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Schreiben, wofür?

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01.09.2004
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Schreiben, wofür?

Und Gott sagte zu den Dorfbewohnern: „Ich hau ab! Hier kann ich keinen Blumentopf gewinnen.“ „Ja genau, alter Quatschkopp. Scher´ dich doch zum Teufel.“ Er vernahm kein Sterbenswörtchen des Bedauerns von seitens der Dorfbewohner. Im Gegenteil, einige Jugendliche trauten sich sogar, ihm den Mittelfinger entgegen zu strecken. Gott wusste nicht was er mehr sein sollte. Enttäuscht oder zornig. Vielleicht beides. Auf jeden Fall beides. Er hätte nicht übel Lust eine Handvoll Blitze, in alter Zeusmanier, auf das vermaledeite, unverbesserliche Dorf zu feuern. Aber Rächen durfte er sich ja leider nicht mehr. Ihm waren also die Hände gebunden. Und das machte ihn nur noch zorniger. Zeus, sinnierte er, ja das war noch jemand. Der hatte noch Mumm in den Knochen gehabt. Der hatte aber auch ne ganze Bagage hinter sich. Der musste nicht alles allein machen.
Er sattelte die Hühner und zog von dannen. Irgendwohin, wo ihn niemand stören sollte. Doch tief im Inneren wollte er ein Plätzchen finden, wo er niemanden störte. Er schwadronierte ziellos in der Gegend umher. Keinen Sinn für die blühenden Landschaften, welche er einst erschaffen hatte. Alles für die Katz. Sozusagen Perlen vor die Säue. Wozu hatte er sich in aller Welt bloß die ganzen Farben ausgedacht und seine Liebe zum Detail, wenn es doch keiner mehr zu schätzen wusste.
Da er nicht auf den Weg achtete, hatte er sich auch schon in kurzer Zeit verlaufen. Gott seufzte. Er ließ seinen fetten Hintern auf eine Bank krachen, um zu verschnaufen. So langsam wich der Zorn und Resignation zog triumphierend in sein greises Gemüt ein. „Was soll’s, ich bin überholt. Der Lack ist ab.“ Sagte er zu sich selbst und seine Seele suhlte sich im sagenhaftem Schicksal. Gott merkte in seiner weltzerstörerischen Trauer nicht, wie sich klammheimlich ein unscheinbares Geschöpf neben ihn auf die Bank setzte.
„Tach auch, alter Mann,“ platzte es aus ihm heraus und Gott fiel vor Schreck beinahe von der Bank. „Wohin des Weges an einem solchen überaus vorzüglichen Tag, sodass man glatt Bäume ausreißen könnte?“ Trompetete die Gestalt Gott entgegen.
„Wie heißt du eigentlich? Ich darf dich doch Duzen, oder? Mein Name ist... Ach egal! Namen sind Schall und Rauch, ich bin jedenfalls Schriftsteller. Du wirst irgendwann noch mal ne Menge von mir hören. Und was machst du so? Sag doch auch mal was.“
Gott räusperte sich und sagte schwerfällig: „Nun, ich bin jemand von dem du sicherlich schon was gehört hast, aber in Zukunft nichts mehr von mir hören wirst.“
„Ja was für ein Überfluss der Zufälligkeit!“ Jappste der Mund des Männchens. Wir treffen uns am Wendepunkt unseres Daseins. Wir laufen uns von verschiedenen Orten entgegengesetzt in die Arme, um hier in diesem Moment kurz zu verweilen, damit ich zu deinem und du zu meinem Anfangsort weiterlaufen kann.“ „Wenn der Heini jetzt den Blödsinn mit dem Schicksal bringt, hau ich ihm eine runter.“ Dachte Gott.
„Unsere Existenzen lösen einander ab, jedoch behalten wir trotzdem unsere eigene. Als Entwurf meiner Existenz wähle ich das Prophetendasein. Etwas komplett neues soll es sein. Herrgott ich danke dir für diese Fügung!“ Der Mann stand von der Bank auf und guckte in den Himmel.
„Was soll den der Unfug? Gott ist tot!“ donnerte Gott los, in dem selben Moment seine Worte schon wieder bereuend. „Hat mal n kluger Mann gesagt.“ Schob er schnell nach und war von sich selbst sichtlich irritiert. „Ja hast ja recht. War nur so ne Gewohnheit. Ne Redensart. Ich hab mit dem Typen auch nicht viel am Hut. Im Gegenteil. Weißt du, ebenfalls n kluger Mann hat mal gesagt, er schreibe für Gott um das Volk zu retten.“
„Nett von ihm. Aber ich glaub der war Atheist.“ „Wie auch immer: Ich schreibe fürs Volk, um Gott den Rest zu geben!“ prahlte das Männchen. „Den Rest? Donnerwetter. Das ist nicht viel.“ Sagte Gott in einem leidenswerten Ton. „Ja ganz genau den Rest. Wie abgenagte Knochen, welche man den Hunden zum Fraß vorwirft“.
„Und du meinst, das funktioniert?“ Hakte Gott nach. „Klar doch, meine Zeit ist gekommen. Ich bin bereit!“ „Ja wenn das so ist. Nicht weit von hier ist n kleines Dörfchen mit aufgeschlossenen, überaus freundlichen Menschen. Die sind ganz scharf auf so n Pfundskerl wie dich.“ Bauchkitzelte Gott das Kerlchen. Jenes bekam große Augen, packte seine fünf, sechs Sachen und ließ Gott, ohne ihn zu verabschieden hinter sich.
Gott machte es sich bequem und lehnte sich zurück. Ein breites Lächeln befiel sein zufriedenes Gesicht. Er war halt immer noch der größte. Man merkte es nur nicht. Und das war ebenso gut, oder vielleicht noch besser.

 

Hallo Flip!

Deine Geschichte hat mir gefallen. Die Sprache ist zwar zum Teil sehr flapsig, aber das gibt dem Ganzen wohl auch einen gewissen Kick. Der Schluß läßt, scheint mir, mehrere Interpretationen zu, weshalb Gott nun der Größte ist. Ich bin mir jedenfalls nicht sicher, ob ich es richtig verstanden habe.
Auch wenn Du sagst, 'Rächen durfte er sich ja leider nicht mehr' frage ich mich: Ist Gott auch Zwängen ausgesetzt und wer setzt diese Zwänge? Gibt es vielleicht noch einen Übergott, der Zeus und die anderen Götter in die Welt gesetzt hat? Überhaupt, ist dieser Gott der Gott eines Dorfes oder aller Dörfer?
Nun ja, einige Fragen tauchen da schon auf, aber ich finde es gut, dass Deine Geschichte diese Fragen bei mir provoziert.

Grüsse

Jo

 

hallo jobär

es freut mich, dass dir meine geschichte gefällt. auch wenn ich natürlich etwas ganz eigenes mit der geschichte im sinn habe, sind natürlich verschiedene interpretationen immer willkommen.
soviel sei gesagt: es geht dabei um eine bestimmte vorstellung davon, was macht ist und wie macht wirkt. in bezug darauf, warum gott immer noch der größte ist, auch wenn viele menschen nichts mehr mit ihm zu tun haben wollen.

gruß flip

 

Hallo Flip,

deine Geschichte hat mir ganz gut gefallen, außerdem findet man unter "Philosophisches" nur selten Geschichten, die auch wirklich welche sind - da gehört deine auf jeden Fall dazu.
Am Anfang fand ich es etwas gewöhnungsbedürftig, Gott mit menschlichen Eigenschaften (Wut, Enttäuschung usw.) zu erleben, aber stellenweise auch schön ironisch und amüsant. Das abgekühlte Verhältnis zur eigenen Schöpfung könnte man fast schon als Blasphemie bezeichnen - geht man von unserem Gottesverständnis aus.
Nach dem Lesen der Geschichte und deines Kommentars an jobär interpretiere ich sie als "Gott wirkt auch, wenn wir ihn nicht erkennen, es ist für viele Menschen nur nicht mehr sichtbar, die Strippen zieht er trotzdem". Andererseits frage ich mich, gerade weil du Gott auf eine einzelne Person beschränkst - wie soll er während er in Form des alten Mannes das Leben des Schriftstellers beeinflusst noch das Leben Milliarden anderer Menschen lenken. Klar passt die Idee, dass Gott sich in unserem Gegenüber äußert, zu unserer Gottesvorstellung, aber ich habe deine Geschichte schon so verstanden, dass du ihn in eine einzige "Kreatur" presst.

Ein paar Fehler sind mir noch aufgefallen:

Er vernahm kein Sterbenswörtchen des Bedauerns von seitens der Dorfbewohner.
von Seiten oder seitens
So langsam wich der Zorn und Resignation zog triumphierend in sein greises Gemüt ein
Ich muss zugeben, es fällt mir schwer, mir triumphierende Resignation vorzustellen ;)
„Ja was für ein Überfluss der Zufälligkeit!“, jappste der Mund des Männchens, "wir treffen uns am Wendepunkt unseres Daseins. Wir laufen uns von verschiedenen Orten entgegengesetzt in die Arme, um hier in diesem Moment kurz zu verweilen, damit ich zu deinem und du zu meinem Anfangsort weiterlaufen kann.“
Das ist mir öfter aufgefallen, dass du nach der wörtlichen Rede groß weiterschreibst.

@jobär: bezüglich der Rache habe ich mich an das christliche bzw. neutestamentliche Gottesbild erinnert gefühlt. Im Alten Testament ist Gott noch der rächende Gott, nach Jesu Geburt nicht mehr, da uns Menschen die Schuld genommen wurde. Ich weiß natürlich nicht, ob Flip das gemeint hat.

Liebe Grüße
Juschi

 

hallo juschi

vielen dank für deinen eintrag und dass du dich mit meiner geschichte auseinander gesetzt hast. es freut mich, dass es für dich das merkmal philiosphisch tragen darf ;)

zum inhalt: der grundton ist natürlich ein ironischer, dass ist richtig. blaspemie? na gut, warum nicht. ;)

meine geschichte sollte ein wenig an nietzsches zarathustra anlehnen. das war so der grundgedanke. nur ist es in diesem falle gott, der nicht verstanden wird. er trifft im mittelteil dann auf einen neuen propheten, der gott den rest geben will (eine umgekehrte anlehnung an sartre)
das der prophet gott ablösen will, ist in einem dialektischen zusammenhang zu sehen. ob dies jedoch gelingt, bleibt ungewiss.
das ende, ist an die foucaultsche pastoralmacht angelehnt. das beste was der kirche (christentum) jemals passieren konnte, war ihre säkularisierung. so konnte sie eine subtilere macht entfalten.
ich wollte nicht zu weit vorgreifen aber, vielleicht (wenn ihr nochmal antworten wollt) gibt es ja noch den ein oder anderen denkanstoß.

das mit dem rächen hast du richtig erkannt. es ist auf das alte bzw. neue testament gemünzt.

gruß
flip

 

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