Hi miteinander!
@ Tserk:
Na ja, meine persönliche Meinung ist: Solange niemand außer den Beteiligten es checkt, und vor allem sollten die das auch wissen, sonst geht gar nichts, ist es in Ordnung.
Einige große Werke der Literatur wären wohl nicht entstanden, wenn sich ihre Schreiber immer an diese Prämisse gehalten hätten! Und einige Biographen würden sich einen anderen Job suchen!
@Elisha:
Ja, mit autobiografischen Details ist es so eine Sache: Vor kurzem wurde ich von jemandem, der "Fort" gelesen hat, in einer PM gefragt, ob mit meinem Freund und mir noch alles in Ordnung sei. Dabei gibt es in meiner Wohnung keine Sessel, Teewagen oder Geier; nur ein Orangen-Öl benutze ich regelmäßig.
Und über die Lieblingsgeschichte meines Partners, der sich einschließlich Eifersucht auf ein Kissen so stimmig dargestellt und endlich verstanden fühlte, wurde mir rückgemeldet, dass Männer so nicht denken.
Jaja, NIEMALS darf man vom Erzähler einer Geschichte auf den Autor selbst rückschliessen, oder doch? Immerhin gibst du ja hier selbst zu, dass du erst eine Geschichte schreiben musstest, damit sich dein Partner "endlich" verstanden fühlte!
@ Dion:
Wir Schreibenden legen mit jeder Geschichte ein Stückchen von uns bloß, selbst wenn wir das nicht wollen - nur wenn man Sachbücher* schreibt, dürfte das anders sein. Das gleiche gilt auch für die Familie, Bekannten, Nachbarn und Arbeitskollegen, d.h. für die ganze Umgebung, in der wir leben oder einmal gelebt haben, denn das alles ist Teil von uns und nicht von uns zu trennen. Unser Leben ist die Quelle unseres Schaffens...
Das ist ganz sicher so, aber was ich eigentlich meinte, ist, dass wir erst dann über etwas schreiben können, wenn wir einen gewissen Abstand dazu gewonnen haben. Und meiner Meinung nach geht das nur, wenn ich meine Gefühle und das, was ich erlebt habe mit einer gewissen "Kälte" betrachten kann. Was auch mit einschließt, dass mir dann persönliche Verletzlichkeiten anderer egal sein müssen.
@ MrPotato
Niemand kann über seine eigene Perspektive hinasuwachsen, auch wenn er es möchte
Ich bin eher der Meinung, dass ich das Schreiben aufgeben sollte, wenn ich nicht über meine Perspektive hinauswachse. Ich muss vom Subjektiven, das sicher eine der wesentlichen Voraussetzungen fürs Schreiben ist, nämlich ganz bei sich zu sein, zu einem Allgemeinen kommen, sonst kann ich mich gar nicht mitteilen. Ich muss meine persönlichen Erfahrungen, die ich gemacht habe, zu einer neuen Welt, zu einem neuen Ganzen machen. Und da wird mir meine persönliche Erfahrung allein nicht genügen. Ich muss es in eine FORM bringen, ich muss einen "Kunstwillen" zeigen. Und ich muss Phantasie haben. Wozu würde ich die brauchen, wenn ich NUR über Persönliches schreiben würde?
Heimito von Doderer bringt das mit dem Zeitbegriff in Verbindung.
Denn was dem erzählerischen Zustand zugrunde liegt, ist nichts geringeres als der Tod einer Sache, nämlich der jeweils in Rede stehenden, die ganz gestorben, voll vergessen und vergangen sein muß, um wiederauferstehen zu können. [...] Die Gegenwart des Schriftstellers ist seine wiedergekehrte Vergangenheit; er ist ein Aug´, dem erst sehenswert erscheint, was spontan in die historische Distanz rückt. [...] Das durch sein Sterben aus der Zeit und ihrem ständig sich verändernden Wandelteppich hinausgeratene Objekt ist immobil und überschaubar geworden. Erst das Überschaubare kann erzählt werden, auch in der ganzen Zahl seiner Einzelheiten, mit aller Ausführlichkeit [...].
Mit einem Wort: Ich muss eine zu erzählende Sache in seiner Ganzheit sehen, aus einem zeitlichen Abstand heraus, sonst kann ich nicht darüber schreiben. In ähnlicher Weise ist wohl auch Schiller zu verstehen, der meint, dass man nicht aus dem Affekt heraus über eben diesen Affekt schreiben kann oder soll.
Vielleicht bin ich jetzt damit ja ein bisserl vom Ausgangspunkt abgewichen...
Danke fürs Antworten und Grüße von
Andrea