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Schnittstellen

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08.08.2002
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Schnittstellen

Draußen fährt die Straßenbahn vorbei. Dann wird es wieder still im Raum. Einzig das Pendel der Uhr ist in Bewegung. Die Wände starren sie an und schweigen. Sie stellt die Beine nebeneinander, streicht den grauen Rock glatt. In aufrechter, disziplinierter Körperhaltung sitzt sie am Esstisch im Wohnzimmer. Ab und zu seufzt sie und versteckt diesen kummervollen Laut tunlichst hinter einem gekünstelten Hüsteln, einem Räuspern wider die Schwäche. Sie legt die Hände in den Schoß, schaut zu wie sie sich berühren. Die Zeit tropft in die Einsamkeit, welche sie gern Unabhängigkeit nennt.

Sie steht auf, geht ans Fenster. Die Vorhänge sind vergilbt. Ihr einstiges Weiß ist längst von der Patina der Vergänglichkeit überzogen. Sie überprüft mit kontrollierendem Blick den Abstand der Falten. Ordnung ist ihr wichtig, gibt ihr Sicherheit. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite spricht die Frau aus dem zweiten Stock mit einem Jungen. Warum sie bloß immerzu lächelt? Und der kleine bunte Hut den sie trägt, einfach grotesk. Frau Lampert schüttelt den Kopf und fischt einen verirrten Faden aus dem Vorhanggewebe. Sie selbst geht nicht gerne nach draußen, fühlt sich freier in der Enge des Raumes. Der Junge kommt nun, gefolgt von der lächelnden Frau, über die Straße. Seine braune Haut will irgendwie nicht zu dem nassen Novemberwetter passen. Er gehört wohl zu der schwangeren Flüchtlingsfrau welche letzten Monat die Mansardenwohnung bezogen hat. Einst lebten in diesem Haus nur Familien aus besseren Kreisen. Die Zeiten ändern sich.

Sie wendet sich vom Fenster ab und blickt sich um. Die Möbel sind aus dunklem Holz. Der wuchtige Sekretär ist blank poliert und nimmt einen Großteil des Zimmers ein. Eine graue Schreibunterlage aus Filz beherbergt der Größe nach sortiertes Schreibgerät. Ein dicker Teppich schluckt jeden Laut. Frau Lampert geht hinüber zum Kamin. Er ist kalt. Das auf dem Sims stehende Bild ihres verstorbenen Mannes erscheint ihr verschoben. Sie wischt mit einer hundertfach erprobten Handbewegung über den Bilderrahmen. Als könnte sie damit die Erinnerung an seine unzähligen Affären und sein ausschweifendes Leben, von dem sie stets ausgeschlossen war, wegwischen. Sie stellt das Bild zurück an seinen Platz, rechts an der Ecke, wo die Schatten am längsten sind. Er hatte es sich leicht gemacht, ist einfach eines Nachts an Herzversagen gestorben. Wie lange ist das nun her, 31 Jahre? Jung war sie damals und hatte gefroren in ihrem einzigen schwarzen Kleid und dem dünnen Jäckchen. Aber sie hatte es sich nicht anmerken lassen. Keiner sollte sehen, dass ihre Zähne aneinander schlugen vor Kälte, vor Angst. Sie verkaufte die Druckerei die er betrieben hatte, weit unter Wert, aber zusammen mit der Witwenpension fand sie ihr Auskommen und zog sich völlig zurück. Sie brauchte damals niemanden und so ist es geblieben.

Was für ein Radau dort draußen auf dem Gang. Sie besteht auf überschaubare Richtlinien. Eine davon besagt, dass sonntags Mittagsruhe zu herrschen hat. Wieder streicht sie den Rock glatt, setzt sich auf den Stuhl und konzentriert sich auf das Ticken der Uhr. Sie rückt ihre ohnedies korrekt sitzende schwarze Brille zurecht. Das Poltern und Klopfen an der Tür beunruhigt sie. Sie bekommt keinen Besuch, nie. Das Klopfen wird eindringlicher. Sie öffnet die Tür. Draußen steht eine schwarze, schwitzende Frau mit blassen Lippen. Ihre hochgewachsene Gestalt und ihr fülliger Leib ist in Unmengen orange und gelbfarbener Stoffbahnen gewickelt. Um ihre Oberschenkel ist der Stoff nass, klebt am Körper. „Baby“, flüstert sie mit rauer Stimme. „Baby“. Frau Lampert versteht nicht, will nicht verstehen. Sie ist angewidert von der Grelle der Farben und dem Schweiß. „Baby“ wiederholt die Frau. Hinter dem buntumhüllten Körper macht sich die Frau aus dem zweiten Stock bemerkbar. Resulut schiebt sie die junge Frau in die Wohnung. "Sie schafft es nicht mehr hinauf in die Mansarde", sagt sie zu Frau Lampert und führt die Schwangere durch die offenstehende Schlafzimmertür. Von der alten Dame gestützt legt sie sich auf das Bett und krümmt sich unter Schmerzen.

Jetzt hat Frau Lampert begriffen. Empört geht sie auf die bunte Frau zu und versucht sie aus dem Bett zu zerren. „Sind sie übergeschnappt? Verlassen sie sofort meine Wohnung! Am besten gleich das Land, den Kontinent, sie impertinente Person“. Ihre Lippen sind zusammengepresst und dünn wie ein Strich. Es scheint ihr unmöglich, was da passiert. „Mein Gott, sie wollen doch wohl nicht jetzt ein Kind bekommen – in meiner weißen Wäsche? Das geht nicht", gemahnt Frau Lampert mit schrillem Ton. Sie fühlt sich völlig überrumpelt und ihr Körper gibt erstmals seit Jahrzehnten eine Handbreit seiner starren Haltung auf. Beinahe hilflos blickt sie zu der Frau aus dem zweiten Stock. Doch diese nimmt ihre Einwände überhaupt nicht zur Kenntnis. „Haben sie Telefon?" , fragt sie stattdessen. Mit einer unwlligen Geste deutet Frau Lampert auf den Apparat. Nach einem kurzen Gespräch krempelt sich die Frau aus dem zweiten Stock die Ärmel hoch. „Holen sie Handtücher, heißes Wasser. Na los doch, stehen sie nicht wie angewurzelt da. Da hat es jemand schon sehr eilig.“ fordert sie Frau Lampert auf, die nun ihrem Blick folgt. Zwischen den muskulösen Beinen der jungen Frau ist ein dunkler Fleck sichtbar geworden, pelzig und verschmiert. Übelkeit steigt in Frau Lampert hoch. Sie verlässt das Zimmer.

„Jaja, ist ja alles gut.“ Mit dem Zipfel der Decke wischt die lächelnde Frau der Gebärenden den Schweiß von der Stirn und nimmt sie leise summend in den Arm. Die junge Frau schließt die Augen und gibt sich dem Singsang der alten Frau hin, lässt sich in die weiche Umarmung und auf die Erinnerungen ihrer Kindheit fallen. Sie sieht ihre Eltern wie sie das Land bestellen. Der Boden zu ihren Füßen trocknet aus. Risse durchziehen das Land. Eine Eidechse verschwindet in einem Spalt. Vater und Mutter zerfallen zu Staub. Ein Schmerz durchfährt sie. Sie blickt durch die brüchigen Reste ihrer Traumbilder hindurch. Vor ihr hantierten zwei betagte Frauen mit aufgelöstem Haar. Ein neuerlicher Schmerz nimmt ihr den Atem, etwas Glattes, Großes entgleitet ihrem Körper, hinterlässt ihren Geist in einer wunden, leeren Hülle.

„Da ist es. Mein Gott“, flüstert die Frau aus dem zweiten Stock. Ihr Lächeln ist einer angespannten Konzentration gewichen. Mit einem Aufbäumen ihres Körpers ermöglicht die schwarze Frau dem Kind die Enge des Leibes zu überwinden. Kraftvoll quillt es aus dem Schoß hervor, schreit anklagend gegen die schweigenden Wände. Frau Lampert beginnt zu zittern. Sie ist nicht gewappnet gegen dieses Ausmaß von Leben. Sie ringt um Luft, dann bricht völlig unvermittelt, mit einem lauten trockenen Schluchzer, ein jahrzehntelang aufgestauter Tränenstrom aus ihr hervor. Die Frau aus dem zweiten Stock kann sich nicht um sie kümmern. Schnell bindet sie die Nabelschnur ab, setzt einen mutigen Schnitt. Sie legt das kleine Mädchen seiner Mutter an die Brust. Dann sieht sie sich nach Frau Lampert um, die aufrecht und hölzern am Bettrand sitzt und mit zittrigen Händen ihren grauen Rock glattstreicht. Von der Straße her ist die Sirene eines Krankenwagens vernehmbar.

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Die Zeit tropft in die Einsamkeit, welche sie gern Unabhängigkeit nennt. Frau Lampert steht auf, geht ans Fenster. Die Vorhänge sind vergilbt. Ihr einstiges Weiß ist längst von der Patina der Vergänglichkeit überzogen. Sie überprüft mit kontrollierendem Blick den Abstand der Falten. Ordnung ist ihr wichtig, gibt ihr ein Gefühl von Sicherheit.

Sie blickt durch den Raum, hinüber zu dem großen Schreibtisch. Sie geht hin und berührt wie abwesend die Stifte und Schreibfedern. Sie nimmt eine davon und rollt sie ein wenig von den anderen ab und wieder zurück. Dann dreht sie einen der Bleistifte quer zu den anderen und legt ihn wieder zurück. Sie öffnet langsam die große Lade unter der Schreibfläche. Mit einer langsamen, überlegten Bewegung streicht sie alle Schreibutensilien hinein. Dann nimmt sie ihren Mantel vom Haken und geht sich einen roten Hut kaufen.

 

Wortgewaltig und spannend. Alleine als ich "Die Zeit tropft in die Einsamkeit" las war ich gefesselt und lechzte nach mehr;)
Aber dieses platte aufgebrühte Klischee : "schwarz-> aus'm Urwald unbedarft und Unschuldig" Autsch!
Erstmal ist mir ja klar das du auf diese gewisse Unschuld bzw. vermeintlich Unschuld gepaart mit dem Zauber der Fremde hinaus willst, aber: Autsch!
Das ist dir indem du in diese Klischeehaftigkeit gerutscht bist meiner ansicht nach böse misslungen
Vielleicht überarbeitest du das ganze ja noch:)
Nice

 

Servus Nice!

Ja überarbeiten sollte ich sie. War auch mehr ein Versuch nach langer Zeit was überhaupt kommt :D
Seltsamerweise wollte ich eigentlich auf das Thema das du darin angestrebt siehst überhaupt gar net hinaus, nicht mal entfernt. Ein Zeichen mehr, dass ich auf einer unkontrollierten Bahn unterwegs war beim Schreiben. Primär geht es mir eigentlich um Frau Lampert, die Konfrontation mit Lebendigkeit. Dazu ist mir aber die Gedankenschau der werdenden Mutter viel zu lang ausgefallen. Werd mich nochmals drüber machen. Deine Kritik hat mir geholfen.

Lieben Gruß, Eva

 

liebe schnee.eule!

sprachlich schön udn gelungen.

Primär geht es mir eigentlich um Frau Lampert, die Konfrontation mit Lebendigkeit. Dazu ist mir aber die Gedankenschau der werdenden Mutter viel zu lang ausgefallen.
Frau Lampert ist gut charakterisiert und die Konfrontation ist dir ebenfalls gut gelungen. Aber nice hat recht, inhaltich ist der Text noch nicht perfekt. Die ganze Situation erscheint mir etwas grotesk ...
Der Schluss gefällt mri gut - sie beschließt aus der Enge auszubrechen, "Sichrheit" gegen wenigstens etwas Leben und Farben zu tauschen.
An einer Stelle hast Du Frau Lampert "Frau A" getauft. ;)

liebe Grüße - Anne

 

Hallo Eva,
auch mir hat deine Geschichte gut gefallen. Besonders der Titel mit seiner Doppelbedeutung. Zum einen wird durch einen Schnitt das Baby von seiner Nahrungsquelle abgetrennt und muss nun eigenständig leben, und zum anderen bedeutet diese Szene eine Schnittstelle im Leben von Frau Lambert, die nun endlich aus ihrem bisher recht eintönigen und eingefahrenen Leben ausbrechen kann.
Die Gedankenrückblende der schwarzen Frau könntest du auch meiner Meinung nach etwas kürzen.

"Die Zeit tropft. Dringt in die Einsamkeit vor welche sie gern Unabhängigkeit nennt. "
Ein starkter Satz! Würde nach vor ein Komma setzen.

LG
Blanca :)

 

"Primär geht es mir eigentlich um Frau Lampert, die Konfrontation mit Lebendigkeit."

Das war mir eigentlich auch klar, ich wollte mit:
"Erstmal ist mir ja klar das du auf diese gewisse Unschuld bzw. vermeintlich Unschuld gepaart mit dem Zauber der Fremde hinaus willst"

darauf hinaus;), dass diese "Fremde"(im Sinne von Raum), gepaart mit der Geburt im Treppenhaus (ist ja schon etwas was einen durcheinander bringt weil nicht alltäglich)durchaus ein gut angebrachtes Mittel ist um Frau Lampert aus ihrer tristen Eintönnigkeit/Sicherheit zu reißen , halt bitte nur ohne: "sie hörte Buschtrommeln und in ihrem Dorf hatte man von Politik noch nie gehört"
Ich hoffe du kannst nachvollziehen worauf ich hinaus will?
Ich hätte halt alles schreiben sollen was mir durch den Kopf ging *nachausredensuch*;)
Gelobe aber besserung:)
Nice

 

Servus Anne!

Frau A. ist bereits korr., wie der ganze Text nun verändert wurde. Die werdende Mutter verirrt sich nicht mehr in Bürgerkriegsszenarien, die Frau aus dem 2. Stock ist von Anbeginn dabei. Ich denke, dass dies die Situation weniger grotesk erscheinen lässt. Du wärst nicht Anne, würde dir die Wende zum zart Positiven am Ende nicht gefallen :)

Lieben Gruß an dich, Eva

Liebe Blanca!

Fein, dass du dir Zeit für den doch längeren Text genommen hast. Was mich besonders freut ist, dass dir bewusst wurde, dass der Titel mehrfach interpretierbar ist. Wie schon zu Maus gesagt, ich hab einiges umgeschrieben und glaube, damit die bildhafte Nebengeschichte der Frau dadurch etwas hintanzuhalten. Frau Lampert tritt dadurch auch mehr in den Vordergrund.

Herzlichen Gruß an dich, Eva

Servus Lukas!

Es freut mich sehr, dass du die exakteren Satzaufbauten gut findest. Sie waren ja auch mein Herzstück. Das andere waren Passagen die schon ein bisserl den abendlichen Schlendrian zuließen und wo ich gleich ganze Bildreisen nach Afrika unternahm. Das habe ich jetzt stark gekürzt und verändert.

Lieben Gruß an dich, Eva

Liebe/r Nice!

Mit den Buschtrommeln und der nicht begriffenen Politik hast du mir gut rübergebracht, was du meintest und wie gesagt, hast ja recht damit. Da geht mir manchmal quasi „die Illustration mit der Schrift durch“. Die Trommeln schweigen nun, die Politik ist ganz Afrika verständlich geworden und meine Geschichte hoffentlich auch klarer. :D

Danke für deine hilfreichen Kommentare, Gruß an dich, Eva

 

Hallo schnee.eule,

noch mal ich. :)

Ich kenne ja nur die überarbeite Version. Die hat mir ausgesprochen gut gefallen. Inssofern sind meine Anmerkungen auch nur Vorschläge für den Feinschliff. :)
Frau Lampert ist dir in der Charakterisierung ausgezeichnet gelungen. Den sich schließenden Kreis der Geschichte, der gleichzeitig ein schin öffnender Kreislauf für Frau Lampert ist, fand ich auch sehr gelungen.

Die Vorhänge sind vergilbt. Ihr einstiges Weiß ist längst von der Patina der Vergänglichkeit überzogen.
Das empfinde ich als doppeltgemoppelt. Vorschlag:
Das einstige Weiß der Vorhänge ist längst von der Patina der Vergänglichkeit überzogen.
Das auf dem Sims stehende Bild ihres verstorbenen Mannes erscheint ihr verschoben
"verstorbenen" könntest du für men Gefühl ruhig streichen. Ich finde, die Witwe sprint schon aus der übrigen Beschreibung deiner Protagonistin. Außerdem beschreibst du ja auch zwei bis drei Sätze später, wie er gestorben ist.
Als könnte sie damit die Erinnerung an seine unzähligen Affären und sein ausschweifendes Leben, von dem sie stets ausgeschlossen war, damit wegwischen.
Ein damit ist zu viel.

So, das war es auch schon.
Eine wirklich schöne Geschichte, die in gewisser Weise ja sogar einen Kreis zu "Tod in Schwarz und Gold" bildet.

Einen lieben Gruß, sim

 

Servus Sim!

Danke fürs Reinlesen. Es sind gute Punkte in deiner Kritik enthalten und ich werde mich morgen damit auseinandersetzen. Dass dir die Geschichte gefiel, freut mich wirklich sehr. War doch sehr unsicher, wieder Zeichen um Zeichen, Wort um Wort aneinanderzureihen nach der langen Schreibpause. Aber mit ein wenig Fließenlassen wird es sich wieder finden, denk ich. Und es beginnt mir vor allem auch wieder Spaß zu machen, das ist schön.

Lieben Gruß an dich, Eva

 

Hallo Schnee.eule,

wieder eine wunderschöne Geschichte! Mit jeder deiner Geschichten schaffst du es, mich zu fesseln und zum staunen zu bringen.

Das einzige, worüber ich mich bei dieser Geschichte gewundert habe, war, dass Frau Lampert versucht, die Frau vom Bett zu zerren. So viel Tatkraft hätte ich ihr nicht zugetraut. Aber vielleicht wird so eine Frau dann doch energisch, wenn es um ihre weiße Wäsche geht.

Ich habe deine Geschichte sehr gern gelesen. :)

Gruß,
Ellen

 

Servus Ellen!

Es freut mich, wenn du dich von den Geschichten angesprochen fühlst. Das Staunen nicht zu verlieren ist etwas Wunderbares und es ist schön, dass du diese Fähigkeit besitzt.

Lieben Gruß an dich, Eva

 
Zuletzt bearbeitet:

hej schnee eule...
lang nich mehr gelesen...
zuert mal, die idee ist ganz gut, die ausführung noch nicht... meine anregung:
gib frau lampert einen möglichst verklemmten vornamen... (hermine, oder so...)dann sollten die gardinen blütenweiß sein, vielleicht nur etwas "zerpflegt"(sprich: angejahrt)
dann lass die sache mit der druckerei ihres mannes in ihrer erinnerung passieren... (wie sie beim verkauf spürte, übervorteilt zu werden, wie es ihr aber egal war, weil sie sich dadurch befreien konnte)... dann thematisiere die durch ordnung geprägte welt, die durch kinderlosigkeit und einsames altern aus den fugen gerät.
dann schau auf die dialoge, als die "bunten" einfallen, sie sind zu gestelzt... lass sie helfen, lass während dieses helfens etwas in ihr aufbrechen, sie mit wellen der fragen und des begreifens überfluten... und dann, der rote hut... der ist gut und passend.
Gruß lord

 

Hallo Eule,

mir ist dieselbe Stelle wie Ellen aufgefallen:

Jetzt hat Frau Lampert begriffen. Empört geht sie auf die bunte Frau zu und versucht sie aus dem Bett zu zerren. „Sind sie übergeschnappt? Verlassen sie sofort meine Wohnung!
Ich finde, diese Aufwallung passt nicht zu der Frau. Das ist doch eine ganz Stille, eine graue Maus, die am liebsten spurlos verschwinden würde. So hab ich sie mir zumindest vorgestellt.

Darf ich noch was kritisieren? Ich habe irgendwie das Gefühl, diese Frau schon zu kennen. Sie ist ein wenig klischeehaft, fürchte ich. Vielleicht liegt es daran, dass sie ziemlich einseitig negativ geschildert ist. Kannst du ihr nicht ihrendein klitzekleines positives Merkmal geben, bittebitte?

Kennst du den Film Shrek? Lief vor kurzem im Fernsehen. Shrek ist ein hässlicher Oger, ziemlich mürrisch und abweisend gegen Fremde. Wie deine Frau. Und er glaubt, niemanden zu brauchen, kapselt sich ab. Aber er ist gleichzeitig sympathisch durch seine gutmütigen Anwandlungen und durch seine unerschütterliche Liebe zur Prinzessin Fiona. So ein positiver Zug würde deine Frau gut stehen.

Im Ganzen find ich deine Geschichte ganz ok. (Das soll ein Kompliment sein.) Meine Fernsehzeitschrift würde ihr zwei von drei Sternen geben.

Grüße,
Stefan

 

Hallo Schnee.eule.

Die Geschichte über die unabhängige Frau Lampert hat mir sehr gefallen.

Zum Inhalt:
Himmel nochmal, warum bestraft die Frau sich so, waren meine ersten Gedanken und am Ende war ich froh, dass sie es begriffen hatte.
Viele Menschen suchen in der Einsamkeit Heil von Verletzungen und Kränkungen, die ihnen angetan wurden. Und weil sie nicht mehr verletzt werden wollen, bauen sie sich ihre eigene Welt zurecht, nennen es Unabhängigkeit, in die sie Außenstehende nicht hineinlassen wollen und falls diese es dennoch wagen, zeigen sie mit ihrem Verhalten, dass jene doch unerwünscht sind, egal warum. Ob nun buntes Kleid, schwarze Haut oder bunter Hut, alles wirkt aufdringlich und fremd. Insofern mag die Story ein wenig Klischee beinhalten, als das Leben in Form eines Ausländerbabys und einer buntfarbigen werdenden Mutter unerwartet in die sogenannte Unabhängigkeit eindringt. Aber machmal tut es gut, wenn das pralle Leben dem einsamen Menschen klar macht, dass seine Unabhängigkeit nichts anderes, als ein Tod auf Raten ist. Und das es gut tut, wenn man sich etwas Schönes (z.B ein roter Hut) gönnt. In diesem Zusammenhang fand ich es gut, dass du die Übelkeit der Frau Lampert beim Anblick der nahestehenden Geburt erwähnt hast. Das ist meiner Meinung nach auch ein wichtiger Aspekt, der deutlich macht, dass Frau Lampert unter ihrer Einsamkeit leidet und es ihr in diesem Moment klar wird. Folgerichtig wird sie ihr Leben ändern und das was vorher noch grotesk wahr, wandelt sich und steht für Lebensfreude (roter Hut).

Zum Stil:
Du schilderst den Ablauf wortgewaltig und bildreich. Für meinen Geschmack manchmal zu aufdringlich.

Sie überprüft mit kontrollierendem Blick den Abstand der Falten.
Hier meine ich kannst du nachbessern, weil es sich so doppeltgemoppelt anhört.

Liebe Grüße
Goldne Dame

 

Hallo schnee.eule!
Ja, sprachlich setzt du vielleicht sogar einen Tacken zuviel auf Wortgewalt, aber das ist Anschauungssache. Desweiteren finde ich, dass die Geschichte nioch einmal überarbeitet werden sollte, irgendwie hat der Plot, salopp gesagt, mehr Potenzial, als eine alte Frau zum Hutkaufen zu bringen. Wobei die Idee, das erster und letzten Absatz gleich beginnen in Ordnung ist.
Die Personen solltest du noch ein wenig besser beschreiben - vor allem die "Frau aus dem 2. Stock": Man erfährt nichts von ihr, außer, dass sie alt ist, sie schwebt so in der Geschichte umher, ohne Körper. Verpass der "schwarzen Frau" eventuell noch ein Gesicht oder eine Frisur.
Und warum ist die Hauptperson so ordnungsfixiert? Warum lebt sie so zurückgezogen? Wenigsten in einem Satz könntest du das andeuten.
Ach ja, und die Geburt geht dann doch sehr schnell. Etwas "großes, glattes" raus und schwupp! Fertig.
Desweiteren stehst du auf Kriegsfuss mit Kommata:

Der Junge kommt nun gefolgt von der lächelnden Frau über die Straße.

Er gehört wohl zu der schwangeren Flüchtlingsfrau welche letzten Monat die Mansardenwohnung bezogen hat.

Sie verkaufte die Druckerei die er betrieben hatte weit unter Wert,

„Baby“ flüstert sie mit rauer Stimme „Baby“. „Baby“ wiederholt die Frau.

Mehr Ausrufezeichen wären auch nicht schlecht, der Text ist trotz der inhaltlichen Aktion recht statisch.

Was für ein Radau dort draußen auf dem Gang.

„Holen sie Handtücher, heißes Wasser. Na los doch, stehen sie nicht wie angewurzelt da. Da hat es jemand schon sehr eilig.“

Als könnte sie damit die Erinnerung an seine unzähligen Affären und sein ausschweifendes Leben, von dem sie stets ausgeschlossen war, damit wegwischen.

Ein "damit" zuviel.

lässt sich in die weiche Umarmung und auf die Erinnerungen ihrer Kindheit fallen.
Warum lässt man sich "in" eine Umarmung, aber "auf" eine Erinnerung fallen?

Hoffe, das hilft dir weiter.
Liebe Grüße,
...para

 
Zuletzt bearbeitet:

Servus Lord!

Fein, auch von dir zu „lesen“ – :D
Die Person der Frau Lampert betreffend, kann ich deinen Wünschen leider nicht entgegenkommen. Sie hat einen normalen Namen weil sie in ihrem Sinn völlig normal ist. Sie ist auch nicht Geschäftemachern in die Hände gefallen. In meinem Kopf wollte sie nur alles was sie mit dem Außen verbindet schnell abschütteln, selbst mit Wertverlust. Und die Geburt erweckt in ihr keinen Helferinstinkt, sie hat ihn nie entwickelt, war immer nur auf Rückzug bedacht.
Lieben Gruß an dich, Eva

Servus Stefan!

Und ich dachte ich hab immer einen Drang zum Guten – du bettelst gar um ein bisschen Liebevolles im Herzchen meiner Prot., möchtest das Märchen erleben ;) Sie ist ja nicht bös, sie lebt nur abgeschottet von außen. Sie tut niemandem was, höchstens zynische Gedanken kann man ihr unterstellen, ansonst teilt sie nicht aus, empfindet aber, vielleicht gerade deshalb, alles was auf sie zukommt als Zumutung. Und da trau ich ihr schon eine Portion Wut und Entsetzen zu. Übrigens, ein Hoch auf deine Fernsehzeitung !
Lieben Gruß an dich, Eva

Liebe Goldene Dame!

Mich spricht sehr an, was du aus dem Inhalt herausgelesen hast. Das ist eine von vielen Art das Leben zu bewältigen. Dass die Sprache aufdringlich erscheint ist manchmal schon ein Urteil gewesen bei meinen Geschichten. Ich weiß nicht ob sich das je ändert, dachte mich hier bereits davon recht weit entfernt zu haben. Aber dem scheint nicht so zu sein. Die Frau aus dem 2. Stock würde ich gerne nur skizziert sehen, so als eine Möglichkeit neben dem Lebensprinzip Frau Lamberts.Jedenfalls vielen Dank für deine positiven Worte, hab mich sehr drüber gefreut.
Herzlichen Gruß, Eva


Hallo Para !

Dein Finger in meinem Satzzeichenherz hat die schmerzlichste Stelle getroffen. :)
Ich beherrsche die wahrscheinlich nie.
Ausrufungszeichen sind ein Argument – da denk ich gar nicht dran beim Schreiben, danke!
Dass es mehr Potential in der Story gäbe, sie ausbaufähiger wäre etc. – das stimmt. Nur würde sie viel zu lange werden. In die Arme und auf die Erinnerungen ? – hast recht, danke.
Lieben Gruß an dich, Eva

Servus Illu!

Du hast ziemlich exakt hingeschaut was die Geschichte aussagt. Die Frau Lampert dient ja unbewusst auch zum Aufzeigen für Bewegungen unserer Gesellschaft. Oft leben die Menschen mit ihren Gedanken hinter vorgezogenen Gardinen ohne mit dem Gegenüber in Kontakt zu treten und wenn dann um auszugrenzen und auf Rechte zu pochen. Dadurch wird die eigene Lebensanschauung sehr leicht einbetoniert, das Wachsen verhindert, wie bei einem Bonsaibäumchen. Deine positive Kritik hat mich ehrlich gefreut.
Vielen Dank und lieben Gruß an dich, Eva

 

hmmm, gut... aber wenn man den/die prot, "nur" als "frau lampert" liest, ist das m.e. doppelter distanzaufbau... es war eher eine beschreibung dessen, was geschieht,. keine erzählung in die man hineinschlüpfen kann und hinterher den allseits so beliebten "aha-effekt" in sich spürt... das meinte ich auch mit den gestelzt wirkenden worten (z.b. bleiben sie doch nicht wie angewurzelt stehen...) sowas würde keiner in so einer brandeiligen situation zu einem anderen sagen... verstehst du was ich meine...??? tipp: lies die geschichte mal jemandem laut vor... das hilft beim entdecken vieler fehler... da spürt man genau, wo´s klemmt, oder holpert.
mfg. Lord

 

Liebe Eva!

Nachträglich alles Gute zum Geburtstag! :anstoss: :)

Die Geschichte gefällt mir ausgesprochen gut – ich finde es absolut gekonnt, wie Du das Leben zu Frau Lampert in die Wohnung kommen läßt und ihr Erwachen mit dem Durchtrennen der Nabelschnur kombinierst. :thumbsup:

Was soll ich da noch sagen, außer ein paar kleine Anmerkungen anbringen? ;)

Das einzige, was mir stilistisch nicht so gefallen hat, sind die ersten beiden Sätze, bzw. vielmehr die Formulierung, daß die Straßenbahn am Haus vorbeifährt – das erzeugt bei mir ein Bild einer Außenansicht des Hauses, erst danach komm ich drauf, daß wir uns eigentlich drinnen befinden. Und da es nur um die Akustik geht, ist es auch irgendwie egal, ob sie in der Mitte der Straße oder direkt am Haus vorbeifährt.
»Die Straßenbahn fährt am Haus vorbei. Dann wird es wieder still im Raum.«
Mein Vorschlag wäre: Draußen fährt die Straßenbahn vorbei. Dann wird es wieder still. Einzig das Pendel … (»im Raum« wird durch „Draußen“ und die Uhr automatisch klar)

»fischt einen verirrten Faden aus dem Vorhangsgewebe.«
– Vorhanggewebe (ohne s)

»Der Junge kommt nun gefolgt von der lächelnden Frau über die Straße.«
– würde »gefolgt von der lächelnden Frau« zwischen zwei Beistriche setzen

»Sie wendet sich vom Fenster ab und blickt sich um.«
– da würde mir »blickt um sich« besser gefallen, ist aber Geschmacksache

»Sie wischt mit einer hundertfach erprobten Handbewegung den Bilderrahmen.«
– da fehlt entweder am Ende ein »ab« oder vielleicht ein »über« nach »Handbewegung«?

»Als könnte sie damit die Erinnerung an seine unzähligen Affären und sein ausschweifendes Leben, von dem sie stets ausgeschlossen war, damit wegwischen.«
– zweimal »damit«

»Sie verkaufte die Druckerei die er betrieben hatte weit unter Wert,«
– würde vor und nach »die er betrieben hatte« Beistriche machen

»„Baby“ flüstert sie mit rauer Stimme „Baby“.«
– „Baby“, flüstert sie mit rauer Stimme. „Baby.“

»„Baby“ wiederholt die Frau.«
– „Baby“, wiederholt

»die Frau aus dem 2. Stock«
– wäre schöner ausgeschrieben: aus dem zweiten Stock

»"Sie schafft es nicht mehr hinauf in die Mansarde" sagt sie zu Frau Lambert«
– Mansarde“, sagt

»Es scheint ihr unmöglich was da passiert.«
– unmöglich, was

»Das geht nicht" gemahnt Frau Lampert«
– nicht“, gemahnt

»Sie fühlt sich völlig überrumpelt und ihr Körper gibt erstmals seit Jahrzehnten«
– fände »zum ersten Mal« schöner

»„Haben sie Telefon?" fragt sie stattdessen.«
– Telefon?“, fragt

»„Da ist es. Mein Gott“ flüstert die Frau aus dem zweiten Stock.«
– Gott“, flüstert


Hab die Geschichte gern gelesen,

alles Liebe,
Susi :)

 

Hallo eva, ich habe mir erlaubt, eine deiner älteren geschichten auszugraben. Es hat sich gelohnt!

Ich habe zwar nur die letzte fassung vorliegen und (um ehrlich zu sein) nicht alle texte meiner vorkritiker gelesen. Bitte also nicht böse sein, wenn etwas doppelt kommt!

Ich finde, du hast frau Lampert gut charakterisiert. Die frau, die sich – um inneren verletzungen vorzubeugen – zum einsiedlerdasein verdammt und folglich einsam wird. In einigen punkten hast du m.e. etwas übertrieben:

- „In aufrechter, beherrscht disziplinierter Körperhaltung sitzt sie am Esstisch..“ - das ist mir des guten zuviel! Hast du schon mal versucht, unbeherrscht und trotzdem diszipliniert zu sitzen?

Lässt eine frau, die so sehr auf sauberkeit und korrektheit achtet, die vorhänge „vergilben“? – ich denke NEIN.

Kann eine schreibunterlage aus filz etwas BEHERBERGEN?

- „Sie besteht auf überschaubare Richtlinien. Eine davon besagt, dass sonntags Mittagsruhe herrscht.“ – dass sonntags Mittagsruhe HERRSCHEN SOLL.
- „Jetzt hat Frau Lampert begriffen.“ – ich denke, eine frau hat schon längst begriffen, worum es geht. Aber sie WOLLTE vorher nicht begreifen, wie du ja auch geschrieben hast. So nach dem motto: „so etas gehört sich doch nicht“!

herzliche Grüße
ernst

 

Liebe Susi!

Vielen Dank für dein Reinschauen, allem voran für deine Geburtstagswünsche. Hab mich sehr darüber gefreut. Ich setze mich mit all deinen Punkten in einer Woche auseinander, bis dahin bin ich nicht in Wien.

Einstweilen einen herzlichen Gruß an dich, Eva


Lieber Ernst!

Schön, dass du mich zwischendurch immer wieder entdeckst. Wie schon Susi gesagt bin ich bereits mit einem Fuß aus der Tür. Nächste Woche mehr zu deinen Kritikpunkten.

Alles Liebe inzwischen - Eva

 

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