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Schuld und Sühne

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25.12.2003
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Schuld und Sühne

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Schuld und Sühne
Leise nahm ich meine Schritte nach vorne und spitzte meine Ohren. Ihre Stimme konnte ich
nicht hören. Ich guckte durch die Bambusrohrgardine, schärfte meinen Blick und führte es in das Wohnzimmer herum.
Sie saß in ihrem schwarzen Kleid unter der leuchtenden Hängelampe. Sie saugte mit ihrem Strohhalm die Himbeereiskugel auf dem Tisch. Es war klar, daß sie es genoß, weil sie ständig ihre Hände zusammen rieb. Es machte mich sehr wütend, daß sie mein Eis aß.
Jetzt war die beste Zeit, ich mußte mich konzentrieren und dann alles rasch erledigen. Ich mußte genau auf sie zielen, ihre Leiche wegwerfen; danach würde ich endlich meine Ruhe haben.
Wieder blickte ich auf sie, wie sie aß. Sie schluckte das Eis hintereinander herunter. Ich wollte sie gerne hinter Eisengittern sehen, nicht hinter Bambusrohren, hinter einer schwedischen Gardine. Sicher konnte ich in dieser Situation genau auf sie zielen. Aber das Eis! Das würde sicher zerdrückt werden. Entweder Eis oder sie! Ich musste mich beeilen. Falls sie aufstehen würde, müßte ich sie mit meinem Blick verfolgen, bis ich wieder eine gute Situation und Gelegenheit fand. Wenn sie merken würde, was ich vor hatte, dann würde sie erschreckt fliehen und sich irgendwo verstecken, vielleicht auch aus dem Haus fliehen. Ich mußte ihre Flucht verhindern, denn ich spürte zu ihr nur Zorn und Hass. Die Fenster des Zimmer waren alle zu, nur die Zimmertür ...
Meine linke Hand griff zur Klinke der Zimmertür hinter mir. Jetzt hatte sie keine Flucht mehr. Zum Glück quietschte das Türscharnier nicht, denn ich hatte es schon am Nachmittag des Tages geölt. Genau zu der Zeit hatte ich gespürt, wie quälend ihre Anwesenheit gespürt.
Vor zwei Tagen war sie in meinem Haus eingedrungen. Zuerst machte sie mir nichts aus, aber dann konnte ich sie langsam nicht mehr aushalten. Bis sie an dem Tag mich zum Teufel gemacht hat.
Sie bummelte die ganze Zeit in meinem Haus herum und summte ein Lied. Sie wiederholte ständig mit einem eintönigen Rhythmus. Nur beim Essen wurde sie leise. Aber an dem Tag hatte sie mich sogar nicht ein bißchen ausruhen lassen, und meinen Nachmittagsschlaf versäumt. Ich war ganz müde von der Arbeit. Dieser Gedanke, daß ich mein Wochenende mit ihr verbringen mußte, machte mich verrückt. Ich wollte sie nicht quälen, denn ich bin ja von Natur aus kein brutaler Mensch. Zuerst hatte ich versucht, sie irgendwie aus dem Haus zu scheuchen. Aber sie ging nicht. War ja auch klar, denn in meinem Haus konnte sie umsonst und kostenlos verschiedene Speisen probieren, das war ja für sie besser anstatt im Müll auf der Straße zu lumpen.
Mir blieb jetzt nur eine Auswahl!
Vorsichtig zog ich die Bambusrohrgardine auf, näherte mich von hinten. Ach! Sie stand auf und summte wieder das dumme Lied. Zum Glück beendete sie das schnell. Sie war an das Buch auf dem Sofa gegangen. Ihre Finger berührten den Titel auf dem Umschlag, Schuld und Sühne. Ich wußte nicht, was für ein Interesse eine Schlampe wie sie an Büchern hatte! Das letzte mal, daß ich das Buch gelesen hatte, war der vorige Abend. Die Stelle, wo Raskolnikov mit einer versteckten Axt in das Haus der Alten eintrat, und endlich mutig sich entschloß, das zu machen, was er wollte. Er hob seine Hand und schlug mit der Axt auf den Kopf der Alten. Weiter konnte ich nicht lesen, weil sie anfing mich zu kitzeln. Ich mußte erfahren, was dann Raskolnikov geschieht. Ich mußte wieder meine Ruhe haben und deshalb mußte ich sie vernichten. Dann konnte ich endlich das Buch weiterlesen. Jetzt aber mußte ich meine Axt an die Wurzeln legen.
Von hinten näherte ich mich an das Sofa. Mein Schatten bedeckte ihre schwarze Gestalt. Sie sah mit ihren grünen Augen den Titel an. Ich drückte den Stiel in meiner rechten Hand, hob sie hoch. Jetzt! Ich mußte richtig zielen. Ein lauter Klatsch war zu hören. Ein kleiner roter Fleck beschmutzte den Titel, "Schuld und Sühne". Ich atmete tief ein. Endlich hatte ich es geschafft. Mit einem boshaften Lächeln sah ich ihren zerdrückten Leib auf den Drahtflächen der Fliegenklappe.
Ende
Lena Bergmann.

 
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Füge nach jedem Satzzeichen bitte ein Leerzeichen ein.

Danke.


Nachtrag:

Na ja, anständiges Korrekturlesen würde dem Text auch nicht schaden.

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