Was ist neu

Sarah

Seniors
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11.06.2004
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Sarah

Er hockte im Gras.
Seine Beine waren angewinkelt und er saß auf seinen Fersen, die Hände lässig auf die Knie gelegt.
Er lauschte den Geräuschen des Waldes, er hörte das Zwitschern der Vögel, das Ächzen der Äste, als der schwüle Wind durch die Bäume strich, er inhalierte den Duft der Blüten, vernahm das Summen der Bienen, roch das würzige Aroma von Holz und Moos.
Und er genoss die wärmenden Strahlen der Sonne auf seinem Gesicht. Er lächelte zufrieden.
Da hörte er leise und vorsichtige Schritte hinter sich. Jemand schlich durch das hohe Gras. Er schlug langsam die Augen auf und drehte sich um. Da stand ein kleines Mädchen mit lockigen roten Haaren und großen Kulleraugen. Und sie weinte.
Er sah sie an und schwieg.
»Er ist tot«, sagte das Mädchen.
Er zog die Stirn in Falten.
»Kommst du mit?« fragte das Mädchen, noch immer weinend. Es streckte die kleine Hand aus und er ergriff sie. Er ließ sich von ihr über die Wiese führen. Dabei konnte er den Blick nicht von ihr abwenden, nicht von ihrem Haar und nicht von den Tränen, die ihren kleinen Körper beben ließen.
Sie führte ihn an den Waldrand und deutete unter einen Baum.
Er warf einen Blick auf die Stelle und fixierte dann wieder die Augen des Mädchens. Diese großen, dunklen Augen.
»Hilfst du mir?« fragte sie.
»Wobei?« fragte er schließlich. Seine Stimme klang ihm selbst fremd.
»Ihn begraben«, sagte das Mädchen. »Man muss ihn begraben.«
Er sah sie an und nickte.
Und dann begruben sie den kleinen Vogel.
Als das Mädchen dann nach Hause ging, sah er ihr lange nach.
Dann stand er auf und klopfte sich die Erde von der Hose.
Er hatte noch etwas vorzubereiten.

***

»Raucherpäuschen?«
Dirk grinste. »Du weißt, dass ich aufgehört habe...«, erwiderte er.
Jochen lachte. Er saß am Steuer und lenkte den Polizeiwagen auf die Imbissbude zu, wo er und Dirk immer gemeinsam Frühstück machten. Wie immer bestellten sie sich zwei Tassen Kaffee mit viel Zucker und Milch und dazu meist Käsekuchen.
Dirk spuckte seinen Kaugummi aus. »Die schmecken, als würde man Zigaretten essen...«, sagte er.
»Helfen sie wenigstens?« fragte Jochen, der gerade an seinem Kuchen kaute
»Naja«, meinte Dirk und nippte an seinem Kaffee. Er würde sich in nächster Zeit mal den Zucker abgewöhnen. Nachdem er mit dem Nikotin fertig war.
»Wie geht’s deiner Tochter?« wollte Jochen wissen.
Dirk rührte in seinem Kaffee. »Sie lebt bei meiner Exfrau«, erzählte er. »Wir dachten, es wäre das Beste so. Schließlich hat Annas Neuer ein richtig großes Haus.«
»Scheiße, Mann.«
»Du sagst es... Der Typ ist der reinste Kotzbrocken... Vor mir spielt er den Kumpel. Und in Wahrheit fickt er meine Frau und macht auf Vater bei meiner Tochter.«

Er wartete nun schon seit Stunden, ohne sich zu bewegen. Und er starrte immer wieder aus dem Fenster.
Er konnte hören, wie sie hinter ihm atmeten und stöhnten. Er hatte ihre Hand- und Fußgelenke fest aneinander gefesselt.
Er brauchte nur noch zu warten. Das war alles.
Eine Joggerin lief vorbei, in etwa hundert Meter Entfernung.
Endlich war es so weit.
Er hob sein Gewehr und zielte. Und dann drückte er ab.
Der Boden einen halben Meter neben der Joggerin explodierte, Erde schoss in die Luft und bespritzte die völlig überraschte Frau. Sie blieb stehen und sah sich um.
Er schoss ein zweites Mal, wieder einen halben Meter neben die Frau. Wieder regnete es Erde auf sie herab. Der Schuss echote nach wie ein ferner Peitschenknall.
Als sie sich immer noch nicht bewegte, schoss er ein drittes Mal, dieses Mal nur wenige Zentimeter neben sie.
Dann endlich floh sie.
Er ließ das Gewehr sinken.

»Was?« rief Dirk.
»Ein Schuss, bei der alten Lagerhalle«, wiederholte Jochen, selbst ganz perplex.
»Jetzt eben?«
»Heute morgen«, antwortete Jochen.
»Das gibt’s doch nicht«, sagte Dirk. »Ich wusste nicht, dass es hier Leute gibt, die ein Gewehr haben...«
Westenbach war ein sehr kleiner Ort mit ungefähr siebentausend Einwohnern. Die meiste Zeit waren Dirk und Jochen damit beschäftigt, betrunkene Jugendliche aus Autos zu ziehen oder bei Nachbarn vorbeizuschauen, die abends die Stereoanlage ein bisschen zu laut aufgedreht hatten. Gott, seit Dirk denken konnte, hatte es hier noch nicht einmal einen Überfall gegeben. Oder einen Mord – von Selbstmorden abgesehen.
Und jetzt? Da sollte jemand auf eine Frau geschossen haben? Das klang so verrückt, dass Dirk nicht einmal Angst bekam.
»Und jetzt?« fragte Jochen.
»Sollen wir mal hinfahren?« fragte Dirk unsicher.
»Hast du deine Pistole dabei?«
Dirk blickte auf den Halfter. »Ja.«
»Ist sie geladen?«
»Keine Ahnung...«

Anita Bengler wurde langsam unruhig.
Es passte überhaupt nicht zu ihrem Mann Georg, dass er sich nicht meldete. Er war gestern Nacht nicht nach Hause gekommen. Auch das war in ihren sechsundzwanzig Jahren Ehe noch nie vorgekommen.
Anita ging im Wohnzimmer auf und ab und starrte immer wieder auf die große Schrankuhr mit dem goldenen Pendel - ein Erbstück ihrer Großtante. Die Zeiger krochen so langsam dahin...
Schließlich gab sie dem inneren Drängen nach und griff zum Telefon.
»Polizeistelle Westenbach«, meldete sich eine junge Frauenstimme.
»Ich möchte meinen Mann als vermisst melden«, flüsterte Anita.
»Wie heißt Ihr Mann denn?« fragte die Frauenstimme.
»Georg Bengler«, gab Anita Auskunft.
»Der Bürgermeister?«

Wieder wartete er.
Nun war es bald soweit. Seine Muskeln spannten sich. Er warf einen Blick auf seine Geiseln. Der Fettsack in der Ecke beobachtete ihn mit weit aufgerissenen Augen. Der zweite Mann, der Krawatte und Anzug trug, war vor Stunden ohnmächtig gegen die Wand gesunken und seitdem nicht mehr aufgewacht.
Dann hörte er das Quietschen von Bremsen.

Jochen stellte den Wagen ab. Dirk sah sich um. Er war noch immer angeschnallt.
Die Fabrikhalle stand schon seit Jahren leer. Früher war es die Lagerstätte eines holzverarbeitenden Betriebes gewesen, der wunderschöne Kücheneinrichtungen hergestellt hatte. Auch Dirks Eltern hatten hier ihre Küche gekauft. Doch die Firma, ein Familienbetrieb, war aufgelöst worden, nachdem sich die Geschwister nicht einigen konnten.
Die Fabrik lag etwas außerhalb der Stadt, im angrenzenden Wald. Weit und breit war hier kein Mensch zu sehen. Ein breiter, seichter Bach floss hier ganz in der Nähe vorbei. Und das leise Rauschen des Wassers, war das einzige Geräusch, das sie hörten.
Die Halle selbst war heruntergekommen und baufällig. Die metallenen Wände waren angerostet, Fenster zerbrochen und die Türen hingen nur noch in den Angeln.
»Tja«, meinte Jochen. »Sollen wir uns mal umsehen?«
Dirk löste seinen Gurt. »Müssen wir wohl.«
Er warf einen vorsichtigen Blick auf das leerstehende Gebäude. Die Dunkelheit hinter den Fenstern machte ihm Angst. Er hörte nur das Rauschen des nahen Baches. Und hin und wieder einen Vogel singen.
Er öffnete die Tür und Jochen tat es ihm gleich. Sie stiegen langsam aus. Dirk sah, dass Jochen die Hand an seiner Waffe hatte.
Er versuchte ein Lächeln. »Was willst du denn...« begann er den Satz, als eine Kugel in die Beifahrertür einschlug. Funken stoben und es war so unglaublich laut, dass Dirk meinte, seine Trommelfelle würde zerreißen.
Er warf sich auf den Boden, als der Schuss noch nachhallte. Ganz instinktiv robbte er zur Heckseite des Wagen und hechtete sich dann auf die Fahrerseite, die der Fabrikhalle abgewandt war. Jochen starrte ihn mit weit aufgerissenen Augen an, die Hand noch immer am geschlossenen Halfter.
Dirk hustete. Seine Hände zitterten.
»Scheiße« flüsterte er.
Eine weitere Kugel schlug ein, dieses Mal in die Windschutzscheibe. Glas regnete auf die beiden Polizisten herab. Dirk hatte seine Kappe verloren. Ein Glassplitter fiel auf seine Nase.
Wieder schlug ein Schuss ein. Und ein zweiter. Beide trafen sie die Motorhaube.
Was, wenn der Irre den Tank trifft?, schoss es Dirk durch den Kopf. Explodieren Autos, so wie im Fernsehen?
»Was machen wir jetzt?« fragte Jochen schließlich. In seinem Blick lag nackte Panik.
Dirk blinzelte. Er spürte wie er schwitzte. »Wir müssen Verstärkung anfordern...«, sagte er schließlich langsam.
»Wen denn?« rief Jochen ganz verwirrt.
Dirk zuckte mit den Schultern. »Die Kripo, eine Spezialeinheit... was weiß denn ich?«

Er beobachtete die beiden Polizisten, die hinter dem Auto lagen. Er konnte ihre Füße sehen. Es wäre ein Leichtes gewesen, sie zu treffen. Doch er würde noch warten.
Noch waren es nicht viele genug.

Dirk hatte es irgendwie geschafft, das Funkgerät zu betätigen. Er hatte die Fahrertür aufgemacht, hatte vorsichtig und langsam hineingefasst und sich di as Sprechgerät vom Armaturenbrett geangelt.
Dann hatte er eine Durchsage gemacht, wie sie stümperhafter nicht sein hätte können. Aber man hatte ihn verstanden.
»Verstärkung ist unterwegs« hatte er aus dem Funkgerät geklungen, bevor es verstummt war.
Dann hatten sie gewartet.
Eine Zigarette, dachte Dirk, eine Zigarette, nur eine Zigarette...

Georg Bengler taten alle Knochen weh. Er lag nun schon seit einer ganzen Nacht auf der selben Schulter und die Schmerzen waren so unerträglich, dass er am Liebsten die ganze Zeit über geschrieen hätte.
Neben ihm lag Sven Krause, ein befreundeter Staatsanwalt. Und seit Georg die Augen aufgeschlagen hatte, war Sven bewusstlos neben ihm gelegen.
Wie war er hierher gekommen? Und wer war der Irre am Fenster mit dem Gewehr?
Er erinnerte sich nur noch dunkel an gestern Abend. Es war alles so schnell gegangen... Er war mit Sven zusammen auf dem Weg zu seinem Auto gewesen, als plötzlich dieser Schatten hinter ihm auftauchte und Sven niedergeschlagen hatte. Und ehe Georg reagieren hatte können, war er schon bewusstlos gewesen.
Und heute morgen hatten ihn die Schmerzen dann aufweckt.
Der Irre am Fenster - der Entführer - war ein großer, muskulöser Mann, den Georg noch nie in seinem Leben gesehen hatte. Und er hatte ein gutes Gedächtnis, was Gesichter anging.
»Was haben Sie vor?« fragte Georg, zum wiederholten Mal.
Doch der Mann am Fenster starrte einfach nur nach draußen und bewegte sich nicht. Es schien, als könne er Georg gar nicht hören.
»Ich habe Geld«, sagte Georg.
Keine Reaktion.
»Was wollen Sie denn?«
Da zuckte der Mann plötzlich. Georg wollte aufschrecken, doch die engen Fesseln ließen ihm keinen Bewegungsspielraum.
Der Fremde drehte sich langsam zu Georg um und musterte ihn durchdringend. Er sagte kein Wort und doch brachte diese Stille Georg sofort zum Verstummen. Irgendetwas im Gesicht dieses Mannes machte ihm Angst.
Dann drehte sich der Entführer wieder um und starrte aus dem Fenster.
Ein zweiter Wagen fuhr auf das Grundstück, kurz darauf ein dritter.

Das hat ja ewig gedauert, dachte Dirk bei sich, als er die beiden Autos sah. Und tatsächlich war fast eine halbe Stunde vergangen, in der er und Jochen hinter dem ramponierten Polizeiwagen gelegen hatten. Schweigend. Ohne auch nur ein Wort zu sagen.
Jochen atmete hörbar aus, als die beiden Polizeiwagen vor Ihnen zu stehen kamen.
Diese Idioten fuhr es Dirk durch den Kopf. Merken sie nicht, dass sie direkt in der Schusslinie stehen?
Er rechnete damit, dass jeden Moment wieder ein Schuss die Stille zerreißen würde. Doch nichts geschah.
Peter und Günther saßen in dem einen Wagen, Klaus und Matthias in dem anderen. Sie öffneten langsam die Türen ihrer Autos und hielten sich dahinter in Deckung.
»Alles klar?« rief Matthias. Er war der Älteste der Beamten. Sein Haar war schon ergraut, doch seine Fitness war im ganzen Revier bekannt. Er konnte es mit den jüngsten Polizeianwärtern aufnehmen.
»Haltet euch in Deckung« rief Dirk zurück. »Es geht uns gut.«
»Verstärkung ist unterwegs«, rief Matthias zurück. »Sie wird jeden Moment hier sein.«
Warum schreit er so? dachte Dirk.
Jochen warf Dirk einen verzweifelten Blick zu. Seine rechte Hand lag noch immer auf dem ungeöffneten Halfter an seiner Seite.
Dirk grinste ihn an, um ihm Mut zu machen, aber sein Grinsen misslang ihm gründlich.

Georg Bengler beobachtete den Entführer, der noch immer regungslos am Fenster stand.
Er hatte die Wagen gehört, die vorher auf das Grundstück gekommen waren.
Warum machen die nichts? dachte er. Warum helfen die uns nicht? Was ist da los? Warum dauert das so lange?
Da zuckte der Entführer plötzlich wieder. Er bückte sich langsam und hob eine Flasche vom Boden auf. Dann zündete er ein Feuerzeug an.
Was...?
Und bevor der Bürgermeister schreien konnte, flog die brennende Flasche auch schon aus dem Fenster.

Plötzlich war überall Feuer.
Dirk hatte nur einen kurzen Knall gehört, Glas regnete auf ihn herab und der Wagen, hinter dem sie in Deckung lagen, brannte lichterloh. Dirk spürte die Hitze im Gesicht.
Er robbte zur Seite, weg von dem Auto. Seine Kollegen in ihren Wagen schrieen, er konnte nicht verstehen, was.
Jochen verlor die Nerven.
Er sprang auf, der Schreck deutlich im Gesicht, und verließ seine Deckung.
Dirk versuchte, nach vorne zu hechten, versuchte, seinen Freund nach unten zu ziehen, aber Jochen war zu weit zurückgesprungen.
Als die Kugel in seine Brust einschlug und warmes Blut in Dirks Gesicht spritzte, da war Jochen noch lange genug bei Bewusstsein, um seinen Fehler zu erkennen. Seine Augen weiteten sich und aus seiner Kehle klang ein dumpfes Gurgeln, so als wäre Flüssigkeit in seine Lungen gedrungen.
Jochen sackte auf die Knie und Blut schoss aus seinem Mund. Die zweite Kugel schlug in seine Stirn ein und Dirk schloss die Augen.
Er konnte nicht glauben, was er da eben gesehen hatte.
Er hörte, wie Jochens Körper zu Boden sackte und dann war da wieder nur das Rauschen des Baches.
Hinter ihm loderten noch immer die Flammen, doch das war ihm nun egal.

Dirk konnte sich nicht mehr erinnern, wie er von dem brennenden Wagen weggekommen war, ohne dass ihm etwas passierte. Aber auf einmal waren um ihn herum die Gesichter seiner Freunde.
Matthias wirkte sehr besorgt und warf immer wieder einen Blick auf die Lagerhalle. Peter, Günther und Klaus waren einfach nur ängstlich.
»Du musst dich zusammenreißen, Dirk«, hörte er Matthias. »Herr Gott, noch mal! Reiß dich bloß zusammen.«
Sie waren nun hinter den beiden anderen Polizeiwägen in Deckung gegangen.
»Hilfe ist unterwegs«, sagte Matthias. »Die schicken uns etwas Größeres. SEK wahrscheinlich...«
»Wo ist Jochen?« fragte Dirk.
Niemand antwortete. Matthias warf Klaus einen vorsichtigen Blick zu.
Dirk begann zu weinen. Er drehte sich zur Seite und weinte. Gott, wie lange hatte er nicht mehr geweint? Als seine Frau die Scheidung eingereicht hatte, da hatte er nicht geweint, als seine Tochter geboren worden war, hatte er nicht geweint, als seine Mutter gestorben war, hatte er nicht geweint. Aber jetzt fiel ihm nichts Besseres ein.
Er schluchzte ungehalten vor sich hin, zog den Rotz in seiner Nase immer wieder nach oben und weinte wie ein kleiner Junge.
Niemand sagte etwas.
Dann übergab sich Peter.

Er hatte ihnen eine kleine Pause gegönnt. Er hatte es zugelassen, dass sie ihren Kameraden retteten. Hatte Spaß dabei empfunden, wie die vier Beamten langsam aus ihrer Deckung gekrochen waren, die Waffen in der Hand und die Blicke ängstlich auf die Fabrikhalle gerichtet.
Er hatte ihre Angst genossen.
Es war ihm egal gewesen, dass sie sich nun wieder verschanzt hatten. Es würde ohnehin keinen Unterschied machen.
Er drehte sich um und sah die beiden Geiseln an. Der Fettsack keuchte schwer, starrte ihn aber immer noch an.
Er ging langsam auf die beiden gefesselten Männer zu.

»Ach, Scheiße«, wiederholte Peter immer wieder. Er war noch sehr jung und vielleicht gerade mal eineinhalb Jahre im Dienst. Er war kein sehr intelligenter Junge, eher sehr einfach gestrickt, aber man konnte sich immer auf ihn verlassen. Und er war ehrlich.
Letzte Woche hatte sich seine Freundin von ihm getrennt. Dirk mochte ihn. Peter war ziemlich groß, sportlich und trug sein blondes Haar in einem militärischen Bürstenschnitt, der seinen Eierkopf unvorteilhaft betonte.
»Scheiße, Mann, Scheiße«, murmelte er wieder vor sich hin.
»Unterstützung ist unterwegs.« Dieses Satz war zu Matthias’ Mantra geworden. Er klammerte sich daran fest wie ein Ertrinkender an eine Planke Holz und sagte ihn immer wieder, mal zu Klaus und mal zu Peter, manchmal aber auch nur für sich selbst.
Hin und wieder warf er einen Blick auf die Fabrikhalle. Dirk vermutete, dass er auch immer wieder zu Jochens Leiche schielte. Sie hatten den Kollegen einfach liegen lassen.
Klaus sagte gar nichts und rührte sich auch nicht. Er starrte einfach nur vor sich hin. Manchmal schluckte er, aber sein Blick blieb glasig.
Günther war ein dicker, kleiner Mann mit wenig Haaren. Er kam schnell aus der Puste. Er atmete sehr schwer und sein rundes Gesicht war puterrot angelaufen. Er war der Einzige, der seine Waffe noch immer in der Hand hielt.
Dirk lag einfach nur da und schwieg. Wo blieb eigentlich die Verstärkung? Wie viel Zeit war schon vergangen? Wie lange lag er schon hier und wartete?
»Ich will hier raus«, sagte Peter und fuhr sich über seinen kurzen Bürstenhaarschnitt. Dirk sah ihn an. Dem Jungen war noch nie ein richtiger Bart gewachsen.
»Wir müssen nur Geduld haben«, sagte Matthias. »Unterstützung ist unter...«
Irgendjemand schrie und dann hörten sie alle ein dumpfes Geräusch.
Matthias warf einen kurzen Blick in Richtung Lagerhalle.
»Gott steh uns bei«, hauchte er.
Dirk sah in Matthias’ vor Schreck geweitete Augen.
»Der Irre hat eine Geisel aus dem Fenster geworfen.«

Georg Bengler war gelähmt vor Angst.
Soeben hatte der Entführer Sven Krause gepackt und aus dem Fenster geschleudert. Sein Freund war unter lauten Schreien auf dem harten Asphaltboden aufgeprallt. Dann war es still gewesen.
Der Entführer trat vom Fenster weg und kam auf Georg zu. Er packte ihn am Kragen und zog ihn mühelos hoch. Dabei wog Georg über zwei Zentner.
Der Entführer schleifte den wehrlosen Bürgermeister ohne große Anstrengung zum Fenster und hielt seinen Kopf nach draußen.
Georg sah nach unten, starrte auf den harten Asphalt und sah unten die verrenkte Gestalt seines Freundes liegen, der mit dem Kopf voran am Boden aufgeschlagen war. Blut lief aus einer Wunde am Schädel und bildete eine große, unförmige Lache am Asphalt.
Das Fenster war nicht hoch in der Luft, vielleicht waren es sechs Meter bis zum Boden. Aber diese Höhe hatte gereicht, Sven Krause umzubringen.
Georg Bengler schrie sich die Seele aus dem Leib.

»Wer ist das?« fragte Dirk, der sich aufgerappelt hatte und schnellen Blick über die Motorhaube des Wagens auf das Fenster im ersten Stock der Halle geworfen hatte. Darin war ein dicker Mann zu sehen, der aus Leibeskräften schrie.
Dirks Wagen hatte inzwischen aufgehört, zu brennen. Er war nicht einmal explodiert.
»Wir gehen davon aus, dass es sich bei der Geisel um den Bürgermeister handelt«, erzählte Matthias.
Dirk fuhr auf. »Was?« keuchte er.
Wieder ließen ihn diese grauenvollen Schreie zusammenzucken.
Matthias nickte. »Nachdem ihr zu der Halle gefahren seid, kam ein Anruf in der Wache. Die Frau des Bürgermeisters meldete ihren Mann als vermisst. Und der Staatsanwalt, der gestern einen Termin mit unserem Bürgermeister hatte und der Letzte war, der ihn gesehen hat, ist heute morgen ebenfalls nicht in seinem Büro erschienen.«
»Die Leiche...«, stotterte Peter.
Wieder ein Schrei.
»Ich weiß nicht, wer das ist, das lässt sich von hier nicht erkennen«, erwiderte Matthias und warf erneut einen vorsichtigen Blick auf das Opfer, das wahrscheinlich tot unter dem großen Fenster im ersten Stock der Halle lag. »Vielleicht der Staatsanwalt...«
»Das ist Wahnsinn«, murmelte Klaus. Er schien aus seiner Lethargie erwacht. »Das ist der reinste Wahnsinn. Dieser Irre wird uns alle nacheinander abschlachten.«
Niemand antwortete.
Klaus blickte auf, sah Dirk an. Sie spielten manchmal Billard zusammen. »Wir müssen hier weg, Dirk«, sagte er.
Dirk schüttelte den Kopf und lächelte müde. »Das wird nicht so einfach werden, Kumpel«, antwortete er.
Wieder schrie die Geisel am Fenster. Dieses Mal waren es Worte, die sie alle verstanden. »Helfen Sie mir! Helft mir doch!«
Matthias senkte den Kopf. »Wir müssen etwas tun.«
»Spinnst du jetzt völlig?« fragte Dirk entsetzt. »Was willst du denn machen? Ich bin nicht Rambo, wenn dir das entgangen sein sollte. Und du bist nicht Bruce Willis.«
»Sollen wir warten und zusehen, wie dieser Geisteskranke ihn umbringt?« Matthias hatte geschrieen ohne es zu merken.
Dirk senkte den Blick. »Das wird er sowieso tun«, sagte er.
»Herr Gott, Dirk! Willst du jetzt einfach hier sitzen bleiben?«
»Dieser Irre hat zwei Menschen getötet. Einer davon war Jochen!«
»Und jetzt willst du zusehen, wie er noch einen Menschen umbringt?«
Dirk packte Matthias am Kragen und drückte ihn mit voller Wucht gegen den Wagen. »Du blöder Arsch«, schrie er.
Günther fuhr dazwischen. Mit hochrotem Kopf drückte er die beiden Männer auseinander.
Schwer schnaufend ließ sich Dirk zurücksinken.
Verdammt dachte er. Verdammt, verdammt, verdammt.
Sie schwiegen eine Weile.
Sie hörten wieder den Bürgermeister flehen. Hörten, wie er wimmerte und bettelte, wie er sie beschwor und weinte.
Dann zog Matthias seine Waffe. Dirk funkelte ihn wütend an.

»Ich kann das nicht«, sagte Klaus. »Ich kann das nicht.« Er hielt die Pistole in seiner Hand und weinte vor Angst.
Peter schwieg. Günther kontrollierte, ob seine Waffe geladen und entsichert war. Peter warf immer wieder einen besorgten Blick auf die Lagerhalle und auf das Fenster im ersten Stock, wo der Bürgermeister noch immer stand und schrie.
»Wir müssen uns jetzt zusammenreißen«, sagte Matthias. »Das ist eine schlimme Situation, das gebe ich zu. Und jeder hat Angst, Scheiß Angst, verdammt.« Er warf einen kurzen Blick auf Klaus, der kurz davor war, durchzudrehen. »Und dieser Scheißtyp provoziert uns. Er will, dass wir aus unserem Versteck kommen.«
»Er wird uns alle umbringen«, sagte Dirk.
Matthias warf ihm einen wütenden Blick zu. »Halt die Klappe, Dirk«, sagte er.
»Hilfe!« schrie der Bürgermeister. Seine Stimme war schon ganz heiser.
Dann fing er plötzlich an, lauter zu schreien, er schrie vor Schmerz.
Dirk sah sich um und wusste auch gleich warum.
Der Irre hatte mit einem Messer einen langen Schnitt quer über den Bauch des Bürgermeisters gezogen.

Georg Bengler spürte einen dumpfen Schmerz in seinem Bauch, der sich schnell nach innen fortsetzte. So als wären glühende Drähte in seinem Leib, die plötzlich unter Storm stünden.
Er schrie, schrie so laut er konnte.
Und dabei hatte er eigentlich schon mit seinem Leben abgeschlossen, rechnete damit, dass der Entführer, der noch immer hinter ihm stand, ihn jeden Moment nach vorne in die Tiefe schleudern könnte.
Er irrte sich.
Er irrte sich gewaltig.

»Benutzt eure Ohrenstöpsel«, riet Matthias. »Und auf mein Zeichen rennt ihr alle in verschiedene Richtungen. Wir gehen durch den Wald um das Grundstück herum und treffen uns an der Rückseite. Es gibt dort ein paar ausrangierte Maschinen, wenn ich mich nicht irre. Dort treffen wir uns wieder.«
»Wieso die Ohrenstöpsel?« fragte Dirk.
»Wenn jemand angeschossen wird«, erklärte Matthias, »will ich nicht, dass sich die anderen umdrehen. Ich will, dass alle weiterlaufen und nicht darauf achten, was hinter ihnen passiert.«
Dirk musterte Matthias, als hätte dieser den Verstand verloren.
»Mein Gott«, murmelte Klaus. Er schien sich wieder etwas gefangen zu haben, er wirkte jetzt viel ruhiger, viel gefasster.
»Vielleicht geht es ja gut aus und wir alle kommen heil davon«, meinte Matthias. Aber er klang so, als würde er selbst nicht daran glauben.
»Seid ihr bereit?« fragte er in die Runde.
Auch Dirk hatte jetzt seine Waffe gezogen. Er lauschte. Der Bürgermeister war immer noch zu hören, wenn auch nur ganz leise.
Matthias schob die Stöpsel in seine Ohren und nickte. Die anderen taten es ihm gleich. Dirk steckte sich die Wachsstücke in seine Ohren, aber nur ganz leicht, so dass er trotzdem noch alles hören konnte.
Der Bach in der Ferne rauschte, als Matthias das Zeichen gab.
Dirk sprintete los.
Er hörte, wie ein Schuss durch die Luft pfiff. Er rechnete damit, dass er jeden Moment einen starken Schmerz spüren würde, im Rücken, im Bein. Würde er es weh tun, wenn die Kugel gleich seinen Kopf durchschlug? Er rannte und glaubte, zu langsam zu sein, er glaubte, dass sich seine Beine zwar bewegten, aber er auf der Stelle trat.
Beinahe hätte er wieder zu weinen angefangen.
Wieder pfiff ein Schuss durch die Luft und er hörte einen Schrei.
Aber er drehte sich nicht um.
Dirk rannte einfach weiter, so als hätte er nichts gehört.

Er setzte das Gewehr langsam ab und sah durch das Fenster nach draußen. Sie waren geflohen. Aber er hatte die Waffen in ihren Händen gesehen. Er wusste, dass sie noch nicht aufgegeben hatten. Aber der fette Polizist würde keine Gefahr mehr für ihn darstellen.
Er drehte sich um und sah den wimmernden Bürgermeister vor sich liegen, der zusammengekrümmt vor ihm lag, die Arme um den Bauch geschlagen. In einem großen See aus Blut lag er da.

Georg Bengler konnte förmlich spüren, wie das Leben aus ihm wich.
Der Schmerz war größer als alles, was er bisher erlebt hatte.
Er blinzelte, als es ihm schwarz vor Augen zu werdend drohte.
Der Entführer beobachtete ihn stumm.
Er ließ den Kopf wieder sinken, weil er dieses Gesicht nicht ertrug.
Der Schmerz wurde schlimmer.

Dirk blieb stehen, um zu pinkeln. Er konnte es nicht mehr zurückhalten. Er riss die Hose herunter und pinkelte gegen einen Baum. Dabei stütze er sich mit der rechten Hand, die Waffe noch immer fest umklammert, an der harten, rauen Rinde ab.
Seine Hand zitterte und er keuchte schwer.
Die Angst schien ihn zu lähmen, er war unfähig, einen klaren Gedanken zu fassen. Er wollte weinen, versuchte, sich zu übergeben, doch beides gelang ihm nicht.
Er zog seine Hose wieder nach oben.
Was sollte er nur tun? Wer konnte ihn zwingen, in diese Lagerhalle zu gehen? Wer würde ihm einen Vorwurf machen, wenn er jetzt umkehrte, wenn er sich nicht auf diesen Wahnsinn einließ? Wer?
Dirk blieb stehen und horchte. Er hörte nur noch das Rauschen des nahen Wassers. Er schloss die Augen.
Dann verschwand die Angst langsam, ganz langsam aus seinem Körper. Er versuchte, sich auf dieses Rauschen zu konzentrieren und wartete, bis es seinen Geist ausfüllte. Bis nur noch dieses Rauschen in seinem Kopf war und sonst nichts mehr.
Dann öffnete er die Augen wieder.
Seine Hand zitterte immer noch. Aber nicht mehr so stark wie vorhin. Als er durch die Bäume hindurch die Wände der Lagerhalle in der Ferne sehen konnte, da machte sein Herz wieder einen Sprung und er blickte schnell zur Seite.
Er konnte die anderen nicht alleine lassen. Er würde zur Rückseite der Lagerhalle gegen, wie es abgemacht gewesen war und dort warten. Wenn niemand kommen würde, dann würde auch Dirk nichts unternehmen.
Und vielleicht würde inzwischen Verstärkung angerückt sein. Wenn er sich etwas mehr Zeit ließ, würde sich dieses Problem vielleicht ganz von alleine lösen.
Er wartete noch einen Moment und ging dann weiter, hauptsächlich deshalb, weil er es nicht ertrug, auf der Stelle zu stehen.

Dirk durchquerte den Wald in einem großen Bogen um die Fabrikhalle herum.
Er fragte sich, wie es den anderen ging.
Und er fragte sich, wen er beim Weglaufen schreien gehört hatte.
Dann verdrängte er diese Gedanken und lief einfach weiter, die Waffe in seiner Hand. Er klammerte sich so fest an den metallenen Griff, dass seine Finger bald zu schmerzen begannen. Doch das störte ihn nicht. Diese Waffe - so redete er sich ein - war alles, was er hatte, er bildete sich ein, dass ihm nichts passieren könnte, so lange er sie nur fest genug in Händen hielt. Er war nicht wehrlos. Er konnte sich verteidigen. Und er würde es tun, falls nötig.
Er erreichte die Rückseite des Grundstücks viel zu schnell.
Sofort machte sich Ratlosigkeit in ihm breit. Er sah sich um, konnte aber die anderen nicht entdecken.
Er kauerte sich hinter einen Baum und wartete.
Dann dachte er an seine Eltern. Wie sie ihm den Löffel immer in die rechte Hand gedrückt hatten, obwohl er sich dagegen gesträubt hatte. Wie er sich immer vergeblich gewehrt hatte, mit der rechten Hand zu schreiben.
Er betrachtete die matt schimmernde Pistole in seiner rechten Hand. Probeweise nahm er sie in die linke. Die Waffe fühlte sich komisch an, denn es war eine Rechtshänderwaffe. Er spürte, wie sie unangenehm in der Hand lag. Und doch fühlte es sich richtig an. Und wenn es hart auf hart kam, dann würde er sie lieber in dieser Hand lassen. Er würde seiner linken Hand sein Leben anvertrauen. Nicht seiner rechten.
Als ihn von hinten jemand an der Schulter berührte, hätte er die Pistole beinahe abgefeuert.
»Ich bin es nur«, sagte Peter schnell.
»Mann, Scheiße«, fluchte Dirk. »Ich hätte dir beinahe den Kopf wegeschossen.«
Peter schwieg. Schweiß stand auf seiner Oberlippe.
»Wo sind die anderen?« fragte Dirk.
Peter schüttelte den Kopf. »Keine Ahnung.« Er schluckte. »Günther hat es erwischt...«
Dirk senkte den Blick. Günther also.
»Das ist doch Irrsinn«, sagte Dirk.
»Wir müssen da nicht reingehen«, sagte Peter und sah Dirk tief in die Augen. Dirk ertrug den Blick nicht und drehte sich weg.
»Da ist Matthias«, sagte er und deutete auf eine Gestalt, die etwa Hundert Meter von ihnen entfernt auf die Rückseite der Halle zuschlich.
»Ich habe ihn gesehen«, sagte Peter.
Dirk drehte sich zu ihm um. »Wen?« fragte er. »Wen hast du gesehen?« Aber er wusste bereits, wovon Peter redete.
»Ich habe gesehen, wie er hinter dem Bürgermeister stand«, erzählte Peter. »Wie er ihm den Bauch aufgeschlitzt hat.«
Dirk konnte nichts sagen.
»Das ist kein Mensch«, fuhr Peter fort. »Ich weiß nicht, wer er ist, aber er ist kein Mensch. Was, wenn wir ihn nicht umbringen können? Wenn unsere Kugeln von ihm abprallen?«
»Niemand ist kugelfest«, sagte Dirk. »Niemand.« Er dachte an Jochen. Er dachte an Günther. »Niemand, hörst du?« Er packte Peter am Hinterkopf und zog sein Gesicht nah an seines heran. »Niemand ist kugelfest!«
Peter konnte nichts anderes tun als nicken. Doch er hielt seine Augen gesenkt.
»Und jetzt komm«, sagte Dirk. »Matthias wartet.«
Die beiden Männer schlichen geduckt und die Bäume als Deckung ausnutzend zur Rückseite der Lagerhalle.
Matthias hatte Recht behalten. Mehrere ausrangierte Maschinen fristeten ihr Dasein auf dem weiten Asphaltplatz. Ein altes, kaputtes Förderband führte in die Halle hinein, das ausgeschlachtete Skelett eines Lieferwagens rostete vor sich hin und mehrere alte, große Metallcontainer waren aufgebaut und mit Schutt und Abfall gefüllt. Dazwischen lagen noch mehrere morsche und zerfallene Holzlatten.
Sie trafen Matthias hinter einem Container. Er war gerade dabei, seine Munition zu prüfen. Als Dirk zu ihm stieß, schob er das Magazin gerade in den Griff seiner Waffe zurück.
»Wo ist Klaus?« fragte Dirk als erstes.
Matthias zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung.«
»Günther hat es..., begann Dirk, doch Matthias hob abwehrend eine Hand.
»Ich weiß«, sagte er nur.
Die beiden Männer sahen sich an.
»Du kannst hier bleiben«, sagte Matthias. Er legte seine Hand auf Dirks Schulter. »Bleib hier. Du hast eine Tochter.«
Dirk schüttelte den Kopf. »Dazu ist es jetzt zu spät. Wenn du da reingehst, gehe ich mit.«
»Der Bürgermeister...«, begann Matthias, aber dann brach er plötzlich ab und sah zu Boden. Als er Dirk wieder ansah, war etwas Fremdes in seinen Augen. »Ich habe meine Gründe, da hineinzugehen«, sagte er dann. »Es sind meine persönlichen Gründe und sie haben mit euch nichts zu tun. Geh nicht meinetwegen.«
Dirk sah Matthias lange an und kämpfte mit sich selbst. Er wollte dies nicht tun. Er wollte nicht sein Leben aufs Spiel setzen. Er war drauf und dran zu nicken.
Dann aber hörten sie einen lauten Knall.
Peter zuckte zusammen.
»Wo ist eigentlich diese blöde Verstärkung?« fragte Peter in das darauf folgende Schweigen hinein.
Dirk und Matthias sahen sich an.
»Bleibt hier«, sagte Matthias dann. Er hob seine Waffe und sprintete aus der Deckung. Dirk warf ihm einen Blick nach und sah, wie Matthias auf das Förderband zulief.
Sie hörten, wie seine schweren Schritte auf dem alten Blech klangen und dann war da wieder nur das Rauschen des Baches.
»Ich kann das nicht mehr«, sagte Peter. »Ich kann das nicht mehr.« Er stütze sich mit beiden Händen auf den Knien ab und ließ achtlos seine Waffe fallen. Er begann zu hyperventilieren.
Dirk packte seinen jungen Kollegen und schlug ihm ins Gesicht, bis er aufhörte.
Dann hörten sie einen neuen Schuss, der aus der Halle kam. Es war unglaublich laut. Darauf folgte ein wahrer Schusswechsel, ein Gemisch aus lauten Geräuschen, die durch die leere Halle zu einer unglaublichen Lautstärke verstärkt wurden.
Dann hörten sie wieder jemanden schreien.
Es war der Bürgermeister. Und wieder schrie er nach Hilfe.
Und seine Schreie kamen näher.
Dirk riskierte einen schnellen Blick. Es gab eine kleine Tür, die aus der Halle führte. Sie war rot lackiert und hatte ein kleines Fenster, das aber so schmutzig war, dass man unmöglich etwas dahinter erkennen konnte.
Plötzlich wurde die Tür aufgeschlagen und Dirk hätte beinahe seine Pistole abgefeuert, wenn er nicht im letzten Moment das blutverschmierte Hemd des Bürgermeisters erkannte hätte.
Der Bürgermeister bewegte sich durch die Tür und lief auf Dirk zu.
»Hilfe!« rief er. »Helfen Sie mir.«
Dirk trat aus der Deckung hervor, um dem Bürgermeister entgegenzueilen.
Matthias musste es geschafft haben, denn...
Ein brennender Schmerz explodierte in seiner linken Schulter. Dirk spürte, wie Blut in sein Gesicht spritzte und der Schmerz sich in seinem ganzen Körper ausbreitete.
Als er zu Boden stürzte, dachte er nur noch an eines:
Sarah.
Er schlug mit dem Kopf hart auf dem Boden auf und blieb liegen. Er spürte die Waffe nicht mehr in seiner Hand. Aber er spürte auch seine Hand nicht mehr.
Dann hörte er Peter schreien und wieder hörte er diesen Schuss. Dieses laute Geräusch, dass in seinen Ohren so sehr schmerzte.
Der Bürgermeister schrie, aber Dirk verstand nicht, was. Der Schmerz war so stark, so allgegenwärtig. Er konnte keinen geraden Gedanken mehr fassen.
Er stöhnte und wälzte sich zur Seite.
Er blinzelte nach oben in die kalte Sonne.
Vor dem diesigem Licht erschien die Silhouette eines Mannes. Er war groß und baute sich vor Dirk auf.
Erst nach einer Weile erkannte er die Gesichtszüge des Mannes. Und er erschrak. Es war nichts Menschliches in diesem Gesicht, keine Regung, kein Gefühl.
Der Fremde hob die rechte Hand. Eine großkalibrige Waffe lag darin und er richtete sie direkt auf Dirk.
Dirk rappelte sich auf und sah sich um.
Hinter dem Fremden lag der Bürgermeister auf dem Boden. Er hechelte schwer, aber er schien noch am Leben.
Der Fremde starrte Dirk an, sah ihm zu, wie er sich mühsam aufrichtete und hielt weiter die Waffe auf ihn gerichtet.
Dirk drückte seine Rechte auf die Schulter und spürte warmes Blut zwischen seinen Fingern.
Er hatte niemals daran gedacht, dass es so zu Ende gehen könnte. Er hatte eigentlich nie ernsthaft darüber nachgedacht zu sterben. Er hatte sich nie damit beschäftigt, wie es sein würde, wenn er starb.
Einmal war er mit seinem Wagen in einen anderen gerast. Das war alles so schnell gegangen und er hatte erst eine Stunde später so etwas gespürt wie Angst. Aber er hatte sich nie gefragt, wie es gewesen wäre, hätte er bei diesem Unfall sein Leben verloren. Er hatte diese Vorstellung verdrängt, denn er war kein sehr religiöser Mann.
Dirk sah auf und starrte den Fremden an und der wiederum starrte nur zurück, starrte Dirk an.
Warum schoss er nicht?
Der Fremde sah ihm weiter in die Augen. Dann führte er die Waffe an seine eigene Schläfe und drückte ab.
Dirk war so perplex, dass er gar nicht richtig realisiert, was passiert war.
Der Fremde brach vor ihm zusammen. Blut quoll aus seiner Schläfe und seine Augen waren weit aufgerissen.
Dirk verschwendete keine Zeit auf ihn, er hatte genug Tod gesehen für heute, und kämpfte sich voran, zum auf den Boden liegenden Bürgermeister.
»Herr Bürgermeister...?« sagte er. Seine Stimme war heiser und ohne Kraft.
Der Bürgermeister schlug die Augen auf. Sein Atem ging deutlich flacher.
»Herr Bürgermeister...«, wiederholte Dirk.
Dann wurde es schwarz um ihn.

***

Er klingelte an der Haustür. Seine Hand zitterte schon wieder. Er fragte sich, ob das jemals aufhören würde.
Es dauerte eine Weile, bis Anna öffnete. Als sie ihn sah, sagte sie kein Wort, sondern umarmte ihn einfach nur stumm.
Dirk erwiderte die Umarmung gerne. Allerdings nur mit seinem rechten Arm. Seine linke Schulter konnte er immer noch nicht bewegen.
»Vielleicht werden Sie das nie wieder tun können«, hatte der Arzt gesagt.
Dirk erinnerte sich nur zu gut daran, wie er sich zum ersten Mal im Spiegel gesehen hatte. Und die große Narbe, die nun auf seiner Schulter war.
Anna führte ihn in die Küche und setzte etwas Tee auf.
Dirks Finger zitterten noch immer. Er steckte sich eine Zigarette in den Mund und nahm sie gleich darauf wieder heraus. Er hatte sein Feuerzeug vergessen.
»Wie geht es dir?« fragte Anna.
»Wie soll es mir schon gehen?« fragte er zurück.
Anna verschränkte die Arme vor ihrer Brust. Sie war eine so unglaublich schöne Frau, ging es Dirk durch den Kopf.
Er spürte, wie das Handy in seiner Hose klingelte.
»Private number calling« zeigte das Display an. Er bekam in letzter Zeit oft Anrufe von Menschen, die er nicht kannte.
Er steckte das Handy in seine Hosentasche zurück.
»Wer war es?« fragte Anna.
Dirk zuckte mit den Schultern. »Ich bin der Einzige...«, sagte er nur. »Das interessiert die Leute.«
»Trinkst du, Dirk?« fragte Anna.
Dirk sah sie an.
»Du riechst so«, erklärte sie.
Dirk drehte den Kopf zur Seite.
»Hermann und ich haben überlegt«, redete sie dann weiter. »Du kannst hier wohnen.« Dirk sah sie an. »Für eine Weile«, fügte sie sofort hinzu. »Du kannst im Gästezimmer schlafen. Aber...«, sie hob den Finger, »... keine Zigaretten und kein Alkohol.«
»Anna, ich...«, setzte Dirk an.
»Papa«, rief plötzlich eine Kinderstimme.
Dirk warf den Kopf herum, so heftig, dass seine Schulter schmerzte.
Sarah stand in der Tür und hinter ihr Hermann, Annas neuer Mann.
Sarah stürmte auf ihren Vater zu und fiel ihm in die Arme.
Dirk drückte seine Tochter fest an sich. So fest, dass es schmerzte.
So ähnlich sind sie sich gar nicht, dachte Anna bei sich. Sie haben eigentlich gar nichts gemein. Bis auf die Augen...

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Cerberus!

Ähm...
Das habe ich empfunden, nachdem ich deinen Kom gelesen habe...
Zuerst: du scheinst thematisch genau das zu erfassen, worauf es mir ankam. Nein, ehrlich, genau diesen Inhalt wollte ich plausibel machen und du hast es kapiert... bisher bist du allerdings der Erste, der das genau so sieht... und mich dafür lobt...

Und für meinen eher nüchternen Stil habe ich in den anderen Koms eher Lob gehört, auch hier bist du der Erste, der das bemängelt.

Trotzdem: natürlich auch ein großes Danke an dich...
doch nun in ich leder vollends verwirrt...

Sie ist zwar flüssig geschrieben, aber von einem Autor wie dir erwarte ich einfach mehr als das.
Von einem Autor wie mir...
Das muss ich jetzt fast einrahmen und über mein Bett hängen... ein sehr schönes Kompliment, ehrlich...

In diesem Sinne
c

Kleines Edit:
Ich habe mich oben etwas unfein ausgedrückt, denn ich meine jetzt natürlich nicht, dass keiner diese Geschichte verstanden hat oder auch den Inhalt lobte, denn das haben ja einige getan.
Aber nur Cerberus hat bisher eben genau die Stimmung beschrieben in seinem Kom, die ich erzeugen wollte. Es kann durchaus sein, dass es auch anderen so ging, aber ich habe es eben bisher nur bei ihm so gelesen.
Also bitte nicht verärgert sein, ich habe durchaus das viele Lob vernommen.

 

Das muss ich jetzt fast einrahmen und über mein Bett hängen... ein sehr schönes Kompliment, ehrlich...

Aber jetzt nicht auf den Lorbeeren ausruhen :D

Nein, im ernst: ich habe zwar noch nicht viele deiner Geschichten kommentiert, aber lesen tue ich sie trotzdem, und in diesem Text hier habe ich ein wenig die Eleganz vermisst, die du normalerweise draufhast. Käme diese Geschichte von einem Anfänger, wäre mein Urteil über den Stil anders ausgefallen, aber da du kein Anfänger bist, hängt meine persönliche Messlatte eben etwas höher.

 

Hi chazar,

es wurde nun schon soviel über deine KG geschrieben, dass ich wohl nicht viel neues dazu sagen kann. :shy:

Du beschreibst einen eiskalten Killer, der so eiskalt garnicht sein kann.

Denn er genießt die ruhige Atmosphäre des Waldes. Ein Lächeln liegt auf seinen Lippen. Er fühlt sich wohl in der Stille und der unberührten Natur.
Sarah kreuzt seinen Weg. Das kleine Mädchen mit den unschuldigen großen Augen. Es weint, weil ein Vogel gestorben ist. Dein Prot hilft, ihn zu begraben.

So wie er die Unschuld und Reinheit in der Natur sieht, so sieht er sie auch in Sarah. Das ist wohl das Einzige, was sein Herz noch berühren kann.

Er verlässt den Wald mit dem Gedanken: "ich muß noch was vorbereiten"
Zu diesem Zeitpunkt weiß er schon, dass sein Leben bald beendet ist.
Er bereitet sozusagen seinen eigenen Tod.
Du beschreibst nicht die Beweggründe deines Killers. Das ist auch nicht nötig.
Es muß in seinem Leben eine, für ihn, sehr einschneidende Erfahrung gegeben haben, die sein Herz versteinern ließ, gegen Amtspersonen im Allgemeinen.

Er nimmt einen Staatsanwalt und einen Bürgermeister, als Geisel. Er wartet bis sich genug Polizisten gesammelt haben. Das hat ja einen Grund.
Vielleicht wurde er einmal zu unrecht verhaftet und verurteilt. Vielleicht war er einmal Sündenbock. Oder es wurde ihm etwas verwehrt und sein Leben bekam eine negative Richtung.
Er will sich rächen und zwar nur an solchen Personen. Denn sonst hätte er die Joggerin auch erschießen können. Diese Schüsse gab er nur ab, damit man ihn findet.
Sein brutales und ohne Regung zeigendes Verhalten, spricht dafür, dass die Personen, für ihn nur Mittel zum Zweck sind.

Das er Sarahs Vater nicht erschossen hat, denke ich lag daran, dass er dem Kind nicht den Schmerz des Verlustes zufügen wollte.
Denn er weiß wie sehr ein dramatisches Erlebnis, dass Leben verändern kann.
Über die Familien seiner Opfer macht er sich keine Gedanken. Er kennt sie nicht, genausowenig, wie er seine Opfer kennt.
Dein Prot handelt wie eine Maschine, bis zu dem Moment, wo er die unschuldigen Augen Sarahs, in den Augen des Polizisten wiedererkennt.
Sein Werk ist getan, sein Leben beendet.

Das du die Polizisten ein wenig dusselig darstellst, nimmt deiner Geschichte ein wenig die Ernsthaftigkeit und Brutalität.
Außerdem, was kann man von der Dorfpolizei, die nie ernstlich gefordert wurde erwarten. Und wenn man es genau nimmt, steckt in dem ungeschickten Verhalten, eine Menge Dramatik.
Denn ich finde, dass du die Gefühle der Cops sehr gut beschrieben hast.
Mag sein das nicht alles stimmig ist, das zu beurteilen überlasse ich anderen.

Mir kommt es nur auf die Aussage einer Geschichte an und natürlich ob sie gut geschrieben ist. Und das ist sie, finde ich. :)

Was ich nicht verstehe ist, das du unzufrieden bist.
Du mußt dir doch etwas dabei gedacht haben, als du die KG geschrieben hast. Du kannst sie überarbeiten wollen, in Stil und Sprache. Doch an deinem Plot, deiner Intention, solltest du festhalten.
Es sei denn, du hattest keine Intention. :hmm: ;)

lieben Gruß, coleratio

 

Hallo Coleratio!

Danke dir. Das zuerst, bevor ich es vergesse.

Was ich nicht verstehe ist, das du unzufrieden bist.
Ja, ich verstehe mich selbst manchmal nicht. Ich bin eben immer unzufrieden... weiß auch nicht warum... ich kann es mir manchmal eben selbst nicht Recht machen.
Es ist fast so, als wollte ich den Lesern ausreden, dass diese Geschichte ihnen gefallen kann...

Die Intention dieser Geschichte - und die gab es wohl - war genau die, welche du beschrieben hast. Was mich dazu bringt, dass es mir scheinbar doch gelungen ist, sie glaubhaft zu machen.

Es muß in seinem Leben eine, für ihn, sehr einschneidende Erfahrung gegeben haben, die sein Herz versteinern ließ, gegen Amtspersonen im Allgemeinen.
Exakt. Richtig. Genau.

Das du die Polizisten ein wenig dusselig darstellst, nimmt deiner Geschichte ein wenig die Ernsthaftigkeit und Brutalität. Außerdem, was kann man von der Dorfpolizei, die nie ernstlich gefordert wurde erwarten. Und wenn man es genau nimmt, steckt in dem ungeschickten Verhalten, eine Menge Dramatik.
Genau. Ich dachte mir: stell dir vor, du bist Polizist (ich bin ja keiner...), wie würdest du reagieren, wenn es hart auf hart kommt. Ich hätte eine Scheißangst. Und genau das wollte ich schreiben...

Du kannst sie überarbeiten wollen, in Stil und Sprache. Doch an deinem Plot, deiner Intention, solltest du festhalten.
Das ist ein wirklich weiser Ratschlag, an den ich künftig immer wieder denken werde. Ich danke dir dafür sehr herzlich.

In diesem Sinne
c

 

Hallo chazar,

besser spät als nie eine Kritik, nur leider bleibt mir nicht mehr viel zu sagen, die anderen haben die Geschichte ja ganz schön auseinander genommen. ;)
Textlich will ich jetzt nichts mehr raussuchen, es ist zu spät, ich hoffe, du verzeihst mir ;)

Also erst einmal: flüssig und gut zu lesen, aber das bin ich ja von dir gewohnt. Ob sie mir gefallen hat? Schwer zu sagen. Ich glaube, mir waren die Polizisten auch ein wenig zu unbeholfen (vielleicht, weil ich vom Land komme und die sich bei uns trotzdem nicht so verhalten haben).

Die Emotionslosigkeit und (scheinbare) Unmotiviertheit des Killers fand' ich wiederum sehr gut heraus gearbeitet. Besonders gefallen hat mir die Beschreibung der Angst bei den Polizisten. Es zeigt sehr deutlich ihre Menschlichkeit und auch die Hilflosigkeit, mit der sie einer solchen Situation gegenüber stehen. Sie mögen vielleicht nicht ganz so trottelig (Stichwort nicht geladene Waffe?) sein, wie du sie dargestellt hast, aber mit einem Amokläufer dürfen sie ruhig ihre Probleme haben - das kann ich mir sehr gut vorstellen.
Die Sichtweisen des Killers, bis auf die Szene am Anfang, fand ich nicht sehr gelungen und vor allem - hm - etwas sinnlos. Was der Bürgermeister mitbekommt langt mMn völlig.

Ich muss zugeben, dass ich den Tipp mit den Augen am Schluss irgendwie nicht so richtig nachvollzogen und verstanden habe, aber es war schon spät und im Nachhinein finde ich es logisch und auch sehr schön.

Tja, was ist nun mein Fazit?
War schön zu lesen. Grundidee sehr gut. Teilweise sehr gut, teilweise irgendwie noch nicht ganz rund. Lesenswert auf alle Fälle, aber vielleicht nach einer Überarbeitung noch mehr.

Ich weiß leider nicht, ob das jetzt hilfreich ist, aber das ist ungefähr das, was ich nach dem Lesen gedacht habe.

Liebe Grüße,

Ronja

 

Hallo Ronja!

Natürlich war es hilfreich...
Danke auch dir.
Deckt sich mit manch anderer Meinung hier.

Ich habe ja schon angekündigt, dass ich die Szenen mit dem Mörder eventuell ganz rausnehme, bis auf die erste natürlich, da die für das Ende fudamental ist.

flüssig und gut zu lesen, aber das bin ich ja von dir gewohnt.
Na hoffentlich...

In diesem Sinne
c

 

hoi chazar!

auch von mir, ne späte kritik udn auch nicht lang, aber das wär sowieso nicht mein ding und die andren haben dies bereits getan.

also, auch wenn cerberus es anders empfindet, finde ich deinen stil sehr sauber und anzieherisch. ich wollte diese geschichte eigentlich in zwei teilen lesen, aber sie hat mich in ihren bann gezogen und ich hab sie in einem stück gelesen. die motive haben mich bei der geschichte eigtnlich ned intressiert, sag mir in der wirklichkeit 3 serienmörder, die ein gutes motiv hatten...
wie gesagt, sauberst geschrieben und zum schluß schließt sich der kreis, auch das bin ich von dir gewohnt.

sehr schöne arbeit, freu mich auf deine nächste

mfg

 

Hallo one!

wie gesagt, sauberst geschrieben und zum schluß schließt sich der kreis, auch das bin ich von dir gewohnt.
Na Danke. Lob hört man immer gern.

Schön, dass es dir gefallen hat. Vor allem auch der Stil...

In diesem Sinne
c

 

Hallo chazar,

deine Geschichte ist spannend und sie gefällt mir. Für mich wird klar, dass der Killer kein bedingungsloser Schlächter ist, auch wen er im Detail recht rabbiat zu Werke geht. Für reine Lust am Schlachten hat er aber die Ablauf zu genau geplant.
Da liegt aber auch gleichzeitig mein Kritikpunkt, denn ein Motiv für diese Planungen lässt sich für mich kaum erkennen. Der Gedanke des Täters "es wären nich nicht genug" lässt auf einen schlichten Hass auf Polizei schließen, aber auch dabei wäre mir nicht klar, woher der rühren könnte.
Jedenfalls kommt bei mir an, dass der Staatsamwalt und der Bürgermeister nur Mittel zum Zweck sind, die Polizei auf den Plan zu rufen und zum Handeln zu zwingen. Das Motiv des Infernos scheint nicht in deren Personen begründet.
Da scheint mir allerdings ein Widerspruch in der Brutalität dem BM gegenüber zu liegen, denn selbst wenn diese nur die Polizei zu schnellerem Handeln nötigen sollte, erscheint sie mit für den Zweck etwas übertrieben, es sei denn in der Figur (bei dem Gewicht kann der BM ja auch nicht ganz schlank sein) läge ein weiteres Hassobjekt des Täters (der dicke Polizist als Analogie).

Für mein Gefühl hätte die Geschichte gern noch länger sein können, die Motivation würde ich mir für Blonde wie mich auch etwas deutlicher wünschen. Ich denke nicht, dass das die Spannung nehmen würde. Es bräuchten ja auch nur Andeutungen zu sein, ähnlich den Linkshänderandeutungen bei Dirk. ;)

Ein bisschen Textzeug noch:

»Wen denn?« rief Jochen ganz verwirrt.
langsam hineingefasst und sich di as Sprechgerät vom Armaturenbrett geangelt.
? ;)
»Verstärkung ist unterwegs« hatte er aus dem Funkgerät geklungen, bevor es verstummt war.
ich nehme an, es hatte aus dem Funkgerät geklungen
(auch hier wieder viel "Dann")
Jochen atmete hörbar aus, als die beiden Polizeiwagen vor Ihnen zu stehen kamen.
ihnen (in diesem Falle klein)
zum auf den Boden liegenden Bürgermeister.
auf dem Boden
Dirk zuckte mit den Schultern. »Ich bin der Einzige...«,
Das kann er nur mit der rechten.


Lieben Gruß, sim

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Sim!

Jaja, halt mich nur an zu noch längeren Geschichten...

aber auch dabei wäre mir nicht klar, woher der rühren könnte.
Der Hass auf die Polizei ist eine Möglichkeit, die leicht angedeutet wird, aber an keiner Stelle belegbar ist.
Weil es nämlich kein deutlich herausgearbeitetes Motiv des Täters gibt. Und das absichtlich. Viele der Vorkritiker hier waren - vielleicht - der berechtigen Meinung, dass das sehr störend ist und merkwürdig erscheint.
Wenige andere meinten, dass gerade darin der Reiz der Geschichte begründet läge. (Wobei ich mich gerne auf deren Seite stelle.)
Warum hat dieser Mörder jetzt kein vernünftiges Motiv? Zum einen war es nicht Ziel dieser Geschichte den Mörder oder die Morde zu beschreiben, sondern die Reaktionen von normalen Menschen auf eine derartige Tat.
Der Großteil der Geschichte wird von Dirk erzählt (es WAR ein Fehler, nicht die Gesamtheit der Geschichte von Dirk erzählen zu lassen, etwas voran ich in der Überarbeitung denke, die ich demnächst angehe) und somit bleiben dem Leser die Motive verschlossen, weil sie auch Dirk verschlossen bleiben.
Natürlich kann und darf und soll man Vermutungen abgegeben, aber ein eindeutiges Motiv - wie ich es schon oft in Krimis gelesen habe - wollte ich nicht schreiben, weil ich noch nie (zumindest erinnerlich) einem vernünftigen begegnet bin. Wenn du in dieser Hinsicht einen Lesetipp für mich hast, dann nur her damit.

Deine Anmerkungen werde ich gerne übernehmen und sei gewiss, dass auch deine P.N. nicht spurlos an mir vorbeigegangen ist. Für die Zukunft werde ich mir die SPO - Sätze vornehmen und besonders auf fiese Da/Dann achten.

Herzlichen Dank fürs Lesen (und für das Lob)!

In diesem Sinne
c

Edit: Bitte das jetzt nicht missverstehen... das liest sich fast so, als könnte es ein vernünftiges Motiv für Mord geben... natürlich nicht. Aber vom psychologischen Standpunkt aus ein Motiv, das vielleicht ansatzweise für einen Leser verständlich wirkt, ohne augesetzt zu sein.
Natürlich KANN es kein nachvollziehbares Motiv für einen Mord geben. Wo lämen wir da hin?

 

Hallo chazar

Hmmm, diese kg gefällt mir am wenigsten von allen Geschichten die ich von dir gelesen habe. Leider entfernst du dich immer mehr gedanklich von deinem Werwolf.

Das Motiv des Täters ist mir eigentlich egal. Was würde es nützen, wenn ich wüsste, dass er eine schwere Kindheit gehabt hatte.

Auf mich wirkte der gesamte Handlungsablauf irgendwie erzwungen. Du hattest sicherlich einen Plan, wie alles abzulaufen hat und hast dem alles untergeordnet. Ich würde auch sagen, dass es an Charakterisierung fehlt. Ich konnte den Namen eigentlich kaum je einer Personen zuordnen.

Hier ein paar Beispiele, warum es so erzwungen auf mich wirkte:

»Benutzt eure Ohrenstöpsel«, riet Matthias.
Warum haben die Dorfpolizisten Ohrenstöpsel dabei. Oder ist das Standardausrüstung der Polizei?
Er rannte und glaubte, zu langsam zu sein, er glaubte, dass sich seine Beine zwar bewegten, aber er auf der Stelle trat.
Nun ja, dass finde ich eher erheiternd. 2x glaubte
Dirk blieb stehen, um zu pinkeln.
Und seine Kameraden, die sich in tödlicher Gefahr befanden im Stich lassen? Warum ließ er es nicht einfach laufen, wenn er es nicht zurückhalten konnte?
Was sollte er nur tun? Wer konnte ihn zwingen, in diese Lagerhalle zu gehen? Wer würde ihm einen Vorwurf machen, wenn er jetzt umkehrte, wenn er sich nicht auf diesen Wahnsinn einließ? Wer?
Dieses Getue kann ich nicht nachvollziehen. Sie sind zu mehreren, haben Waffen und der andere ist eben nur einer. Zwar mit einem Gewehr, das aber auch keine Wunder vollbringen kann, so dass sie hinter ihren Wagen eigentlich ziemlich in Sicherheit sind. Und das sie einfach einen von ihnen opfern, um einen kleinen strategischen Vorteil zu bekommen... Erst waren es weinerliche Memmen und nun dermaßen kaltschnäuzig?

Tut mir leid an dieser Geschichte stimmten für mich einfach die Proportionen nicht. Sie ist professionell geschrieben aber nicht mein Fall.

Sorry
Texter

 

Hi Texter!

Leider entfernst du dich immer mehr gedanklich von deinem Werwolf.
Ja, absichtlich. Ich persönlich mag die Geschichte auch sehr gern. Aber ich bin auch auf dieser Seite, um eben verschiedenes auszuprobieren. Von manchen Sachen werde ich dann künftig auch die Finger lassen.

Erst waren es weinerliche Memmen und nun dermaßen kaltschnäuzig?
Nein, ich kann dich beruhigen... sie sind immer noch Memmen. Und die Kaltschnäuzigkeit ergibt sich aus der Angst.

Sie ist professionell geschrieben aber nicht mein Fall.
Naja, da ist ja wieder ein versteckes Kompliment.

Danke dir für die Mühe. Und fürs Lesen.

In diesem Sinne
c

 

Hallo chazar!

Soll es wahr sein, dass ich ein ganz klein wenig Zeit abzwacken kann, um endlich auf eine Story zu antworten? Es ist momentan extrem, wie wenig ich mich mit dem Schreiben beschäftigen kann, und wie nahe mir das geht. Ich merke, dass mir das Schreiben wirklich fehlt!

Tja, genug geheult, kommen wir zur Kritik :naughty:
Was mir an deiner Story gefallen hat, ist, dass du versucht hast, aus den Grenzen der einfachen Erzählstrukturen auszubrechen. Du streust eine Art Puzzlespiel auf den Boden und du machst es dem Leser (zumindest zum Anfang) nicht leicht, die richtigen Teilchen zuzuordnen. Hat mir gefallen, die Art, den Leser zu fordern. Das kenne ich auch schon aus deiner Hölle-Geschichte. Mach weiter so, das ist manchmal richtig spannend!

So, allerdings hat mir das Stück nicht wirklich gefallen. Und das liegt in der Hauptsache an der Figurenzeichnung, die wirklich nur rudimenter und darüber hinaus ziemlich klischeehaft vorhanden ist. Ich glaube, das klang vorher schon an, ich konnte die Figuren ganz schlecht den einzelnen Namen zuordnen. Ich hatte Schwierigkeiten, mir die Charaktere vorzustellen, sie blieben blass und konturlos wie Pappkameraden, die vorgefertigt sind. Und das waren sie wohl auch - vorgestanzt.
Ich weiß, das klingt hart, soll dir (und natürlich in erster Linie mir) helfen, voranzukommen. Wie meine ich das also im praktischen Sinne?:

Günter war ein dicker, kleiner Mann mit wenig Haaren.

ist noch eine der differenzierteren Beschreibungen der handelnden Personen in diesem Stück. Doch sie ist schwammig, klischeehaft, millionenfach gebraucht und die Figur erscheint nicht weniger fassbar als vorher. Ich habe absolut keinen Zugang zu ihr, weil sie nicht individuell erscheint. Was würde sie nun individuell machen?
Frag mich nicht sowas! Wenn ich das wüßte... :D
Ich kann immer nur auf meine Version von der Expedition verweisen, Pablo mit dem Nasenbluten und wie er damit umgeht.

Gib den Figuren Eigenheiten - körperliche Unzulänglichkkeiten, kleine Macken, Spleens oder Marotten - dann erleichterst du dem Leser den Zugang zur Figur. Aber nicht übertreiben bitte, das wird dann eine Karrikatur!

Und dann die Namen! Selten habe ich so profane, nichtssagende Namen in einer Geschichte gelesen. Du wirst den Identifizierungswert einer Figur nicht erhöhen, wenn du ihn Peter oder Dirk nennst. Wie wärs mit Alfons, vielleicht Gregorius oder Gregor? Man sagt mit einem Namen über eine Figur eben doch eine ganze Menge aus. Und wenn du einem Charakter eben einen 08/15-Namen gibst, zeigst du, dass die Figur eine ebensolche ist.

Noch 'n büschen Kladderadatsch:

Der erste Absatz wirkt ein wenig geschludert. Wortwiederholungen in fast jeder Zeile lassen den Leser immer wieder hängenbleiben. Vielleicht gehst du noch mal drüber.
(Einige Wortwiederholungen ziehen sich aber durch den ganzen Text)

Einige Male ist mir folgendes aufgefallen:

Er hob sein Gewehr und zielte. Und dann drückte er ab.

Ich weiß schon, weshalb du dieses Und am Satzanfang stellst. Du hast in mir einen glühenden Mitstreiter beim Aufbrechen von Schreib- und Lesegewohnheiten. Aber ich bin mir nicht sicher, ob gerade dieses Und nicht ein wenig affektiert ist. Denn ohne liest sich der Abschnitt auch gut.

An einer Stelle habe ich mir notiert, dass die Sätze teilweise aneinandergereiht wirken, ohne inneren Zusammenhalt. Ich denke, manchmal übertreibst du ein wenig mit den Schnörkeln, aber das ist extrem subjektiv.

das ausgeschlachtete Skelett eines Lieferwagens rostete...

Hi hi, keiner was gemerkt, was?
Natürlich muss es heißen: das Skelett eines ausgeschlachteten Lieferwagens.

Nun, ich fand wieder einmal die Story zum Anfang besser als gegen Ende. Als alles noch in der Vage war, noch keine rechte Richtung zu erkennen. Als du dich entschieden hast, flacht der Text m.M.nach ab.

Viele Grüße von hier!

P.S. Ich hoffe, du verstehst meine Kritik richtig, nämlich als Hinweis und Hilfestellung und nicht als Verriss. Wenn ich mich (wieder mal) schulmeisterlich angehört haben sollte, so bitte ich das zu entschuldigen. :cool:

 

Hidiho Hanniball!

Ja, ich sollte dieses Ding wirklich überarbeiten. Ich sitze auch schon dran, aber ich hab erst ein paar Dinge neu geschrieben... mal sehen, was sich noch machen lässt.
Gänzlich neu schreiben werde ich sie nicht, das schon mal vorweg. Dazu fehlt mir bisher die Lust. Nicht falsch verstehen, ich mag diese Geschichte schon (zumal ich eigentlich nie, wirklich NIE eine Polizistengeschichte schreiben wollte, dann habe ich es doch getan und: naja.), aber ich will mich mal mehr auf die Dinge konzentrieren, die ich sonst noch kann...

Hat mir gefallen, die Art, den Leser zu fordern. Das kenne ich auch schon aus deiner Hölle-Geschichte. Mach weiter so, das ist manchmal richtig spannend!
Naja, ich gebe mir ja auch Mühe... :D

Doch sie ist schwammig, klischeehaft, millionenfach gebraucht und die Figur erscheint nicht weniger fassbar als vorher.
Ist was Wahres dran... was sehr Wahres.
Werde ich mir für die Zukunft merken.
Nur: das mit den Namen kann und will ich so nicht nachvollziehen. Tut mir leid. Es sind schlichte, normale Namen, und wenn du sie hier "profan" und "nichtssagend" nennst, dann tust du all den Dirks und Peters dieser Welt unrecht... :D
Ich verstehe durchaus, auf was du hinauswillst. Aber macht es ein Gregor wirklich besser? Oder ein Alfons? Ich finde: Nein.

Ich hoffe, du verstehst meine Kritik richtig, nämlich als Hinweis und Hilfestellung und nicht als Verriss.
Ich verstehe ja jede Kritik so, auch deine.

Und Danke fürs Lesen und kritiseren trotz der knappen Zeit.

In diesem Sinne
c

 

Morgen!

Nichts gegen die Dirks und Peters dieser Welt, aber es sind einfach zu viele! Man kann sie sich so schlecht merken. :D

Grüße!

 

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