das war mal ein spannendes Leseerlebnis. Und ein anderes. Ich habe mehrere Male begonnen, die Geschichte zu lesen und bin nie zum Ende gekommen. Dann habe ich vor ein paar Tagen die Kommentare überflogen, mehr gestreift, und da, glaube ich mich zu erinnern, gelesen, was es mit all dem hier auf sich hat - der Maler, der malt. Ich weiß nicht, ob ich das selbst erkannt hätte, ich dachte mir bei jedem Versuch wieder: Warum schreibt er denn so? So viele Eindrücke, so viele Kleinigkeiten, das kriegt man doch nie im Leben zu einem großen Ganzen zusammengestrickt! Also, vielleicht ist auch die Rückmeldung für dich interessant: Es fiel mir sehr schwer, da durchzusteigen, ich habe gespürt, dass da was Tolles schlummern könnte, hinter der Mauer, hatte aber nicht die passende Leiter parat.

Na und jetzt hab ich es mit dem Hintergrundwissen einfach noch mal gelesen. Ich habe mir vorgestellt wie du, oder der Erzähler, da so steht, mit seiner Palette im Arm und dann gelauscht, was er da währenddessen so vor sich hermurmelt. Und so hat es dann auch (endlich!) super funktioniert und Spaß gemacht.

Ich würde die Story wahrscheinlich nach wie vor nicht zusammenbekommen und die Protagonisten sind für mich noch immer mehr "Geister" als Menschen, aber ich bin jetzt klatschnass, so gefühlt, höre überall Wasser plätschern und rieche die ganze nasse Pflanzenwelt und die Erde und die Felsen, ja, und mitten in diesem Szenario führen diese Geisterwesen eben ihren ... Tanz auf, auf einem leuchtend weißen Himmelbett, oder so.

Wie gesagt, ein spannendes Leseerlebnis, fast mehr Gedicht als Kurzgeschichte, würde ich sagen. Hat Spaß gemacht, danke dafür!

Bas

 

@Bas,

Also, vielleicht ist auch die Rückmeldung für dich interessant: Es fiel mir sehr schwer, da durchzusteigen, ich habe gespürt, dass da was Tolles schlummern könnte, hinter der Mauer, hatte aber nicht die passende Leiter parat.
Deine Schwierigkeiten, den Einstieg zu finden, finde ich nachvollziehbar und als Rückmeldung natürlich wertvoll. Ich habe seltsam getaggt und Konfusion als mögliche Folge der Konstruktion des Textes in kauf genommen. An der Stelle war mir das andere Leseerlebnis, das du selbst so benennst, das beinahe Surreale einfach wichtiger als die Zugänglichkeit.

Na und jetzt hab ich es mit dem Hintergrundwissen einfach noch mal gelesen. Ich habe mir vorgestellt wie du, oder der Erzähler, da so steht, mit seiner Palette im Arm und dann gelauscht, was er da währenddessen so vor sich hermurmelt. Und so hat es dann auch (endlich!) super funktioniert und Spaß gemacht.
Das ist ganz wichtig, das zeigt mir, dass der Text dich berührt hat.

Ich würde die Story wahrscheinlich nach wie vor nicht zusammenbekommen und die Protagonisten sind für mich noch immer mehr "Geister" als Menschen, aber ich bin jetzt klatschnass, so gefühlt, höre überall Wasser plätschern und rieche die ganze nasse Pflanzenwelt und die Erde und die Felsen, ja, und mitten in diesem Szenario führen diese Geisterwesen eben ihren ... Tanz auf, auf einem leuchtend weißen Himmelbett, oder so.
Das freut mich echt gerade mega, denn das zeigt mir, dass du das Bild siehst, das ich versucht habe, mit dem Text zu malen. Und dass das ein oder andere verschwommen bleibt, die Menschen zu Geistern werden und der Akt auf einem weißen Himmelbett stattfindet, umso besser. Das geht auch den Betrachtern eines abstrakten Bild so, keiner sieht es wie ein Zweiter. In jedem klingen andere Töne an.

Wie gesagt, ein spannendes Leseerlebnis, fast mehr Gedicht als Kurzgeschichte, würde ich sagen. Hat Spaß gemacht, danke dafür!
Gerne geschehen, danke für deinen Komm.

Peace, linktofink

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom