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Scherben

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03.04.2003
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Scherben

Als er gegangen war, ließ er die Scherben meines Lebens zurück.
Noch heute durchbohren Splitter meine Solen.

Ich sitze am Fenster und schaue in die Dunkelheit.
Es herrscht eine seltsame Atmosphäre im Haus. Marc ist gegangen.
Ich fasse es immer noch nicht und eine einsame Träne kreuzt meinen Wangenknochen.

Die Wolken ziehen und der Mond blendet mein Gesicht.
Er strahlt, genau wie Marcs Augen, denke ich.

Vor sieben Stunden war mein Leben noch in Ordnung. Es war nicht schön, aber immerhin in Ordnung.
Dann traf ich ihn wieder, er saß da, als wartete er nur auf mich. Seine Hände streichelten sanft über den Rücken. Er spürte jede Rippe und ich merkte, wie er mich besorgt musterte.
Du bist sehr dünn geworden, sagte er.
Dann gingen wir ein Stück. Ich glaube, es machte ihm Spaß, mich zum erröten zu bringen. Dies passierte immer schnell. Er musste sich nur vor mich stellen und mir in die Augen gucken, oder sich zu mir hinunter lehnen, um mir etwas ins Ohr zu flüstern.
Auch heute machte er sich wieder diesen Spaß und ich genoss seine Nähe.
Marc hat eine Freundin. Deshalb habe ich nie etwas wegen meinen Gefühlen für ihn unternommen. Doch heute schien er mir Hoffnungen zu machen.
Ich habe gedacht, heute blamiere ich mich nicht. Heute sage ich ihm alles.
„Ich liebe dich“ – das ist doch leicht gesagt!
Gedankenversunken ging ich neben ihm her, sog seinen Geruch ein. Ich wollte ihn eigentlich nicht mehr sehen, nie wieder. Doch er hat mich verzaubert. Jeder Moment mit ihm ist lebenswert.
Als ich aufschaute, bemerkte ich, dass wir bei meinem Haus angekommen waren. Ich hatte nicht bemerkt, dass er mich darauf zugesteuert hatte.
Er stellte sich dicht vor mich und schaute auf mich herab.
Wie kann man nur so unbeschreiblich riechen?
Endlich traute ich mich, ihm in die Augen zu sehen. Mein Magen drehte sich, als ich in seine klaren blauen Augen starrte.
Ich, …willst du mit reinkommen? Bleib ein bisschen bei mir, bat ich ihn.
Seine Augen sahen auf einmal traurig aus.
Nein, lieber nicht, sagte Marc und hielt mir die Hand hin.
Tschüß Kleine, mach’s gut., sagte er und lächelte erschöpft.

Nachdenklich schloss ich die Tür hinter mir zu.
Als ich später die Tageszeitung las, fiel mein Blick auf eine Anzeige:


Willkommen im Eheleben, Marc und Stefanie


Er hatte seine Freundin geheiratet. Vielleicht wusste er nicht, wie viel ich für ihn empfand, er wollte es nicht wahrhaben, –
oder es war ihm egal.

Ich nehme eine Scherbe meines Lebens in meine Hand. Sie ist sehr scharf und ich schaue sie lange an, unsicher, was ich mit ihr anfangen soll…

 

He Wiebke!
Dass ich mich freue, wieder mal eine Geschichte von dir zu lesen, weisst du ja bereits :). Und ich habe "Scherben" gerne gelesen, es hat einige Unregelmässigkeiten drin, manches ist ein wenig unglücklich ausgedrückt. Aber die verpassten Chancen, die Stimmung - schön geschildert.

Der Anfang und der Schluss sind am besten gelungen, meiner Meinung. Dem Text selbst hättest du die Splitter auch etwas intensiver einweben können, so bleibt es für mich eher am Rande, obwohl es ein tolles Bild ist.

Ich fasse es immer noch nicht und eine einsame Träne kreuzt meinen Wangenknochen.
Wangenknochen tönt so analytisch und passt meiner Meinung nach nicht so recht.

Ich hatte nicht bemerkt, dass er mich darauf zugesteuert hatte.
Das "mich" würde ich weglassen.

Mir hat "Scherben" gefallen, super, dass du wieder da bist! Dem Mittelteil fehlt ein wenig der Zauber, der sonst deine Geschichten umgibt. Ich glaube, wenn du die Scherben mehr einflechten würdest, wäre dein Text noch schöner.

Lieber Gruss,
Manuela

 

Hi Wibib,

auch ich finde, eine sehr gefühlvolle Geschichte.
Ich glaube, dass Marc schon seine kleine Freundin sehr lieb hatte.
Doch schien es nicht gereicht zu haben.
Unerfüllte Liebe tut sehr weh.
Und Liebeskummer formuliert oft die romantichsten Sätze und Gedanken. :)

Ein Satz ist nicht so schön: Deshalb habe ich nie etwas wegen meinen Gefühlen unternommen.
Hört sich ungelenk an.

Als ich aufschaute, bemerkte ich ...
Ich hatte nicht bemerkt ... (Wortwiederholung)

Deine kleine Geschichte hat mir sehr gut gefallen.

liebe Grüße, coleratio

 

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