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Rubi Rosa

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09.02.2004
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Rubi Rosa

Freitag Abend, genau der richtige Tag um mich wieder ins Leben zu stürzen. Hell erleuchtet, liegt es vor mir, inmitten dieses Areals von Bars und geplanter Lebensfreude; das Rubi Rosa.


Der Eindruck, während ich durch die Tür ins Innere trete, ist der gleiche wie damals. Übertriebenes Interieur, beleuchtet durch riesige Kronleuchter, die tausend Lichtpunkte auf Menschen werfen, die dicht gedrängt um die Mahagonibar stehen. Stimmengewirr, Gedränge und laute Musik, die aus allen Ecken des riesigen Raumes zu kommen scheint, vermitteln den Eindruck ungestümen Lebens. Rote, schwere Plüschsessel, die das Ganze einrahmen, besetzt von Menschen, die das Treiben an der Bar scheinbar mit Distanz betrachten und doch gleichsam mitten drin sitzen. Nein, hier hat sich nichts geändert und doch ist der Geschmack ein anderer.


Im ersten Moment bin ich irritiert. Dieses Gesicht, dass ich jetzt brauche, habe ich schon so lange nicht mehr aufgesetzt und dass obwohl ich sicher bin, keine Maske zu tragen.
Hinter der Bar erkenne ich, zwischen all den anderen Barkeepern, Tom. Mit einem Glas in der Hand lächelt er mir auffordernd zu. Vermutlich wird er mir gleich einen Margarita mixen, so wie immer, wenn ich hier bin. Wie selbstverständlich, alles wie gehabt.


Dabei hätte ich eigentlich Lust auf Espresso, aber ich unterdrücke den Gedanken. Er hat mir hier noch nie geschmeckt und außerdem hat sich Tom auf den Margarita eingeschworen. Ich zwänge mich durch die Menschenmassen und suche Zuflucht am Ende der Bar. Diesem letzen Fleck Ruhe zwischen all dem Treiben hier.


Meine Gedanken kreisen um David. Über Monate waren wir ein Teil dieser Szene gewesen. Erinnerungen, gleich einem Film, der sich vor meinen Augen abspielt. Wir standen immer mitten drin, lachend, redend. Ja und auch verliebt. Nein, wir sind nie auf die Idee gekommen, uns ans Ende der Bar zu stellen.


Tom bringt den erwarteten Cocktail. Lächelnd stellt er ihn vor mir auf den Tresen und erklärt, wie sehr er sich freut, mich wieder zu sehen. Ich lächle zurück und finde keinen Punkt, ihm irgend etwas zu sagen. Die Gedanken an David lassen mich nicht los. Ein Gefühl, dass mich erfasst wie eine Krankheit und mit der ich mich nicht wohl fühle. Aus vorbei, nicht mehr wert darüber nachzudenken. Er ist aus meinem Leben verschwunden, genau wie das Rubi Rosa.


Während ich mir eine Zigarette anzünde und den Rauch tief in meine Lungen ziehe, entdecke ich Mark mit seiner Freundin Vivien. Ich mache mich unmerklich kleiner. Nein, mir fehlt die Lust auf sinnlosen Small Talk und der Frage nach David. Seit der Trennung, hatte ich die beiden nicht mehr gesehen und da David mittlerweile wieder in London lebt, sind die Fragen vorprogrammiert.
Gerade als ich einen tiefen Schluck aus den Glas nehme, höre ich Viviens Erkennungsschrei. Sie winkt mir zu und ich winke zurück und habe noch kurz Hoffnung, dass die beiden es nicht schaffen, bis zu mir durchzudringen. Welche ein Irrglaube. Beide drücken mir kühle, gehauchte Küsse auf die Wange. Links, rechts. Ein Wehren erscheint sinnlos. Ich ergebe mich in mein Schicksal.


Mark erzählt von seinem Job und Vivien lacht wie immer zu laut. Die Frage nach David reißt mich aus meinen Gedanken und ich winde mich in sinnlosen Erklärungen. Irgendwann begnügen sie sich mit meinen Ausflüchten, entdecken andere Bekannte und nach den gleichen sinnlosen Küssen wie bei der Begrüßung, bin ich sie wieder los.


Der Lärmpegel ist mittlerweile unerträglich und die Mischung aus stampfendem Beat und Stimmen steigert sich ins unerträgliche. Ich muss raus hier. Ich bezahle, drücke Tom den üblichen Kuss auf die Wange und kämpfe mich durch den Weg nach draußen.


Kalte Nachtluft dringt in meine Lungen, als ich ins Freie trete. Ich fange an zu rennen und als ich ins Auto steige und das leuchtende Areal im Rückspiegel verschwindet, atme ich auf und beginne ruhiger zu werden.


Nein, dieses Leben ist nicht mehr mein Leben. Je weiter ich durch die hell erleuchteten Strassen Stuttgarts fahre, um so sicherer bin ich, dass ich nie wieder in diese Bar zurück will. Ich fahre Richtung Westen. Wie automatisch. Die kleine Strasse, liegt ruhig und still. Ich erkenne das gelbe Schild "Bar", zwei Häuser unterhalb des alten sechsstöckigen Gebäudes, indem ich noch vor einem Jahr gelebt habe.


Ich überlege nicht.
Parke den Wagen und gehe die Stufen zum Eingang hinunter. Hinter der schweren Eichentür höre ich die Stimme von Nina Simone. Vertraut und schön, sing sie ihren "Backlash Blues". Die Einrichtung aus den Fünfziger Jahren, nimmt mich sofort wieder gefangen und mein Blick fällt auf die junge Frau hinter der Bar.


Sie hat ihr Haar streng nach hinten gekämmt und ist völlig ungeschminkt. Ihr offenes Lachen irritiert mich einen Moment. Nur solange, bis sie anfängt zu reden. Erzählt von einem neuen Espresso, den sie entdeckt hat und den ich unbedingt versuchen soll. Erstaunlich, dass sie sich nach all den Monaten, die ich nicht mehr hier gewesen bin, an mein Faible für Espresso erinnert. Während sie redet, lacht und irgendwie wunderschön auf mich wirkt, malt sie den Kaffee und presst das Pulver in die alte italienische Maschine, die hinter der Bar steht. Ganz selbstverständlich und ohne zu fragen, ob ich überhaupt Lust auf Espresso habe.


Während die Simone weiter singt und neben mir ein junges Pärchen Händchen hält und sich verliebt in die Augen schaut, trinke ich den besten Espresso meines Lebens und fühle mich fast wie Zuhause.


woVen

 

Hi Woven,

schöne Geschichte. Ich finde, dass Du hier die Gefühle Deines Prot schön darstelltst.
Der Trennungsschmerz ist überzeugend dargestellt. Auch das Ende gefällt mir gut, zeigt es doch dem Leser, dass es irgendwie immer weiter geht.
Guter Einstand. Mach weiter so.

Gruß
Jörg

 

Hallo Woven,

ich kann mich Jörg nur anschliessen. Schön, mal wieder etwas zu lesen, wo es nach einer Trennung weitergeht und der Protagonist ein neues Leben ohne den alten Partner beginnt, statt sich gleich in den Tod zu stürzen :)

Eine nette Geschichte, die angenehm zu lesen ist.

Liebe Grüße,
gori

 

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