Was ist neu

Sarah

Seniors
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11.06.2004
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Sarah

Er hockte im Gras.
Seine Beine waren angewinkelt und er saß auf seinen Fersen, die Hände lässig auf die Knie gelegt.
Er lauschte den Geräuschen des Waldes, er hörte das Zwitschern der Vögel, das Ächzen der Äste, als der schwüle Wind durch die Bäume strich, er inhalierte den Duft der Blüten, vernahm das Summen der Bienen, roch das würzige Aroma von Holz und Moos.
Und er genoss die wärmenden Strahlen der Sonne auf seinem Gesicht. Er lächelte zufrieden.
Da hörte er leise und vorsichtige Schritte hinter sich. Jemand schlich durch das hohe Gras. Er schlug langsam die Augen auf und drehte sich um. Da stand ein kleines Mädchen mit lockigen roten Haaren und großen Kulleraugen. Und sie weinte.
Er sah sie an und schwieg.
»Er ist tot«, sagte das Mädchen.
Er zog die Stirn in Falten.
»Kommst du mit?« fragte das Mädchen, noch immer weinend. Es streckte die kleine Hand aus und er ergriff sie. Er ließ sich von ihr über die Wiese führen. Dabei konnte er den Blick nicht von ihr abwenden, nicht von ihrem Haar und nicht von den Tränen, die ihren kleinen Körper beben ließen.
Sie führte ihn an den Waldrand und deutete unter einen Baum.
Er warf einen Blick auf die Stelle und fixierte dann wieder die Augen des Mädchens. Diese großen, dunklen Augen.
»Hilfst du mir?« fragte sie.
»Wobei?« fragte er schließlich. Seine Stimme klang ihm selbst fremd.
»Ihn begraben«, sagte das Mädchen. »Man muss ihn begraben.«
Er sah sie an und nickte.
Und dann begruben sie den kleinen Vogel.
Als das Mädchen dann nach Hause ging, sah er ihr lange nach.
Dann stand er auf und klopfte sich die Erde von der Hose.
Er hatte noch etwas vorzubereiten.

***

»Raucherpäuschen?«
Dirk grinste. »Du weißt, dass ich aufgehört habe...«, erwiderte er.
Jochen lachte. Er saß am Steuer und lenkte den Polizeiwagen auf die Imbissbude zu, wo er und Dirk immer gemeinsam Frühstück machten. Wie immer bestellten sie sich zwei Tassen Kaffee mit viel Zucker und Milch und dazu meist Käsekuchen.
Dirk spuckte seinen Kaugummi aus. »Die schmecken, als würde man Zigaretten essen...«, sagte er.
»Helfen sie wenigstens?« fragte Jochen, der gerade an seinem Kuchen kaute
»Naja«, meinte Dirk und nippte an seinem Kaffee. Er würde sich in nächster Zeit mal den Zucker abgewöhnen. Nachdem er mit dem Nikotin fertig war.
»Wie geht’s deiner Tochter?« wollte Jochen wissen.
Dirk rührte in seinem Kaffee. »Sie lebt bei meiner Exfrau«, erzählte er. »Wir dachten, es wäre das Beste so. Schließlich hat Annas Neuer ein richtig großes Haus.«
»Scheiße, Mann.«
»Du sagst es... Der Typ ist der reinste Kotzbrocken... Vor mir spielt er den Kumpel. Und in Wahrheit fickt er meine Frau und macht auf Vater bei meiner Tochter.«

Er wartete nun schon seit Stunden, ohne sich zu bewegen. Und er starrte immer wieder aus dem Fenster.
Er konnte hören, wie sie hinter ihm atmeten und stöhnten. Er hatte ihre Hand- und Fußgelenke fest aneinander gefesselt.
Er brauchte nur noch zu warten. Das war alles.
Eine Joggerin lief vorbei, in etwa hundert Meter Entfernung.
Endlich war es so weit.
Er hob sein Gewehr und zielte. Und dann drückte er ab.
Der Boden einen halben Meter neben der Joggerin explodierte, Erde schoss in die Luft und bespritzte die völlig überraschte Frau. Sie blieb stehen und sah sich um.
Er schoss ein zweites Mal, wieder einen halben Meter neben die Frau. Wieder regnete es Erde auf sie herab. Der Schuss echote nach wie ein ferner Peitschenknall.
Als sie sich immer noch nicht bewegte, schoss er ein drittes Mal, dieses Mal nur wenige Zentimeter neben sie.
Dann endlich floh sie.
Er ließ das Gewehr sinken.

»Was?« rief Dirk.
»Ein Schuss, bei der alten Lagerhalle«, wiederholte Jochen, selbst ganz perplex.
»Jetzt eben?«
»Heute morgen«, antwortete Jochen.
»Das gibt’s doch nicht«, sagte Dirk. »Ich wusste nicht, dass es hier Leute gibt, die ein Gewehr haben...«
Westenbach war ein sehr kleiner Ort mit ungefähr siebentausend Einwohnern. Die meiste Zeit waren Dirk und Jochen damit beschäftigt, betrunkene Jugendliche aus Autos zu ziehen oder bei Nachbarn vorbeizuschauen, die abends die Stereoanlage ein bisschen zu laut aufgedreht hatten. Gott, seit Dirk denken konnte, hatte es hier noch nicht einmal einen Überfall gegeben. Oder einen Mord – von Selbstmorden abgesehen.
Und jetzt? Da sollte jemand auf eine Frau geschossen haben? Das klang so verrückt, dass Dirk nicht einmal Angst bekam.
»Und jetzt?« fragte Jochen.
»Sollen wir mal hinfahren?« fragte Dirk unsicher.
»Hast du deine Pistole dabei?«
Dirk blickte auf den Halfter. »Ja.«
»Ist sie geladen?«
»Keine Ahnung...«

Anita Bengler wurde langsam unruhig.
Es passte überhaupt nicht zu ihrem Mann Georg, dass er sich nicht meldete. Er war gestern Nacht nicht nach Hause gekommen. Auch das war in ihren sechsundzwanzig Jahren Ehe noch nie vorgekommen.
Anita ging im Wohnzimmer auf und ab und starrte immer wieder auf die große Schrankuhr mit dem goldenen Pendel - ein Erbstück ihrer Großtante. Die Zeiger krochen so langsam dahin...
Schließlich gab sie dem inneren Drängen nach und griff zum Telefon.
»Polizeistelle Westenbach«, meldete sich eine junge Frauenstimme.
»Ich möchte meinen Mann als vermisst melden«, flüsterte Anita.
»Wie heißt Ihr Mann denn?« fragte die Frauenstimme.
»Georg Bengler«, gab Anita Auskunft.
»Der Bürgermeister?«

Wieder wartete er.
Nun war es bald soweit. Seine Muskeln spannten sich. Er warf einen Blick auf seine Geiseln. Der Fettsack in der Ecke beobachtete ihn mit weit aufgerissenen Augen. Der zweite Mann, der Krawatte und Anzug trug, war vor Stunden ohnmächtig gegen die Wand gesunken und seitdem nicht mehr aufgewacht.
Dann hörte er das Quietschen von Bremsen.

Jochen stellte den Wagen ab. Dirk sah sich um. Er war noch immer angeschnallt.
Die Fabrikhalle stand schon seit Jahren leer. Früher war es die Lagerstätte eines holzverarbeitenden Betriebes gewesen, der wunderschöne Kücheneinrichtungen hergestellt hatte. Auch Dirks Eltern hatten hier ihre Küche gekauft. Doch die Firma, ein Familienbetrieb, war aufgelöst worden, nachdem sich die Geschwister nicht einigen konnten.
Die Fabrik lag etwas außerhalb der Stadt, im angrenzenden Wald. Weit und breit war hier kein Mensch zu sehen. Ein breiter, seichter Bach floss hier ganz in der Nähe vorbei. Und das leise Rauschen des Wassers, war das einzige Geräusch, das sie hörten.
Die Halle selbst war heruntergekommen und baufällig. Die metallenen Wände waren angerostet, Fenster zerbrochen und die Türen hingen nur noch in den Angeln.
»Tja«, meinte Jochen. »Sollen wir uns mal umsehen?«
Dirk löste seinen Gurt. »Müssen wir wohl.«
Er warf einen vorsichtigen Blick auf das leerstehende Gebäude. Die Dunkelheit hinter den Fenstern machte ihm Angst. Er hörte nur das Rauschen des nahen Baches. Und hin und wieder einen Vogel singen.
Er öffnete die Tür und Jochen tat es ihm gleich. Sie stiegen langsam aus. Dirk sah, dass Jochen die Hand an seiner Waffe hatte.
Er versuchte ein Lächeln. »Was willst du denn...« begann er den Satz, als eine Kugel in die Beifahrertür einschlug. Funken stoben und es war so unglaublich laut, dass Dirk meinte, seine Trommelfelle würde zerreißen.
Er warf sich auf den Boden, als der Schuss noch nachhallte. Ganz instinktiv robbte er zur Heckseite des Wagen und hechtete sich dann auf die Fahrerseite, die der Fabrikhalle abgewandt war. Jochen starrte ihn mit weit aufgerissenen Augen an, die Hand noch immer am geschlossenen Halfter.
Dirk hustete. Seine Hände zitterten.
»Scheiße« flüsterte er.
Eine weitere Kugel schlug ein, dieses Mal in die Windschutzscheibe. Glas regnete auf die beiden Polizisten herab. Dirk hatte seine Kappe verloren. Ein Glassplitter fiel auf seine Nase.
Wieder schlug ein Schuss ein. Und ein zweiter. Beide trafen sie die Motorhaube.
Was, wenn der Irre den Tank trifft?, schoss es Dirk durch den Kopf. Explodieren Autos, so wie im Fernsehen?
»Was machen wir jetzt?« fragte Jochen schließlich. In seinem Blick lag nackte Panik.
Dirk blinzelte. Er spürte wie er schwitzte. »Wir müssen Verstärkung anfordern...«, sagte er schließlich langsam.
»Wen denn?« rief Jochen ganz verwirrt.
Dirk zuckte mit den Schultern. »Die Kripo, eine Spezialeinheit... was weiß denn ich?«

Er beobachtete die beiden Polizisten, die hinter dem Auto lagen. Er konnte ihre Füße sehen. Es wäre ein Leichtes gewesen, sie zu treffen. Doch er würde noch warten.
Noch waren es nicht viele genug.

Dirk hatte es irgendwie geschafft, das Funkgerät zu betätigen. Er hatte die Fahrertür aufgemacht, hatte vorsichtig und langsam hineingefasst und sich di as Sprechgerät vom Armaturenbrett geangelt.
Dann hatte er eine Durchsage gemacht, wie sie stümperhafter nicht sein hätte können. Aber man hatte ihn verstanden.
»Verstärkung ist unterwegs« hatte er aus dem Funkgerät geklungen, bevor es verstummt war.
Dann hatten sie gewartet.
Eine Zigarette, dachte Dirk, eine Zigarette, nur eine Zigarette...

Georg Bengler taten alle Knochen weh. Er lag nun schon seit einer ganzen Nacht auf der selben Schulter und die Schmerzen waren so unerträglich, dass er am Liebsten die ganze Zeit über geschrieen hätte.
Neben ihm lag Sven Krause, ein befreundeter Staatsanwalt. Und seit Georg die Augen aufgeschlagen hatte, war Sven bewusstlos neben ihm gelegen.
Wie war er hierher gekommen? Und wer war der Irre am Fenster mit dem Gewehr?
Er erinnerte sich nur noch dunkel an gestern Abend. Es war alles so schnell gegangen... Er war mit Sven zusammen auf dem Weg zu seinem Auto gewesen, als plötzlich dieser Schatten hinter ihm auftauchte und Sven niedergeschlagen hatte. Und ehe Georg reagieren hatte können, war er schon bewusstlos gewesen.
Und heute morgen hatten ihn die Schmerzen dann aufweckt.
Der Irre am Fenster - der Entführer - war ein großer, muskulöser Mann, den Georg noch nie in seinem Leben gesehen hatte. Und er hatte ein gutes Gedächtnis, was Gesichter anging.
»Was haben Sie vor?« fragte Georg, zum wiederholten Mal.
Doch der Mann am Fenster starrte einfach nur nach draußen und bewegte sich nicht. Es schien, als könne er Georg gar nicht hören.
»Ich habe Geld«, sagte Georg.
Keine Reaktion.
»Was wollen Sie denn?«
Da zuckte der Mann plötzlich. Georg wollte aufschrecken, doch die engen Fesseln ließen ihm keinen Bewegungsspielraum.
Der Fremde drehte sich langsam zu Georg um und musterte ihn durchdringend. Er sagte kein Wort und doch brachte diese Stille Georg sofort zum Verstummen. Irgendetwas im Gesicht dieses Mannes machte ihm Angst.
Dann drehte sich der Entführer wieder um und starrte aus dem Fenster.
Ein zweiter Wagen fuhr auf das Grundstück, kurz darauf ein dritter.

Das hat ja ewig gedauert, dachte Dirk bei sich, als er die beiden Autos sah. Und tatsächlich war fast eine halbe Stunde vergangen, in der er und Jochen hinter dem ramponierten Polizeiwagen gelegen hatten. Schweigend. Ohne auch nur ein Wort zu sagen.
Jochen atmete hörbar aus, als die beiden Polizeiwagen vor Ihnen zu stehen kamen.
Diese Idioten fuhr es Dirk durch den Kopf. Merken sie nicht, dass sie direkt in der Schusslinie stehen?
Er rechnete damit, dass jeden Moment wieder ein Schuss die Stille zerreißen würde. Doch nichts geschah.
Peter und Günther saßen in dem einen Wagen, Klaus und Matthias in dem anderen. Sie öffneten langsam die Türen ihrer Autos und hielten sich dahinter in Deckung.
»Alles klar?« rief Matthias. Er war der Älteste der Beamten. Sein Haar war schon ergraut, doch seine Fitness war im ganzen Revier bekannt. Er konnte es mit den jüngsten Polizeianwärtern aufnehmen.
»Haltet euch in Deckung« rief Dirk zurück. »Es geht uns gut.«
»Verstärkung ist unterwegs«, rief Matthias zurück. »Sie wird jeden Moment hier sein.«
Warum schreit er so? dachte Dirk.
Jochen warf Dirk einen verzweifelten Blick zu. Seine rechte Hand lag noch immer auf dem ungeöffneten Halfter an seiner Seite.
Dirk grinste ihn an, um ihm Mut zu machen, aber sein Grinsen misslang ihm gründlich.

Georg Bengler beobachtete den Entführer, der noch immer regungslos am Fenster stand.
Er hatte die Wagen gehört, die vorher auf das Grundstück gekommen waren.
Warum machen die nichts? dachte er. Warum helfen die uns nicht? Was ist da los? Warum dauert das so lange?
Da zuckte der Entführer plötzlich wieder. Er bückte sich langsam und hob eine Flasche vom Boden auf. Dann zündete er ein Feuerzeug an.
Was...?
Und bevor der Bürgermeister schreien konnte, flog die brennende Flasche auch schon aus dem Fenster.

Plötzlich war überall Feuer.
Dirk hatte nur einen kurzen Knall gehört, Glas regnete auf ihn herab und der Wagen, hinter dem sie in Deckung lagen, brannte lichterloh. Dirk spürte die Hitze im Gesicht.
Er robbte zur Seite, weg von dem Auto. Seine Kollegen in ihren Wagen schrieen, er konnte nicht verstehen, was.
Jochen verlor die Nerven.
Er sprang auf, der Schreck deutlich im Gesicht, und verließ seine Deckung.
Dirk versuchte, nach vorne zu hechten, versuchte, seinen Freund nach unten zu ziehen, aber Jochen war zu weit zurückgesprungen.
Als die Kugel in seine Brust einschlug und warmes Blut in Dirks Gesicht spritzte, da war Jochen noch lange genug bei Bewusstsein, um seinen Fehler zu erkennen. Seine Augen weiteten sich und aus seiner Kehle klang ein dumpfes Gurgeln, so als wäre Flüssigkeit in seine Lungen gedrungen.
Jochen sackte auf die Knie und Blut schoss aus seinem Mund. Die zweite Kugel schlug in seine Stirn ein und Dirk schloss die Augen.
Er konnte nicht glauben, was er da eben gesehen hatte.
Er hörte, wie Jochens Körper zu Boden sackte und dann war da wieder nur das Rauschen des Baches.
Hinter ihm loderten noch immer die Flammen, doch das war ihm nun egal.

Dirk konnte sich nicht mehr erinnern, wie er von dem brennenden Wagen weggekommen war, ohne dass ihm etwas passierte. Aber auf einmal waren um ihn herum die Gesichter seiner Freunde.
Matthias wirkte sehr besorgt und warf immer wieder einen Blick auf die Lagerhalle. Peter, Günther und Klaus waren einfach nur ängstlich.
»Du musst dich zusammenreißen, Dirk«, hörte er Matthias. »Herr Gott, noch mal! Reiß dich bloß zusammen.«
Sie waren nun hinter den beiden anderen Polizeiwägen in Deckung gegangen.
»Hilfe ist unterwegs«, sagte Matthias. »Die schicken uns etwas Größeres. SEK wahrscheinlich...«
»Wo ist Jochen?« fragte Dirk.
Niemand antwortete. Matthias warf Klaus einen vorsichtigen Blick zu.
Dirk begann zu weinen. Er drehte sich zur Seite und weinte. Gott, wie lange hatte er nicht mehr geweint? Als seine Frau die Scheidung eingereicht hatte, da hatte er nicht geweint, als seine Tochter geboren worden war, hatte er nicht geweint, als seine Mutter gestorben war, hatte er nicht geweint. Aber jetzt fiel ihm nichts Besseres ein.
Er schluchzte ungehalten vor sich hin, zog den Rotz in seiner Nase immer wieder nach oben und weinte wie ein kleiner Junge.
Niemand sagte etwas.
Dann übergab sich Peter.

Er hatte ihnen eine kleine Pause gegönnt. Er hatte es zugelassen, dass sie ihren Kameraden retteten. Hatte Spaß dabei empfunden, wie die vier Beamten langsam aus ihrer Deckung gekrochen waren, die Waffen in der Hand und die Blicke ängstlich auf die Fabrikhalle gerichtet.
Er hatte ihre Angst genossen.
Es war ihm egal gewesen, dass sie sich nun wieder verschanzt hatten. Es würde ohnehin keinen Unterschied machen.
Er drehte sich um und sah die beiden Geiseln an. Der Fettsack keuchte schwer, starrte ihn aber immer noch an.
Er ging langsam auf die beiden gefesselten Männer zu.

»Ach, Scheiße«, wiederholte Peter immer wieder. Er war noch sehr jung und vielleicht gerade mal eineinhalb Jahre im Dienst. Er war kein sehr intelligenter Junge, eher sehr einfach gestrickt, aber man konnte sich immer auf ihn verlassen. Und er war ehrlich.
Letzte Woche hatte sich seine Freundin von ihm getrennt. Dirk mochte ihn. Peter war ziemlich groß, sportlich und trug sein blondes Haar in einem militärischen Bürstenschnitt, der seinen Eierkopf unvorteilhaft betonte.
»Scheiße, Mann, Scheiße«, murmelte er wieder vor sich hin.
»Unterstützung ist unterwegs.« Dieses Satz war zu Matthias’ Mantra geworden. Er klammerte sich daran fest wie ein Ertrinkender an eine Planke Holz und sagte ihn immer wieder, mal zu Klaus und mal zu Peter, manchmal aber auch nur für sich selbst.
Hin und wieder warf er einen Blick auf die Fabrikhalle. Dirk vermutete, dass er auch immer wieder zu Jochens Leiche schielte. Sie hatten den Kollegen einfach liegen lassen.
Klaus sagte gar nichts und rührte sich auch nicht. Er starrte einfach nur vor sich hin. Manchmal schluckte er, aber sein Blick blieb glasig.
Günther war ein dicker, kleiner Mann mit wenig Haaren. Er kam schnell aus der Puste. Er atmete sehr schwer und sein rundes Gesicht war puterrot angelaufen. Er war der Einzige, der seine Waffe noch immer in der Hand hielt.
Dirk lag einfach nur da und schwieg. Wo blieb eigentlich die Verstärkung? Wie viel Zeit war schon vergangen? Wie lange lag er schon hier und wartete?
»Ich will hier raus«, sagte Peter und fuhr sich über seinen kurzen Bürstenhaarschnitt. Dirk sah ihn an. Dem Jungen war noch nie ein richtiger Bart gewachsen.
»Wir müssen nur Geduld haben«, sagte Matthias. »Unterstützung ist unter...«
Irgendjemand schrie und dann hörten sie alle ein dumpfes Geräusch.
Matthias warf einen kurzen Blick in Richtung Lagerhalle.
»Gott steh uns bei«, hauchte er.
Dirk sah in Matthias’ vor Schreck geweitete Augen.
»Der Irre hat eine Geisel aus dem Fenster geworfen.«

Georg Bengler war gelähmt vor Angst.
Soeben hatte der Entführer Sven Krause gepackt und aus dem Fenster geschleudert. Sein Freund war unter lauten Schreien auf dem harten Asphaltboden aufgeprallt. Dann war es still gewesen.
Der Entführer trat vom Fenster weg und kam auf Georg zu. Er packte ihn am Kragen und zog ihn mühelos hoch. Dabei wog Georg über zwei Zentner.
Der Entführer schleifte den wehrlosen Bürgermeister ohne große Anstrengung zum Fenster und hielt seinen Kopf nach draußen.
Georg sah nach unten, starrte auf den harten Asphalt und sah unten die verrenkte Gestalt seines Freundes liegen, der mit dem Kopf voran am Boden aufgeschlagen war. Blut lief aus einer Wunde am Schädel und bildete eine große, unförmige Lache am Asphalt.
Das Fenster war nicht hoch in der Luft, vielleicht waren es sechs Meter bis zum Boden. Aber diese Höhe hatte gereicht, Sven Krause umzubringen.
Georg Bengler schrie sich die Seele aus dem Leib.

»Wer ist das?« fragte Dirk, der sich aufgerappelt hatte und schnellen Blick über die Motorhaube des Wagens auf das Fenster im ersten Stock der Halle geworfen hatte. Darin war ein dicker Mann zu sehen, der aus Leibeskräften schrie.
Dirks Wagen hatte inzwischen aufgehört, zu brennen. Er war nicht einmal explodiert.
»Wir gehen davon aus, dass es sich bei der Geisel um den Bürgermeister handelt«, erzählte Matthias.
Dirk fuhr auf. »Was?« keuchte er.
Wieder ließen ihn diese grauenvollen Schreie zusammenzucken.
Matthias nickte. »Nachdem ihr zu der Halle gefahren seid, kam ein Anruf in der Wache. Die Frau des Bürgermeisters meldete ihren Mann als vermisst. Und der Staatsanwalt, der gestern einen Termin mit unserem Bürgermeister hatte und der Letzte war, der ihn gesehen hat, ist heute morgen ebenfalls nicht in seinem Büro erschienen.«
»Die Leiche...«, stotterte Peter.
Wieder ein Schrei.
»Ich weiß nicht, wer das ist, das lässt sich von hier nicht erkennen«, erwiderte Matthias und warf erneut einen vorsichtigen Blick auf das Opfer, das wahrscheinlich tot unter dem großen Fenster im ersten Stock der Halle lag. »Vielleicht der Staatsanwalt...«
»Das ist Wahnsinn«, murmelte Klaus. Er schien aus seiner Lethargie erwacht. »Das ist der reinste Wahnsinn. Dieser Irre wird uns alle nacheinander abschlachten.«
Niemand antwortete.
Klaus blickte auf, sah Dirk an. Sie spielten manchmal Billard zusammen. »Wir müssen hier weg, Dirk«, sagte er.
Dirk schüttelte den Kopf und lächelte müde. »Das wird nicht so einfach werden, Kumpel«, antwortete er.
Wieder schrie die Geisel am Fenster. Dieses Mal waren es Worte, die sie alle verstanden. »Helfen Sie mir! Helft mir doch!«
Matthias senkte den Kopf. »Wir müssen etwas tun.«
»Spinnst du jetzt völlig?« fragte Dirk entsetzt. »Was willst du denn machen? Ich bin nicht Rambo, wenn dir das entgangen sein sollte. Und du bist nicht Bruce Willis.«
»Sollen wir warten und zusehen, wie dieser Geisteskranke ihn umbringt?« Matthias hatte geschrieen ohne es zu merken.
Dirk senkte den Blick. »Das wird er sowieso tun«, sagte er.
»Herr Gott, Dirk! Willst du jetzt einfach hier sitzen bleiben?«
»Dieser Irre hat zwei Menschen getötet. Einer davon war Jochen!«
»Und jetzt willst du zusehen, wie er noch einen Menschen umbringt?«
Dirk packte Matthias am Kragen und drückte ihn mit voller Wucht gegen den Wagen. »Du blöder Arsch«, schrie er.
Günther fuhr dazwischen. Mit hochrotem Kopf drückte er die beiden Männer auseinander.
Schwer schnaufend ließ sich Dirk zurücksinken.
Verdammt dachte er. Verdammt, verdammt, verdammt.
Sie schwiegen eine Weile.
Sie hörten wieder den Bürgermeister flehen. Hörten, wie er wimmerte und bettelte, wie er sie beschwor und weinte.
Dann zog Matthias seine Waffe. Dirk funkelte ihn wütend an.

»Ich kann das nicht«, sagte Klaus. »Ich kann das nicht.« Er hielt die Pistole in seiner Hand und weinte vor Angst.
Peter schwieg. Günther kontrollierte, ob seine Waffe geladen und entsichert war. Peter warf immer wieder einen besorgten Blick auf die Lagerhalle und auf das Fenster im ersten Stock, wo der Bürgermeister noch immer stand und schrie.
»Wir müssen uns jetzt zusammenreißen«, sagte Matthias. »Das ist eine schlimme Situation, das gebe ich zu. Und jeder hat Angst, Scheiß Angst, verdammt.« Er warf einen kurzen Blick auf Klaus, der kurz davor war, durchzudrehen. »Und dieser Scheißtyp provoziert uns. Er will, dass wir aus unserem Versteck kommen.«
»Er wird uns alle umbringen«, sagte Dirk.
Matthias warf ihm einen wütenden Blick zu. »Halt die Klappe, Dirk«, sagte er.
»Hilfe!« schrie der Bürgermeister. Seine Stimme war schon ganz heiser.
Dann fing er plötzlich an, lauter zu schreien, er schrie vor Schmerz.
Dirk sah sich um und wusste auch gleich warum.
Der Irre hatte mit einem Messer einen langen Schnitt quer über den Bauch des Bürgermeisters gezogen.

Georg Bengler spürte einen dumpfen Schmerz in seinem Bauch, der sich schnell nach innen fortsetzte. So als wären glühende Drähte in seinem Leib, die plötzlich unter Storm stünden.
Er schrie, schrie so laut er konnte.
Und dabei hatte er eigentlich schon mit seinem Leben abgeschlossen, rechnete damit, dass der Entführer, der noch immer hinter ihm stand, ihn jeden Moment nach vorne in die Tiefe schleudern könnte.
Er irrte sich.
Er irrte sich gewaltig.

»Benutzt eure Ohrenstöpsel«, riet Matthias. »Und auf mein Zeichen rennt ihr alle in verschiedene Richtungen. Wir gehen durch den Wald um das Grundstück herum und treffen uns an der Rückseite. Es gibt dort ein paar ausrangierte Maschinen, wenn ich mich nicht irre. Dort treffen wir uns wieder.«
»Wieso die Ohrenstöpsel?« fragte Dirk.
»Wenn jemand angeschossen wird«, erklärte Matthias, »will ich nicht, dass sich die anderen umdrehen. Ich will, dass alle weiterlaufen und nicht darauf achten, was hinter ihnen passiert.«
Dirk musterte Matthias, als hätte dieser den Verstand verloren.
»Mein Gott«, murmelte Klaus. Er schien sich wieder etwas gefangen zu haben, er wirkte jetzt viel ruhiger, viel gefasster.
»Vielleicht geht es ja gut aus und wir alle kommen heil davon«, meinte Matthias. Aber er klang so, als würde er selbst nicht daran glauben.
»Seid ihr bereit?« fragte er in die Runde.
Auch Dirk hatte jetzt seine Waffe gezogen. Er lauschte. Der Bürgermeister war immer noch zu hören, wenn auch nur ganz leise.
Matthias schob die Stöpsel in seine Ohren und nickte. Die anderen taten es ihm gleich. Dirk steckte sich die Wachsstücke in seine Ohren, aber nur ganz leicht, so dass er trotzdem noch alles hören konnte.
Der Bach in der Ferne rauschte, als Matthias das Zeichen gab.
Dirk sprintete los.
Er hörte, wie ein Schuss durch die Luft pfiff. Er rechnete damit, dass er jeden Moment einen starken Schmerz spüren würde, im Rücken, im Bein. Würde er es weh tun, wenn die Kugel gleich seinen Kopf durchschlug? Er rannte und glaubte, zu langsam zu sein, er glaubte, dass sich seine Beine zwar bewegten, aber er auf der Stelle trat.
Beinahe hätte er wieder zu weinen angefangen.
Wieder pfiff ein Schuss durch die Luft und er hörte einen Schrei.
Aber er drehte sich nicht um.
Dirk rannte einfach weiter, so als hätte er nichts gehört.

Er setzte das Gewehr langsam ab und sah durch das Fenster nach draußen. Sie waren geflohen. Aber er hatte die Waffen in ihren Händen gesehen. Er wusste, dass sie noch nicht aufgegeben hatten. Aber der fette Polizist würde keine Gefahr mehr für ihn darstellen.
Er drehte sich um und sah den wimmernden Bürgermeister vor sich liegen, der zusammengekrümmt vor ihm lag, die Arme um den Bauch geschlagen. In einem großen See aus Blut lag er da.

Georg Bengler konnte förmlich spüren, wie das Leben aus ihm wich.
Der Schmerz war größer als alles, was er bisher erlebt hatte.
Er blinzelte, als es ihm schwarz vor Augen zu werdend drohte.
Der Entführer beobachtete ihn stumm.
Er ließ den Kopf wieder sinken, weil er dieses Gesicht nicht ertrug.
Der Schmerz wurde schlimmer.

Dirk blieb stehen, um zu pinkeln. Er konnte es nicht mehr zurückhalten. Er riss die Hose herunter und pinkelte gegen einen Baum. Dabei stütze er sich mit der rechten Hand, die Waffe noch immer fest umklammert, an der harten, rauen Rinde ab.
Seine Hand zitterte und er keuchte schwer.
Die Angst schien ihn zu lähmen, er war unfähig, einen klaren Gedanken zu fassen. Er wollte weinen, versuchte, sich zu übergeben, doch beides gelang ihm nicht.
Er zog seine Hose wieder nach oben.
Was sollte er nur tun? Wer konnte ihn zwingen, in diese Lagerhalle zu gehen? Wer würde ihm einen Vorwurf machen, wenn er jetzt umkehrte, wenn er sich nicht auf diesen Wahnsinn einließ? Wer?
Dirk blieb stehen und horchte. Er hörte nur noch das Rauschen des nahen Wassers. Er schloss die Augen.
Dann verschwand die Angst langsam, ganz langsam aus seinem Körper. Er versuchte, sich auf dieses Rauschen zu konzentrieren und wartete, bis es seinen Geist ausfüllte. Bis nur noch dieses Rauschen in seinem Kopf war und sonst nichts mehr.
Dann öffnete er die Augen wieder.
Seine Hand zitterte immer noch. Aber nicht mehr so stark wie vorhin. Als er durch die Bäume hindurch die Wände der Lagerhalle in der Ferne sehen konnte, da machte sein Herz wieder einen Sprung und er blickte schnell zur Seite.
Er konnte die anderen nicht alleine lassen. Er würde zur Rückseite der Lagerhalle gegen, wie es abgemacht gewesen war und dort warten. Wenn niemand kommen würde, dann würde auch Dirk nichts unternehmen.
Und vielleicht würde inzwischen Verstärkung angerückt sein. Wenn er sich etwas mehr Zeit ließ, würde sich dieses Problem vielleicht ganz von alleine lösen.
Er wartete noch einen Moment und ging dann weiter, hauptsächlich deshalb, weil er es nicht ertrug, auf der Stelle zu stehen.

Dirk durchquerte den Wald in einem großen Bogen um die Fabrikhalle herum.
Er fragte sich, wie es den anderen ging.
Und er fragte sich, wen er beim Weglaufen schreien gehört hatte.
Dann verdrängte er diese Gedanken und lief einfach weiter, die Waffe in seiner Hand. Er klammerte sich so fest an den metallenen Griff, dass seine Finger bald zu schmerzen begannen. Doch das störte ihn nicht. Diese Waffe - so redete er sich ein - war alles, was er hatte, er bildete sich ein, dass ihm nichts passieren könnte, so lange er sie nur fest genug in Händen hielt. Er war nicht wehrlos. Er konnte sich verteidigen. Und er würde es tun, falls nötig.
Er erreichte die Rückseite des Grundstücks viel zu schnell.
Sofort machte sich Ratlosigkeit in ihm breit. Er sah sich um, konnte aber die anderen nicht entdecken.
Er kauerte sich hinter einen Baum und wartete.
Dann dachte er an seine Eltern. Wie sie ihm den Löffel immer in die rechte Hand gedrückt hatten, obwohl er sich dagegen gesträubt hatte. Wie er sich immer vergeblich gewehrt hatte, mit der rechten Hand zu schreiben.
Er betrachtete die matt schimmernde Pistole in seiner rechten Hand. Probeweise nahm er sie in die linke. Die Waffe fühlte sich komisch an, denn es war eine Rechtshänderwaffe. Er spürte, wie sie unangenehm in der Hand lag. Und doch fühlte es sich richtig an. Und wenn es hart auf hart kam, dann würde er sie lieber in dieser Hand lassen. Er würde seiner linken Hand sein Leben anvertrauen. Nicht seiner rechten.
Als ihn von hinten jemand an der Schulter berührte, hätte er die Pistole beinahe abgefeuert.
»Ich bin es nur«, sagte Peter schnell.
»Mann, Scheiße«, fluchte Dirk. »Ich hätte dir beinahe den Kopf wegeschossen.«
Peter schwieg. Schweiß stand auf seiner Oberlippe.
»Wo sind die anderen?« fragte Dirk.
Peter schüttelte den Kopf. »Keine Ahnung.« Er schluckte. »Günther hat es erwischt...«
Dirk senkte den Blick. Günther also.
»Das ist doch Irrsinn«, sagte Dirk.
»Wir müssen da nicht reingehen«, sagte Peter und sah Dirk tief in die Augen. Dirk ertrug den Blick nicht und drehte sich weg.
»Da ist Matthias«, sagte er und deutete auf eine Gestalt, die etwa Hundert Meter von ihnen entfernt auf die Rückseite der Halle zuschlich.
»Ich habe ihn gesehen«, sagte Peter.
Dirk drehte sich zu ihm um. »Wen?« fragte er. »Wen hast du gesehen?« Aber er wusste bereits, wovon Peter redete.
»Ich habe gesehen, wie er hinter dem Bürgermeister stand«, erzählte Peter. »Wie er ihm den Bauch aufgeschlitzt hat.«
Dirk konnte nichts sagen.
»Das ist kein Mensch«, fuhr Peter fort. »Ich weiß nicht, wer er ist, aber er ist kein Mensch. Was, wenn wir ihn nicht umbringen können? Wenn unsere Kugeln von ihm abprallen?«
»Niemand ist kugelfest«, sagte Dirk. »Niemand.« Er dachte an Jochen. Er dachte an Günther. »Niemand, hörst du?« Er packte Peter am Hinterkopf und zog sein Gesicht nah an seines heran. »Niemand ist kugelfest!«
Peter konnte nichts anderes tun als nicken. Doch er hielt seine Augen gesenkt.
»Und jetzt komm«, sagte Dirk. »Matthias wartet.«
Die beiden Männer schlichen geduckt und die Bäume als Deckung ausnutzend zur Rückseite der Lagerhalle.
Matthias hatte Recht behalten. Mehrere ausrangierte Maschinen fristeten ihr Dasein auf dem weiten Asphaltplatz. Ein altes, kaputtes Förderband führte in die Halle hinein, das ausgeschlachtete Skelett eines Lieferwagens rostete vor sich hin und mehrere alte, große Metallcontainer waren aufgebaut und mit Schutt und Abfall gefüllt. Dazwischen lagen noch mehrere morsche und zerfallene Holzlatten.
Sie trafen Matthias hinter einem Container. Er war gerade dabei, seine Munition zu prüfen. Als Dirk zu ihm stieß, schob er das Magazin gerade in den Griff seiner Waffe zurück.
»Wo ist Klaus?« fragte Dirk als erstes.
Matthias zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung.«
»Günther hat es..., begann Dirk, doch Matthias hob abwehrend eine Hand.
»Ich weiß«, sagte er nur.
Die beiden Männer sahen sich an.
»Du kannst hier bleiben«, sagte Matthias. Er legte seine Hand auf Dirks Schulter. »Bleib hier. Du hast eine Tochter.«
Dirk schüttelte den Kopf. »Dazu ist es jetzt zu spät. Wenn du da reingehst, gehe ich mit.«
»Der Bürgermeister...«, begann Matthias, aber dann brach er plötzlich ab und sah zu Boden. Als er Dirk wieder ansah, war etwas Fremdes in seinen Augen. »Ich habe meine Gründe, da hineinzugehen«, sagte er dann. »Es sind meine persönlichen Gründe und sie haben mit euch nichts zu tun. Geh nicht meinetwegen.«
Dirk sah Matthias lange an und kämpfte mit sich selbst. Er wollte dies nicht tun. Er wollte nicht sein Leben aufs Spiel setzen. Er war drauf und dran zu nicken.
Dann aber hörten sie einen lauten Knall.
Peter zuckte zusammen.
»Wo ist eigentlich diese blöde Verstärkung?« fragte Peter in das darauf folgende Schweigen hinein.
Dirk und Matthias sahen sich an.
»Bleibt hier«, sagte Matthias dann. Er hob seine Waffe und sprintete aus der Deckung. Dirk warf ihm einen Blick nach und sah, wie Matthias auf das Förderband zulief.
Sie hörten, wie seine schweren Schritte auf dem alten Blech klangen und dann war da wieder nur das Rauschen des Baches.
»Ich kann das nicht mehr«, sagte Peter. »Ich kann das nicht mehr.« Er stütze sich mit beiden Händen auf den Knien ab und ließ achtlos seine Waffe fallen. Er begann zu hyperventilieren.
Dirk packte seinen jungen Kollegen und schlug ihm ins Gesicht, bis er aufhörte.
Dann hörten sie einen neuen Schuss, der aus der Halle kam. Es war unglaublich laut. Darauf folgte ein wahrer Schusswechsel, ein Gemisch aus lauten Geräuschen, die durch die leere Halle zu einer unglaublichen Lautstärke verstärkt wurden.
Dann hörten sie wieder jemanden schreien.
Es war der Bürgermeister. Und wieder schrie er nach Hilfe.
Und seine Schreie kamen näher.
Dirk riskierte einen schnellen Blick. Es gab eine kleine Tür, die aus der Halle führte. Sie war rot lackiert und hatte ein kleines Fenster, das aber so schmutzig war, dass man unmöglich etwas dahinter erkennen konnte.
Plötzlich wurde die Tür aufgeschlagen und Dirk hätte beinahe seine Pistole abgefeuert, wenn er nicht im letzten Moment das blutverschmierte Hemd des Bürgermeisters erkannte hätte.
Der Bürgermeister bewegte sich durch die Tür und lief auf Dirk zu.
»Hilfe!« rief er. »Helfen Sie mir.«
Dirk trat aus der Deckung hervor, um dem Bürgermeister entgegenzueilen.
Matthias musste es geschafft haben, denn...
Ein brennender Schmerz explodierte in seiner linken Schulter. Dirk spürte, wie Blut in sein Gesicht spritzte und der Schmerz sich in seinem ganzen Körper ausbreitete.
Als er zu Boden stürzte, dachte er nur noch an eines:
Sarah.
Er schlug mit dem Kopf hart auf dem Boden auf und blieb liegen. Er spürte die Waffe nicht mehr in seiner Hand. Aber er spürte auch seine Hand nicht mehr.
Dann hörte er Peter schreien und wieder hörte er diesen Schuss. Dieses laute Geräusch, dass in seinen Ohren so sehr schmerzte.
Der Bürgermeister schrie, aber Dirk verstand nicht, was. Der Schmerz war so stark, so allgegenwärtig. Er konnte keinen geraden Gedanken mehr fassen.
Er stöhnte und wälzte sich zur Seite.
Er blinzelte nach oben in die kalte Sonne.
Vor dem diesigem Licht erschien die Silhouette eines Mannes. Er war groß und baute sich vor Dirk auf.
Erst nach einer Weile erkannte er die Gesichtszüge des Mannes. Und er erschrak. Es war nichts Menschliches in diesem Gesicht, keine Regung, kein Gefühl.
Der Fremde hob die rechte Hand. Eine großkalibrige Waffe lag darin und er richtete sie direkt auf Dirk.
Dirk rappelte sich auf und sah sich um.
Hinter dem Fremden lag der Bürgermeister auf dem Boden. Er hechelte schwer, aber er schien noch am Leben.
Der Fremde starrte Dirk an, sah ihm zu, wie er sich mühsam aufrichtete und hielt weiter die Waffe auf ihn gerichtet.
Dirk drückte seine Rechte auf die Schulter und spürte warmes Blut zwischen seinen Fingern.
Er hatte niemals daran gedacht, dass es so zu Ende gehen könnte. Er hatte eigentlich nie ernsthaft darüber nachgedacht zu sterben. Er hatte sich nie damit beschäftigt, wie es sein würde, wenn er starb.
Einmal war er mit seinem Wagen in einen anderen gerast. Das war alles so schnell gegangen und er hatte erst eine Stunde später so etwas gespürt wie Angst. Aber er hatte sich nie gefragt, wie es gewesen wäre, hätte er bei diesem Unfall sein Leben verloren. Er hatte diese Vorstellung verdrängt, denn er war kein sehr religiöser Mann.
Dirk sah auf und starrte den Fremden an und der wiederum starrte nur zurück, starrte Dirk an.
Warum schoss er nicht?
Der Fremde sah ihm weiter in die Augen. Dann führte er die Waffe an seine eigene Schläfe und drückte ab.
Dirk war so perplex, dass er gar nicht richtig realisiert, was passiert war.
Der Fremde brach vor ihm zusammen. Blut quoll aus seiner Schläfe und seine Augen waren weit aufgerissen.
Dirk verschwendete keine Zeit auf ihn, er hatte genug Tod gesehen für heute, und kämpfte sich voran, zum auf den Boden liegenden Bürgermeister.
»Herr Bürgermeister...?« sagte er. Seine Stimme war heiser und ohne Kraft.
Der Bürgermeister schlug die Augen auf. Sein Atem ging deutlich flacher.
»Herr Bürgermeister...«, wiederholte Dirk.
Dann wurde es schwarz um ihn.

***

Er klingelte an der Haustür. Seine Hand zitterte schon wieder. Er fragte sich, ob das jemals aufhören würde.
Es dauerte eine Weile, bis Anna öffnete. Als sie ihn sah, sagte sie kein Wort, sondern umarmte ihn einfach nur stumm.
Dirk erwiderte die Umarmung gerne. Allerdings nur mit seinem rechten Arm. Seine linke Schulter konnte er immer noch nicht bewegen.
»Vielleicht werden Sie das nie wieder tun können«, hatte der Arzt gesagt.
Dirk erinnerte sich nur zu gut daran, wie er sich zum ersten Mal im Spiegel gesehen hatte. Und die große Narbe, die nun auf seiner Schulter war.
Anna führte ihn in die Küche und setzte etwas Tee auf.
Dirks Finger zitterten noch immer. Er steckte sich eine Zigarette in den Mund und nahm sie gleich darauf wieder heraus. Er hatte sein Feuerzeug vergessen.
»Wie geht es dir?« fragte Anna.
»Wie soll es mir schon gehen?« fragte er zurück.
Anna verschränkte die Arme vor ihrer Brust. Sie war eine so unglaublich schöne Frau, ging es Dirk durch den Kopf.
Er spürte, wie das Handy in seiner Hose klingelte.
»Private number calling« zeigte das Display an. Er bekam in letzter Zeit oft Anrufe von Menschen, die er nicht kannte.
Er steckte das Handy in seine Hosentasche zurück.
»Wer war es?« fragte Anna.
Dirk zuckte mit den Schultern. »Ich bin der Einzige...«, sagte er nur. »Das interessiert die Leute.«
»Trinkst du, Dirk?« fragte Anna.
Dirk sah sie an.
»Du riechst so«, erklärte sie.
Dirk drehte den Kopf zur Seite.
»Hermann und ich haben überlegt«, redete sie dann weiter. »Du kannst hier wohnen.« Dirk sah sie an. »Für eine Weile«, fügte sie sofort hinzu. »Du kannst im Gästezimmer schlafen. Aber...«, sie hob den Finger, »... keine Zigaretten und kein Alkohol.«
»Anna, ich...«, setzte Dirk an.
»Papa«, rief plötzlich eine Kinderstimme.
Dirk warf den Kopf herum, so heftig, dass seine Schulter schmerzte.
Sarah stand in der Tür und hinter ihr Hermann, Annas neuer Mann.
Sarah stürmte auf ihren Vater zu und fiel ihm in die Arme.
Dirk drückte seine Tochter fest an sich. So fest, dass es schmerzte.
So ähnlich sind sie sich gar nicht, dachte Anna bei sich. Sie haben eigentlich gar nichts gemein. Bis auf die Augen...

 

Hallo zusammen!

Scheinbar schaffe ich es in letzter Zeit nicht, eine Geschichte zu schreiben, die weniger als zehn Seiten hat...

Ich hätte zu dieser aber eine ganz konkrete Frage, die allen gilt, die es sich antun wollen, sie auch wirklich fertig zu lesen.
Es ging mir hier nicht darum, einen sinnlosen Schlächter zu erfinden, der einfach darauf losmordet. Erkennt man das oder nicht? Sollte man das nämlich nicht erkennen, so muss diese Geschichte gründlich überarbeitet werden...

Das ist jetzt keine billige Werbung, denn wer hier ein Blutbad ohne Ende erwartet, wird sicher auch enttäuscht, viel eher ging es mir auch darum, Angst darzustellen. Wollen wir mal sehen, ob mir das gelungen ist...

In diesem Sinne
c

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo chazar

Erst mal zu Kleikram: ;)
Ein paar Rechtschreibfehler sind noch drin. Muss ich die jetzt raussuchen? :D

»Was?« rief Dirk.
»Ein Schuss, bei der alten Lagerhalle«, wiederholte Jochen, selbst ganz perplex.
»Jetzt eben?«
»Heute morgen«, antwortete Jochen.
Waren es nicht drei Schüsse?

Das Fenster war nicht hoch in der Luft, vielleicht waren es sechs Meter bis zum Boden. Aber diese Höhe hatte gereicht, Sven Krause umzubringen.
Ich weiß nicht, wer das ist, das lässt sich von hier nicht erkennen«, erwiderte Matthias und warf erneut einen vorsichtigen Blick auf das Opfer, das wahrscheinlich tot unter dem großen Fenster im ersten Stock der Halle lag. »Vielleicht der Staatsanwalt...«
sechs Meter empfinde ich als sehr hoch. Ich denke für eine gefesselte Person könnte weit weniger Höhe schon tödlich sein. Sechs Meter zum ersten Stock? Haben Hallen Stockwerke?

Plötzlich wurde die Tür aufgeschlagen und Dirk hätte beinahe seine ganze Pistole abgefeuert,
die Munition, nicht die Pistole oder leergefeuert würde sich besser lesen
So ähnlich sind sie sich gar nicht, dachte Anna bei sich. Sie haben eigentlich gar nichts gemein. Bis auf die Augen...
Da es der letzte Satz ist, denke ich, dass ihm eine gewisse Bedeutung beizumessen ist. Kann sie aber nicht deuten. :confused:

Dein großartiger Stil machte es mir möglich, die Geschichte sehr flüssig zu lesen. Die Charaktere sind gut beschrieben. Man kann sich die einzelnen Personen sehr gut vorstellen. Man erfährt auch über ihr Leben außerhalb der Haupthandlung. Eigentlich scheint mir der Mörder ein friedliebender Mensch zu sein. Diese Meinung habe ich auf Grund des ersten Absatzes. Er muss einen Grund gehabt haben, warum er so ausgerastet ist. Leider bleibt diese Frage unbeantwortet. Wobei ich ja glaube, dass es keinen berechtigten Grund für Mord geben kann.
Hat mir ausgesprochen gut gefallen und habe sie gerne gelesen. :thumbsup:


Zu Deinem Anhang:

Es ging mir hier nicht darum, einen sinnlosen Schlächter zu erfinden, der einfach darauf losmordet. Erkennt man das oder nicht? Sollte man das nämlich nicht erkennen, so muss diese Geschichte gründlich überarbeitet werden ...
Nur teilweise, glaube ich. Warum habe ich ja schon oben erklärt. :shy:


Scheinbar schaffe ich es in letzter Zeit nicht, eine Geschichte zu schreiben, die weniger als zehn Seiten hat...
Na, Deine Sorgen möcht ich haben............... :D


Liebe Grüße, die Kürbiselfe


Nachtrag: Dirk zuckte mit den Schultern. »Ich bin der Einzige...«,

Liegt es daran, dass das Mädchen mit dem toten Vogel Dirks Tochter ist? Ich denke so ist es, ja? Mann bin ich gut! :D

 

Hallo Kürbiselfe!

Dein großartiger Stil machte es mir möglich, die Geschichte sehr flüssig zu lesen.
Schön, dass du das so siehst. Ich habe eigentlich immer die Angst, ich schreibe nicht spannend genug, dass man das schafft.

Da es der letzte Satz ist, denke ich, dass ihm eine gewisse Bedeutung beizumessen ist. Kann sie aber nicht deuten.
Du findest hier eine P.N. von mir in deinem Postfach. Ich möchte das noch nicht öffentlich klären.

Er muss einen Grund gehabt haben, warum er so ausgerastet ist. Leider bleibt diese Frage unbeantwortet. Wobei ich ja glaube, dass es keinen berechtigten Grund für Mord geben kann.
So sehe ich das auch...
Einen wirklichen Grund für eine derartige Tat sehe ich eigentlich nicht. Denkt man an die ganzen Amokläufer... auch bei denen ist man oft unsicher, warum sie diese Tat begangen haben. Sind es Computerspiele? Filme? Oder sind das immer nur Ausreden, weil man die wirklichen Gründe nicht kennt?
So ist es hier auch. Warum tötet er die Polizisten? Warum tötet er nur Männer? Warum bewegt ihn ein kleines Kind?
Ich wollte hier bewusst auf die immer gebrachte Begründung von der verlorenen Existenz verzichten, ich wollte Mord in dem Irrsinn zeigen, der er ist. Ohne Begründungen, die das Ganze "verharmlosen"... (ich hoffe, das liest man jetzt richtig.)
Den Mord ist etwas Schreckliches, etwas unheimlich Schreckliches. Und das wollte ich zeigen.
Die Frage ist, ob es gelungen ist.

Textkram erledige ich demnächst...

Danke dir jedenfalls.
In diesem Sinne
c

 

Hallo Chazar,

deine Geschichte hat mir sehr gut gefallen, allerdings wurde mir die Motivation des Mörders nicht ganz klar! Hat er sich selbst erschossen, weil er in Dirk seine Tochter wieder erkannt hat?

Ich fand die Geschichte, trotz ihre Länge nicht langweilig, denn du schaffst es das Tempo zu halten, so dass man wirklich gespannt mitfiebert.

Einige sprachliche Ungereimtheiten sind mir aber aufgefallen:

Er warf sich auf den Boden, als der Schuss noch nachhallte, ohne zu überlegen.

Hier würde ich schreiben: Er warf sich ohne zu überlegen auf den Boden. Der Schuss halte noch nach.

Dirk hatte es irgendwie geschafft, das Funkgerät zu betätigen. Er hatte die Fahrertür aufgemacht, hatte vorsichtig und langsam hineingefasst und sich die Sprechgerät vom Armaturenbrett geangelt.

Hier kommt mir etwas zu oft "hatte" vor. Außerdem muss es heißen "das Sprechgerät"

Er war mit Sven zusammen auf dem Weg zu seinem Auto gewesen, als plötzlich dieser Schatten hinter ihm auftauchte und Sven niedergeschlagen hatte

Der Schatten kann niemanden niederschlagen! :-)

Irgendetwas und er konnte nicht sagen, was es war.

Diesen Satz würde ich streichen, da du vorher bereits betont hast, dass ihn etwas stört.

Schweigend. Ohne auch nur ein Wort zu sagen

Hier hast du doppelt gemoppelt... Schweigend bedeutet, dass man kein Wort sagt.

Er bückte sich langsam nach unten und hob eine Flasche vom Boden auf. Dann zündete er ein Feuerzeug an.

Hier würde ich schreiben: Er bückte sich langsam, hob eine Flasche vom Boden auf und zündete dann ein Feuerzeug an. (Der Zusatz "nach unten" kommt mir unnötig vor, weil das Wort "bücken" genau das beeinhaltet)

Er sprang auf, der Schreck deutlich im Gesicht, und verließ seine Deckung.

Hier würde ich schreiben: Er sprang auf, den Schrecken deutlich ins Gesicht gezeichnet, und verließ seine Deckung.

Er hörte, wie Jochens Körper zu Boden sackte und dann war da wieder nur das Rauschen des Baches.
Hinter ihm loderten noch immer die Flammen, doch das war ihm nun egal.

Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass er nur das Rauschen des Baches hört, wenn hinter ihm eine Flammenhölle tobt.

Hie und da wieder warf er einen Blick auf die Fabrikhalle

"Hie und da" bezieht sich auf Orte. Daher würde ich schreiben: Hin und wieder warf er einen Blick auf die Fabrikhalle.

Er hatte niemals daran gedacht, dass es so zu Ende gehen könnte. Er hatte eigentlich nie ernsthaft darüber nachgedacht zu sterben. Er hatte sich nie damit beschäftigt, wie es sein würde, wenn er starb.
Einmal war er mit seinem Wagen in einen anderen gerast. Das war alles so schnell gegangen und er hatte erst eine Stunde später so etwas gespürt wie Angst. Aber er hatte sich nie gefragt, wie es gewesen wäre, hätte er bei diesem Unfall sein Leben verloren. Er hatte diese Vorstellung verdrängt, denn er war kein sehr religiöser Mann.

Hier hast du wieder sehr oft "hatte" geschrieben.

Dirk sah auf und starrte den Fremden an und der wiederum starrte nur zurück, starrte Dirk an.

Der Zusatz: "Starrte Dirk an" erscheint mir etwas unnötig.

Ich hoffe du nimmst mir meine Kritik nicht übel!

Die Geschichte an und für sich hat mir wie gesagt sehr, sehr, sehr gut gefallen!

Bella

 

Hallo Jo und Bella!

@Bella:

allerdings wurde mir die Motivation des Mörders nicht ganz klar!
Richtig... ich habe dem Mörder keine direkte Motivation gegeben, absichtlich... man beachte dazu bitte das Posting, dass ich auf Kürbiselfes Kom geschrieben habe... (Posting 3)

Ich fand die Geschichte, trotz ihre Länge nicht langweilig, denn du schaffst es das Tempo zu halten, so dass man wirklich gespannt mitfiebert.
Danke dir. Das ist mir viel wert.

Die Textkramsachen werde ich der Reiohe nach durchgehen und einarbeiten, was ich für sinnvoll halte, sei also bitte nicht böse, wenn ich nicht alles übernehme.
Vielen Dank für die Mühe.

Die Kritik nehme ich dir sicher nicht übel, wieso auch? War doch nett, dass du die Story gelesen hast und dir die Mühe gemacht hast.

@Jo:

Aber ich weiß nun weder etwas über diesen Unbekannten, noch über dessen Motive. Auch bleibt mir schleierhaft, warum er gerade Dirk verschonte.
Das ist Absicht. Du sollst nichts über diesen Unbekannten wissen und auch nicht über dessen Motivation. Denn: was bitte wäre eine vernünftige Motivation für eine derartige Tat? (auch hierzu der Verwies auf Posting 3)

Und warum hat der Mörder Dirk verschont? Die Antowrt liegt im Titel und im ersten Absatz. Und sie liegt in deinem Posteingang, in Form einer P.N.

Danke fürs Lesen, die Vorschläge werden übernommen, wenn ich sie gepfüft habe. Danke für die ganze Mühe... muss ja ewig gedauert haben.

In diesem Sinne
c

 

hi chazar!

Er hockte im Gras.
Seine Beine waren angewinkelt und er saß auf seinen Fersen, die Hände lässig auf die Knie gelegt.
m.m.n. musst du im zweiten satz das ned so genau erklären, da ja hocken von in die hocke gehen kommt. zumindest ich dachte sofort an das »hocken«.
außerdem: sitzt man dann auf seinen fersen? »steht« man nicht auf seinen fußballen?

Da hörte er leise und vorsichtige Schritte hinter sich. Jemand schlich durch das hohe Gras. Er schlug langsam die Augen auf und drehte sich um. Da stand ein kleines Mädchen mit lockigen roten Haaren und großen Kulleraugen. Und sie weinte.
you know what i mean

Und jetzt? Da sollte jemand auf eine Frau geschossen haben? Das klang so verrückt, dass Dirk nicht einmal Angst bekam.
»Und jetzt?« fragte Jochen.
ich glaube »und, jetzt?« war absicht wiederholt. allerdings würd ich das erste raus.

»Sollen wir mal hinfahren?« fragte Dirk unsicher.
»Hast du deine Pistole dabei?«
Dirk blickte auf den Halfter. »Ja.«
»Ist sie geladen?«
»Keine Ahnung...«
:lol:

Wieder schlug ein Schuss ein. Und ein zweiter. Beide trafen sie die Motorhaube.
ich will ja nicht pingelig sein, aber ich glaube es müsste vierter heißen, weil du ja am anfang »wiede« geschrieben hast. :Pfeif:

Dirk rannte einfach weiter, so als hätte er nichts gehört.
weg mit dem so

Er drehte sich um und sah den wimmernden Bürgermeister vor sich liegen, der zusammengekrümmt vor ihm lag, die Arme um den Bauch geschlagen. In einem großen See aus Blut lag er da.
ach, er ist nicht mehr gefesselt? (sollte ich was überlesen haben, bitte zutiefst um entschuldigung)

Dann dachte er an seine Eltern. Wie sie ihm den Löffel immer in die rechte Hand gedrückt hatten, obwohl er sich dagegen gesträubt hatte. Wie er sich immer vergeblich gewehrt hatte, mit der rechten Hand zu schreiben.
Er betrachtete die matt schimmernde Pistole in seiner rechten Hand. Probeweise nahm er sie in die linke. Die Waffe fühlte sich komisch an, denn es war eine Rechtshänderwaffe. Er spürte, wie sie unangenehm in der Hand lag. Und doch fühlte es sich richtig an. Und wenn es hart auf hart kam, dann würde er sie lieber in dieser Hand lassen. Er würde seiner linken Hand sein Leben anvertrauen. Nicht seiner rechten.
ganz große klasse!

Plötzlich wurde die Tür aufgeschlagen und Dirk hätte beinahe seine Pistole abgefeuert, wenn er nicht im letzten Moment das blutverschmierte Hemd des Bürgermeisters erkannte hätte.

den schluss fand ich klasse, ganz ehrlich. der letzte absatz, einfach wundervoll.
stilistisch wieder sehr gut, ganz ehrlich.

warum er dirk verschont hat? nun, da gibts sicherlich viele gründe.
1. mathias sagt (ganz unauffällig :Pfeif: ), dass dirk eine tochter hat. wahrscheinlich haben die anderen das nicht.
2. der mörder hat nichts menschliches in seinen zügen. vielleicht hört er dirks beinah letzten gedanken: sarah. und wenn ein mensch, der sich seinem tod sicher ist, zuletzt an einen geliebten menschen denkt, vielleicht hat er es dann verdient, weiter zu leben.
3. vielleicht hörte der schütze das letzte wort von dirk (sarah) und wusste, dass es das mädchen vom anfang war, mit dem vogel.
4. vielleicht hat der schütze ganz einfach sein limit erreicht...

so: prächtige unterhaltung, stilistisch klasse und trotz der länge wahnsinnig spannend.

was du dir sparen könntest: den dicken bullen so zu beschreiben, da er ja eh nicht besonders viel miterlebt. klingt vor allem komisch: erst den jungen, dann den dicken.

so, liebe grüße
Tama

 

Hallo Tama!

Du findest immer was, nicht?
(Weißt hoffentlich, wie das gemeint ist...)

Danke dir, ein sehr netter Kom.
Natürlich werde ich die Fehler ausmerzen...
und deine Interpreatationen gefallen mir allesamt... das ist eben auch der Sinn dieser Geschichte. Ich habe darauf verzichtet, alles zu klären, aber versucht, Möglichkeiten zu schaffen, dass der Leser es selbst kann.

Und: was hast du gegen dicke Bullen? Da laufen in meiner Gegend haufenweise rum...

prächtige unterhaltung, stilistisch klasse und trotz der länge wahnsinnig spannend.
Ich hatte meine Zweifel, ob dem wirklich so ist. Habe sogar lange überlegt, ob ich dieses Ding überhaupt reinstelle... gut, dass ich es gemacht hab...
Danke nochmal (kann man nie genug, oder?)

In diesem Sinne
c

 
Zuletzt bearbeitet:

Und: was hast du gegen dicke Bullen? Da laufen in meiner Gegend haufenweise rum...
ich hab nix gegen dicke bullen. ich meinte damit, dass du ihn äußerlich so genau beschreibst, obwohl es nicht unbedingt notwendig ist, weil er gleich drauf, naja, du weißt schon, im mitternachtszug in die unterwelt sitzt.

Du findest immer was, nicht?
(Weißt hoffentlich, wie das gemeint ist...)
loooogisch

liebe grüße
Tama

p.s.: für täuschungen meinerseits bitte ich um entschuldigung

 

Hallo Noel!

Und ich muss sagen:
1.) Du hast es völlig richtig verstanden.
2.) Dein Kom hat MICH sehr beeindruckt.
3.) Du kennst doch meine Geschichten schon. Du hast sogar schon Kommentare dazu geschrieben...
4.) Dein Kommentar ist nicht belanglos, das ist keiner hier...

@Tama:
Das mit dem "was hast du gegen dicke Bullen" war nicht so ganz ernst gemeint... trotzdem Danke für die Rückmeldung...

In diesem Sinne
c

 

Hi chazar,

habe jetzt die Hälfte oder so, von deiner spannenden Geschichte gelesen.
Da ich jetzt sehr müde bin und früh aufstehen muß, lese ich morgen weiter und gebe meinen Kommentar. ;)
Hoffe es ist dir recht :shy:

Also, bis danni, coleratio

 

Ich hasse Leute, die Geschichten schreiben, bei denen man nicht aufhören kann ... :xxlmad: Hast du mal auf die Uhr geguckt? (ne, stimmt ja, hätte ich vielleicht mal machen müssen)

Moin chazar,

da hab ich mich die ganze Zeit über gefragt, warum bringt er den Anfang rein?
Und musst damit tatsächlich bis zum letzten Satz warten. GENIAL!!!

Einziges Manko deiner Story waren die vielen "Allerweltsnamen". Hat ein bißchen gedauert, bis ich wusste, wer wer ist. Aber egal.

Es ging mir hier nicht darum, einen sinnlosen Schlächter zu erfinden, der einfach darauf losmordet
Was hast du denn getan? Also sinnloser kann man doch gar nicht morden, oder?!

Dirk grinste. »Du weißt, dass ich aufgehört habe...«, erwiderte er. (...)
Dirk spuckte seinen Kaugummi aus. »Die schmecken, als würde man Zigaretten essen...«, sagte er.
»Helfen sie wenigstens?« fragte Jochen, der gerade an seinem Kuchen kaute
»Naja«, meinte Dirk und nippte an seinem Kaffee. Er würde sich in nächster Zeit mal den Zucker abgewöhnen. Nachdem er mit dem Nikotin fertig war.
»Wie geht’s deiner Tochter?« wollte Jochen wissen.
Dirk rührte in seinem Kaffee. »Sie lebt bei meiner Exfrau«, erzählte er.
Ich finde, man muss nicht nach jeder wörtlichen Rede ein erklärendes Wort einfügen. Vor allem, wenn es sich nur um zwei Personen handelt, die sich unterhalten (hast du in diesem Text, auch später, ziemlich oft gemacht).
Gebe hier nur mal ein Beispiel, wie es (für mich) angenehmer klingt:
Dirk grinste. »Du weißt, dass ich aufgehört habe.«
(...)
Dirk spuckte seinen Kaugummi aus. »Die schmecken, als würde man Zigaretten essen.«
»Helfen sie wenigstens?« Jochen kaute an seinem Kuchen.
»Naja«, meinte Dirk und nippte an seinem Kaffee. Er würde sich in nächster Zeit mal den Zucker abgewöhnen. Nachdem er mit dem Nikotin fertig war.
»Wie geht’s deiner Tochter?«
Dirk rührte in seinem Kaffee. »Sie lebt bei meiner Exfrau.«
Aber ist Geschmacksache. Habe auch mal die "..." weggelassen.

So, genug gemeckert. Das mit der Spannung ist dir hervorragend gelungen. Also ich hab durchaus mitgefiebert, als die armen Polizisten da hinter ihren Autos hockten.
Schön, wie du rüber gebracht hast, dass auch Polizisten Angst haben können (gut, in Amiland wäre das natürlich nicht so ...) :D

Und absolut überzeugt war ich natürlich vom Ende. Denke, er hätte ihn durchaus erschossen, wenn er nicht in seine Augen gesehen und das kleine Mädchen wiedererkannt hätte. Dafür: :thumbsup:

Gruß! Salem

P.S. Und danke nochmal, dass ich morgen mit soooo dicken Rändern unter den Augen arbeiten darf ...

 

Hallo Chazar,

in einem Punkt muss ich dir widersprechen:
Ich glaube, dass jeder Mörder eine, wenn auch kranke, Logik hat. Das ist auch das, was einen Krimi für mich spannend macht - man hört von einem Mord, alles ist grausam und dann erfährt man aber doch etwas über die Motivation des Mörders.
Das hat mir bei deiner Geschichte gefehlt.

Bella

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo zusammen!

Mehr Resonanz in der kurzen Zeit als ich dachte...

@ Salem:
Danke dir, ich hoffe nur, dein Hass verfliegt dann irgendwann wieder...
Und über deine Verbessereungsvorschläge werde ich gerne nachdenken...

@ Blackwood:
Nasenhaare, soso...

Das ist ein rein formales Problem: Kann bzw. darf man bei Personen, von deren Taten und Beweggründen man keine Ahnung hat und laut Geschichte auch nicht haben darf
Da ist tatsächlich etwas dran und ich verstehe gut, was du meinst... das waren genau die Punkte, die mich zum nachdenken brachten... eigentlich wollte ich diese Geschichte nicht ins Netz stellen und ich habe mir lange Gedanken gemacht, ob ich es doch tue. Warum ich mich dann da für entscheiden habe? Ich wollte sehen, wie sie wirkt und ich hatte mit weit vernichtenderen Reaktionen gerechnet...

Die Charakterisierung eines Menschen, den man nicht charakterisieren kann, weil man nichts von ihm weiß, sollte eher passiv bleiben, also aus den Betrachtungen der anderen Prots resultieren.
Aber ganz ehrlich: ich finde, dass tut sie ja. Ein paar Mal erzähle ich etwas aus seiner Perspektive, aber eigentlich nie, was er denkt... ich bin weit davon weg, ihn zu charakterisieren. Oder ist es das, was dich stört?

Die Entführungen mögen ihren logischen Grund haben (damit kommen die Beamten in Zugzwang und können nicht länger auf die Profis warten), machen aber zur Tat selbst keinen allzu großen Sinn. Ein einfacher Satz wie „Der Bursche hat alles akribisch geplant. Er weiß, dass wir nicht mehr warten können. Was hat er nur vor?“
Nein, diesen Satz schreibe ich nicht. Warum auch? Kann man vom Leser nichte erwarten, dass er darauf selbst kommt?
Und: natürlich machen die Entführungen keinen logischen Sinn... natürlich nicht, wie auch, frage ich dich? Ist es möglich, dass man so etwas vernünftig erklärt? Würde es dir besser gefallen, ich würde wieder den Charakter der verlorenen Existenz erfinden, der sich an den Polizisten für irgend etwas rächen will?

Der Handlungsablauf der Polizei ist stümperhaft.
Ja, exakt, das ist er. Und das ist er absichtlich. Ich bin kein Polizist und ich denke mal, darunter leidet die Glaubwürdigkeit sicher.

Bei dem „Augenduell“ zwischen Dirk und dem Mörder könnte Dirk vielleicht an Sarah denken.
Tut er ja, aber er denkt nicht das "Übliche",wie due es nennst, sondern er denkt einfach nur an sie...

Aber ich erkläre schon wieder viel zu viel und will mich rauswinden. Es ist völlig okay, wenn es dir nicht gefallen hat.
Wollte nur ein paar Rechtfertigungen schreiben...

Großen Danke auch an dich.

@Bella:
Schön, dass du dich noch einmal meldest...

Ich glaube, dass jeder Mörder eine, wenn auch kranke, Logik hat.
Ja, da hast du vollkommen recht, das glaube ich auch. Zwar nicht immer, denk an Affektmorde, aber schon meistens.
Und ich habe in dieser Geschichte darauf verzichtet, dem Mörder einfach ein Allerweltsmotiv zu geben.

In diesem Sinne
c

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Chazar,
dann melde ich mich auch mal zu Wort und lasse dich an ein paar meiner Gedankengänge teilhaben.

»Wie geht’s deiner Tochter?« wollte Jochen wissen.
Dirk rührte in seinem Kaffee. »Sie lebt bei meiner Exfrau«, erzählte er. »Wir dachten, es wäre das Beste so. Schließlich hat Annas Neuer ein richtig großes Haus.«
»Scheiße, Mann.«
»Du sagst es... Der Typ ist der reinste Kotzbrocken... Vor mir spielt er den Kumpel. Und in Wahrheit fickt er meine Frau und macht auf Vater bei meiner Tochter.«

Klar, das sind Infos, die du dem Leser unauffällig unter die Weste jubeln willst, weil sie ja wichtig sind/werden.
Nur: Ich verstehe das Verhältnis zwischen Dirk und Jochen so, dass Jochen das alles eigentlich schon wissen müsste! Also, warum erzählt es Dirk so plump?


Die meiste Zeit waren Dirk und Jochen damit beschäftigt, betrunkene Jugendliche aus Autos zu ziehen oder bei Nachbarn vorbeizuschauen, die abends die Stereoanlage ein bisschen zu laut aufgedreht hatten.

Das mag jetzt kleinlich erscheinen, aber hier drängt sich mir ein falscher Eindruck auf. Du willst den Ort als ein kleines Kaff beschreiben, in dem eigentlich nie etwas passiert. Tatsächlich beschreibst du ihn aber als Ort, an dem andauernd Jugendliche betrunken Auto fahren und Stereoanlagen zu laut sind. Dieser Eindruck kommt dadurch zustande, dass Dirk und Jochen "die meiste Zeit damit beschäftigt sind". Außerdem könntest du evtl. den langweiligen Polizeialltag durch etwas viel Unspektakuläreres aufzeigen. Besser wäre vielleicht etwas in der Art: "Die Polizeiarbeit beschränkte sich darauf, betrunkene Jugendliche aus Autos zu ziehen oder Omas über die Straße zu helfen."


Früher war es die Lagerstätte eines holzverarbeitenden Betriebes gewesen

Man sollte sich als wortverarbeitende Person nicht zu so einem Ungetüm hinreißen lassen. Nenn das Teil doch einfach "Schreinerei" oder so.


Er beobachtete die beiden Polizisten, die hinter dem Auto lagen. Er konnte ihre Füße sehen.

Das glaube ich dir nicht! Um die Füße von Leuten hinter einem Auto zu sehen, musst du dich sehr tief bücken. Ganz bestimmt siehst du sie nicht aus dem Fenster einer Lagerhalle und schon gar nicht aus dem ersten Stock.
Das ist ohnehin ein Problem, dass ich hier sehe: Ich kann mir die Lokalität nicht so recht vorstellen. (Liegt aber vielleicht an mir. Und ganz vielleicht hab ich ja nur nicht ordentlich genug gelesen.) Zuerst habe ich den Entführer im Erdgeschoss vermutet. Später erfahre ich, dass er sich im ersten Stock verschanzt. Ich sehe auch nicht, wie weit die Polizeiautos von der Lagerhallte entfernt sind. Auf der einen Seite sind sie nahe genug, um sie mit einem Molotow-Cocktail zielsicher zu bewerfen, auf der anderen Seite aber so weit entfernt, dass ein Sprint zur Halle lange genug dauert, um wirklich gefährlich zu sein.
Hier fehlen mir ein paar dezente (möglichst nicht aufgesetzte) Beschreibungen.


Dirk sah in Matthias’ vor Schreck geweitete Augen.
»Der Irre hat eine Geisel aus dem Fenster geworfen.«

Woher weiß er das denn? Woher weiß er, dass es ein Irrer ist? Woher weiß er, dass es eine Geisel war, die da aus dem Fenster gefallen ist? Sicherlich erfahren wir später, dass die Polizisten vom Verschwinden des Bürgermeisters wissen, aber ist es nicht etwas zu erzwungen, dass sie hier sofort die Verbindung herstellen?


Soeben hatte der Entführer Sven Krause gepackt und aus dem Fenster geschleudert. Sein Freund war unter lauten Schreien auf dem harten Asphaltboden aufgeprallt. Dann war es still gewesen.

Vielleicht ist mir da was durch die Lappen gegangen (dann: sorry!), aber hast du Sven Krause vorher nicht als dauerbewusstlos beschrieben? Warum schreit er dann?


Der Entführer trat vom Fenster weg und kam auf Georg zu. Er packte ihn am Kragen und zog ihn mühelos hoch. Dabei wog Georg über zwei Zentner.
Der Entführer schleifte den wehrlosen Bürgermeister ohne große Anstrengung zum Fenster und hielt seinen Kopf nach draußen.

Hier sehe ich (vielleicht zu Unrecht) einen Entführer vor mit, der den Oberkörper des Bürgermeisters nach vorne durch das etwa brusthohe Fenster drückt, so dass der nach unten schauen muss.
Falls das tatsächlich so ist:

Dirk sah sich um und wusste auch gleich warum.
Der Irre hatte mit einem Messer einen langen Schnitt quer über den Bauch des Bürgermeisters gezogen.

... dann kann Dirk das nicht gesehen haben, denn dann ist der Bauch im Fenster nicht sichtbar.

Wie gesagt: Das liegt vielleicht an meiner falschen Vorstellung. Aber in diesem Fall würde ich unbedingt noch etwas über die Größe der Fenster schreiben.

Dirk blieb stehen, um zu pinkeln. Er konnte es nicht mehr zurückhalten. Er riss die Hose herunter und pinkelte gegen einen Baum. Dabei stütze er sich mit der rechten Hand, die Waffe noch immer fest umklammert, an der harten, rauen Rinde ab.

Ach!
Erstens glaube ich nicht, dass er sich seinen Drang vorher (und vom Leser unbemerkt) so lange verkniffen hat, dass er just in diesem Augenblick nicht mehr anders kann.
Zweitens frage ich mich, ob dieses Szene überhaupt wichtig ist.
Und drittens wundere ich mich, dass er gleich die ganze Hose herunter reißt. Der Mann an sich pinkelt im Freien doch eigentlich nicht so umständlich.


Zusammenfassend kann ich zusammenfassen:
Stilistisch hat mir die Geschichte gut gefallen (sonst hätte ich sie bei dieser Länge nicht zu Ende gelesen), inhaltlich bin ich allerdings etwas ernüchtert geblieben. Der eigentliche Plot ist für meine Begriffe dürrer als Karl Lagerfeld. Die Tatsache, dass der böse Bube Dirk am Leben lässt, weil er in seinen Augen das kleine Mädchen vom Anfang der Geschichte erkennt, ist mir zu zufällig. Die Motivation des Amokläufers ist nicht nachvollziehbar (ja, ja, ich habe schon verstanden, dass du das beabsichtigt hattest, aber trotzdem gefällt es mir nicht sonderlich). Und ich fürchte, dass du gerade durch die fehlende Motivation das geschaffen hast, was du eigentlich vermeiden wolltest:

einen sinnlosen Schlächter

Trotzdem freue ich mich auf neue Geschichten von dir. Und lass dir von meiner Miesepetrigkeit nicht die Laune verderben.

Viele Grüße

Oli

 

Hi Oli!

Und lass dir von meiner Miesepetrigkeit nicht die Laune verderben.
Hehe, bestimmt nicht.

Was bleibt mir, als dir ganz herzlich zu danken...
Denn, um ganz ehrlich zu sein, hätte ich wahrscheinlich die selbe Kritik zu dieser Geschichte geschrieben.

Stilistisch hat mir die Geschichte gut gefallen (sonst hätte ich sie bei dieser Länge nicht zu Ende gelesen), inhaltlich bin ich allerdings etwas ernüchtert geblieben.
Und tatsächlich ist sie wahrscheinlich nichts anderes...
eine Stilspielerei von mir, die sich etwas zu viel vorgenommen hat. Dass ich auf die Motivation verzichtet hab, ist scheinbar doch ein Fehler, aber ich weigere mich, hier eine einzubauen, da ich bisher selten eine vernunftige gelesen habe, weder in den hochgelobten Krimis, die derzeit in den Bestsellerlisten kursieren noch anderswo. Vielleicht kann mir da jemand was empfehlen?

Die Textanmerkungen werde ich durchgehen, selbstredend...

In diesem Sinne
c

 

Hi Chazar,

hm... Allerweltsmotiv!

Klar, es gibt Dinge, die einem spontan einfallen, wenn man über die Beweggründe eines Mörders nachdenkt:
Beispielsweise - Frau wurde vergewaltigt, hasst nun alle Männer und rächt sich etc.

Ich denke es kommt nicht darauf an, dass man ein supertolles Motiv findet, dass noch keinem anderen eingefallen ist, sondern wie man es ausarbeitet.

Es ist aber natürlich auch ok, wenn du die Geschichte ohne Motiv für den Mörder schreiben wolltest...

Liebe Grüße Bella

 

Ich habe über die Sache mit der Motivation noch einmal nachgedacht.

Vielleicht ist es gar nicht so sehr das fehlende Motiv, was mich stört. Ich denke, es ist eher die Kombination aus fehlendem Motiv und zeitweisem Wechsel des Viewpoint-Charakters (oder wie man das nennt).
Denn: Die Polizei vor dem Lagerhaus weiß natürlich nichts von einem Motiv. Und der Amokläufer macht auch nicht den Eindruck, als wolle er sich lange damit aufhalten, es zu erklären. Das heißt, für die Polizei brauchst du kein Motiv.
Wenn du aber auf den Amokläufer als Viewpoint wechselst, dann würde ich als Leser doch gerne wissen wollen, was ihn dazu treibt.

Also: Entweder ein (wie auch immer geartetes) Motiv oder keine Szenen aus Sicht des Bösewichts einfügen. Wobei letzteres aber evtl. deinen Plan des sich schließenden Kreises aus Einleitung und Schluss zerstört.

Hm ... Du siehst mich ratlos.

:confused: :confused: :confused:

Oli

 

Hi Oli!

Das ist in der Tat etwas, was auch Blackwood schon angesprochen hat und langsam kann ich mich tatsächlich mit der Idee anfreunden.
Die Einleitung könnte ja trotzdem Bestand haben, da ja sie lediglich erklärt, warum Dirk verschont wird.

Danke für deine Vorschläge, ich werde mich demnächst nochmal dran machen...

@Bella:
Auch dir noch einmal Danke, aber ich werde dem Mörder kein Motiv geben.
Ich verstehe deinen Einwand gut, denn der hat mir ja auch Kopfschmerzen bereitet...

In diesem Sinne
c

 

Hi chazar.

Ich muss es etwas kurz machen, weshalb ich auf Detailanmerkungen verzichte, aber es wurde ja auch schon vieles gesagt.

Rein vom Stil her gefällt mir diese Geschichte überhaupt nicht. Sie ist zwar flüssig geschrieben, aber von einem Autor wie dir erwarte ich einfach mehr als das. Du spulst das Geschehen einfach ab, mit zweckmäßigen, sauberen Sätzen, die handwerklich okay sind, aber eben auch nicht mehr als das. Das kannst du besser!
Die klischeehaften Polizisten wirken stellenweise beinahe schon satirisch.

In diesen beiden Punkten also ein dicker Punktabzug.

Was ich aber absolut toll finde, ist, wie motivlos du den Amokläufer beschreibst. Sicher hat er ein persönliches Motiv, aber der Leser erfährt es einfach nicht. Niemand in der Stadt kennt den Mann und durch den Anfang wird deutlich, dass er scheinbar zufällig hierher gelangt ist. Im Nachhinein betrachtet, kommt auch die Anfangsszene sehr stark, fast mystisch rüber. Ich jedenfalls war schwer fasziniert von dieser Willkür. Keine persönlichen Rachegelüste dem Bürgermeister, oder dem Staatsanwalt gegenüber; die Beweggründe bleiben vollkommen im Hintergrund. Auch dadurch, dass er die ganze Zeit kein Wort sagt, und sein Gesicht nicht näher beschrieben wird, schaffst du hier einen sehr düsteren Charakter, der so im totalen Gegensatz zu den äußerst platt beschriebenen Polizisten steht, die teilweise fast Groschenroman Niveau haben.

Wie sich der Kreis am Ende schließt...dafür ein ganz dickes Lob! Echt toll. Ich musste einige Minuten über den Schluss nachdenken, bis ich mir sicher war, ihn verstanden zu haben, und sowas liebe ich.

Fazit: Eine für deine Verhältnisse vom Stil her mittelmäßige Geschichte, mit vielen flachen Figuren, die ich aber dennoch sehr gerne gelesen habe, weil sie eine gewisse schaurige Faszination auf den Leser ausübt.

Beste Grüße

Cerberus

 

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