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Schwanengesang

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02.01.2002
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2.441
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Schwanengesang

Großmutter schläft meistens, wenn ich sie besuche. Ihr Gesicht verschwindet fast in dem riesigen Kissen. Bis auf ihre Atemzüge ist es still im Zimmer.

Seit ich sie kenne, ist sie eine alte, kranke Frau. Von meiner Mutter weiß ich, dass das nicht immer so war. Früher erzählte sie mir oft von Großmutters Zeit als Balletttänzerin. Abend für Abend stand sie auf der Bühne, sie gewann Preise und hatte viele Verehrer. In einem ihrer Schränke hängt ihr altes Kostüm. Ich erinnere mich noch genau, wie ich als Kind mit großen Augen vor dem weißen Spitzenstoff stand. Damals glaubte ich, er müsse einer Prinzessin gehören, einer wunderschönen Prinzessin aus einem Märchenland.

Einmal zeigte meine Mutter mir ein Foto. Es wurde nach einer Vorstellung aufgenommen. Großmutter trägt das Prinzessinnenkostüm und hält einen Blumenstrauß. Neben ihr steht ein Tänzer. Nicht das Kleid war es, das mir an diesem Bild so gefiel, auch nicht der Blumenstrauß oder der junge Mann. Es war ihr Lächeln. Ich konnte nicht sagen, was genau es in mir auslöste. Aber ich vergaß es nie.

Manchmal, wenn ich ihre Decke zurechtrücke, lächelt Großmutter im Schlaf. Vielleicht spürt sie meine Gegenwart, vielleicht ist es nur ein Reflex. Wer weiß das schon. Es sind Momente, in denen ein Hauch des Fotolächelns auf ihr Gesicht zurückkehrt.

Mehr als sechzig Jahre sind seit dem Bild vergangen. Doch es ist immer noch etwas da, von diesem Lächeln. Es ist immer noch etwas da.

 

In diesem Fall würd ich sagen zu kurz
Also an sich ganz interesant und kurz ist schick, aber irgendwie fehlt mir was:( weiß leider auch nicht zu sagen was aber hmm irgendwie ist da was noch nicht ganz rund. Ich werde mir das Ganze noch mal genauer ansehen und dir sagen was mich genau stört wenn ich's gefunden habe, so ist diese Kritik ja ein wenig unzufiredenstellend:(
Nice

 

Hallo Ginny!

Mir hat nichts gefehlt. Eine kurze MOmentaufnahme - ich fand sie sehr gelungen. Klar könnte man eine lange Geschichte draus machen. Ist aber nicht nötig. In den wenigen Worten schaffst Du es, dass ich als Leserin mir die Großmutter vorsellen kann, genauso verzaubert bin von der alten Dame wie die Prot selbst. Du baust viel Atmosphäre auf.
Mir hats gefallen.

schöne Grüße
Anne

 

Huhu und danke fürs Kommentieren Euch beiden.

@Maus. Freut mich, dass der Text bei dir genauso an kam wie erwünscht. :-)
@Nice: Hm. Länger sollte der Text eigentlich nicht sein dürfen. Es soll nur der Versuch sein, einen Moment einzufangen.
Allerdings kann natürlich sein, dass die gewählten Worte noch nciht ideal sind und ihn nicht richtig "rund" machen, so dass er bei dir nicht in der erwünschten Intensität rüberkommt. Mal schauen.

Thnx.

Ginny

 

Hallo Ginny!

Ich fand deine Geschichte auch etwas kurz. Man hätte etwas mehr herausholen können, finde ich. Irgendwie lässt sie einen unbefriedigt zurück.
Ich weiß nicht, der Text ist fabelhaft geschrieben, aber er ist zu kurz.
Ich hätte mehr davon lesen können. Die Melancholie wirkt so nicht richtig.

Ist nur eine Meinung.

In diesem Sinne
c

 

Ich weiß nicht, der Text ist fabelhaft geschrieben, aber er ist zu kurz.
Wenn er dir zu kurz vorgekommen ist, kann er nicht fabelhaft geschrieben sein. :D

Damit steht's jetzt 2:1 dafür, dass er zu kurz bzw nicht intensiv genug ist - ergo denk ich darüber nach, das möglicherweise zu verändern.

Danke für's Lesen und Kommentieren.

Ginny

 

Hallo Ginny!

Das ist an sich kein Widerspruch.
Mit fabelhaft geschrieben meinte ich, dass der Schreibstil gut ist, der Text ist aber trotzdem zu kurz.
Das ist etwa so wie bei einem Film: die Special Effects und die Bilder können genial sein, trotzdem kann der Film schlecht sein. (Matrix 2, z.B.)

In diesem Sinne
c

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Ginny-Rose,
ich sorge für den Ausgleich. Ich bin nämlich auch der Meinung, dass die Geschichte nicht länger sein müsste. Sie ist kurz, aber erzählt eine ganze Geschichte, nämlich die einer alten Frau, die heute sehr krank ist, aber einmal eine erfolgreiche und vorallem glückliche Ballettänzerin war. Aber von diesem Glück profitiert sie noch heute, wie man manchmal an ihrem Lächeln erkennen kann. Natürlich hättest du aus diesem Thema auch eine längere Geschichte schreiben können und sie wäre wahrscheinlich auch schön geworden, aber mir gefällt die Geschichte auch so sehr gut.

Gruß,
Ellen

 

Hallo Ginny-Rose,
mir ist noch eine Kleinigkeit aufgefallen. Im vorletzen Absatz ist ein "ich" zu viel.
Liebe Grüße,
Ellen

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Ginny,

für mich war die Geschichte nicht zu kurz. Ich mag deine Momentaufnahmen, die ganze Geschichten erzählen. (Ich kenne eine Malerin, die ihren wild lebendigen Bildern für die Ausstellungen zusammen mit ihrem Mann Namen gibt, die Geschichten wecken. Diese Namen sind für mich mindestens genauso unterhaltsam wie die Bilder.)
Ich hatte Schwierigkeiten mit dem Lächeln der Großmutter. Da hätte ich gerne erfahren, welchen Ausdruck dieses Lächeln für die Prot hat. Stolz? Berauscht? Selig?
Aber da ich anscheinend die Einzige bin, die das vermisst hat, ist das vielleicht auch einfach mein Problem. Vielleicht war mir beim Lesen auch nur meine Vorstellung von Ballett-Tänzerinnen im Weg, die auf mich meistens unglaublich diszipliniert und streng wirken. Ich bilde mir ein, daß man als Tänzerin einfach absolut diszipliniert sein muß, um das harte Training und das Hungern durchzuhalten. Der Glanz und die Schwerelosigkeit auf der Bühne sind hart erkämpft. Vor diesem Hintergrund habe ich mir vorgestellt, daß das Lächeln nach einer Vorstellung vielleicht so etwas wie erschöpfte Erleichterung ausdrücken könnte, oder den Rausch vom Gefühl der Resonanz mit dem Publikum nach langer trockener Arbeit an dem Stück. Das kann vielleicht die Prot alles nicht wissen, weil sie die Großmutter nur krank erlebt hat. Aber vielleicht kann man das auf dem Photo irgendwie sehen. Die lange Krankheit der Großmutter und die Zerbrechlichkeit und Winzigkeit in dem großen Kissen spricht ja vielleicht auch von der Überanstrengung dieses Berufes.

Hmm, ich will dir deine Geschichte nicht totreden. Das täte (hehe) mir leid. Ich finde die Idee vom stillen Leuchten der Erinnerung im Krankenbett sehr schön.

bye
sowieso

 

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